Protocol of the Session on October 24, 2001

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur 43. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode sehr herzlich. Mein morgendlicher Gruß gilt ebenso den Journalisten wie unseren Gästen, die heute an unserer Plenarsitzung teilnehmen.

Am 10. Oktober dieses Jahres verstarb der ehemalige Abgeordnete Dr. Fritz Grunert nach schwerer Krankheit. Ich bitte Sie, sich zum stillen Gedenken von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Wir werden unserem früheren Alterspräsidenten ein ehrendes Andenken bewahren.

Wir kommen zu unserer heutigen Tagesordnung. Die Anträge zur Regelung der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg bei der Abwasserentsorgung, Drucksache 3/907, und zu einer Bundesratsinitiative für Frieden, Menschenrechte und Souveränität, Drucksache 3/3394, wurden durch die Antragsteller zurückgezogen.

Es wird vorgeschlagen, den Antrag des Präsidenten des Landtages zu verfassungsgerichtlichen Verfahren als Punkt 14 zusätzlich in die Tagesordnung aufzunehmen. Der Antrag trägt die Drucksachennummer 3/3444. Für seine Behandlung ist eine Redezeit nach Variante 1 vorgesehen.

Gibt es von Ihrer Seite zu der heutigen Tagesordnung Bemerkungen, Ergänzungs- oder Änderungswünsche? - Wenn dies nicht der Fall ist, dann bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen, in dem von mir genannten Sinne zu verfahren. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Tagesordnung der heutigen Sitzung in diesem Sinne geändert.

Jedes Jahr um diese Zeit erleben Sie im Landtag insofern eine Besonderheit, als neben den drei das Sitzungspräsidium bildenden Abgeordneten eine Zierde steht, die von unseren Landfrauen kommt. Die Erntekrone, die uns in diesem Jahr übereignet wurde, belegte den zweiten Platz im Wettbewerb. Unter unseren Gästen befinden sich diejenigen, die an dem Wettbewerb teilgenommen haben bzw. die Landfrauen vertreten. Es sind dies Jutta Quoos, die Landesvorsitzende des Brandenburger Landfrauenverbandes, Barbara Große, die 1. stellvertretende Vorsitzende des Landfrauenverbandes, Gisela Materne, die Geschäftsführerin, Ellen Rußig, die Vorsitzende des Kreislandfrauenvereins Oder-Spree, Rosemarie Zawichowski, Annemarie Reichert und Eva Wannicke aus der Ortsgruppe Ranzig, die diese Erntekrone gebunden haben. Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Es ist eine gute Gepflogenheit geworden, dass der Landtag Gelegenheit bekommt, sich an dem Ergebnis Ihrer Traditionspflege zu erfreuen. Wenn dies dann auch noch über den Äther geht und die Brandenburger erfreut, dann ist das ganz in unserem Sinne.

Ich komme zu einem anderen freudigen Ereignis: Einer der Abgeordneten vollendet heute das erste halbe Jahrhundert seines

Lebens. Es ist der zur SPD-Fraktion gehörende Werner-Siegwart Schippel. Ich gratuliere ihm herzlich im Namen des Parlaments und wünsche ihm für das zweite halbe Jahrhundert alles Gute. Seine Arbeit im Parlament wird von den Erfahrungen, die er in den ersten 50 Jahren gesammelt hat, getragen sein und ich bin sicher, dass seine Kollegialität weiter ausstrahlen wird. Herzlichen Glückwunsch.

(Der Präsident überreicht dem Abgeordneten unter dem Beifall der Abgeordneten Blumen.)

Mir liegt eine Reihe von Abwesenheitserklärungen vor. Ministerin Ziegler ist krankheitsbedingt nicht anwesend. Die Abgeordneten Karney, Wiebke und Müller fehlen aus unterschiedlichen Gründen ganztägig. Es könnten sich zudem aus der aktuellen Situation noch ein paar Änderungen ergeben, sodass ich mich darauf beschränke.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 3/3384

Ich frage die Fragesteller Herrn Bochow aus der SPD-Fraktion und Herrn Homeyer aus der CDU-Fraktion: Ist es in Ihrem Sinne, dass die Fragen 878 und 879, die sich gleichermaßen auf den Katastrophenschutz beziehen, im Zusammenhang beantwortet werden?

