Protocol of the Session on October 25, 2001

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz über die Steuerberaterversorgung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Steuerberaterver- sorgungsgesetz - BbgStBVG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/3371

1. Lesung

Es wurde vereinbart, zu diesem Tagesordnungspunkt keine Debatte zu führen. Wir können daher sofort zur Abstimmung kom

men. Das Präsidium empfiehlt Ihnen, die Drucksache 3/3371 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Die Beratung über Tagesordnungspunkt 3 ist geschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung des Landtages Brandenburg bis 13 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.08 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.01 Uhr)

Wenn meine Abgeordneten schon abtrünnig sind, dann darf ich die Gäste aus Guben, die jungen Freunde, herzlich begrüßen. Schön, dass Sie dabei sind.

(Allgemeiner Beifall)

Gesetz zur Änderung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion. Frau Kaiser-Nicht, bitte.

Es ist ja fast eine familiäre Runde hier.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, mancher von Ihnen wird sich erinnern: Das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz für das Land Brandenburg, das ich im Weiteren nur noch AIG nennen möchte, ist nur zustande gekommen, weil in Artikel 21 Abs. 4 der Landesverfassung ein Akteneinsichtsrecht für jedermann verankert wurde, das nach Maßgabe des Gesetzes zu gewährleisten ist.

Die PDS hat seit In-Kraft-Treten der Verfassung konsequent auf die Erfüllung dieses Gesetzgebungsauftrages gedrängt. Man traf dabei auf eine Vielzahl von Problemen und Befürchtungen, zum Beispiel darauf, dass die Verwaltungen aufgrund der vielen Anträge auf Akteneinsicht ihren eigentlichen Aufgaben nicht mehr nachgehen könnten oder dass andere Bundesländer ihre

Beziehungen zu Brandenburg einschränken würden, weil sie einen missbräuchlichen Umgang mit Informationen befürchteten. Auch die Wirtschaft hatte Bedenken.

1998 beschloss Brandenburg als erstes Bundesland sein Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz. Das ist eine Vorreiterrolle, die mir wesentlich besser gefällt als die Bestrebungen zum Beispiel im Polizeirecht, bei Umfang und Schärfe der Eingriffsrechte anderen Bundesländern den Rang abzulaufen.

(Beifall der Abgeordneten Frau Stobrawa [PDS])

Die PDS versteht das Akteneinsichtsrecht entsprechend der Landesverfassung als politisches Mitgestaltungsrecht und nicht als ein individuelles Recht zur Befriedigung privater Interessen. Es trägt letztlich dazu bei, Verwaltung durchschaubar zu machen, Vertrauen zu stärken und Verwaltungsarbeit bürgernäher zu machen. Das Brandenburger Beispiel hat Schule gemacht. In anderen Ländern wurden ähnliche gesetzliche Regelungen eingeführt oder diskutiert. Es laufen Vorbereitungen für ein Bundesgesetz.

In Brandenburg sind seit 1998 überwiegend positive Erfahrungen mit dem AIG gesammelt worden. Es gab keinen Ansturm. Landes- und kommunale Verwaltungen wurden nicht überfordert. Die Tendenz der Zahl der Anträge ist leicht steigend.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht, Herr Dr. Dix, hat konkrete Vorschläge entwickelt und öffentlich gemacht, um nach dreieinhalb Jahren Entwicklung und Erfahrung - nicht nur in der Bundesrepublik - eine Weiterentwicklung des AIG anzuregen.

Gestützt auf eben diese Vorschläge, die alle Fraktionen seit längerem kennen, hat die PDS-Fraktion einen Gesetzentwurf erarbeitet, der Ihnen heute zur 1. Lesung vorliegt. Mit diesem Gesetzentwurf streben wir eine weitere Ausgestaltung bzw. Änderung des Gesetzes in folgenden Richtungen an:

Erstens wollen wir, dass unmittelbar im Gesetz der Bezug zum Grundrecht auf Akteneinsicht und Informationszugang hergestellt wird, das in Artikel 21 Abs. 4 der Landesverfassung als ein Recht auf politische Mitgestaltung fixiert ist.

