Protocol of the Session on July 11, 2001

Fälle aus allen Prioritätsstufen und damit weitere ca. 700 Fälle über den Berichtszeitraum hinaus abgearbeitet. Die Entscheidungen brandenburgischer Gerichte werden auch künftig Altfälle mit sich bringen, und zwar immer dann, wenn nicht schon während des Verfahrens ein Antrag gemäß § 81 g Strafprozessordnung gestellt und beschieden wurde. Eine vollständige Abarbeitung der retrograden Fälle ist daher nicht zu erwarten.

Was die Prioritätsstufen 2 bis 4 angeht, so werden von den Staatsanwaltschaften zu einem geringeren Anteil Anträge gestellt werden, als dies in der Prioritätsstufe 1 der Fall ist. Insgesamt dürfte, bezogen auf die derzeit noch offenen Fälle, von einer Zahl von mindestens ca. 12 000 noch zu stellenden Anträgen auszugehen sein. Diese Zahl kann sich jedoch noch erhöhen, da jüngst durch das Bundeszentralregister mitgeteilt wurde, man habe bundesweit weitere 65 000 Einträge festgestellt und man werde die Daten den Bundesländern überspielen. Wie viele hiervon auf Brandenburg entfallen, bleibt abzuwarten.

Unter Berücksichtigung der derzeit zur Verfügung stehenden Laborkapazitäten sowie der Tatsache, dass in aktuellen Ermittlungsverfahren Untersuchungen vorrangig vorzunehmen sind, muss davon ausgegangen werden, dass die Abarbeitung der Altfälle selbst bei vollständiger Ausschöpfung der gegenwärtigen Möglichkeiten noch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Dabei bleiben außerdem mögliche Ausnahmefälle außer Betracht, wie beispielsweise ein in einem künftigen Ermittlungsverfahren durchzuführendes so genanntes Massenscreening, also die territoriale Erfassung einer größeren Personengruppe auf freiwilliger Basis, was zwangsläufig zu einer Verzögerung der normalen Erfassungen führen würde. Ein konkreter Zeitpunkt für die Abarbeitung aller vom Bundeszentralregister übermittelten Altfälle kann deshalb seriös nicht benannt werden.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung wird im Rahmen der verfügbaren Mittel alles unternehmen, um die Umsetzung des DNA-Gesetzes auf breiter Basis zu sichern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und SPD)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Frau Kaiser-Nicht, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat den vom Landtag geforderten Bericht zur Abarbeitung der Vorgaben des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes vorgelegt. Bei der Behandlung dieses Antrages im Mai habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass es sich eben nicht um gesetzliche Vorgaben handelt; es geht vielmehr darum, dass mit diesem Gesetz ein Rahmen geschaffen wird, den das Land ausfüllen kann, aber nicht ausfüllen muss. Mich wundert, dass die Landesregierung zumindest im Hinblick auf die Bezeichnung dieses Berichtes diese falsche Diktion übernommen hat.

Da es unter Fachleuten und Politikern schon genug Befürworter der maximalen Nutzung schier unerschöpflicher Möglichkeiten der DNA-Analyse gibt, will ich hier außerdem bekräftigen, dass die PDS-Fraktion ihre Verantwortung darin sieht, auf Risiken,

welche mit einer Ausweitung der Gendatei verbunden sind, in diesem Zusammenhang wenigstens aufmerksam zu machen.

Aufgrund der vorliegenden sachlichen Beschreibung der gegenwärtigen Situation möchte ich die Landesregierung in ihrer Auffassung bestärken, dass eine Beschleunigung der Abarbeitung so genannter Altfälle durch eine Verfahrensänderung nicht in Betracht kommt. Wir sprechen uns gerade in dieser sensiblen Frage für die strikte Wahrung der Rechtsschutzgarantie aus. Der mehrfache diskrete Hinweis auf die für diese Aufgabe begrenzt vorhandenen Haushaltsmittel war unnötig. Die schwierige Haushaltssituation des Landes und die auf Seite 8 des Berichtes vermerkte Absicht, vorübergehende personelle Verstärkungen im staatsanwaltschaftlichen und im richterlichen Bereich mit dem Haushalt 2002/2003 ins Auge zu fassen, veranlassen mich doch zu der Frage: Wie gehen Sie in diesem Zusammenhang mit der Forderung des Brandenburgischen Bundes der Kriminalbeamten um? Dieser fordert wegen der auf Dauer erhöhten Arbeitsbelastung beim Landeskriminalamt auch noch die Nachbesserung bei der personellen und technischen Ausstattung des DNA-Labors. Ohne diese sieht man sich kaum in der Lage, die beabsichtigte Effektivierung der Arbeit zu erreichen.