(Bochow [SPD]: Ja! - Homeyer [CDU]: Ja!)

Somit hat Herr Bochow Gelegenheit, seine Frage 878 (Kata- strophenschutz) zu formulieren.

Seit den Terroranschlägen des 11. September und seitdem in den USA verschiedene Milzbrandfälle entdeckt wurden, ist der Zivil- und Katastrophenschutz ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Nach dem Grundgesetz ist für den Zivilschutz im Verteidigungsfall der Bund zuständig, für den Katastrophenschutz sind es die Länder. Dies führte dazu, dass die Länder unterschiedliche Konzepte für den Katastrophenschutz entwickelten. Abgesehen von der unterschiedlichen Qualität wird besonders bemängelt, dass eine zentrale Koordination fehlt.

Ich frage daher die Landesregierung: Setzt sie sich vor diesem Hintergrund für eine Änderung des Grundgesetzes in dem Sinne ein, dass die Verantwortlichkeiten für den Zivil- und Katastrophenschutz auf Bundesebene zusammengeführt werden können?

Herr Abgeordneter Homeyer, möchten Sie Ihre Frage 879 (Ka- tastrophenschutz) ebenfalls formulieren? - Bitte schön.

Herr Präsident, ich schließe mit meiner Frage daran an.

Inwieweit ist der Katastrophenschutz speziell auf die neuen Herausforderungen in Brandenburg vorbereitet?

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer Krise muss sich ein System bewähren. Wir stehen vor einer besonderen Herausforderung. Das föderale System hat sich in dieser Phase durch eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Bundesländern auf der einen Seite und dem Zusammenwirken der jeweiligen Behörden auf der anderen Seite zu bewähren.

In der Annahme, dass der Bund dies besser könne, schlug einer meiner Kollegen bei der ersten Schaltkonferenz der Innenminister vor, zu überlegen, ob wir bestimmte Aufgaben zentralisieren, aber andere Minister wie auch ich haben dies mit der Begründung zurückgewiesen, die Länder müssten in der Lage sein, ihre Aufgaben im Rahmen des föderalen Systems zu erfüllen. Es sei Aufgabe der Landesregierungen und der sie tragenden Parlamente, die hierzu notwendigen Beiträge zu leisten.

Aus diesem Grund sehe ich, Herr Abgeordneter Bochow, keine Möglichkeit, keine Notwendigkeit und keine Mehrheiten dafür, das Grundgesetz in diesem Bereich zu ändern.

Durch die Neukonzeption des Zivilschutzes ist die frühere Zweigleisigkeit von Zivil- und Katastrophenschutz durch ein integriertes Hilfeleistungssystem und durch aufeinander aufbauende, eng verzahnte Strukturen ersetzt worden. Dieses System hat sich insgesamt bewährt. Allerdings ist es in den letzten Jahren vernachlässigt worden und jetzt geht es darum, dass wir gemeinsam etwas tun, um diese Defizite abzuarbeiten.

Die geänderte Sicherheitslage verlangt verstärkte Aktivitäten des Bundes im Zivilschutz, zum Beispiel im Bereich der Koordinierung von Großschadenslagen durch den Aufbau einer Koordinierungsstelle; der Bund hat jetzt ein neues Warnsystem eingeführt. In diesem Sinne hat der Arbeitskreis V der Innenministerkonferenz, der sich mit dem Katastrophen- und Zivilschutz befasst, eingehende Vorschläge gemacht, die jetzt im Einzelnen abgearbeitet werden.

Damit gehe ich zu Ihrer Frage über, Herr Abgeordneter Homeyer. Der Katastrophenschutz in Brandenburg befindet sich insgesamt in einem zufrieden stellenden Zustand. Der Katastrophenschutz muss sich mit Aufgaben auseinander setzen, die, wenn ich das so sagen darf, im Frieden vorstellbar und planbar sind. Nun aber haben wir es mit einer Situation zu tun, die zu neuen Folgerungen führt. Darum haben wir die Objektschutzlisten fortgeführt und die Fortschreibung der Katastrophenschutzpläne vorangetrieben und werden Einheiten in den Bereichen Führung, Fernmeldewesen, Brandschutz, Sanität, Betreuung, Gefahrstoffe aufbauen. Diese Bereiche spielen eine große Rolle. Wir bereiten die Bildung von Katastrophenschutzstäben vor und werden regelmäßig Ausbildungen und Übungen betreiben. Wir haben vorgesehen, an der Landesschule in Eisenhüttenstadt das Lehrpersonal aufzustocken, um die Ausbildung der Führungskräfte zu verbessern.

