Protocol of the Session on November 21, 2001

Doch welchen Nutzen brachten letztendlich diese Programme? Wie viele Menschen erhielten dadurch auf Dauer eine Beschäftigung? Rechtfertigt der bisher erreichte Nutzen überhaupt den großen finanziellen Aufwand? Sicherlich gab und gibt es Programme, deren Wirksamkeit infrage zu stellen ist. Aber es gab und gibt durchaus auch Programme, die sich in der Praxis be

währt und auch einen sichtbaren Nutzen für die Teilnehmer gebracht haben. Doch was nützt all die Erkenntnis, wenn kein Geld mehr da ist, um diese Programme im bisherigen Umfang fortzusetzen?

Wir alle haben uns in den letzten Wochen mit den Einzelplänen intensiv beschäftigt und konnten uns davon überzeugen, dass mit den der Landesregierung zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln eine Wirtschafts- und Arbeitsförderung, so wie sie notwendig wäre, nicht möglich ist. Aufgrund des Konsolidierungskurses der Landesregierung wurden und werden zur Verfügung gestellte Bundesmittel nicht in Anspruch genommen. Das sind verschenkte Gelder, meine Damen und Herren von der Landesregierung!

Natürlich wissen auch wir, dass die Verschuldungspolitik der vergangenen Jahre so nicht fortgesetzt werden kann. Aber man kann auch vieles kaputtsparen. Nicht nur die DVU-Fraktion im Brandenburger Landtag, auch Gustav Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung warnt vor weiteren Sparprogrammen. Gerade jetzt ist es wichtig, in die Wirtschaft zu investieren, um dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen. Statt Gelder für geplante Investitionsmaßnahmen zu streichen, so wie es der Haushaltsentwurf und das Gemeindefinanzierungsgesetz vorsehen, und damit die schon am Boden liegende Bauwirtschaft im Lande noch mehr zu schwächen, sollten gerade jetzt Aufträge an die krisengeschüttelte Baubranche vergeben werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Viele Programme zur Wirtschafts- und Arbeitsförderung existieren und wurden auch mehr oder weniger erfolgreich durchgesetzt. Doch die Beschäftigungswirksamkeit ließ bei den meisten Programmen sehr zu wünschen übrig. Bleibt zu hoffen, dass die Programme, deren Beschäftigungswirksamkeit erwiesen ist - solche gibt es -, fortgeführt werden. Hier darf es keine Kürzungen mehr geben. Im Gegenteil, diese Programme müssen in Zukunft finanziell stärker als bisher ausgestattet werden. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke auch, Frau Abgeordnete Fechner. - Das Wort erhält die Fraktion der CDU. Herr Abgeordneter Dr. Ehler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon Höflichkeitsgründe gebieten es mir, in den Chor des Bedauerns einzustimmen, dass die Abgeordnete Schröder heute nicht zu diesem Thema spricht. Das macht es aber im Grunde genommen interessanter; denn der bewährte Effekt des Schachtelteufels fällt heute weg und wir müssen uns mit dem auseinander setzen, was uns Herr Christoffers heute gesagt hat. Ich möchte mich auch nicht dem begonnenen „Kampfstreicheln” anschließen. Wir wollen schon die Gegensätze herausarbeiten. Es ist die Problematik, wenn Herr Christoffers spricht, dass es immer „PDS light” ist; das macht nicht dick.

(Zurufe von der PDS)

Aber unterschwellig kommen wir dann schon zum Thema.

Zuerst möchte ich mich bedanken, dass Sie als eines der Beispiele für regionale Wirtschaftsentwicklung das Thema nachwachsende Rohstoffe erwähnt haben. Das ist ein Projekt der ältesten Koalition in Brandenburg, nämlich der in Hennigsdorf, einer sehr bewährten Koalition aus CDU und SPD. Aber genau dieses Beispiel zeigt, wie problematisch das ist. Denn in einem Teil war dieser Ansatz sicherlich richtig; gescheitert ist er aber letztlich, weil die Unternehmen nicht wirklich in den Markt gegangen sind, sondern zunächst einmal Fördermittel haben wollten. Das ist eben nicht unproblematisch.

Das Zweite, wo ich heftig widersprechen will, sind die etwas unterschwelligen kausalen Zusammenhänge, die so scheinbar plausibel lauten, wenn nun die wirtschaftliche Entwicklung nicht ausreiche, dann müsse man verstärkt Arbeitsmarktpolitik betreiben, um Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei geht es mir überhaupt nicht darum, undifferenziert mit Arbeitsmarktpolitik umzugehen. Ich möchte nur noch einmal ganz deutlich sagen: Das Gewitter, das uns mit der Steuerschätzung erreicht hat, hat im umgekehrten Sinne eines gezeigt: Wer zahlt die Steuern, wer zahlt das Geld, das wir ausgeben? Die Unternehmen in Deutschland!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Insofern investieren wir nicht in die Wirtschaft, sondern wir entziehen der Wirtschaft Liquidität, und dann geben wir es sinnvoll oder nicht so sinnvoll aus. - Das also, damit wir bei den Verhältnismäßigkeiten bleiben.

Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern hat in den letzten Jahren viele Veränderungen durchlaufen, teilweise aus Einsicht in die notwendigen Veränderungen aufgrund sich wandelnder Anforderungen der Märkte, teilweise aufgrund veränderter politischer Konstellationen, teilweise aber auch aufgrund dessen, dass der Bund schlicht und einfach die Summen, die er dafür zur Verfügung stellt, abgesenkt hat.

Die Beschäftigungswirksamkeit von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik allerdings holzschnittartig, wie es von der PDSFraktion getan worden ist, an 35 Fragen analysieren zu wollen das sage ich auch ganz offen, damit Ihr Blick geschärft wird -, das geht an einer seriösen Analyse vorbei, weil es immer davon ausgeht, dass der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft der Faktor für Beschäftigung ist. Zunächst einmal fürchtet sich jeder Unternehmer vor dem Staat, zunächst einmal kann er viel freier agieren, wenn er nicht besteuert, nicht reguliert wird usw. Wir wollen dabei nicht die Henne mit dem Ei verwechseln.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Christoffers.

Herr Ehler, ich möchte, um ein Missverständnis auszuräumen, zwei Fragen stellen.

Die erste Frage: Können Sie mir erklären, wie bei nicht vorhandenen bzw. ungenügend ausgeprägten Marktverhältnissen Marktinstrumente greifen sollen, die gar nicht greifen können, weil die Situation, auf die sie anzuwenden sind, wie in den alten Bundesländern, nicht existiert?

Die zweite Frage: Herr Ehler, können Sie mir den wirtschaftspolitischen Sinn erklären, dass mithilfe der Steuerreform eine steuerliche Freistellung der Veräußerung von Beteiligungen großer Unternehmen beschlossen worden ist und es damit zu einem wirtschaftlich und finanziell nicht nachvollziehbaren und nicht notwendigen Ausfall von Steuereinnahmen der öffentlichen Hand gekommen ist?

Ihre erste Frage ist relativ leicht zu beantworten. Dahinter steckt eine etwas voodoohafte Wirtschaftsvorstellung. Wenn Märkte nicht greifen, dann ist es eine Illusion, durch staatliche Eingriffe etwas regulieren zu können; denn die Märkte finanzieren schlicht und einfach diese staatlichen Eingriffe.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Insofern ist das ein grundsätzliches Missverständnis, weil Sie irgendwann am Ende der Kette eben nichts mehr einnehmen. Das nur zum Grundsätzlichen.

Zur zweiten Frage: Wir alle sind uns darüber im Klaren, dass die eklatante steuerliche Benachteiligung des Mittelstandes - da will ich ausnahmsweise nicht nur auf die jetzige Bundesregierung schimpfen - ein durchgehendes Band der letzten 20 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland ist.

Es ist richtig, dass das Problem der Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern nicht gelöst ist. Es ist auch richtig, dass wir weit davon entfernt sind, davon reden zu können, dass wir in den neuen Bundesländern eine selbsttragende Wirtschaft haben. Richtig ist aber auch, dass wir, um die Beschäftigungswirksamkeit von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik beurteilen zu können, die Frage beantworten müssten, welche Situation auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern zu konstatieren wäre, wenn wir diese Maßnahmen nicht durchgeführt hätten. Wir müssten die Frage beantworten, welche wirtschaftlichen Strukturen wir heute im Land Brandenburg hätten, wenn es die Wirtschaftsförderungsmaßnahmen nicht gegeben hätte. Wir müssten auch die Frage beantworten können, wie groß die Disparitäten zwischen peripherer Region und Verdichtungsregion wären, wenn wir ohne Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung agiert hätten.

Im Grunde genommen geht es mir um den Katalog, den Sie zusammengestellt haben. Er ist so richtig wie problematisch, weil er von der Grundeinstellung ausgeht: Die Entscheidung des Staates entscheidet auch über die Frage von Beschäftigung oder Nichtbeschäftigung. Hier liegt ein grundsätzlicher Irrtum vor, auch wenn es in den neuen Bundesländern temporär richtig ist, durch regulierende Maßnahmen übergangsweise bestimmte

Probleme auszugleichen. Aber dieser scheinbare Gegensatz, der immer aus den Reden von Frau Schröder spricht, besagt: Sollen wir nicht lieber statt Wirtschaftsfördermitteln Arbeitsmarktfördermittel ausgeben? - Dazu muss man ganz klar Nein sagen.

Genau das ist der Grund, warum ich in Ihre blauen Augen schaue und die liberale PDS zu sehen meine, gleichzeitig aber das Glitzern auf Ihren Zähnen bemerke.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Halten wir noch einmal fest: Nur die Wirtschaft schafft dauerhafte und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Deshalb ist es richtig, wenn der Wirtschaftsminister seine Politik unter das Motto stellt: „Mehr Mut zum Markt!” Es ist richtig, wenn wir unsere Politik weiterhin daran ausrichten, dass im Land Brandenburg selbsttragende Wirtschaftsstrukturen entwickelt werden müssen.

