Protocol of the Session on April 4, 2001

Ich weiß, welche Plätze Herr Vogel immer anstrebt. Herr Ministerpräsident, auch Sie haben heute Platz 2 angestrebt. Herr Biedenkopf hat seine Bereiche, auf die er sich konzentriert, usw. Das überlassen wir Ihnen gern.

Meine erste Forderung lautet jedoch: Wir brauchen eine wirklich ehrliche Bestandsaufnahme der Realität. Ehrlichkeit muss her!

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte mich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, ich wollte etwas schwarz malen. Auch Herr Christoffers hat das mit keinem Wort getan. Meine erste Frage aber ist, ob wir uns über zwei Indikatoren einigen können, die wirklich Besorgnis erregend sind.

Erstens: Ich beginne mit einem Indikator, der selten zur Kenntnis genommen wird. Die Geburtenrate pro Frau beträgt in Ostdeutschland 1,2. Herr Ministerpräsident, wenn das bis zum Jahr 2200 so weitergeht, dann brauchen wir uns keine Gedanken mehr zu machen, denn dann wohnt hier niemand mehr. Diese Entwicklung ist sehr ernst zu nehmen, obwohl die Politik immer, wie wir auch, in Perioden von fünf Jahren rechnet. Es ist schon eine Leistung, nach zehn oder elf Jahren von einer sehr geburtenfreudigen Region an das Ende der Weltrangliste zu geraten. Darüber muss man nachdenken. Das können Sie nicht einfach wegdrücken.

Zweitens: Die Abstimmung mit den Füßen können wir zwar auch, aber nicht nur für die Geschichte reklamieren. Es ist Besorgnis erregend für die Zukunft dieses Landes, wie viele junge Menschen das Land verlassen. Sie haben hier keine Lebenserwartungen, es eröffnen sich für sie keine Lebensperspektiven.

Darin liegt auch der Sinn unserer Bemühungen: Wir müssen in diesem Land wieder Lebensperspektiven für junge Menschen, auch für Frauen, die Kinder wollen, schaffen. Anders wird es nicht gehen.

(Beifall bei PDS und SPD)

Meine Damen und Herren! Ich will auch kurz etwas zum zweiten Punkt sagen. Welche Vorschläge unterbreiten wir? Wie sammeln und bewerten wir sie? Wie treten wir für die Veränderungen ein? Ich komme auf eine Art „Bündnis für Einheit” zu sprechen. Ich rede bewusst nicht von einer Ostförderung allein, denn ich meine, dass die Ostprobleme auf Dauer einzig und allein in einer vernünftigen Vereinigungspolitik, in der die Interessen von Ost und West angemessen berücksichtigt werden, zu lösen sind. Nur dann besteht Hoffnung auf eine Besserung der Situation.

Deshalb mein Vorschlag: Lassen Sie uns über ein Bündnis für Einheit von unten sprechen, in dem vernünftige, sachkundige Leute zusammengefasst werden, die etwas einzubringen haben. Wir haben viele Politiker im Osten.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

Das ist ein guter Schlusssatz, Herr Prof. Bisky.

Ich würde zum Beispiel einen Mann wie Gregor Gysi vorschlagen.

(Zuruf von der SPD)

- Er ist als jemand bekannt, der die Einheit fördern will. Sie können andere Leute vorschlagen.

(Zurufe von SPD und CDU)

Lassen Sie uns darüber nachdenken und es nicht gleich wieder zerreden. Frau Blechinger, die Jahre 1989/1990...

Herr Prof. Bisky, kommen Sie bitte zum Schluss.

