Somit sind wir am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung ihres Antrages an den Ausschuss für Wirtschaft. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Hoch begabte Kinder und Jugendliche dürfen nicht zu Außenseitern werden.” - So war eine Große Anfrage der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag Mitte letzten Jahres überschrieben. Die bildungspolitische Sprecherin der niedersächsischen CDU der Landtagsfraktion, Heidemarie Mundlos, erklärte dazu wörtlich:
„Hochbegabtenförderung ist eine staatliche Pflichtaufgabe und darf nicht auf Schulen in freier Trägerschaft oder private Initiativen abgeschoben werden. Wir brauchen ein landesweites Netz von regionalen Förderzentren. Diese Schulen müssen sich im Rahmen ihres Schulprogramms und ihres Schulprofils gezielt der Hochbegabtenförderung annehmen und für entsprechende Förderkonzepte durch zusätzliche Lehrerstunden unterstützt werden. Die Förderung hoch begabter Kinder und Jugendlicher muss bereits in Kindergarten und Grundschule beginnen, um künftigem Schulversagen vorbeugen zu können.”
Dieser Einschätzung der bildungspolitischen Sprecherin der niedersächsischen Landtags-CDU ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, meine Damen und Herren, gerade von der CDUFraktion.
Zu ergänzen ist lediglich noch, dass Frau Mundlos die berechtigte Forderung stellte, dass die Hochbegabtenförderung Pflichtbestandteil der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Lehrerinnen und Lehrern werden müsse.
Meine Damen und Herren aller anwesenden Fraktionen! Hochbegabung bedarf einer besonderen Unterstützung, weil - die Lebenserfahrung zeigt es - besondere Talente nicht automatisch zu herausragenden Leistungen und zu einem sinnerfüllten Leben führen. Hinzu kommen müssen Persönlichkeitsmerkmale wie Anstrengungsbereitschaft, Konzentrationsfähigkeit auf ein Ziel, Durchhaltevermögen bei Hindernissen, ferner soziale Kompetenz und emotionale Belastbarkeit. Die Einflüsse der Umwelt können hier entscheidend sein.
Das Recht einer optimalen Förderung wird schwachen Schülern nie abgesprochen. Wie verhält es sich jedoch mit den besonders begabten und hoch begabten Kindern und Jugendlichen? Über 2 % der Kinder verfügen über einen Intelligenzquotienten von
über 135 und gelten damit als hoch intelligent. Zwar hören sich 2 % nicht gerade viel an, aber wenn man bedenkt, dass sich dahinter über 7 000 Schüler allein hier im Land Brandenburg verbergen, dann ist das doch eine ganz beachtliche Menge.
Untersuchungen haben ergeben, dass sich 15 % von ihnen der zwanghaft geforderten Anpassung an den Leistungsdurchschnitt und dem für sie sinnlosen Wiederholen und Pauken verweigern. Das bezahlen sie meist mit schlechten Noten. Die Mehrheit der restlichen 85 % passt sich den Bedingungen der mittelmäßigen schulischen Leistungsanforderungen an und bleibt damit weit unter ihren geistigen Möglichkeiten und verschleudert ihr hohes geistiges Potenzial. Diese Schüler fühlen sich in unseren Schulen unterfordert, erleben den Schulalltag als langweilig und ätzend. Zwar lernen sie sehr schnell, verstehen sofort, können viel mehr als ihre Altersgenossen, doch wohl fühlen sie sich in den Normalschulen nicht.
Die Ursache liegt besonders im Lerntempo. Es unterfordert diese Schülerinnen und Schüler ständig. Dadurch wird ihre Entwicklung geschädigt. Chancen auf berufliche Höchstleistungen werden vertan.
Doch auch diese Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf eine ihren Anlagen entsprechende Förderung. Dazu sind ein differenziertes Bildungs- und Ausbildungsangebot sowie entsprechende ergänzende Fördermaßnahmen notwendig. Nicht nur im Interesse des Individuums, sondern auch im Interesse der Gesellschaft verdienen es auch besonders Begabte, gefördert zu werden. Wir können es uns nicht leisten, die Talente Hochbegabter verkümmern zu lassen. Wenn sie ihre Fähigkeiten nicht entfalten können, kommt es langfristig zu weniger Spitzenleistungen im Wissenschafts- und Wirtschafts- sowie im politischen und kulturellen Leben. Dies sehen wir im Moment besonders im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien auch und gerade hier im Land Brandenburg.
