Protocol of the Session on February 28, 2001

Hier ist mir der Hinweis wichtig, dass die neu gebildeten Landkreise mittlerweile auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen, dass sich eine eigene Identität herausgebildet hat oder herausbildet, je nach Region.

Ich möchte daran erinnern, dass seinerzeit eine Reihe von kommunalen Verfassungsbeschwerden eingereicht wurde. Wie jede Reform dieser Größenordnung gestaltete sich auch diese keineswegs geräusch- und problemlos, auch wenn das heute in Vergessenheit geraten ist. Diese Reform wollen wir nun auf gemeindlicher Ebene weiterführen. Wir wollen die Verwaltungskraft der Gemeinden stärken, damit sie die Aufgaben bürgernah erledigen können; denn letztlich geht es um das Recht des Bürgers auf eine effiziente Verwaltung.

Aber Verwaltungseffizienz allein macht noch nicht die kommunale Selbstverwaltung aus. Dazu gehört auch die Beteiligung der Bürger am Leben in der Gemeinde. Deshalb enthält der Gesetzentwurf auch in § 54 ff. neue Regelungen zur Ausgestaltung der Ortsteilverfassung. Über die Ortsteile können die Bürger ihre Interessen artikulieren. Sie haben einen Ansprechpartner in ihrer Nähe. Damit respektiert das Gesetz gewachsene örtliche Strukturen insbesondere weit auseinander liegender Ortsteile im äußeren Entwicklungsraum.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass örtliche Identität nicht durch hoheitliche Rechte

allein entsteht. Kulturelle und gesellschaftliche Aktivitäten in Vereinen, Kirchen, Sportstätten und anderem sind für die Bürger viel wichtiger als das Gefühl, in einer lebendigen Gemeinde zu leben, als eine Gemeindevertretung mit formalen Rechten, die aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit längst nicht mehr wahrgenommen werden können. Wenn man auf der Basis der Fakten zu der Überzeugung gelangt, dass eine Gemeindegebietsreform notwendig ist - und die Fakten lassen keinen anderen Schluss zu, meine Damen und Herren -, dann besteht unsere erste Pflicht darin, diese Notwendigkeit den Menschen auch zu vermitteln.

Man muss den Menschen auch die Angst vor etwas Neuem nehmen und darf nicht nur herummäkeln. - Dieser Satz, meine Damen und Herren, stammt aus dem Mund des Bürgermeisters der amtsfreien Gemeinde Nuthe-Urstromtal, Wieland Jansen. Er sagte ihn in der hier schon zitierten Anhörung des Innenausschusses am 15. Februar.

Die ehemals amtsangehörigenden Gemeinden des Amtes NutheUrstromtal schlossen sich freiwillig zu einer amtsfreien Gemeinde zusammen. Kaum jemand in der Gemeinde Nuthe-Urstromtal möchte den Beschluss rückgängig machen. Der damals eingeschlagene Weg wird weiterhin als richtig empfunden, auch deshalb, weil neben der Steigerung der Verwaltungskraft ein nennenswerter Verlust an örtlicher Identität gerade nicht eingetreten ist.

Bürgermeister Jansen hat allerdings auch berichtet, dass dem Zusammenschluss ausführliche Diskussionen und eine umfassende Information aller Bürger vorausgingen. Wir sollten diesem Vorbild folgen. Über Vorteile wie auch über Nachteile muss umfassend berichtet werden. Es muss der ehrliche Versuch unternommen werden, Bedenken und Vorurteile auszuräumen. Wir müssen mit Argumenten überzeugen. Es muss von allen Seiten das Bemühen im Vordergrund stehen, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen. In vielen Gemeinden gibt es bereits fruchtbare Gespräche über die zukünftige Struktur. Diese Gemeinden erwarten zu Recht, dass eine eindeutige Rechtsgrundlage für ihre Planungen geschaffen wird. Diese werden wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gewährleisten.