Man kann nicht nur auf die Jahre 1989/1990 verweisen, sondern man muss auch die Runden Tische akzeptieren. Sie waren die schlechtesten nicht. Ich bin für ein Bündnis für Einheit, um die Probleme im Osten für die Ostdeutschen zu lösen - mit Ihnen gemeinsam. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Herrn Prof. Bisky. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2 und unterbreche die Sitzung des Landtages bis 13 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.02 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.04 Uhr)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2000/2001 (Nachtragshaushaltsgesetz 2001)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/2511

1. Lesung

in Verbindung damit:

Finanzplan des Landes Brandenburg 2000 bis 2004

Unterrichtung durch die Landesregierung

Drucksache 3/2534

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin der Finanzen, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr brachte die Landesregierung erstmals einen Doppelhaushalt in den Landtag ein. Damals gab es eine ganze Reihe skeptischer Stimmen, die meinten, dass ein Planungszeitraum von zwei Jahren zu lang und der Nachsteuerungsbedarf im zweiten Jahr zu groß sein könnte. Diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt, im Gegenteil, der Doppelhaushalt hat sich bewährt.

Deshalb hat sich die Landesregierung dazu entschlossen, für die Jahre 2002/2003 und 2004/2005 Doppelhaushalte vorzuschlagen. Das hat den erfreulichen Nebeneffekt, dass wir uns im Wahljahr 2004 nicht über einen Haushalt streiten müssen. Die Einzigen, die das weniger erfreulich finden werden, sind mit Sicherheit die geschätzten Damen und Herren der Medien.

Die Landesregierung legt Ihnen heute einen Nachtragshaushalt vor, der punktuelle Korrekturen vornimmt, aber die austarierte Struktur des vom Parlament beschlossenen Haushaltes 2001 nicht antastet. Insbesondere bleibt es bei unserer mittelfristig angelegten Konsolidierungslinie, in deren Rahmen wir die Nettokreditaufnahme in Höhe von fast 4,5 Milliarden DM in den Jahren 1993/1994 auf 845 Millionen DM im Jahre 2001 zurückgefahren haben.

Der Haushalt 2001 hatte bisher ein Volumen von 19,1 Milliarden DM. Der Nachtrag erhöht dieses Volumen in Einnahme und Ausgabe um 375 Millionen DM. Diese Steigerung entspricht weniger als 2 % des Ursprungsvolumens.

Ich möchte noch einen anderen Vergleich nennen. Mit dem Nachtrag werden exakt 68 Titel verändert. Gemessen an den 5 231 Titeln, die der Haushalt 2001 insgesamt enthält, ist das eher eine Marginalie.

Meine Damen und Herren! Der Nachsteuerungsbedarf beschränkt sich auf wenige Veränderungen, die vorher nicht bekannt oder - wie die Haushälter sagen - nicht veranschlagungsreif waren. Gegenüber dem beschlossenen Haushalt 2001 musste ein Mehrbedarf von 959 Millionen DM aufgefangen werden. Dieser beruht fast ausschließlich auf bundesrechtlichen Einflüssen.

Der größte Posten sind natürlich die Steuerausfälle in Höhe von 570 Millionen DM, die sich aus der Unternehmenssteuerreform ergeben. Diese Mindereinnahmen müssen durch eine entsprechend höhere Nettoneuverschuldung aufgefangen werden.

Mehrbedarf in Höhe von 108 Millionen DM besteht zum Beispiel bei den Zuschüssen an Kreise und kreisfreie Städte für die Durchführung der Schülerbeförderung. Hier hat das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz entschieden, dass der Ausbildungsverkehr für sechs Tage in der Woche, also auch an Samstagen, zu finanzieren ist. Brandenburg und einige andere Länder hatten in den vergangenen Jahren die Finanzierung der kommunalen Schülerbeförderung auf die tatsächlichen Unterrichtstage beschränkt. Da Urteile auf den Klagezeitpunkt zurückwirken, muss das Land leider mehr als 100 Millionen DM an Nachzahlungen leisten, die sich für die Kommunen allerdings als zusätzliche Einnahmen darstellen.

Die Länder wollen nunmehr über eine Bundesratsinitiative eine Änderung des Bundesrechts bewirken, die den Ländern bei der Finanzierung der Schülerbeförderung mehr Gestaltungsspielraum einräumt.