Zweitens hat es sich nicht bewährt, dass das Akteneinsichtsrecht im laufenden Verfahren nicht zur Anwendung kommt. Das ist unseres Erachtens nicht mit dem verfassungsrechtlich garantierten Grundrecht auf voraussetzungslosen Informationszugang vereinbar. Wir schlagen vor, das AIG auch im laufenden Verwaltungsverfahren anzuwenden und zugleich den Verfahrensbeteiligten eine voraussetzungslose Einsicht bei gleichzeitiger Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen zu ermöglichen. Damit würde ein einheitliches Transparenzniveau innerhalb und außerhalb von Verwaltungsverfahren geschaffen.

Drittens plädieren wir dafür, eine differenzierte Scharniervorschrift zur Abwägung zwischen Akteneinsicht und Datenschutz einzuführen.

Nach der geltenden Regelung ist der Zugang zu personenbezogenen Daten ohne Zustimmung der in datenschutzrechtlicher Hinsicht Betroffenen grundsätzlich ausgeschlossen. Dieses Verbot gilt ausnahmsweise nicht, wenn im Einzelfall im Hinblick auf den Zweck der politischen Mitgestaltung das Offenbarungs

interesse des Antragstellers das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person überwiegt oder wenn es sich um Daten von Amtsträgern handelt, die an Verwaltungsvorgängen beteiligt sind. Dadurch wird dem Recht auf Datenschutz bislang der Vorrang vor dem Recht auf Informationszugang eingeräumt.

Der Verwaltung soll nun durch die vorgeschlagene Regelung in § 5 ein gewisser Ermessensspielraum eröffnet werden. Wir sind uns dessen bewusst, dass der Verwaltung damit ein sorgfältiger Abwägungsprozess abverlangt wird, jedoch meinen wir, dass die gegenwärtige restriktive Regelung so nicht länger tragbar ist.

Wir schlagen in diesem Zusammenhang auch vor, die Zweimonatsfrist zu verkürzen, innerhalb derer die Zustimmung Dritter einzuholen ist.

Viertens sprechen wir uns für die Angleichung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen an das Umweltinformationsgesetz des Bundes aus. Unser AIG geht von dem datenschutzrechtlichen Grundsatz aus, dass Schweigen nicht als Zustimmung zur Verarbeitung personenbezogener Daten gewertet werden darf. Deshalb gilt die Zustimmung von Dritten zur Einsichtnahme als verweigert, wenn sie innerhalb der Frist nicht vorliegt. Dieser Grundsatz soll künftig nur noch für personenbezogene Daten gelten, jedoch nicht mehr für unternehmensbezogene Informationen, also auch für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, und bei der Beteiligung von anderen Behörden. Das heißt, in diesen Fällen soll die Zustimmung bei Nichtäußerung innerhalb der Frist als erteilt gelten. Nach dem geltenden Gesetz werden unternehmensbezogene Daten nämlich höher eingestuft als personenbezogene. Auf dieses Missverhältnis weisen wir mit dem Novellierungsantrag hin.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir einen Bezug zur gestrigen Debatte. Die Kollegin Blechinger als Vorsitzende der CDU-Fraktion äußerte in der Aktuellen Stunde:

„Absolut nicht in die Zeit passt deshalb der Antrag der PDS, der noch mehr Datenschutz fordert. Diese Initiative birgt die Gefahr von mehr Täterschutz in sich...”

Ich verstehe zwar, dass es sich immer gut macht, so etwas vor laufender Kamera zu äußern - denn das kann nicht dementiert werden -, habe aber lange überlegt, was damit gemeint sein soll und eigentlich nur unseren heutigen Gesetzentwurf gefunden. Vielleicht haben Sie Ihren Irrtum heute schon erkannt.

