Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der anfragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Prävention der organisierten Verbrechen im Land Brandenburg angeht, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Das ist keine Schwarzmalerei unserer Fraktion, sondern das zeigen die Antworten der Landesregierung auf unsere Anfrage.
Die Antworten geben uns einen weitgehenden Überblick über die organisierte Kriminalität im Land Brandenburg sowie über den Stand der Maßnahmen der Landesregierung zu deren Bekämpfung. Darauf lässt sich aber wenigstens aufbauen. Das wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welchem Ziel die Fraktion der DVU die Große Anfrage gestellt hat. Es geht uns zum einen um die Bekämpfung begangener organisierter Kriminalität und zum anderen um die präventive Eindämmung zukünftiger organisierter Kriminalität.
Unter organisierter Kriminalität verstehen wir nicht jedes beliebige Zusammenwirken von Straftätern, sondern nur solche Organisationsformen, die im In- oder Ausland nach der Art eines gewerbsmäßigen Auftretens von einigem Umfang und einigem Organisationsgrad zielgerichtet darauf angelegt sind, in Deutschland, insbesondere im Land Brandenburg, Straftaten zu begehen. Zu deren Bekämpfung benötigt man aber ein schlüssiges Konzept. Dazu muss man sich einiges vergegenwärtigen.
Erstens: Organisierte Kriminalität kann nur dort blühen und gedeihen, wo im Wirtschaftsleben ein fruchtbarer Nährboden, sprich: Absatzmärkte, vorhanden sind.
Zweitens: Bezeichnend für organisierte Kriminalität ist, dass deren Hintermänner, Drahtzieher und Organisatoren zumindest nicht unmittelbar als Kriminelle in Erscheinung treten. Oftmals sitzen diese nicht einmal in Deutschland und sind deswegen schwer zu fassen.
Drittens: Gegenüber der Bevölkerung vor Ort tritt die organisierte Kriminalität vielfach nur in Gestalt von Kleinkriminalität sozusagen als letztes Glied in Erscheinung.
Viertens: Des Weiteren zu differenzieren ist dann noch sozusagen nach Wirtschaftsbranchen und verschiedenen Arten organisierter Kriminalität.
Schon aus diesen Unterschieden wird eines sehr deutlich: Die organisierte Kriminalität kann man nicht allein dadurch bekämpfen, dass man deren sozusagen letztes Glied, deren einzelne ausführende Organe zu bekämpfen versucht. Dadurch kommt man nämlich nicht an den Kopf der kriminellen Krake. Außerdem werden weder polizeiliche Strafverfolgungsmaßnahmen aufgrund bereits begangener Straftaten noch polizeiliche Präventionsmaßnahmen allein ausreichen, den fruchtbaren Nährboden für organisierte Kriminalität zu beseitigen.
Die organisierte Kriminalität bekämpft man am besten dadurch, dass man sich daran orientiert, dass sich diese Kriminalitätsform wie die Wirtschaft nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage richtet. Mit anderen Worten: Organisierte Kriminalität wird dort auftreten, wo sie sich auch rechnet. Besonders deutlich wird dies beim Blick auf die verschiedenen Arten organisierter Kriminalität, wie sie die Landesregierung in der Antwort auf unsere Frage 4 aufgelistet hat. Ich nenne nur einige Bereiche, die auch für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande gemeinhin sichtbar werden. Das sind insbesondere Rauschgifthandel, Rauschgiftschmuggel, Schleuserkriminalität, Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben sowie Eigentumsdelikte.
Es ist natürlich richtig - wie die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Frage 6 feststellt -, dass deren Auftreten durch die geographische Lage und Besiedlungsdichte beeinflusst wird. Das hängt mit dem Prinzip von Angebot und Nachfrage zusammen. Natürlich ist die Nachfrage in den ländlichen Regionen geringer als in den Ballungsgebieten Brandenburgs und insbesondere in der Nähe von Berlin.
Das heißt aber nicht, dass wir uns mit dem Auftreten organisierter Kriminalität in Brandenburg nicht beschäftigen müssten. Wir sind als Bundesland mit EU-Außengrenzen Einfallstor und Durchgangsgebiet für vom Ausland aus organisierte Kriminali
tät. Außerdem ist gerade ein Bundesland mit überwiegend ländlicher Flächenstruktur wie Brandenburg sozusagen als Ruheraum bestens geeignet. Also müssen wir dagegen vorgehen. Die Frage ist nur, wie wir das am besten tun können. Wie entziehen wir der organisierten Kriminalität am wirksamsten ihre wirtschaftlichen Grundlagen?