Wenn ich den Diskussionsprozess bis zum heutigen Tag zusammenfasse - ich denke, der Kollege Schulze wird nachher auch noch einiges dazu sagen -, so lässt sich resümieren, dass die kritischen Stellungnahmen völlig unterschiedlich motiviert sind. Manchem geht die Reform zu weit; andere lehnen sie als unzureichend ab. Die Erfahrungen mit Gemeindestrukturreformen in den anderen Bundesländern, die vor mehr als 30 Jahren stattfanden, zeigen, dass niemals ein hundertprozentiger Konsens über eine Gemeindegebietsreform herbeigeführt werden kann. Wie wir uns entscheiden - es wird immer kritische Stimmen geben. Dies würde übrigens auch dann der Fall sein, wenn wir alles beim Alten ließen. Daher sollte jedem klar sein, dass nach der jetzt geführten Diskussion am Ende eine vom Landtag verabschiedete Regelung stehen muss. Welche Narben diese notwendige Regelung hinterlässt, vor allem aber auch, in welchem Umfang am Ende überhaupt hoheitlich zusammengeschlossen werden muss, liegt in beträchtlichem Umfang auch an uns als Abgeordnete. Hören wir also auf zu mäkeln und nehmen wir den Menschen die Angst vor dem Neuen!

Die Kommunen unseres Landes bitte ich eindringlich: Nutzt die Phase der Freiwilligkeit, um in eigener Verantwortung zu tragfähigen Lösungen zu kommen! Was freiwillig vereinbart wird, ermöglicht immer noch die größte Akzeptanz. Der Gesetzentwurf der Landesregierung dient diesem Ziel, indem er bisher bestehende Hemmnisse bei der freiwilligen Bildung größerer Gemeindestrukturen beseitigt.

Meine Damen und Herren! Ich habe einmal gelesen, es sei der größte Fehler der Demokratie, dass immer nur die Opposition wisse, wie das Land regiert werden müsse. Ich glaube, dass uns mit dem vorliegenden Reformvorhaben der Gegenbeweis gelingt. Deshalb bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu folgen, dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zuzustimmen und den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Bochow und gebe das Wort an Herrn Abgeordneten Claus von der Fraktion der DVU.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nach all dem, was Sie, meine Damen, meine Herren auf der Regierungsbank, nun zu Ihrem Gesetzesprodukt hören, lesen und zur Kenntnis nehmen durften - sei es durch die Rede unseres Fraktionskollegen Herrn Firneburg in der letzten Plenarsitzung im Januar dieses Jahres, sei es von den Experten im Verlauf der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss am 15. Februar dieses Jahres, sei es in der Tagespresse am darauf folgenden Tag, dem 16. Februar, sei es ansonsten in der Öffentlichkeit unseres Landes oder sei es aus unserem in der heutigen Plenardebatte eingebrachten Änderungsantrag und dessen Begründung -, wird es Sie ja sicherlich nicht sonderlich in Erstaunen versetzen, dass wir - jedenfalls in der vorliegenden Fassung - Ihren Antrag ablehnen.

Den Kundigen wird das nicht verwundern, denn einen besseren Verriss durch die nun wirklich geradezu erdrückenden und überwiegenden Ansichten der Experten und der Medien kann man sich kaum vorstellen. Wären wir hier im Innenausschuss, bräuchte ich eigentlich an dieser Stelle nur auf die genannten Quellen zu verweisen. Aber für die betroffene Öffentlichkeit in unserem Land Brandenburg möchte ich die wesentlichen Gesichtspunkte der Reihe nach herausstellen.