Natürlich stehen Datenschutz und Akteneinsichtsrecht in einem Spannungsverhältnis. Es produktiv zu gestalten, darum geht es uns. Der vorliegende Gesetzentwurf hat jedenfalls nichts mit mehr Datenschutz zu tun, wenn überhaupt, geht es wahrscheinlich um weniger Aktenschutz für die Verwaltung. Das mag Ihnen ja nicht passen.

Zurück zum Gesetzentwurf: Fünftens möchten wir erreichen, dass eine Frist zur Bearbeitung von Akteneinsichtsanträgen in das Gesetz aufgenommen wird. Gerade im Fehlen einer solchen Frist liegt nach den praktischen Erfahrungen eine wesentliche Schwäche des Gesetzes.

Das geltende Umweltinformationsgesetz erhält zwar noch eine Zweimonatsfrist, der Vorschlag zur Neufassung - zum Beispiel der europäischen Umweltinformationsrichtlinien - orientiert je

doch auf eine Halbierung dieser Frist. In Kanada beispielsweise beträgt sie einen Monat und in den USA 20 Arbeitstage.

Wir schlagen Ihnen vor, in das brandenburgische Gesetz eine Frist von einem Monat aufzunehmen und damit eine klare Vorgabe für die Verwaltung zu schaffen.

Sechstens setzen wir uns mit der Novelle dafür ein, Verwaltungen zu Publikationen von Wegweisern durch die Akten- und Informationsbestände - möglichst auch im Internet - zu verpflichten. Dazu soll ein neuer § 7 a eingeführt werden, nach dem die Verwaltung verpflichtet wird, Aktenpläne und Aktenverzeichnisse zu führen und zu veröffentlichen. Damit soll den Antragstellern zu beurteilen ermöglicht und erleichtert werden, zu welchen Themen in der Behörde Akten geführt werden und ob ein Einsichtsantrag überhaupt Erfolg verspricht.

Wir möchten mit dem neuen § 7 a zugleich erreichen, dass die aktenführenden Behörden geeignete organisatorische Vorkehrungen treffen, um ohne großen Aufwand eine Trennung von einsichtfähigen Informationen einerseits und nicht einsichtfähigen Informationen andererseits zu erreichen.

Meine Damen und Herren, neben diesen grundsätzlichen Änderungen schlagen wir noch eine Reihe kleinerer Veränderungen vor. Ich bin mir dessen bewusst, dass es sich hierbei um eine komplizierte und relativ trockene Materie handelt. Umso mehr hoffe ich auf eine interessante Diskussion im Haupt- und im Innenausschuss, an die wir diesen Gesetzentwurf gern überweisen möchten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Bochow.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im März 1998 ist das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz in Kraft getreten. Ein Zeitraum von etwas mehr als dreieinhalb Jahren ist vergangen. Dieser Zeitraum ist meiner Meinung nach zu kurz, um zu einer tragfähigen Bewertung dieses Gesetzes zu kommen, da hier sowohl juristisches als auch verwaltungspraktisches Neuland betreten wurde.

Ihre Fraktion, Frau Kaiser-Nicht, die Fraktion der PDS, ist da offenbar anderer Meinung. Basierend auf den Diskussionsvorschlägen des Datenschutzbeauftragten legt sie dem Landtag einen Gesetzentwurf vor, der umfangreiche und tief greifende Änderungen des geltenden Gesetzes vorsieht. Es handelt sich bei den Vorschlägen nicht um eine Gesetzesnovellierung, sondern um eine völlige Neuregelung.

Das Grundrecht auf Datenschutz auf der einen und das Grundrecht auf Akteneinsicht auf der anderen Seite sind im geltenden Gesetz nach einem umfangreichen Abwägungsprozess des Gesetzgebers in Einklang gebracht worden. Meines Erachtens entspricht die Lösung geradezu vorbildlich dem Prinzip der praktischen Konkordanz, also dem Ausgleich zwischen zwei Verfassungsrechtsnormen bei Kollision.