Protocol of the Session on February 28, 2001

Entgegen der Begründung im Antrag der PDS, dass gerade im ländlichen Raum eine flächendeckende sozialarbeiterische Betreuung dann nicht mehr gewährleistet sei, muss ich sagen, dass gerade im ländlichen Bereich die Eigeninitiative der Jugendlichen ausgeprägter ist, als es sich manch einer von Ihnen vorstellen kann - auch im Kreis OPR.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Hier ist es geschafft worden, dass sich die Jugendlichen ihre Räume herrichteten, für die sie nun verantwortlich sind, und dass sie selbst Entscheidungen über ihre Angebote treffen können, natürlich begleitet und unterstützt von Jugendkoordinatoren der Berlin-Brandenburgischen Landjugend, die bei Problemen tätig werden. Diese müssen jedoch nicht immer präsent sein, was auch der Wunsch der Jugendlichen vor Ort ist. Womit sich die Jugendlichen dort beschäftigen, welche Inhalte diskutiert werden, darauf schauen die Gemeinde und die Eltern, um Fehlentwicklungen sofort entgegenzutreten. Ich denke, das ist ein richtiger Weg, der auch für uns unterstützbar und finanzierbar ist.

Natürlich sollte auch eine feste und zuverlässige Größe als Unterstützung für Jugendarbeit zur Verfügung stehen. Ich denke, dass unser Land diese Forderung mit seinem 610-Stellen-Programm zum Teil erfüllt.

Städte und Gemeinden sollten nun wieder zu einer eigenständigen Übernahme ihrer Pflichtaufgabe im Jugend- und Jugendsozialbereich gebracht werden, indem nur noch eine Kofinanzierung über einen bestimmten Zeitraum - Herr Kuhnert hat ihn erklärt möglich sein wird, unter der Maßgabe, bereits bei Projektbeginn die weitere Finanzierung sicherzustellen und zu erläutern.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Stobrawa [PDS])

Und um es noch einmal klarzustellen: Es ist eine Pflichtaufgabe, sich der Jugendarbeit zu widmen, sich auch stark zu machen und es nicht wie der Städte- und Gemeindebund sowie einige Landkreise als freiwillige Aufgaben anzusehen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Stobrawa [PDS])

Was wir aber in jedem Fall in Zukunft verstärkt tun müssen, ist, sich mit den Jugendverbänden und öffentlichen Trägern sowie den Kommunen an einen Tisch zu setzen, um Lösungen für die Jugendlichen vor Ort zu finden. Das Zusammenkommen der Sozialdezernenten der Kreise mit der Landesregierung im Januar war ein richtiger Schritt auf diesem Weg. Auf keinen Fall darf die Jugend in diesem Streit unter die Räder kommen

(Zuruf von der PDS: Genau das passiert!)

bzw. darf man indirekt und direkt dem großen, weiter wachsenden und notwendigen Engagement der Gemeinden und freien Träger im ländlichen wie im städtischen Raum widersprechen.

Ordentliche Jugendarbeit kann nicht auf Dauer mit befristeten Hilfsmaßnahmen geleistet werden. Wer würde schon auf den Gedanken kommen, ein Bau- oder Planungsamt mit Hilfskräften zu besetzen!

(Zurufe und Beifall bei der PDS - Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deshalb sollten wir wirklich am 610-Stellen-Programm festhalten und eher, wenn sich die Notwendigkeit ergibt, an eine Erweiterung gerade in der Jugend- und Jugendsozialarbeit denken. - Ich danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht erneut an die Landesregierung. Besteht noch Redebedarf, Herr Minister? - Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Heute könnte ich es mir leicht machen, da die von der PDS im Antrag geforderte Korrektur der Kürzung im Jugendbereich bereits erfolgt ist. Denn die gute Nachricht lautet: Die Landesregierung hat sich in den vergangenen Wochen erfolgreich um eine Erhöhung der in diesem Jahr für den Bereich Jugendhilfe zur Verfügung stehenden SAM-Stellen bemüht.