Ihren Prüf- und Gesprächsabsichten ist aus jetziger Sicht von mir nichts hinzuzufügen. Auf keinen Fall lesen wir aus dem Bericht der Landesregierung die Notwendigkeit weitergehender Konsequenzen oder gar von Gesetzesänderungen auf Bundesebene heraus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Bochow, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag Brandenburg hat in seiner 35. Sitzung im Mai dieses Jahres den Beschluss gefasst, dass die Landesregierung bis zum 30. Juni einen Bericht über den aktuellen Stand der Abarbeitung der Vorgaben des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes vorzulegen hat. Sie sollte berichten, welche weiteren Maßnahmen zur Umsetzung beabsichtigt sind.

Dieser Bericht ist uns dankenswerterweise und pünktlich zugeleitet worden. Wir lesen darin, dass bei der Umsetzung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes nachträglich von Verurteilten bzw. Tatverdächtigen eine Genanalyse zum Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren bzw. bei noch nicht aufgeklärten Straftaten vorgenommen wird. Die Daten der infrage kommenden Personen werden erstellt und gespeichert. Im Land Brandenburg fallen nach jetzigem Stand 31 318 Verurteilte unter das Gesetz. Davon sind bereits 3 600 Fälle abgearbeitet.

Berücksichtigt man, dass die Anzahl der auf den Geschäftsbereich der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg entfallenden Verurteilten erst im März 2000 übermittelt wurde, so stellen die abgearbeiteten Fälle wohl doch eine sehr beachtliche Leistung dar. Dies gilt insbesondere angesichts der finanziellen und personellen Bedingungen der brandenburgischen Staatsanwaltschaften, auch wenn meine Vorrednerin meinte,

dies nicht erwähnen zu müssen. Ich denke, man sollte darauf hinweisen, dass diese Situation alles andere als rosig ist.

Gleichwohl sind nach dem Bericht noch ca. 27 000 Fälle zu bearbeiten. Es erscheint verständlich, dass vor diesem Hintergrund im Bericht kein abschließender Termin genannt wird.

Mir ist allerdings nicht ganz klar, warum auch für die Prioritätsstufe 1 - Sexualdelikte, Kapitaldelikte und Brandstiftungen kein abschließender Termin genannt wird. Hier sind von den 2 891 Fällen bereits 2 150 abgearbeitet. Für die noch offenen ca. 740 Altfälle sollte es meines Erachtens möglich sein, einen Termin zu nennen. Das gilt auch für den Fall, dass, wie in dem Bericht erwähnt, ständig neue Fälle hinzukommen. Auch vor dem Hintergrund dessen, was Sie, Herr Minister, gesagt haben, wird man zu einem Termin kommen.

Sehr bemerkenswert finde ich allerdings, dass von den in der Sache ergangenen 1 340 Gerichtsbeschlüssen 1 260 stattgegeben wurde. Nur in 80 Fällen haben die Gerichte die nachträgliche Erfassung und Speicherung der Daten abgelehnt. Das ist eine Quote von etwa 94 %. Nach meiner Meinung bescheinigt diese Quote der Staatsanwaltschaft eine sehr gute Arbeit. Es ist ein Beweis dafür, dass sich das in Brandenburg praktizierte System der Priorisierung ausgezahlt hat.

Die Umsetzung des Gesetzes befindet sich also im Land Brandenburg auf einem guten Weg. Das wird auch deutlich, wenn man sich die im Bericht erwähnten Maßnahmen zur Beschleunigung der Abarbeitung der Altfälle vor Augen führt.

Da zurzeit verschiedene Möglichkeiten geprüft werden, sollte die Landesregierung erwägen, zu gegebener Zeit vielleicht einen weiteren Bericht darüber zu erstatten, welche Maßnahmen sie letztendlich eingeleitet hat. Über die Form kann man sich dann verständigen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz noch einen weiteren Aspekt erwähnen, der allerdings mit dem in diesem Gesetz geregelten Sachverhalt in einem engen Zusammenhang steht. In einem Rechtsstaat dürfen die Grundrechte auch bei berechtigter Empörung über aktuelle Straftaten nicht über den angemessenen Umfang hinaus eingeschränkt werden. Deshalb sind nach geltender Rechtslage DNA-Massenuntersuchungen zu Recht nicht erlaubt. Jetzt kann dahingestellt bleiben, ob das Verfassungsrecht für den Gesetzgeber unüberwindbare Hürden aufbaut.

Die Problematik aber liegt meines Erachtens auf einer anderen Ebene. Es geht darum, welche Strafverfolgungskultur wir zu pflegen gedenken. Wir müssen beurteilen, welche Einbußen an Freiheit wir bereit sind hinzunehmen, um die Effektivität der Strafverfolgung zu erhöhen - wohl gemerkt: nicht der Strafverhinderung - darum geht es hier nicht -, es geht um die Strafverfolgung. Es handelt sich hierbei um eine gesellschaftspolitische Frage, die erst einmal umfassend diskutiert werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS] und Frau Birkholz [PDS])

Ob allerdings die flächendeckende Einführung - ich habe Ihren Fingerzeig gesehen, Herr Präsident, - des so genannten genetischen Fingerabdrucks grundsätzlich bei allen Straftätern wirklich zur Verhinderung von Straftaten führt, möchte ich bezwei

feln. Die Redlichkeit verlangt von uns, diese Wahrheit dem Bürger zu sagen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Benjamin Franklin meinte einmal:

„Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.”

Lassen Sie uns die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit finden! - Vielen Dank. Entschuldigung, Herr Präsident, dass ich weitergeredet habe.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, wie hier im Parlament bekannt ist, hat alles seine Grenzen - auch die Zeit. - Das Wort geht an die DVUFraktion. Herr Abgeordneter Claus, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein guter Bericht, der uns von der Landesregierung vorgelegt wurde. Auch inhaltlich gehen wir als DVU-Fraktion mit den bereits getroffenen Maßnahmen konform. Besonderen Dank verdient aber der hohe Einsatz der Polizei, der Staatsanwaltschaften und der Gerichte bei der Umsetzung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes bei uns im Land Brandenburg. Ihnen ist es zu verdanken, dass wir rasch in die Lage versetzt werden, trotz der großen Anzahl von Daten zu durchweg tragfähigen Ergebnissen zu kommen. Das Gesetz trägt zugleich in besonderem Maße dem dringenden Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach einem umfassenden Schutz - namentlich vor Kapitalverbrechen und Sexualdelikten - Rechnung.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung des Systems PROREDDI, das es ermöglicht, den zuständigen Staatsanwaltschaften unseres Landes die große Anzahl der Datensätze nach Dringlichkeitsstufen zu übermitteln.

Zu begrüßen ist auch, dass die Datenmenge anhand der Dringlichkeitsstufen abgearbeitet wird und dass dabei die Dringlichkeitsstufe 1 den Vorrang genießt. Dies ist der Bereich von Kapitalverbrechen und Sexualdelikten. Wir befinden uns in einem Kriminalitätsbereich mit in der Regel schweren bis schwersten, ja oftmals irreparablen Folgen für die jeweiligen Opfer. Gerade die Verhinderung von Wiederholungsstraftaten hat in der Tat höchsten Stellenwert.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes soll nicht unerwähnt bleiben: Zur besseren Verbrechensbekämpfung ist natürlich die DNA-Analyse nur ein Mittel von mehreren Maßnahmen, die aus Sicht unserer Fraktion zu treffen sind. Das gilt insbesondere für die Verhinderung von Wiederholungsstraftaten im Bereich von Sexualverbrechen. Insbesondere hier hilft auch die beste DNA-Analyse bei der Verbrechensverhütung nicht weiter, wenn einmal gefasste Trieb-, Wiederholungs- oder Serientäter - wie auch immer - aus dem Maßregelvollzug wieder freikommen und erneut schwere Sexualstraftaten begehen können. Hier hilft parallel zur Einführung der DNA-Analyse nur eine grundlegende Reform des

Maßregelvollzuges weiter, um dem gebotenen Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger genügend Rechnung zu tragen.

Gott sei Dank stehen wir als DVU-Fraktion mit unserer Forderung nach einer Verschärfung des Vollzuges offensichtlich nicht mehr allein. Zunächst stellte meine Fraktionskollegin, Frau Birgit Fechner, in der Plenarsitzung vom 1. März 2001 die Forderung, dass Serien-, Trieb- und Wiederholungstäter im Bereich von sexuellen Schwerverbrechen lebenslang hinter Gitter gehören, weil wir dem Schutz unserer Bevölkerung absoluten Vorrang einräumen müssen. Sie musste sich deswegen einige Anfeindungen insbesondere aus den Reihen der PDS-Fraktion gefallen lassen. Inzwischen haben aber auch Sie, Herr Minister Schelter, und auch der Herr Bundeskanzler Schröder, zumindest in der Tendenz, sich ähnlich geäußert.

Unsere DVU-Fraktion begrüßt dies natürlich ausdrücklich. Auch eine späte Einsicht ist immerhin besser als keine. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht noch einmal an die Landesregierung. Herr Minister Schelter, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur gern ein paar Fragen, die hier aufgeworfen worden sind, beantworten.

Erste Bemerkung: Frau Kaiser-Nicht, Sie haben daran gezweifelt, dass die Landesregierung in der Lage sein wird, dem gestiegenen Bedarf im Bereich der DNA-Analyse auch personell zu entsprechen. Die Landesregierung hat gestern im Rahmen der Haushaltsverhandlungen beschlossen, dem Parlament vorzuschlagen, zusätzliches Personal - jedenfalls vorübergehend dafür einzusetzen. Es wird dann dem Parlament überlassen bleiben, ob es diesem Vorschlag folgen wird.

Wir werden, zweiter Punkt, die gesetzgeberischen Initiativen anderer Länder sehr aufmerksam beobachten und uns dazu eine Meinung bilden. Das Instrument der DNA-Analyse ist ein neues Instrument, und wir müssen uns der Entwicklung anpassen.

Dritte Bemerkung: Wir werden selbstverständlich das Parlament über unsere Arbeiten in diesem Bereich auf dem Laufenden halten. Ich schlage vor, Herr Abgeordneter Bochow, dass wir das über den Rechtsausschuss tun. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Minister Schelter. - Das Wort geht an Frau Abgeordnete Richstein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind in Brandenburg zurzeit in der glücklichen Situation, dass keine dramati

schen Kriminaldelikte die Diskussion über den Aufbau der DNA-Analysedatei und die Umsetzung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes überschattet. Wir können daher ohne Hektik und ohne Querschüsse in Richtung vermeintlich Schuldiger für Pannen bei der Verfolgung von Straftätern an der Sache orientiert diskutieren. Jedoch sollte diese Diskussion aus guten Gründen zügig geschehen.

Der Bericht der Landesregierung zeigt auf, dass inzwischen alle rechtlichen, tatsächlichen und logistischen Voraussetzungen für den Aufbau der so genannten Gendatei vorliegen. Dieser Aufbau muss jetzt konsequent umgesetzt werden. Es ist nicht der Weg in eine gläserne Gesellschaft, wie Kollegin Kaiser-Nicht in der letzten Debatte sagte - das erreichen wir wohl eher durch eine Erweiterung des Akteneinsichtsrechtes -, nein, wir sind auf dem Weg zu einer sichereren Welt für unsere Kinder und für potenzielle Opfer von Gewalttaten.

(Beifall bei CDU und SPD)