In Umsetzung der umstrittenen Regierungsleitlinien liegt der Entwurf des Gemeindereformgesetzes vor. In der Problembe
schreibung zum Gesetzentwurf wird die Gefahr einer fortschreitenden Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung genannt, die auch wir sehen und der man entgegentreten muss. Untersetzt ist diese Gefahr mit den enger werdenden finanziellen Handlungsspielräumen der Gemeinden. Weiterhin werden von der Landesregierung zunehmende Defizite bürgerschaftlicher Mitwirkung gesehen, die daran festgemacht werden, dass in vielen Gemeinden mit bis zu 500 Einwohnern die Bereitschaft der Bürgerschaft zur ehrenamtlichen Mitarbeit in Ermangelung von Bewerberinnen und Bewerbern nicht ausreichend gegeben sei.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das grüne Argumentationsheft des Innenministeriums. Darin heißt es, dass es in rund 30 % der kleinen Gemeinden gerade einmal so viele Bewerber wie Mandate gab. In elf Gemeinden konnte wegen fehlender Bewerber keine Gemeindevertretung gewählt werden. In elf von 1479 Gemeinden! Daraus die genannte Problembeschreibung abzuleiten ist überzogen und durchsichtig. Aber unabhängig von dieser meines Erachtens falschen Prämisse der Landesregierung ist es eine Tatsache, dass kleine Gemeinden Probleme haben. mit denen man sich aktiv auseinander setzen muss. Das war schließlich der Grund für die Einführung der Amtsordnung in Brandenburg.
Aber es geht nicht an. dass mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung beklagt wird, dass trotz Ämterbildung 1992/93 die große Zahl kleiner Gemeinden fortbesteht. Die Amtsordnung hatte nie die Auflösung oder den Zusammenschluss von amtsangehörigen Gemeinden zum Ziel. Hier entpuppen sich diejenigen. die Ämter stets nur als Durchlaufprodukt hin zu Einheitsgemeinden verstanden haben.
Die Landesregierung ist für eine radikale Lösung. Ein Schreckensszenario ersetzt das andere, indem die kleinen Gemeinden unter 500 Einwohnern einfach flächendeckend abgeschafft werden sollen. Ich darf Sie daran erinnern, dass genau das mit dem von der Enquetekommission vorgeschlagenen Modell der Amtsgemeinde, an dem die PDS zur Bereicherung unseres Kommunalrechts als eine weitere Option festhalten möchte, verhindert werden sollte.
Der nächste Einschnitt, der auch mit der Änderung der Amtsordnung angestrebt wird, ist die Abschaffung aller Ämter vom Modell 2 und 3. Diese Ämtcrtypen sollen mit den nächsten Kommunalwahlen auslaufen und da nach den Leitlinien keine neuen Verwaltungseinheiten gebildet werden dürfen. bleibt diesen nur der Anschluss an bestehende Verwaltungseinheiten. Bereits aus der Festlegung in den Leitlinien, im engeren Verflechtungsraum keine Ämter mehr zuzulassen, ergibt sich eine staatlich verordnete Zurückdrängung des Amtsmodells. Ergänzend dazu wird das Genehmigungs- und Anordnungsrecht des Innenministeriums bei der Bildung bzw. bei der Änderung oder Auflösung von Ämtern erheblich erweitert. Gestützt auf das öffentliche Wohl kann der Innenminister damit zunächst beliebig hincindirigieren.
Da hier meiner Ansicht nach die Substanz des Gesetzentwurfes liegt, habe ich mit diesen Änderungen der Amtsordnung begonnen. Sie werden mir sicher zustimmen, dass das alles nur wenig mit der Weiterentwicklung des Amtsmodells zu tun hat, wie sie vom Innenminister in Aussicht gestellt worden war. Umfangreiche Änderungen der Gemeindeordnung, die Artikel 1 des Gc
setzentwurfes bilden, beziehen sich auf die Ortsteilverfassung. Hier hat Herr Schönbohm im Vorfeld eine hohe Erwartungshaltung geschaffen, indem er den Eindruck erweckte, dass sich für die Gemeinden durch eine Konstituierung als Ortsteil kaum etwas ändern werde.
Ich kann nur sagen: Die von Ihnen jetzt vorgelegte neue Ortsteilverfassung bleibt weit hinter diesen Erwartungen zurück. so wie wir es bereits vorher gesagt hatten. Sie ist ein kosmetisches Korrekturinstrument von Gebietsreformen. Sie haben, wie nicht anders zu erwarten war, gar kein Interesse an starken Ortsteilen. Dem Gesetzentwurf entnehme ich, dass sich in amtsfreien Gemeinden aus Gemeinden Ortsteile konstituieren können. Von amtsangehörigen Gemeinden ist gar keine Rede. Die aufgeführten Anhörungsrechte - § 54 a Abs. I - sind identisch mit den bereits in der Gemeindeordnung festgeschriebenen. Neu sind die in § 54 a Abs. 3 vorgesehenen Angelegenheiten, über die Ortsbeiräte entscheiden können, wenn es die Hauptsatzung oder der Gebietsänderungsvertra g vorsehen.
Es geht uni wahrlich gewichtige Angelegenheiten. beispielsweise um die ausschließlich ortsteilbezogene Festlegung der Reihenfolge der Unterhaltung. Instandsetzung und des Ausbaus von Straßen, Wegen und Plätzen und andere Dinge mehr. Da es sich hierbei um einen abschließenden Katalog handelt, ist davon auszugehen. dass die Gemeinden darüber hinaus keine eigenen Entscheidungsrechte an die Ortsteile vergeben dürfen. Um sicher zu gehen, dass hier nichts schief laufen kann, ist die Geineindevertretwig berechtigt, solche Beschlüsse des Ortsbeirates mit der Mehrheit ihrer Mitglieder zu ändern oder aufzuheben bekanntlich gilt § 65, der die Beanstandung regelt -, obwohl für diese Aufgaben eine eigene Wahrnehmungszuständigkeit des Ortsbeirats den Aufgabenbereich der Gemeindevertretung ersetzen soll. So steht es in Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf. Es mag ja sein, dass die Gemeindevertretung von diesem umfassenden Recht zur Änderung oder Aufhebung von Ortsbeiratsbeschlüssen keinen oder nur vorsichtigen Gebrauch macht. Jedoch hat das nichts mehr mit dem von Ihnen einst versprochenen Vetorecht von Ortsteilen zu Beschlüssen der Gemeindevertretung zu tun.
"In Angelegenheiten. die die Ortschaft betreffen und die der Entscheidung der Gemeindevertretung vorbehalten sind, kann bei entgegenstehendem Votum des Ortsbürgermeisters der Beschluss nur mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden."
Zumindest an dieser Stelle wird - allerdings zum Nachteil der Stellung der Ortsteile - von den Leitlinien abgewichen.
Die Möglichkeit, dem Ortsbeirat eigene Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. wird auf die Förderung von Vereinen und Verbänden, die Förderung und Durchführung von Veranstaltungen der Heimatpflege. des Brauchtums und der Fremdenverkehrsentwicklung sowie auf Mittel für Ehrungen und Jubiläen beschränkt. Diese bescheidenen Finanzrechte sind, wie gesagt, kein gesetzlicher Anspruch. sondern lediglich eine Option.
Stattdessen ist die Gemeindevertretung berechtigt, einen Ortsteil durch Änderung der Ortssatzung aufzuheben oder in seinem
Gebiet zu ändern. Bisher war dieser Praxis in der Gemeindeordnung ein Riegel vorgeschoben. der die Existenz des Ortsteils für mindestens zwei Wahlperioden sicherte.