Des Weiteren haben wir Verstärkungsmittel in den Haushaltsentwurf 2002/2003 eingebracht. Nach der gestrigen Diskussion

- ich werde in meiner Rede nachher noch darauf eingehen haben wir aber nur 50 % der Mittel bekommen. Dies wird dazu führen, dass auch der Katastrophenschutz nur 50 % der Mittel bekommt, die wir ursprünglich vorgesehen hatten. Damit verbessern wir die Führungsfähigkeit des Katastrophenschutzes und die persönliche Ausstattung insbesondere im Bereich der Bekämpfung von Chemieunfällen.

Gefahren möglicher terroristischer Anschläge haben, wie Sie alle wissen, eine außenpolitische Qualität. Finden sie in unserem Lande statt, schlägt diese Qualität in eine innenpolitische Herausforderung um. Darum bin ich dem Bund besonders dankbar, dass er uns - gemeinsam mit Berlin - als erstem Bundesland sechs Erkundungskraftwagen zum Messen und Aufspüren von Gefahrstoffen und vor allem von B- und C-Kampfmitteln geliefert hat. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir dann, wenn solche Gefahrstoffe festgestellt sind, entsprechend dekontaminieren können. Über diese Fähigkeiten verfügen wir noch nicht in größerem Umfange; daran müssen wir weiterhin arbeiten.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Herr Homeyer, bitte.

Herr Innenminister, inwieweit sind die Landkreise, insbesondere die Landräte, die Träger des Katastrophenschutzes sind und Katastrophenschutzpläne vorhalten müssen, in Ihre Überlegungen, Entscheidungen und Maßnahmen eingebunden, über die Sie eben berichtet haben? Gibt es neue Standards, sind neue Standards in Bearbeitung und haben wir in dieser Frage auch mit neuen Gesetzen oder Gesetzesnovellierungen zu rechnen?

Vor zwei oder drei Wochen habe ich diese Fragen in der Landrätekonferenz mit den Landräten und Oberbürgermeistern als Trägern des Katastrophenschutzes erörtert. Gemeinsam mit den Landkreisen und den kreisfreien Städten haben wir die Pläne überprüft; sie werden fortgeschrieben. Wir erarbeiten derzeit ein Katastrophenschutzgesetz und ich gehe davon aus, dass es noch im IV. Quartal ins Parlament kommt. Auf dieser Basis sollen dann Standards festgelegt werden, die auf der Kreisebene umgesetzt werden müssen. Diese Dinge, die auf der einen Seite recht kompliziert und auf der anderen Seite mit Haushaltsmitteln verbunden sind, müssen wir mit Augenmaß angehen. Gleichwohl müssen wir uns hier weiterentwickeln. Mit dem Katastrophenschutzgesetz, das wir im Innenausschuss beraten werden, erarbeiten wir dafür gerade eine wichtige Vorlage.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Bevor wir zur nächsten Frage kommen, begrüße ich herzlich Gymnasiasten aus Senftenberg, die heute unter uns sind. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Zur Formulierung der Frage 880 (Weitere Kürzungen im Bil- dungsbereich) geht das Wort an Frau Abgeordnete Große.

Die Finanzminister der Länder haben sich kürzlich darüber verständigt, angesichts der sinkenden Schülerzahlen weitere Einsparungen im Bildungsbereich vorzunehmen. Bundesbildungsministerin Bulmahn lehnte einen solchen Kurs angesichts der bildungspolitischen Probleme, die es in allen Bundesländern gibt, ab. Bei den Bildungsministern der Länder stieß diese Ankündigung auf ein geteiltes Echo.

Ich frage die Landesregierung, welche Positionen sie in dieser Frage vertritt.