Dennoch: Wenn ein Schwacher einem anderen Schwachen hilft, seine Aufgaben zu lösen, dann nennen wir das zu Recht solidarisch und gut. Wenn der solidarisch Handelnde nicht mehr weiter kann und seine Solidarität reduzieren muss, nun der andere ihn aber beschimpft und klagt, dann nennen wir das nicht nur unsolidarisch, sondern auch undankbar.

Genau das ist die Situation, in der wir heute stehen. Denn die Kommunen haben wie das Land nur die Hälfte der Einnahmen im Vergleich zu den Kommunen und den Ländern im Westen der Bundesrepublik; aber das Land gehört zu den am höchsten verschuldeten in Deutschland, während die Kommunen zu den am geringsten verschuldeten in Deutschland gehören.

Wir sollten uns, ehe wir diese Debatte in der Leidenschaft, wie sie Herr Hammer hier instruiert hat, führen, einmal in Erinnerung rufen, wie der Stand ist, zum Beispiel im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen. Wir haben ein doppelt dichtes Netz an Jugendfreizeiteinrichtungen. Wir haben - wir sind zurzeit dabei, das zu evaluieren und werden Ende des Jahres dies ganz genau benennen können - rund 1 000 Jugendfreizeiteinrichtungen in unserem Land. Das ist ein im Verhältnis zu den anderen Bundesländern vergleichsweise dichtes Netz. Es sind Jugendfreizeiteinrichtungen, von denen außerordentlich viele - das sage ich mit Stolz - von Ehrenamtlichen geleitet werden. Ich denke, dieser Tag sollte Anlass sein, diesen Ehrenamtlern im Jahr des Ehrenamtes Dank zu sagen für die Arbeit, die sie leisten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der PDS)

Ich werde diesen Dank im Namen der Landesregierung - und Herr Hammer hat vorhin in freundlicher Weise beschrieben,

dass alle Briefe an mich auch gleich an ihn gegangen sind, deshalb ist das dann vermutlich auch ein Dank im Namen des Parlaments - am 30. März bei einem Empfang für die Ehrenamtler im Land aussprechen. Das Ehrenamt ist nicht alles, aber ohne Ehrenamt ist alles nichts.

Wir haben darüber hinaus - und es gibt Vergleichbares nur noch in Mecklenburg-Vorpommern - ein 610-Stellen-Programm auf den Weg gebracht, mit dem wir als Land die Kommunen bei der Wahrnehmung ihrer originären Aufgaben unterstützen. Ursprünglich waren wie im Bereich des Sports nur noch 228 Stellen für den Bereich Jugend geplant. Gegen diese Planung hat es verständlicherweise eine große Zahl von Protesten, Petitionen und Schreiben von Trägern der Jugendhilfe wie auch von Bürgerinnen und Bürgern gegeben.

Im Gespräch zwischen dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport sind vor zwei Wochen für die Kofinanzierung von Strukturanpassungsmaßnahmen im Jugendbereich für die Jahre bis 2005 folgende Eckpunkte vereinbart worden:

Für 410 Stellen wird eine Kofinanzierung durch das Land bereitgestellt. Die Stellen werden auf die Kreise und kreisfreien Städte als Kontingente aufgeteilt. Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die örtliche Jugendhilfeplanung entscheiden dann darüber, welche Projekte eine Förderung erhalten sollen, weil sie vor Ort natürlich viel besser entscheiden können, was jetzt am dringendsten notwendig ist.

Für das laufende Jahr werden die Gesamtkosten einschließlich der im bereits vergangenen Jahr durch die LASA für das Jahr 2001 ergangenen Vorbindungen in Gänze vom Land übernommen. Ich hoffe, dass auch die finanzpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion dies unterstützt und mit trägt.

Einmal mehr also tritt das Land in die Mitfinanzierung einer kommunalen Aufgabe ein, obwohl die Kommunen in Brandenburg das relativ und absolut beste Gemeindefinanzierungsgesetz der Bundesrepublik haben.

Ab 2002 werden, um die Förderung von 410 Stellen aufrechterhalten zu können, kommunale Zuschüsse gezahlt werden müssen. Wenn wir eine kommunale Aufgabe mitfinanzieren, und zwar mit dem Löwenanteil, ist es nur recht und billig, dass die Kommunen dann in diesem originären Aufgabenbereich auch selbst mitfinanzieren. Das Argument, dass die Kommunen finanziell so stark belastet wären, gilt deshalb nicht, weil wir es ausweislich dessen, was ich vorhin gesagt habe, in noch viel größerem Umfang selbst sind.

(Dr. Trunschke [PDS]: Fragen Sie doch einmal Herrn Platzeck!)

Sie brauchen nicht dazwischenzurufen; das habe ich lange, bevor Sie gerufen haben, getan.

(Erneuter Zuruf des Abgeordneten Dr. Trunschke [PDS])

- Schreien Sie doch nicht so herum, Herr Trunschke!

(Weitere Zurufe von der PDS)

Sie können doch Fragen stellen. Sie kennen doch die Geschäftsordnung des Landtages; die gilt ja.

(Unruhe bei der PDS)

Um ab 2002 die Förderung von 410 Stellen aufrechterhalten zu können, sind kommunale Zuschüsse erforderlich. Pro Stelle sind 2 000 DM im Jahr 2002, 3 200 DM im Jahr 2003, 4 300 DM im Jahr 2004 und 5 400 DM im Jahr 2005 erforderlich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Erfolg ist noch nicht sicher, denn nicht absehbar ist, ob die Kreise die geforderte Kofinanzierung ab 2002 leisten wollen und können. Um sie leisten zu können, müssen sie genauso, wie Kollege Ziel und ich das getan haben, in ihren Haushalten die entsprechenden Prioritäten setzen. Wir haben doch das Geld, obwohl wir als MBJS im Jugendbereich nicht gekürzt haben, auch nur deshalb zur Verfügung, weil wir, um diesen Weg, den Herr Ziel und ich vereinbart haben, gehen zu können, noch einmal nachträglich gemeinsam die entsprechenden Prioritäten bei uns gesetzt haben. Ich denke, es ist recht und billig, das jetzt auch von anderen zu verlangen.

Es gibt jetzt natürlich wenig Begeisterung für diesen Plan. Kein Kreis und keine kreisfreie Stadt wird gezwungen, das vorhandene Kontingent in Anspruch zu nehmen.

(Unruhe bei der PDS)

An dieser Stelle appelliere ich sowohl an die Gemeinden als auch an die Kreise und kreisfreien Städte, ihre Rolle als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe und ihre Zuständigkeit für die Gestaltung und Finanzierung der Jugendarbeit gemäß SGB VIII auch tatsächlich wahrzunehmen, und zwar im planerischen Bereich in dem Sinne, dass die Jugendämter und die Jugendhilfeausschüsse eine Planung dessen vornehmen, was als Kinder- und Jugendhilfebedarf anzusetzen ist.

Nicht jede Stelle, die in der Vergangenheit aus Mitteln der Arbeitsmarktförderung finanziert wurde, ist aus Sicht der Jugendhilfe prioritär zu bewerten. Hier sollten wir uns nichts vormachen. Dieser Jugendhilfebedarf kann nicht vom Land aus, sondern nur ganz eindeutig vor Ort festgestellt werden.

Herr Minister, Sie überschreiten die vereinbarte Redezeit.

Ich komme zum Ende. - Die Spielräume, die die Kommunen damit in Zukunft haben, sind größer geworden als ursprünglich in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen.

Ich meine, wir sollten gemeinsam auf die Kommunen zugehen, damit sie, wie wir es im Land gemacht haben, die Prioritäten so setzen, dass wir es bei einer Fortführung dieser Maßnahmen sowohl im Jugendhilfe- als auch im Sportbereich damit bewenden lassen können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht erneut an die PDS-Fraktion. Herr Hammer, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen ein Kontingent an SAM-Stellen hätten wir nichts einzuwenden gehabt, aber nicht auf so niedrigem Niveau. Ich hätte mir das auf höherem Niveau schon früher gewünscht.

Lieber Herr Kollege Kuhnert, Sie können davon ausgehen, dass ich kein Horrorszenario gezeichnet habe, sondern ich habe versucht, ein Stück Realität darzustellen.

(Beifall bei der PDS)