Protocol of the Session on July 11, 2001

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Gerade bei Wiederholungstätern ist die Gendatei eines der wirksamsten Mittel der Kriminalitätsbekämpfung. 55 % der wegen Kindesmissbrauch Verurteilten und fast 75 % der Vergewaltiger waren bereits vorbestraft.

Dies sollte uns andererseits aber nicht dazu veranlassen, eine generelle Hexenjagd zu beginnen und nunmehr - wie es auch einige Forderungen gibt - generell alle Menschen in der Bundesrepublik gentechnisch zu erfassen. Auch eine Gleichbehandlung des genetischen Fingerabdrucks mit einem normalen Fingerabdruck ist meines Erachtens nicht gerechtfertigt, denn hierfür sind die Erkenntnisse, die sich aus der gentechnischen Datenanalyse ziehen lassen, zu gravierend. Zu Recht steht die gentechnische Datenanalyse unter einem richterlichen Vorbehalt.

Eine andere Frage kann man durchweg positiv beantworten, nämlich die Frage nach der Erweiterung des Straftatenkataloges, der eine Datenanalyse befürwortet und ermöglicht. Bislang erlaubt das geltende Recht eine molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen gegen den Willen des Betroffenen nur bei Beschuldigten, die einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig sind und bei denen Grund zur Annahme besteht, dass sie erneut straffällig werden. Eine Erweiterung auf niedrigschwelligere Delikte, insbesondere im Bereich des Sexualstrafrechts, scheint geboten, da beispielsweise 60 % der Exhibitionisten nach ihrer Verurteilung weitere Sexualdelikte und 20 % sogar schwere Delikte, wie Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauch von Kindern, begehen. Die Erweiterung scheint gerechtfertigt, denn die Erleichterung der Aufklärung künftiger Straftaten dient einer auf rechtsstaatliche Garantien ausgerichteten Rechtspflege.

Sofern in der letzten Debatte im Mai der Eindruck entstanden sein sollte, dass wir die Bundesratsinitiative des Freistaates Bayern nicht unterstützen, möchte ich hier klarstellen, dass die CDU-Fraktion diese Bundesratsinitiative inhaltlich grundsätzlich mitträgt. Der Antrag, der auf die Erstellung dieses Berichtes gerichtet war, diente aber nur der Berichterstattung über die Fortschritte des Aufbaus der Gendatei im Land Brandenburg. Der heute vorliegende Bericht zeigt einen ersten Lichtblick. Zwar sind erst maximal 10 % der zur Analyse möglichen Fälle staatsanwaltschaftlich bearbeitet, aber die Zahl steigt stetig.

Im Zeitraum vom 3. April bis 30. Mai 2001 konnten weitere 207 Daten von Personen in die Zentraldatei eingestellt werden. Die Kapazitäten des Landeskriminalamtes - das beantwortet Ihre Frage, Frau Kaiser-Nicht - sind bereits erschöpft, aber das Justizministerium hat 500 000 DM bereitgestellt, um externe Laboruntersuchungen zu ermöglichen. Entgegen den Aussagen des Berichtes sehen wir jedoch keine zwangsläufige Notwendigkeit, aufgrund der fortschreitenden Rechtsprechung im Land Brandenburg neue Altfälle zu produzieren. Diese sollen doch bitte im laufenden Verfahren abgearbeitet werden.

Ich darf ankündigen, dass die CDU-Fraktion auch weiterhin den Aufbau der DNA-Datei begleiten wird. Wir hoffen, dass die von der Landesregierung beabsichtigten Maßnahmen zur Umsetzung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes konsequent und rasch erledigt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Nun sind wir doch am Ende der Rednerliste. Ich beende die Aussprache, womit der Bericht der Landesregierung, Drucksache 3/2970, zur Kenntnis genommen wurde. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Bericht zur weiteren Angleichung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Ländern (gemäß Beschluss des Landtages Brandenburg vom 13.04.2000 - Drucksache 3/971-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/2919

Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS mit Drucksache 3/3041 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mitte April bekamen wir von Ihnen die Arbeitsaufgabe, das Thema „Angleichung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Ländern” anzugehen und dafür konkrete Vorstellungen zu entwickeln. Wir konnten dieses Thema gar nicht aus den Augen verlieren, denn bereits in der ersten Regierungserklärung vom Dezember 1990 gibt es dazu von uns eine Festlegung. Wir haben damals gesagt:

„Wir verstehen den Wählerauftrag so, dass Bund und Länder in den kommenden Jahren größte Anstrengungen unternehmen müssen, um die Lebensverhältnisse der Deutschen in Ost und West anzugleichen, gegenseitiges Vertrauen zu schaffen und allen Deutschen die gleichen Chancen und den gleichen Anteil an der politischen Verantwortung zu geben.”

In der Regierungserklärung vom November 1999 heißt es:

„Die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West gehört seit der Wiedervereinigung zu den politischen Hauptforderungen. Dieses Ziel muss ohne Abstriche erreicht werden und hat deshalb höchste Priorität. Die Menschen warten darauf, sie haben ein Recht darauf, einen verlässlichen Zeitrahmen für die Angleichung zu erhalten.”

Weiter heißt es:

„Nur mit der Schaffung neuer zukunftssicherer Arbeitsplätze wird es gelingen, die Lebenssituation der Menschen im Osten dauerhaft zu verbessern und Chancengleichheit zu verwirklichen.”

Zwischen diesen beiden Regierungserklärungen liegt eine kontinuierliche Bemühung zum Stand der deutschen Einheit und die noch zu leistende Arbeit.

Darüber hinaus haben wir in der Debatte zum 10. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung und mit der Beantwortung der Großen Anfrage 7 im September 2000 eine Zwischenbilanz gezogen. Auch heute wird nicht das letzte Wort zu diesem Thema gesprochen sein.

Meine Damen und Herren! Der Strukturwandel in Ostdeutschland verläuft unübersehbar und durchaus Erfolg versprechend. Brandenburg ist auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigen europäischen Wettbewerbsstandort. Das heißt allerdings nicht, dass der Prozess der wirtschaftlichen und sozialen Modernisierung bereits abgeschlossen wäre. Die Verhandlungen zum Solidarpakt II, die wir zu einem respektablen Ergebnis führen konnten, beweisen dies eindeutig. Auch Brandenburg ist noch auf absehbare Zeit auf finanzielle Unterstützung der Europäischen Union, des Bundes und der Länder angewiesen. Diese Tatsache ist keine Position der Schwäche. Die finanzielle Unterstützung ist Teil der föderalen Solidarität, sie flankiert die eigenen Anstrengungen der neuen Bundesländer, Kräfte zu bündeln, Finanzen zu konsolidieren und Chancen zu nutzen.

Die Einbindung der ostdeutschen Länder einschließlich Berlins in den bundesstaatlichen Finanzausgleich ab dem Jahre 1995 hatte ebenso wie der gesamte Solidarpakt zum Ziel, eine aufgabengerechte Finanzausstattung in allen Ländern dauerhaft sicherzustellen und die finanziellen Voraussetzungen für die Überwindung der teilungsbedingten Sonderlasten zu schaffen. Nur so konnte Brandenburg den Prozess der Angleichung der Lebensverhältnisse voranbringen.

Dabei gibt es keinen Grund, irgendetwas schönzureden. Die Ausstattung mit Infrastruktur, die Wirtschaftskraft oder die Steuereinnahmen sowie das Beschäftigungs- und Einkommensniveau weisen noch erhebliche und zum Teil unzumutbare Unterschiede zu den westdeutschen Flächenländern auf. Der Abstand ist noch beträchtlich. Für die grundgesetzlich verankerte Herstellung und Wahrung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse bleibt deshalb auf absehbare Zeit eine angemessene Finanzausstattung der ostdeutschen Länder eine entscheidende Voraussetzung.