Herr Minister Reiche, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gymnasiastinnen und Gymnasiasten! Frau Große, Recht hat Frau Bulmahn. Deshalb hat die Kultusministerkonferenz in der letzten Woche in Stuttgart folgende Stellungnahme abgegeben:

„Die Qualität des Bildungssystems steht auch weiterhin im Mittelpunkt der Bemühungen. Dazu bedarf es neben inhaltlicher und organisatorischer Weiterentwicklungen einer dauerhaften und soliden finanziellen Absicherung. Mit Blick auf den in der Öffentlichkeit diskutierten Beschluss der Finanzministerkonferenz betont die KMK, dass Bildungsinvestitionen Zukunftsinvestitionen sind, die in Zeiten rückläufiger Schülerzahlen auch für qualitative Verbesserungen im Bildungssystem genutzt werden müssen.”

Natürlich stehen die Personalausgaben und der Stellenrahmen für die Lehrkräfte an den Schulen Brandenburgs in Abhängigkeit von den Schülerzahlen. Unter Berücksichtigung der Klassenbildung, der Unterrichtsbedarfe an den einzelnen Schulformen und Schulstufen sowie Jahrgangsstufen wird der Bedarf von uns jährlich neu berechnet. Auch zur Aufstellung des Haushaltsplanes 2002/2003 ist der in Planstellen ausgewiesene Bedarf an Lehrkräften in Abhängigkeit von der zu erwartenden Schülerzahl und den Unterrichtsparametern errechnet worden. Die dabei verwendete Vorausberechnung der Schülerzahl ist ein in Brandenburg seit Jahren bewährtes, der jeweiligen aktuellen Entwicklung folgendes Instrument und hat seine Verlässlichkeit durch die jeweils rückwirkende Betrachtung erwarteter und tatsächlich eingetretener Schülerzahlen bewiesen.

Die mit dem Finanzministerium und im Kabinett erörterte Veranschlagung ist stets eine Abwägung zwischen einer rein rechnerischen Umsetzung der Schülerzahlentwicklung und dem politischen Willen, Unterrichtsversorgung auch für eine geringere Schülerzahl in einem vertretbaren Schulnetz und in einer hohen Qualität zu sichern. Dazu gehört, dass wir trotz des aufgrund der Entwicklung der Schülerzahlen sinkenden Bedarfs beispielsweise im Nachtragshaushalt 2001 336 zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten, unsere VZE, die so genannten Vollzeiteinheiten, geschaffen haben, deren Zahl schon im Haushaltsjahr 2002/2003 auf über 563 ansteigen wird. Insofern kann man sagen, dass das jetzt laufende Schuljahr das seit der Wende am besten organisierte ist. Allerdings ist mir auch die von Ihnen gehegte Sorge für die Jahre danach wohl vertraut.

In der Reaktion auf sinkende Schülerzahlen müssen wir immer einen Kompromiss zwischen den Notwendigkeiten der Haushaltskonsolidierung und den Anforderungen einer qualitativ hochwertigen Bildung an Brandenburger Schulen finden. Mit dem im Landtag derzeit diskutierten Doppelhaushalt ist bis zum Ende der Legislaturperiode ein Abbau von circa 2 600 Lehrerstellen geplant. Das ist ein Abbau um rund 11 %. Gleichzeitig sinken die Schülerzahlen um rund 15 %. Die so genannte Schüler-Lehrer-Relation als Kennzahl für den Unterrichtsstandard wird sich also trotz des Stellenabbaus leicht verbessern.

Ein Hauptproblem will ich allerdings nicht verschweigen: Angesichts der dramatisch sinkenden Schülerzahlen bedarf es insbesondere ab dem Jahr 2004 erheblicher Anstrengungen, um in der Sekundarstufe I nicht nur die Unterrichtsstandards, sondern vor allem die vereinbarten Beschäftigungsumfänge Brandenburger Lehrkräfte zu sichern und damit fachliche Kompetenzen zu erhalten; denn die Lehrerinnen und Lehrer haben dieselben Ansprüche an uns wie Polizistinnen und Polizisten, Justizvollzugsangestellte, Finanzamtsangestellte und alle sonstigen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst des Landes und der Kommunen.