Dieser Satz findet sich auch in § 3 des Schulgesetzes wieder. Also - und dies wurde auch bei der Anhörung über die Novellierung des Schulgesetzes am 29. März wieder einmal deutlich nicht nur Lernbehinderte bedürfen der besonderen Förderung, sondern auch besonders Begabte.
Doch wie sieht die Wirklichkeit der Begabtenförderung im Land Brandenburg aus? Seit Gründung des Landes Brandenburg im Jahr 1990 fand bzw. findet keine Hochbegabtenförderung an den Schulen und Universitäten des Landes statt. Wir haben zwar seit wenigen Wochen eine Eliteschule des Sports in Potsdam, eine weitere Sportschule befindet sich in Cottbus, auch verfügt das Land Brandenburg über Schulen mit besonderer Prägung, besonders begabte Kinder erhalten die Möglichkeit, ihre Schulzeit zu verkürzen, indem sie ein Schuljahr überspringen können, aber all das ersetzt keine echte Begabtenförderung.
Das Problem beginnt schon bei der Erkennung, ob es sich um ein begabtes Kind handelt oder nicht. Die wenigsten Lehrer verfügen über eine dementsprechende Ausbildung.
Im Laufe des letzten Jahrzehnts wurde das Bildungssystem des Landes Brandenburg zunehmend novelliert. Auch die in letzter Zeit seitens des Bildungsministeriums in Gang gebrachten Schulversuche, ich denke hier an das Projekt Flex an inzwischen 20 Grundschulen des Landes sowie an die Einrichtung so genannter Schnellläuferklassen mit der Möglichkeit, das Abitur nach zwölf Schuljahren zu machen, was wir - ich betone das ausdrücklich - begrüßen, sind nur ein erster Schritt in Richtung Begabtenförderung, mehr jedoch nicht.
Was wir brauchen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Konzept für ein flächendeckendes Netz von Spezialschulen für Hochbegabte, von Spezialklassen an dafür geeigneten allgemein bildenden Schulen mit speziell für die Hochbegabtenförderung ausgebildeten Lehrkräften sowie die Einrichtung von Hochbegabtenstudiengängen an den Hochschulen des Landes. Die Stiftung Maximilianeum an der Ludwig-Maximilian-Universität München könnte hier als Vorbild dienen.
Inzwischen, meine Damen und Herren, gibt es in allen Bundesländern - ich betone: in allen Bundesländern -, mit Ausnahme der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Maßnahmen der staatlichen Hochbegabtenförderung. Zu erwähnen wären hier im Schulbereich insbesondere die Förderklassen für hoch begabte Schüler am Münchener Maria-Theresia-Gymnasium sowie das geplante Hochbegabteninternat Sankt Afra in Meißen im Freistaat Sachsen. Bis auf ein paar wenige Ansätze im neuen Schulgesetz gibt es in Brandenburg dagegen in puncto Hochbegabtenförderung nichts.
Doch gerade angesichts der Tatsache, dass in Brandenburg zum Beispiel im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie und auch in anderen Bereichen hoch qualifizierte Mitarbeiter trotz hoher Arbeitslosigkeit fehlen, ist es an der Zeit, hoch begabte Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten durch die Einrichtung spezieller Schulklassen bzw. -kurse und Studiengänge zu fördern. Hier stimmen wir unserem Ex-Bundespräsidenten Roman Herzog voll zu, wenn er in seiner Berliner Rede vom 26. April 1997 zur Bildungs- und Hochschulpolitik erklärte:
„Bildung muss das Mega-Thema unserer Gesellschaft werden. Wir brauchen einen neuen Aufbruch in der Bildungspolitik, um in der kommenden Wissensgesellschaft bestehen zu können.”
Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem hier vorliegenden Antrag auf Vorlage eines Konzeptes für die Hochbegabtenförderung im Land Brandenburg zu!
Natürlich wissen auch wir, dass die von uns geforderte Hochbegabtenförderung mit nicht unerheblichen Kosten für das Land verbunden ist. Ich gebe aber zu bedenken, dass die Investitionen, die jetzt getätigt werden, sich in naher Zukunft auszahlen werden.