Der Abbau der noch bestehenden Sonderlasten erfordert die

Fortführung der finanziellen Leistungen an die ostdeutschen Länder. Weil wir aber nicht ständig mit aufgehaltener Hand dastehen wollen, war es für uns umso wichtiger, Planungssicherheit bis in das Jahr 2020 zu erhalten. Das ist mit dem Solidarpakt erreicht worden. Dies versetzt uns in die Lage, transparent und sinnvoll, nachvollziehbar und auch abrechenbar mit Augenmaß und Sachverstand die zugewiesenen Mittel einzusetzen.

Eines kann man bereits heute feststellen: Es ist gelungen, die Rückstände in den ostdeutschen Ländern gegenüber den westdeutschen Ländern deutlich zu verringern. Das war die gemeinschaftliche Anstrengung aller Bürgerinnen und Bürger mithilfe des Solidarpaktes, des Länderfinanzausgleichs und auch anderer Transferleistungen des Bundes und nicht zuletzt der Europäischen Union. Um den Abstand zwischen Ost und West weiter zu verringern, erhält Brandenburg jährlich 3,5 Milliarden DM aus Umsatzsteuer-Ergänzungsanteilen, rund 4 Milliarden DM vom Bund und den finanzstarken Ländern aus dem Finanzausgleich sowie knapp eine Milliarde DM aus dem Investitionsförderungsgesetz „Aufbau Ost”.

Bei einem Haushaltsvolumen von rund 19 Milliarden DM ist das ein Anteil von fast 45 %. Ohne die Leistungen aus dem Finanzausgleich wäre die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben zum jetzigen Zeitpunkt und für die Zukunft nicht finanzierbar. Wesentliche Unterstützung bekommt das Land Brandenburg bis zum Jahre 2006 aus dem Strukturfonds der Europäischen Union, der die ostdeutschen Länder gegenwärtig noch als Ziel-1-Gebiete mit einem jährlichen Volumen von rund 2,7 Milliarden DM fördert.

Zum Ausgleich der nach 2005 bestehenden unterschiedlichen Wirtschaftskraft zwischen Ost- und Westdeutschland scheint aus heutiger Sicht ein Fördervolumen von rund 100 Milliarden DM notwendig. Weiterer Bedarf besteht bei Fördermaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt sowie an Ausgleichsmaßnahmen für die unterproportionale kommunale Steuerkraft, soweit diese nicht bereits im Finanzausgleich berücksichtigt ist. Der vorgelegte Bericht macht deutlich, wie diese Gelder in den vordringlichen Arbeitsfeldern öffentliche Infrastruktur, Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt sowie bei den Einkommen möglichst sinnvoll verwendet werden sollen.

Meine Damen und Herren, Wirtschaftswachstum und der Abbau der Arbeitslosigkeit bleiben die entscheidenden Faktoren für die weitere Angleichung der Lebensverhältnisse. Wir werden deshalb auch künftig die Ansiedlung von Unternehmen wirksam fördern und bei der Gestaltung der Förderinstrumentarien die geringe Wirtschaftskraft gerade auch in den peripheren Räumen, also im äußeren Entwicklungsraum Brandenburgs, deutlich berücksichtigen.

Auf eine Feststellung möchte ich am Schluss Ihr Augenmerk richten: Meiner Ansicht nach ist die Herstellung der inneren Einheit nicht allein ein materielles Problem. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger erlebten und bewältigten in den vergangenen zehn Jahren einen einschneidenden Umbruch in allen Bereichen: Ob im Sozialen, Wirtschaftlichen oder Privaten, überall nahmen sie diese Herausforderung an und bewältigten sie, wenn sie dazu auch nur eine Chance bekamen. Sehr zu Recht können die Brandenburgerinnen und Brandenburger auf das Erreichte stolz sein. Mit dem gestiegenen Selbstbewusstsein

wuchs auch die Identifikation mit dem Land. Allerdings dürfen wir nicht nachlassen, auch weiterhin für den Verfassungsgrundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” zu kämpfen. Hier sind wir vom Ziel noch viel zu weit entfernt. Darum bemühen wir uns und ich bitte Sie um Ihre Unterstützung. - Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke auch. - Das Wort geht an den Abgeordneten Prof. Bisky von der PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es schadet nichts, an die Vorgeschichte des Beschlusses zu erinnern, zu dem die Landesregierung erst oder schon nach 15 Monaten einen Bericht vorgelegt hat. Im März des vergangenen Jahres wurde auf einem SPD-Landesparteitag ein Positionspapier unter dem Titel „Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert” beschlossen, in dem Folgendes formuliert wurde: „Die fehlende Angleichung...”

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

- Ich lese Ihre Beschlüsse vor, Herr Schippel.

„Die fehlende Angleichung der Einkommen in Ostdeutschland wird von der Bevölkerung als besondere Benachteiligung empfunden. Spätestens bis zum Jahr 2004 muss die Angleichung an das westdeutsche Niveau schrittweise erreicht sein.”

Nun wusste auch die PDS bereits damals, dass Parteibeschlüsse nicht immer 1 : 1 umgesetzt werden, zumal dann nicht, wenn sich eine Partei, deren Mitglieder sich ein soziales Herz bewahrt haben, in einer Koalition mit der CDU befindet.

(Zuruf von der CDU: Na, na, na!)

Deshalb hatte die PDS in ihrem im April 2000 eingereichten Antrag auch keine Jahreszahl aufgenommen, sondern die Landesregierung lediglich aufgefordert, einen Stufenplan zur Anpassung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst vorzulegen und die Konsequenzen für den Landeshaushalt auszuweisen.

SPD und CDU setzten einen Entschließungsantrag dagegen, der von dem ursprünglichen Anliegen der Gehaltsangleichung im öffentlichen Dienst weit entfernt war. Der im Beschluss fixierte Wille des Landtages ist die einzige Grundlage für die Bewertung des vorliegenden Berichtes; darauf weise ich ausdrücklich hin.

Der Landtag erwartete am 13. April 2000 - das ist jetzt mehr als ein Jahr her -, dass die Landesregierung „konkrete Vorstellungen zur weiteren Angleichung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse zwischen den neuen und alten Bundesländern” entwickelt. In Abstimmung mit den anderen neuen Bundesländern sollte die Regierung „insbesondere auch eine konkrete Perspektive zur Angleichung der Löhne und Gehälter der Beschäftigten” entwickeln, die „belastbar, verantwortungsbewusst und finanzierbar” ist. Der Landtag stellte dabei fest:

„Die Angleichungsdebatte darf nicht auf eine Lohndiskussion verkürzt werden. Der Landtag appelliert auch an die Bundesregierung, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder sowie die Tarifpartner der freien Wirtschaft, ihren Beitrag zu der im Interesse der Vollendung der inneren Einheit erforderlichen umfassenden Angleichung der Lebensverhältnisse zu leisten.”

Die Vollendung der inneren Einheit und die Bestimmung des Anteils der Brandenburger Landesregierung daran waren der hohe Anspruch, den der Landtag der Regierung gegenüber am 13. April vergangenen Jahres formulierte. Angesichts diesen Anspruchs kann die PDS nur eine Einschätzung zum vorliegenden Papier treffen: Das Ergebnis ist für die große Koalition blamabel.

(Beifall bei der PDS)

Im Stile eines Rechenschaftsberichtes an einen Parteitag werden auf 37 Seiten die guten Taten verschiedener - immer SPD-geführter - Brandenburger Landesregierungen seit 1991 aufgezählt. Der Landtag wollte - ich wiederhole mich - konkrete Vorstellungen zur weiteren Angleichung haben, also Aussagen über Maßnahmen, die die Brandenburger Regierung in ihrem Verantwortungsbereich zukünftig einleiten will, damit in Brandenburg der Anspruch des Grundgesetzes, in allen Landesteilen der Bundesrepublik gleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern, in einer klar umrissenen Perspektive umgesetzt wird.

Wir sind nun weit davon entfernt, die Bemühungen der Regierung zur Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung abzuqualifizieren. Die Frage aber, ob der von Ihnen favorisierte Mitteleinsatz wirklich das gebracht hat, was Sie damit ursprünglich verbanden, muss gestattet sein. Auch darf wohl - jedenfalls von der Opposition - etwas mehr Realismus anstelle der Schönfärberei gewünscht werden.

(Beifall bei der PDS)