Erstens: Schon in der letzten Plenarsitzung in diesem Haus im Januar gab der Abgeordnete Firneburg zu bedenken, dass in Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen, meine Herren auf der Regierungsbank, einiges doch wohl zu wenig ausgeprägt sei, insbesondere der grundsätzliche Vorrang der Freiwilligkeit von Gemeindezusammenschlüssen, die Sicherung der Bürgerbeteiligung und der Erhalt örtlich gewachsener Eigenheiten bei Gemeindezusammenschlüssen sowie die Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei staatlichen Eingriffen in bestehende Strukturen im Fall von Zusammenschlüssen und die Akzeptanz der Bevölkerung. Das Prinzip der Freiwilligkeit betreffend geschah dies im Übrigen bereits mit einem deutlichen Hinweis auf das ja

anscheinend wohl nicht abzustellende und zudem noch öffentlich Herausposaunte Ihres Innenministers, Herrn Schönbohm, im demokratisch-parlamentarischen Bereich.

Meine Damen, meine Herren, auch an dieser Stelle noch einmal an Ihre Adresse, Herr Minister Schönbohm: Wir sind hier nicht in der Kaserne, wo man bloß befehlen muss, sondern wir befinden uns hier im Landtag, wo man debattieren muss.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der CDU - Minister Schönbohm: Seit wann wissen Sie das?)

- Schon lange, seitdem wir in diesem Landtag sitzen, Herr Minister.

Schließlich - das sei schon der Vollständigkeit halber erwähnt hatten wir es in der letzten Plenarsitzung im Januar 2001 im Rahmen des Themas Gemeindestrukturreform mit dem Gesetzentwurf der PDS-Fraktion zu tun. Dies wäre allerdings nach Ansicht der Fraktion lediglich ein Vorschaltgesetz. Wir als DVU-Fraktion stimmen mit einer ganzen Reihe von Überlegungen überein, sind allerdings nach wie vor der Ansicht, dass nichts dagegen spricht, diese unmittelbar in die Gemeindeordnung einzufügen.

Zweitens: Nach der letzten Plenarsitzung warteten wir alle gespannt auf den 15. Februar, wo die öffentliche Anhörung im Innenausschuss stattfinden sollte. Was geschah dort? Sieh an! Ganz überwiegend erfolgte prompt der Verriss dieses Gesetzentwurfes. Die Gründe dafür waren: eine zu geringe Achtung des Prinzips der Freiwilligkeit, fehlende Bürgerbeteiligung, fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung usw. Das hat schon Herr Firneburg im Januar erzählt. Jeder, den es interessiert, kann das nachlesen, entweder im Protokoll dieser Anhörung am 15. Februar oder in der Tagespresse vom 16. Februar.

Drittens: Was geschah dann, meine Damen und Herren? Wenige Minuten nach dem Ende des letzten Expertenvortrages - die Türen waren gerade geschlossen, die Sitzung also nichtöffentlich - ließen die Vertreter des Regierungslagers sinngemäß verkünden: Die Sache ist entschieden. Wir wollen unverzüglich über das gesamte Reformwerk abstimmen. Änderungen gibt es sowieso nicht.

Man muss sich das einmal vorstellen: Man bestellt Experten, man hört sich deren Meinung stundenlang an und dann erklärt man unmittelbar danach, alles sei schlichtweg nur Kasperletheater.

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank! Dieses Parlament ist kein Abdeckparlament Ihrer Gesetzentwürfe.

(Beifall bei der DVU)

Wir als DVU-Fraktion hielten und halten die am 15. Februar 2001 durchgeführte Anhörung der Experten und Praktiker für elementar wichtig.

Das Protokoll dieser Anhörung lag erst - Herr Sarrach sagte dies bereits - am 20. Februar 2001, also in der letzten Woche, vor. Wir aber waren auf die Einschätzung der Experten und Praktiker unbedingt angewiesen. Wir haben diese Ergebnisse mit zum

Bestandteil der Einzelpunkte unseres Ihnen vorliegenden Änderungsantrages gemacht. Ohne das Protokoll von immerhin 91 Seiten wäre dies nicht möglich gewesen. Lesen Sie unsere Antragsunterlagen so sorgfältig durch, wie wir uns mit dem Protokollmaterial befasst haben! Wenn Sie dies tun, werden Sie einiges wiederfinden.