Der Nachtrag enthält ferner Nachzahlungsverpflichtungen in Höhe von 100 Millionen DM für Zusatzversorgungen nach dem Recht der ehemaligen DDR. Wesentlicher Grund für den Mehrbedarf ist also auch hier ein höchstrichterliches Urteil. Das Bundesverfassungsgericht hat den Kreis der Rentenberechtigten erweitert. Konkret gesagt: Die fraglichen Renten erhalten nunmehr auch Personen, die dem früheren Regime sehr verpflichtet waren und deshalb zuvor nach Bundesrecht nur gedeckelte Zusatzrenten erhalten konnten.

Die weiteren Punkte, die durch den Nachtrag aufgefangen werden müssen, will ich hier nur kurz erwähnen. Das sind Verbesserungen beim BAföG, beim Wohngeld, bei der Gefangenenentlohnung und bei den Entschädigungsleistungen nach dem SED-Unrechtsbereinigungsgesetz - alles bundesrechtliche Vorgaben, die ich natürlich im Interesse der Begünstigten sehr begrüße, die das Land aber mitfinanzieren muss.

Weiterer Mehrbedarf ergibt sich aus landespolitischen Verantwortungen. Das gilt vor allem für die 55 Millionen DM, die wir an die Berlin Brandenburg Flughafen Holding als Anteil des Landes an den in diesem Jahr entstehenden Kosten der BBF zahlen müssen. Diese Kosten sind durch die aufgrund eines Gerichtsurteils bedingten Verzögerungen bei der Flughafenprivatisierung verursacht.

Auf landespolitischen Entscheidungen beruhen die Anschubfinanzierung in Höhe von 12 Millionen DM für die im Koalitionsvertrag festgelegte Bildungsoffensive und die 4 Millionen DM, die für die Beschaffung von Schutzwesten für die Polizei vorgesehen sind.

4 Millionen DM benötigen die Veterinärämter der Agrarverwaltung wegen der BSE-Krise in diesem Jahr zusätzlich für Laborausstattungen und zusätzliches Personal. Ich fürchte, dass damit auch nicht alle Kosten aufgefangen sind. Das Thema wird uns mit Sicherheit auch beim nächsten Haushalt noch beschäftigen.

Meine Damen und Herren, wie Sie der Vorlage entnommen haben, ist der Nachtragshaushalt ausgeglichen, das heißt, die 959 Millionen DM können finanziert werden. Wir haben in unseren Vorschlag auch die bislang schon veranschlagte globale Minderausgabe einbezogen und schnüren damit ein komplettes Lösungspaket für 2001.

Die Steuerausfälle mussten wir, wie gesagt, durch höhere Kredite in Höhe von 570 Millionen DM auffangen und damit waren noch 389 Millionen DM durch andere Maßnahmen auszugleichen. Die Lösung liegt zum Teil im Jahr 2000. Im vergangenen Jahr gab es erhebliche Einbrüche bei den Zuweisungen der EU. Ursache war die verzögerte Genehmigung des Operationellen Programms 2000 bis 2006. Inzwischen ist das Programm genehmigt und wir können allein in diesem Jahr mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von rund 270 Millionen DM rechnen.

Auch die weiteren Ausgleichsmaßnahmen für den Mehrbedarf des Nachtrags stehen im Zusammenhang mit dem Jahresab

schluss 2000. Nach Abschluss der Bücher wurde noch einmal kräftig nachgerechnet. Im Ergebnis können wir mit einer Reihe von Mehreinnahmen und Minderausgaben rechnen, unter anderem mit geringeren Zinsausgaben in Höhe von 60 Millionen DM, weil die Konditionen am Kreditmarkt günstig waren und weil das Kreditmanagement des Finanzministeriums diesen Umstand zum Vorteil der Landesfinanzen zu nutzen versteht.