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass unsere Große Anfrage nur einen Teil der Gesichtspunkte abdeckt, die letztlich zu einem Gesamtkonzept führen. Schon jetzt können wir allerdings zwei Gesichtspunkte fixieren, die sicherlich Gegenstand des Gesamtkonzeptes werden.
Der erste Aspekt: Es darf künftig nicht mehr möglich sein, dass Kriminelle, die Einzeltaten begehen, welche isoliert betrachtet zwar den Anschein kleiner bis mittlerer Kriminalität erwecken, aber der organisierten Kriminalität als deren letztes Glied zuzurechnen sind, ihr kriminelles Handeln nach ihrer Verurteilung fortsetzen. Wir müssen die Vertriebswege der organisierten Kriminalität zerschlagen. Das ist die Angebotsseite der Kriminalität. Dazu gehört, dass es bei Zuordnung einer Tat zur organisierten Kriminalität keine Geld- oder Bewährungsstrafen geben darf. Hier bedarf es eines völlig neuen Maßstabs der Strafzumessung.
Des Weiteren gehört dazu, dass Straftäter ausländischer Herkunft oder auch nur dringend Tatverdächtige ausländischer Herkunft von der übrigen Bevölkerung ferngehalten werden. Dies lässt sich realisieren beispielsweise durch eine Verschärfung der Unterbringung erwiesenermaßen wiederholt kriminell gewordener oder in einschlägigen Deliktfeldern dringend tatverdächtiger Asylbewerber. Ganz abgesehen davon werden wir deren asylund aufenthaltsrechtliche Verfahren zielgerichtet optimal beschleunigen müssen. Das wird dazu dienen, dem organisierten Verbrechen die Vertriebswege so zu verteuern, dass sich organisierte Kriminalität nachhaltig wenig rechnet.
Der zweite Aspekt betrifft die Nachfrageseite. Hier sprechen wir weniger Sie, Herr Innenminister Schönbohm, als vielmehr den ehemaligen Innenminister, Herrn Ziel, an. Wir müssen gerade für unsere Kinder und Jugendlichen und insbesondere für die Schulen und Elternhäuser unseres Landes Programme entwickeln, die dazu dienen, Kinder und Jugendliche viel mehr und sehr viel früher als bisher über die Auswirkungen und Gefahren der einschlägigen Angebote organisierter Kriminalität aufzuklären, sprich über Rauschgiftkonsum, Prostitution, Menschenhandel, Schleuser- und Fälschungskriminalität. Das führt zur Verringerung der Nachfrage.
Zum Abschluss möchte ich noch zwei Dinge herausheben: Was die Zahlen in den Antworten der Landesregierung auf unsere Fragen 1, 3, 8 und 9 angeht, gehe ich davon aus, dass es sich lediglich um die Zahlen handelt, die sich aus den Ermittlungserfolgen ergeben. Die realistischen Zahlen der gesamten organisierten Kriminalität einschließlich der unaufgeklärten Fälle und der Dunkelziffer werden hiermit wohl nicht hinreichend wiedergegeben. Ich gehe auch davon aus, dass sich hieraus die von Jahr zu Jahr stark schwankenden Angaben erklären.
Ein positiver Ansatz ist, dass speziell zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität eine Schwerpunktabteilung bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) gebildet worden ist, deren Aufgabengebiet nicht nur die Strafverfolgung, sondern auch Maß
nahmen der Vermögensabschöpfung durch ein und denselben Staatsanwalt umfasst. Unsere diesbezüglichen Fragen wurden in der heutigen Fragestunde bereits beantwortet, wobei Herr Minister Schelter sagte, dass sich Herr Minister Schönbohm und auch das Finanzministerium über diese Einrichtung sehr freuen.
Von der Arbeit dieser Schwerpunktabteilung versprechen wir uns eine rationelle Arbeitsweise, wobei allerdings offen bleibt, ob ihre personelle Ausstattung ausreicht. Das werden wir zu einem späteren Zeitpunkt beurteilen können. - So viel zu Ihrer Antwort. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns bereits heute Morgen in der Fragestunde mit der organisierten Kriminalität im Land Brandenburg befasst. Der Innenminister hat zu speziellen Fragen ausführlich Stellung genommen. Es ist auch klar - das wissen wir -, dass es im Land Brandenburg organisierte Kriminalität gibt, und zwar auch aufgrund unserer besonderen kriminalgeographischen Lage - auf der einen Seite die Metropole Berlin und auf der anderen Seite die Grenze zu Polen und damit zu Mittel- und Osteuropa. Das wissen wir, das ist kriminaltechnisch und kriminalgeographisch erkannt und wird vom Innenminister und der Polizei des Landes Brandenburg mit der entsprechenden Aufmerksamkeit behandelt.
Ich meine, es ist weit übertrieben zu sagen, dass es im Land Brandenburg mehr organisierte Kriminalität als in anderen Bundesländern gebe. Ganz im Gegenteil, es wird alles getan, um diese besondere Form der Kriminalität zielgerichtet im Griff zu behalten.
Davon zu sprechen, dass es einen Verlust an Vertrauen in die Tätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft im Land Brandenburg gebe, halte ich für weit überzogen und weise dies zurück. Es besteht derzeit - ebenfalls eine Behauptung der antragstellenden Fraktion - auch nicht die Gefahr, dass mafiose Strukturen unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft nehmen oder dass gar die freiheitlich-demokratische Grundordnung von innen heraus in ihrem Bestand gefährdet wäre. Dies alles ist weit übertrieben und wird deshalb zurückgewiesen.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass in der Großen Anfrage 20 Fragen gestellt werden, deren Antworten eigentlich schon der polizeilichen Kriminalstatistik zu entnehmen gewesen wären. Ein Blick dort hinein hätte genügt und der Fragebedarf wäre befriedigt gewesen.
Sie sagen, dass meine Fraktion das Vorgehen der Polizei oder Staatsanwaltschaft als schlecht beurteilten und wir damit ausdrücken wollten, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft nicht...
Meine Frage lautet: Ist Ihnen überhaupt aufgefallen, worauf ich in meiner Rede eingegangen bin, das heißt, dass ich davon überhaupt nicht gesprochen habe?
Ja, mir ist aufgefallen, worauf Sie eingegangen sind, Herr Abgeordneter Claus. Deswegen antworte ich Ihnen darauf auch mit meiner Rede und mache darauf aufmerksam, dass die Polizei des Landes Brandenburg alle Formen der organisierten Kriminalität im Auge hat, sie entsprechend bekämpft und das Land Brandenburg nicht schlechter dasteht als andere Bundesländer.
Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass mit der heute von unserem Innenminister auf die mündliche Anfrage gegebenen Antwort alles Nötige zu diesem Thema gesagt worden ist. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DVU malt mit ihrer Großen Anfrage das Gespenst der organisierten Kriminalität an die Wand, sodass man sich wie in einem der Krimis fühlt, wie sie vor allem über die privaten Fernsehsender zuhauf zu sehen sind.
Die Intention der DVU ist deutlich. Es geht ihr um die angeblich insbesondere vom Ausland her gesteuerte Kriminalität. Ich bin der Landesregierung dankbar dafür, dass sie in ihrer Antwort die tatsächlichen Relationen deutlich gemacht hat, dass nämlich eindeutig überwiegend deutsche Tatverdächtige das kriminelle Geschehen bestimmen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und sage das in Richtung des Fragestellers, ein verantwortungsvolles Umgehen mit diesem Thema anzumahnen. Wer wie Sie zielgerichtet das Bild vom kriminellen Ausländer verbreitet, der schürt Ausländerfeindlichkeit und Verunsicherung.
Das Thema selbst sowie die Antwort der Landesregierung bieten für meine Fraktion genügend Ansatzpunkte für die weitere Diskussion - die wir, wie Herr Homeyer bereits sagte, am Vormittag in Form der Fragestunde begonnen haben -, seien es die genaue Definition des Begriffs organisierte Kriminalität, die Analyse des Lagebildes, die Suche nach optimalen Strukturen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität oder die Ablehnung des Einsatzes des Verfassungsschutzes bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und auch die Einhaltung des Trennungsgebotes zwischen Polizei und Verfassungsschutz, die wir anmahnen.
Keinesfalls werden wir dabei die Art und Weise widerspruchslos hinnehmen, in der die DVU das Thema behandelt und benutzt. Die Antwort der Landesregierung ist ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte, die ich im Umgang mit dem Thema für geboten halte. - Vielen Dank.
Da die Landesregierung auch hier auf eine zusätzliche mündliche Stellungnahme verzichtet, sind wir am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Damit wurde die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 33 zur Kenntnis genommen.