Wir tragen mit unserem Antrag auch den dringendsten Kritikpunkten der Experten Rechnung, namentlich dem Prinzip der Freiwilligkeit, der Bürgerbeteiligung usw. Ich hatte das bereits erwähnt. Herr Firneburg hat dies in der letzten Sitzung ebenfalls gesagt.

Somit korrigieren wir überwiegend die anerkannten Defizite Ihres Reformwerkes.

Viertens: Eine letzte wesentliche Änderung in diesem Sinne erfolgte erst am vergangenen Montag. Die Ergänzung des § 3 der Amtsordnung zur Konkretisierung der Verhältnismäßigkeit...

Ich hoffe, es ist Ihnen nicht entgangen, dass ich Ihnen schon längst signalisiert habe, dass die Redezeit abgelaufen ist.

Ja, ich sehe die rote Lampe leuchten. Einen kleinen Moment noch, Herr Präsident. - Danke schön.

Die Änderung des § 3 - man höre und staune - ist durch den Abgeordneten Schulze von der SPD-Fraktion in der Sitzung des Innenausschusses am vergangenen Donnerstag aufgrund zu Recht gestellter Fragen veranlasst worden. Lesen Sie sich, Herr Kollege Schulze, das noch einmal genau durch! Sie finden das auch im Änderungsantrag der DVU-Fraktion wieder.

Stimmen Sie im elementaren Interesse des inneren Friedens im Lande Brandenburg unserem Änderungsantrag zu! - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Danke, Herr Abgeordneter Claus. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU. Bitte, Herr Abgeordneter Petke!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige 2. Lesung des Gemeindestrukturgesetzes ist ein sehr wichtiger und notwendiger Schritt bei der Umsetzung der Gemeindereform im Land Brandenburg. Die Regelungen des Gesetzes untersetzen wesentliche Teile der Leitlinien zur Gemeindereform der Landesregierung. Bei den Diskussionen vor Ort ist auch in Aussicht gestellt worden - das geschah sowohl durch die Vertreter der Landesregierung als auch durch Abgeordnete der Regierungskoalition -, dass wir diese Regelungen so schnell wie möglich in ein Gesetz gießen wollen. Es ist ein wichtiges und notwendiges Signal, in der bis zum März 2002 andauernden

Phase der Freiwilligkeit die Leitlinien leitbildgerecht im Wege der Freiwilligkeit vor Ort umzusetzen.

Wir haben den Gesetzentwurf entgegen anderen Behauptungen ausführlich im Ausschuss für Inneres behandelt. Wir haben eine Sondersitzung durchgeführt. Wir haben - das wurde von mehreren Rednern bereits erwähnt - auch eine Anhörung durchgeführt, so wie es die Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg vorschreibt.

(Vietze [PDS]: Haben Sie auch hingehört?)

- Wir haben hingehört, Herr Vietze, genauso wie Sie das getan haben.

(Vietze [PDS]: Bei einer Anhörung ist das wesentlich!)

- Nicht nur dort ist das wichtig. Ich will Ihnen sagen, wie ich zugehört habe. Inhaltlich ist deutlich geworden:

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Es wäre gut gewesen, wenn Sie zugehört hätten!)

Es gibt unterschiedliche Meinungen. Ich möchte an dieser Stelle einmal etwas aus den Mitteilungen des Städte- und Gemeindebundes vom Oktober 2000 zitieren:

„Festzustellen sei, dass in der Mitgliedschaft”

- gemeint ist der Städte- und Gemeindebund -

„sehr unterschiedliche Positionen zur zukünftigen Gemeindestruktur eingenommen würden und der Verband in der schwierigen Situation sei, einen Konsens zu erreichen.”