Meine Damen und Herren von links außen, falls Sie uns jetzt vorwerfen sollten, dass wir so etwas wie eine Elitepolitik oder etwas in der Richtung betreiben wollen,
- danke schön -, dann möchte ich nur ergänzend dazu sagen, dass Ihr politischer Übervater Karl Marx bereits festgestellt hatte, dass die Hochbegabten ein Geschenk der Natur an die Gesellschaft sind, und diese sind auch zu fördern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bemerkenswerteste an dem Antrag der DVU-Fraktion ist die Selbstlosigkeit und die Uneigennützigkeit gerade dieser Fraktion, wenn sie sich an dieser Stelle für eine Minderheit in diesem Lande einsetzt.
Der Antrag impliziert aber außerdem einen Vorwurf an die Landesregierung, als setze sie sich für begabte Kinder nicht besonders ein. Meine Aufgabe wird es sein, Ihnen in aller Kürze darzustellen, dass das nicht der Fall ist, dass der Antrag der DVU-Fraktion ins Leere läuft und wir ihn aus diesem Grunde ablehnen werden. Deswegen folgende Bemerkungen:
Erstens: In einem differenzierten und begabungsgerechten Bildungswesen gehört zum einen das Erkennen, Beraten und Fördern von Kindern und Jugendlichen, die verschiedene Arten von Behinderungen und Benachteiligungen aufweisen, dazu und zum anderen - gleichberechtigt daneben - die Unterstützung, Hilfe und Anregung für besonders begabte Kinder. Ich denke, nur in einer Balance zwischen diesen beiden Gruppen von Schülern, Kindern und Jugendlichen ist ein Bildungswesen modern und gerecht.
Ich habe Ihnen gesagt, das Land Brandenburg tut auf dem Gebiet der Förderung von begabten Schülern sehr viel. Ich möchte aufzählen:
Erstens, die vorzeitige Einschulung. Kinder, die bis zum 31. Dezember eines Jahres das sechste Lebensjahr vollenden, können im Sommer auf Antrag vorzeitig eingeschult werden. Diese Möglichkeit wurde in den letzten drei Schuljahren für ca. 1,4 % der Kinder in Anspruch genommen. Wenn wir daran denken, dass etwa 2 % der Kinder als besonders begabt gelten, dann korrelieren diese Zahlen auf verblüffende Weise miteinander.
Zweitens: Es gibt einen Schulversuch an 20 Grundschulen des Landes, die ersten beiden Jahrgangsstufen zu einer flexiblen Eingangsphase zusammenzufassen, in der Schülerinnen und Schüler je nach Leistungsfähigkeit ein, zwei oder drei Jahre verweilen können, das heißt, die besonders leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler können bereits nach einem Jahr in die dritte Klasse aufsteigen. Außerdem ist das Überspringen von Klassen sowohl in der Grundschule als auch in der Sekundarstufe möglich. Diese Möglichkeit wird leider nur von wenigen
Ich denke, dass weitere Dinge zu erwähnen wären. Zum Beispiel ist die Teilnahme am Unterricht höherer Klassen möglich. Es ist möglich, dass in Schulen mit besonderer Prägung die Schüler mit besonderen Begabungen gefördert werden.
Ich denke, ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass das Land Brandenburg dem Ansinnen, das die DVU in einen Antrag gefasst hat, selbst schon in vorauseilendem Gehorsam nachgekommen ist. Wir werden den Antrag deshalb ablehnen. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an das erinnern, was der Abgeordnete Klein heute Morgen schon einmal zu einem DVU-Antrag gesagt hat: Es ist ein Antrag, der durchaus ein Problem mit Handlungsbedarf thematisiert. Es ist aber ein Antrag, der von einer solchen diffusen Begrifflichkeit ist, dass wir meinen, er geht von völlig falschen Prämissen aus. Hier werden Begabte, besonders Begabte und Hochbegabte in einen Topf geworfen. Diesen Weg können wir nicht mitgehen und werden aus diesem Grunde diesen Antrag ablehnen.
Das Wort geht an die Landesregierung, wenn dort Redebedarf besteht. Das scheint nicht der Fall zu sein. Damit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung.