Protocol of the Session on February 28, 2001

Meine Damen und Herren, an die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit werden große Erwartungen gestellt. Jugendarbeit soll Jugendliche ansprechen und dabei Jugendberatung durchführen, Jugendangebote und allgemeine Freizeitangebote machen, einen Übergang von der Schule in das Berufsleben ermöglichen, demokratisches Denken und Handeln bei den jungen Menschen fördern und nicht zuletzt auch internationale Beziehungen anbieten. Aus dieser umfassenden Darstellung wird ersichtlich, dass viele Politikbereiche im Land Brandenburg einen wesentlichen Beitrag zur Jugendarbeit leisten. Es geht nicht nur um SAM-Stellen, wie Sie es heute herauszustellen versucht haben. Dies greift in die falsche Richtung und wird auch den aktiven Bemühungen vieler Verantwortlicher im Land Brandenburg nicht gerecht.

Meine Damen und Herren, in unserem nördlichen Nachbarland, in Mecklenburg-Vorpommern, wo bekanntlich die PDS mitregiert und sogar die zuständige Ministerin stellt, wurden allein in der Jugendhilfe 30 % der Finanzmittel gekürzt.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Es gibt aber ein Programm mit 1 000 Schulsozialarbeitern! 100%ig finanziert!)

- Frau Kaiser-Nicht, dass Sie in Ihrer Jugend eine falsche Jugendberatung hatten, lässt sich ja anhand Ihrer Veröffentlichungen der letzten Wochen deutlich erkennen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Sie sind so ein Schnösel!)

Dies bedeutet in DM-Beträgen eine Kürzung der Jugendhilfeleistungen in Mecklenburg-Vorpommern um 18 Millionen DM.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Dann nennen Sie auch die Summe für Brandenburg!)

Wie schrieb doch Goethe so treffend an Charlotte von Stein?

„Und die Weisen sagen: Beurteile niemanden, bis du an seiner Stelle gestanden hast.”

(Zurufe von der PDS)

Meine Damen und Herren, wir haben den Landesjugendplan im Haushalt auf gutem Niveau ausgestattet. Das ist und bleibt erklärtes Ziel unserer Landespolitik. Damit wurde ein deutliches Signal an und für die Jugend gesetzt. Jugendprojekte von den Kirchen, Vereinen und Verbänden erhalten damit die Möglichkeit, ihre Aufgaben mit Unterstützung des Landes Brandenburg wahrzunehmen. Der Kompromiss, der in diesem Bereich 410 SAM-Stellen zur Verfügung stellen soll, ist dabei eine wichtige Grundlage.

Er muss nun von den Kommunen umgesetzt werden und ich bin mir sicher, er wird auch umgesetzt werden. Die Stimmen aus den Landkreisen, die uns in den letzten Tagen und Wochen erreichten, können jetzt beweisen, dass sie keine Einbahnstraße meinten, als sie uns antworteten. Jetzt liegt es an den Verantwortlichen vor Ort, den Kompromiss, den wir erzielt haben, umzusetzen. Unabhängig davon bleibt es aber dabei, dass es problematisch ist, die Strukturen auf SAM-Stellen aufzubauen.

In der Jugendsozialarbeit ist die Berufshilfe ein wichtiger Bestandteil. Ich habe in der Rede von Herrn Hammer kein Wort davon gehört, dass 47 % aller Mittel aus dem Fördertopf für die aktuelle Ausbildungsplatzsituation eingesetzt wurden und werden. In diesem Jahr sind es 124 Millionen DM. Das ist ein sehr wichtiger, wenn nicht der wichtigste Beitrag des Landes Brandenburg zur Jugendförderung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir müssen die Ausbildungsplatzlücke schließen, die momentan noch ungefähr 6 000 Plätze umfasst.

Meine Damen und Herren, ich stelle die Frage: Welche Zielvorstellungen müssen wir neu definieren, um die Jugendarbeit im Land Brandenburg zu stärken und zu unterstützen? Die Grundwerte von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit bilden unverzichtbare Grundlagen für die Gesellschaft. Wenn wir ehrlich miteinander umgehen, dann müssen wir sagen, dass die Werteordnung in unserem Land noch lange nicht zu Ende diskutiert ist. Es bleibt unsere Aufgabe, die Werteorientierung in der Gesellschaft, in der Bildung und ganz besonders in den Familien zu fördern.

Meine Damen und Herren, in den Beiträgen wurde auch das Thema der Gewalt - aus meiner Sicht nicht immer sehr zielführend - als Bestandteil der jugendlichen Lebenswelt angesprochen. Halten wir aber fest, dass die Gewalt durch Eltern im familiären Bereich weiter als andere Gewalthandlungen verbreitet ist. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer Wertedebatte sowie einer Debatte über die Rolle der Familie im Land Brandenburg. Wir dürfen nicht Jugendarbeit verdrängen, sondern müssen familienpolitische Ansätze verstärken sowie die Erziehungskompetenz und die Erziehungskraft in den Familien stärken. Die Einführung eines Landeserziehungsgeldes - ich weiß, dass dies nicht jeder Politiker im Lande Brandenburg so sieht kann dabei eine wesentliche Rolle spielen. Die Familie ist und bleibt der zentrale Ort für unsere Kinder und Jugendlichen.

Meine Damen und Herren, Jugendarbeit hat Perspektiven im Land Brandenburg. Dies kann und sollte niemand anders darstellen. Es muss aber darüber nachgedacht werden, die Fördermittel im Jugendbereich an die Kommunen weiterzureichen. Im Umkehrschluss muss sich in den kommunalen Parlamenten die Wahrnehmung der Jugendhilfe verändern; vor allen Dingen muss sie eine größere Bedeutung gewinnen.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Ah, ja?)

- Ja, natürlich.

Wir müssen die Grundlage für die Finanzierung des Jugendbereiches über SAM-Stellen überdenken. Wir dürfen nicht weiterhin an einem Kartenhaus bauen, dessen Standfestigkeit schon heute nicht gegeben ist.

In dieser Debatte wurde oft über den ländlichen Raum gesprochen, der mit Sicherheit viel zu bieten hat. Ich komme aus dem ländlichen Raum und weiß, worüber ich rede. Lassen Sie uns gemeinsam an der flächendeckenden Einführung von Amtsjugendpflegern arbeiten. Es ist ein erstes Angebot am heutigen Tage, darüber nachzudenken. Wir schaffen damit ein Aufgaben

feld. Mit dieser festen Substanz lässt sich anschließend der differenzierte Bedarf in den einzelnen Jugendbereichen ermitteln.

(Hammer [PDS]: Weiter am Kartenhaus bauen!)

Meine Damen und Herren, in meinen Gesprächen mit den Jugendverbänden wird auch immer deutlich, dass eine kontinuierliche Angebotspalette den Bedingungen besser als eine Feuerwehrmentalität Rechnung trägt. Bei vorsichtiger Diskussion und notwendiger Aufgeschlossenheit lassen sich auch Veränderungen in der Finanzierung und in der Verantwortung durchsetzen. Ich bin mir der schwierigen Ausgangssituation bewusst, sehe darin aber eine erwähnenswerte Variante.

In allen Debatten fehlt mir aber die Betonung der Eigenverantwortlichkeit der Jugend. Es muss Jugendliche geben, die unseren kommunalen Parlamenten und Kreistagen als Abgeordnete dienen. Das Engagement Jugendlicher in Verbänden und Einrichtungen allein reicht nicht aus, auch eine politische Mitarbeit in den Parlamenten gehört dazu.

Die umfangreichen Anforderungen an die Kinder- und Sozialarbeit müssen auch weiterhin vom Land Brandenburg unterstützt werden. Die Maßnahmen mit dem 610-Stellen-Programm, die Verstetigung des Landesjugendplanes nach den Kriterien unserer Koalitionsvereinbarung, der gefundene Kompromiss der beteiligten Ministerien der Landesregierung und die in vielen Bereichen bereitgestellten Unterstützungen werden auch weiterhin die Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit absichern.

Meine Damen und Herren, es soll heute niemanden geben, der sich aufgrund seiner Argumente und Entscheidungen genüsslich zurücklehnen kann. Wir haben einen ständigen Prozess bei der Weiterentwicklung der Jugendarbeit; dieser Prozess ist zugleich ein wichtiger Bestandteil für die Entwicklung der Jugend im Land Brandenburg. Dazu gehört aber auch, sich verstärkt auf die Interessen unserer Jugendlichen einzustellen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke auch. - Wir sind nun bei der Landesregierung. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sollten nicht so tun, meine Damen und Herren der PDS-Fraktion, als würden wir jetzt völliges Neuland betreten, und erst recht nicht so, als würden wir finanzielle Mittel willkürlich kürzen. Die Umstände, die uns bei SAM wie auch in anderen Bereichen des Landeshaushalts zu Mittelkürzungen zwingen, sind hinlänglich bekannt: spätestens seit Verabschiedung des Haushaltsplanes im vergangenen Frühsommer hier im Landtag. So weiß auch die PDS-Fraktion, dass wir die Mittel zur Finanzierung der Arbeitsförderung von 438 Millionen DM im Vorjahr auf ca. 360 Millionen DM in diesem Jahr absenken. Ich erinnere daran, dass damit im Jahr 2001 immer noch mehr Mittel bereitstehen, als in der ursprünglichen mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen war. Das haben wir erreicht, weil die Arbeitsmarktpolitik ange

sichts der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit einen großen politischen Stellenwert hat.

Dass es ab 2001 eng werden würde, habe ich immer wieder gesagt, unter anderem auch auf der Abschlussveranstaltung zum partnerschaftlichen Abstimmungsprozess über die EU-Förderperiode der Jahre 2000 bis 2006. Hier saßen Träger, Kammern, Verbände und Kommunen, also eine breite Öffentlichkeit, mit am Tisch. Damals hatten wir unsere Schwerpunkte der Arbeitsförderung eindeutig benannt. Priorität haben die Förderung der Qualifizierung und die Sicherung der Erstausbildung. Weiter geht es darum, Langzeitarbeitslosen den Weg in die Erwerbsarbeit zu ebnen.

Wenn man das eine tun will, meine Damen und Herren, muss man, wenn die Höhe der Haushaltsmittel zurückgeht, etwas anderes lassen. Wir haben das gründlich abgewogen. Angesichts der Alternativen, etwa noch stärkere Kürzungen beim „Kurssystem contra Arbeitslosigkeit”, Kürzungen bei der beruflichen Erstausbildung oder weniger Mittel für die Förderung von Maßnahmen „Arbeit statt Sozialhilfe”, haben wir dann entschieden, auch bei SAM Kürzungen vorzunehmen, dies auch, weil SAM immer mehr in die Rolle eines Ersatzfinanziers gedrängt wurde. Das kann aber nicht sein, ich jedenfalls halte es für eine Fehlentwicklung. Öffentliche Aufgaben über diese Instrumente hier schließe ich ABM ein - auf Dauer durch Mittel der Arbeitslosenversicherung finanzieren zu lassen, das geht nicht.

ABM und SAM sind heute vor allem sinnvoll und hilfreich, meine Damen und Herren, wenn vorübergehend zusätzlich zu bestehenden dauerhaften Strukturen zusätzliche Aufgaben zu bewältigen sind. Als dauerhafter Ersatz für andere Finanzierungsstrukturen taugen sie auch wegen des bei der Arbeitsförderung erforderlichen Personalwechsels nicht.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Osten [PDS])

Im Übrigen hat auch die Bundesanstalt für Arbeit ihr Engagement für SAM zugunsten von Weiterbildung und des Jugendsofortprogramms deutlich reduziert. Das bedeutet, dass für SAM in Brandenburg bei den Arbeitsämtern in diesem Jahr nur noch etwa die Hälfte der Mittel des Vorjahres zur Verfügung stehen wird.

Meine Damen und Herren, weniger SAM bedeutet aber nicht, dass wir uns aus dem Bemühen ausklinken, hierfür eine dauerhafte Finanzierung auf den Weg zu bringen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Osten [PDS])

Im Gegenteil, die seit Jahresbeginn gültige Richtlinie sieht eine stärkere Mitwirkung der Ressorts vor, um wichtige SAM-Projekte fortführen zu können. Die verfügbaren Mittel sollen gezielter eingesetzt und wirksamer mit fachspezifischen Interessen verknüpft werden. Über die Förderwürdigkeit entscheiden die zuständigen Ressorts bzw. bei der Jugendhilfe und den sozialen Diensten die Landkreise und die kreisfreien Städte.

Bei allem, was wir in dieser Sache diskutieren, meine Damen und Herren, sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, dass Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit ebenso wie die Sicherung sozialer Infrastruktur elementare kommunale Aufgaben sind. Deshalb sind auch die Städte und Kommunen seit Beginn der SAM-Landesförderung, die wir seit 1997 haben, in die Auswahl

der zu fördernden SAM-Projekte einbezogen worden. Das Jugendministerium und das Arbeitsministerium gemeinsam haben mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern von Jugendhilfeprojekten nach Lösungen gesucht und wir haben einen, wie ich finde, akzeptablen Weg gefunden. Herr Reiche wird ihn noch erläutern.

Weil hier mehrmals die Kommunen erwähnt worden sind, will ich aber deutlich sagen: Ich habe vor einigen Wochen ein Programm auf den Weg gebracht, das wir - es ist vorhin schon angesprochen worden - dem Bund, den Ländern und den Kommunen als ein Programm „Aufschwung West für Aufbau Ost nutzen” empfehlen, und zwar vor allem zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur, nämlich ein Investitionsprogramm.

Meine Damen und Herren, wir in den neuen Bundesländern möchten nicht an erster Stelle Konsumenten sein. Wir wollen investieren und wir wollen Produzenten sein. Das darf uns niemand wegnehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht erneut an die SPD-Fraktion. Es spricht Frau Abgeordnete Redepenning.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! SAM wurde als arbeitsmarktpolitisches Instrument gesehen, welches beschäftigungswirksame, vom Land finanzierte Arbeitsförderung umsetzte, jedoch immer mit der Zielvorgabe, Übergänge in reguläre Arbeitsverhältnisse zu erreichen. Sicherlich lässt sich dieser Übergang in jedem anderen Bereich, in welchem SAM zum Einsatz kamen, rechtfertigen, weil durch eingearbeitete Arbeitnehmer, die die Unternehmen in der Anfangsphase zum Nulltarif und zu Schnupperstunden zur Verfügung hatten, Gewinne gemacht werden konnten. Doch wer kann Gewinn, kann Plus machen bzw. schwarze Zahlen in den Bereichen der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Kultur, Soziokultur sowie im Umweltbereich schreiben?

Die kontroverse Diskussion, die in den letzten Monaten vor allen Dingen in der Presse zu diesem Thema geführt wurde, dass eine Kürzung bei SAM in Dimensionen vorzunehmen sei, haben wir, die wir hier im Landtag sitzen, uns zum Teil selbst zu verdanken. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Denn wer kann es Städten und Gemeinden übel nehmen, dass sie sich aus ihrer Verantwortung der finanziellen Übernahme für Kosten in der Jugendarbeit zum Teil herausstahlen, wenn das Land großzügig verteilte und jährlich aufstockte? So haben wir mit dazu beigetragen, dass die Mittel, die eigentlich für den Jugendbereich vorgesehen waren, auf andere Bereiche, die sicherlich ebenfalls nicht üppig finanziell gedeckt waren, verteilt wurden und dass ein Umkehren des Ganzen nur mit großen Schwierigkeiten möglich ist.

Wer heute schreit: „Wir müssen unseren Jugendlichen mehr Perspektiven geben, da sie sonst nur zu Extremismus neigen”, dem muss ich auch sagen, dass SAM offensichtlich nicht die richtige Methode waren, dieser Tendenz entgegenzuwirken.

Denn obwohl SAM im Jugendbereich bisher nie Kürzungen unterworfen waren, steigt als gegenläufige Tendenz die Spirale der Gewaltbereitschaft und Aggressivität immer mehr. Zu lange haben wir gewartet - das gebe ich auch zu -, Alternativen zu suchen, die Eltern und Jugendliche selbst enger z. B. an die Klubs und damit an die Verantwortung knüpfen.