Wenn wir die Arbeitslosigkeit im Land Brandenburg nachhaltig bekämpfen wollen, dann müssen wir bessere infrastrukturelle Voraussetzungen für die Wirtschaft schaffen, damit zusätzliche Arbeitsplätze entstehen können. Es ist - auch das bleibt zu konstatieren - aus vielen gesellschaftspolitischen, sozialpolitischen, in manchen Bereich sogar wirtschaftspolitischen Gründen richtig gewesen, für einen bestimmten Zeitraum Beschäftigungspolitik zu machen. Letztendlich hat aber jede Maßnahme der Beschäftigungspolitik in dem Moment, als das Geld aus war, dazu geführt, dass der überwiegende Teil der Beschäftigten wieder in die Arbeitslosigkeit gehen musste. An dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei.

Insofern halte ich es für außerordentlich problematisch, wenn hier an einzelnen Beispielen Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftsförderung unterschwellig als Konkurrenten betrachtet werden. Sie greifen ineinander. In der Arbeitsmarktpolitik muss man heute wesentlich differenziertere Mittel einsetzen, als es in der Vergangenheit geschehen ist. Wenn Sie sich zum Beispiel vergegenwärtigen, dass in Brandenburg 60 % aller öffentlichen Aufträge im Bereich der Innenstadtsanierung, der Grünordnung usw. mittels ABM erledigt worden sind, dann können Sie sich vorstellen, wie viele Unternehmen davon profitiert hätten, wenn diese Mittel in den Brandenburger Mittelstand geflossen wären und dieser Markt nicht zum überwiegenden Teil über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geregelt worden wäre. Das zeigt, zu welchen Fehlallokationen das führt. Das heißt nicht - das möchte ich noch einmal deutlich sagen -, dass wir in der Koalition nicht weiterhin differenziert und vernünftig über das Zusammenspiel von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik sprechen.

Verwerfungen wie beim Thema Bombardier oder beim Thema der Änderung unserer industriellen Strukturen werden immer eine Verzahnung notwendig haben, allerdings stets vor dem Hintergrund, dass wir uns darüber im Klaren sind, dass Arbeitsmarktpolitik nicht ein Monolith, sondern ein temporäres Mittel ist. Markt und Beschäftigung auf dem freien Markt können letztendlich nicht durch Arbeitsmarktpolitik ersetzt werden. Der Staat wäre nicht gut damit beraten, so etwas zu tun. Außerdem wäre es eine große Illusion, weil den Menschen Versprechungen gemacht würden, die letztendlich nicht gehalten werden könnten.

Insofern, meine Damen und Herren, haben wir mit der Großen Anfrage einen interessanten Anstoß zu einer Diskussion be

kommen. Ich warne aber vor einem grundsätzlichen Impetus in dieser Richtung.

Kurz zu Ihrem Antrag. Ich denke, dass sich die Koalition in einem vernünftigen Dialog über das Thema des Ausbalancierens von Arbeitsmarktpolitik und Marktwirtschaft befindet. Insofern glaube ich nicht, dass wir mit diesem Einzelantrag sehr viel weiter kommen, sondern dass er ein interessanter parlamentarischer Versuch ist, uns einen schwierigen Nachmittag zu bereiten, was uns letztendlich jedoch nicht weiterbringt. Wir vertrauen auf den Dialog, den wir in der Koalition führen. Wir vertrauen auf den Weg, den die Landesregierung eingeschlagen hat. Insofern müssen wir diesen Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie des Abgeordneten Müller [SPD])

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Ehler. - Das Wort geht an die Landesregierung, an Herrn Minister Fürniß.

Bevor der Minister hier vorn ist, möchte ich wieder Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Unternehmerfrauen aus Seelübbe. Wie ich sehe, sind nicht nur Frauen, sondern auch Männer gekommen. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg.

(Allgemeiner Beifall)

Bitte schön, Herr Minister Fürniß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt seit einigen Tagen ein ganz interessantes Gutachten, einen ganz interessanten Bericht, den die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Auftrag gegeben hat, und zwar beim Forschungsinstitut der Bundesanstalt für Arbeit sowie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, unterstützt von einigen Universitäten.

Die Überschrift der Zusammenfassung des Gutachtens lautet: „Der Osten ist kein pauschales Sorgenkind”. Ich möchte dies gern unterstreichen und sagen: Wenn Investoren eine solche Debatte wie die jetzige anhören, in der wir nur beschreiben, wie schlecht alles bei uns ist, dann fragen sie sich, welchen Grund sie hätten, nach Brandenburg zu gehen.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Bei allem, was wir kritisch zu bemerken haben: Manchmal braucht man eben ein Gutachten von außen, das beschreibt, wie groß die Aufbauleistung tatsächlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte den Kernsatz daher noch einmal zitieren:

„Der Aufholprozess der neuen Länder verläuft wesentlich steiler, als vielfach erwartet worden ist. Es wurde der Beleg dafür gefunden, dass dies wesentlich auf die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Eingriffe zurück