Die Aufhebung des Ortsteils bedarf der Zustimmung des Ortsbeirates, sofern es einen gibt. Bei Änderungen des Gebietes eines Ortsteiles muss der Ortsbeirat lediglich gehört werden. Sie haben wirklich an alles gedacht, denn damit steht die Existenz von Ortsteilen auf sehr wackeligen Füßen. Mit dieser schwachen Ortsteilverfassung sind wir nicht einverstanden und wir werden auf Änderungen drängen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit den Regelungen zur Personalübernahme. die mit einem neuen § 10 a in die Gemeindeordnung aufgenommen werden, soll das Widerstandspotenzial im Bereich der haupianidichen Verwaltung ruhig gestellt werden. Das geht so weit, dass mit einer Änderung im § 10 sogar die Begrenzung der Zahl der Beigeordneten aufgehoben wird. und zwar bis zum Ablauf ihrer Wahlperiode. Das können, wie bekannt. bis zu acht Jahre sein. In diesem Komplex erstaunt die Großzügigkeit der Regelungen.
Diese und weitere Regelungen, so die neuen Bestimmungen zum Kommunalwahlrecht. sollen die Freiwilligkeit von Gemeindezusammenschlüssen fördern. Gegen die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für freiwillige Zusammenschlüsse ist nichts einzuwenden, wenn nicht der enge zeitliche Rahmen sowie die detaillierten Vorgaben für die Gemeinden wären. Von den rund 14 Monaten der Freiwilligkeitsphase müssen Sie nämlich 7 Monate für ein förmliches Genehmigungsund Beteiligungsverfahren des Landkreises und des Innenministeriums abziehen. Man hat also noch bis zum 31. August dieses Jahres Zeit, die Bürgerentscheide durchzuführen, Gemeindevertreterbeschlüsse zu fassen und Gebietsänderunesverträge auszuhandeln.
Wir drängen mit allem Nachdruck darauf - deshalb auch unser Gesetzentwurf dass die Gemeinden tatsächlich ein Recht auf freie Entscheidung haben. Wir werden darauf drängen, dass die kleinen Gemeinden und die Ämter eine Chance erhalten. Es gibt keinen zwingenden Grund. die Refonn bis zu den Kommunalwahlen 2003 um jeden Preis durchzusetzen. Deswegen ist es auch unsere Forderung. gründlich über die Gesetzentwürfe zu beraten und diese nicht im Landtag durchzupeitschen. - Ich danke Ihnen.
Gibt es vonseiten der Landesregierung noch Redebedarf? - Das ist nicht der Fall. Damit sind wir am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes der Landesregierung - Drucksache 3/2233 - an den Innenausschuss. Wer diesem Überweisungsanliegen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Darin ist so beschlossen.
Die Fraktion der PDS beantragt die Überweisung ihres Gesetzentwurfes - Drucksache 3/2250 - ebenfalls an den Innenaus
schuss. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. wenn sie denn einen Beitrag liefern möchte. - Dies scheint nicht der Fall zu sein. Dann ist die PDS an der Reihe. Herr Prof. Bisky. bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe doch, dass die Landesregierung wenigstens ihren Gesetzentwurf kennt, wenn sie schon keinen Redner stellt.
Das Zweite Gesetz zur Änderung des ORB-Gesetzes will ich in der 1. Lesung nur mit vier Bemerkungen bedenken.
Der erste Punkt: Es ist eine Anpassung gesetzlicher Regelungen an Rundfunkänderungsstaatsverträge, in diesem Falle an den Vierten. Das ist eine logische Folge und ist nach meinem Dafürhalten auch sauber eingearbeitet.
Das Zweite, was man hervorheben muss, ist der Übergang in die digitale Übertragung. Das Land Brandenburg will damit schneller sein als andere Länder. Aber bis zum Jahre 2010 wird ohnehin bundesweit digital übertragen und dagegen kann man gar nichts vorbringen. wenn man auf diesem Gebiet überhaupt eine Zukunft haben will. Außerdem ist das dann im Fernsehbild auch wesentlich schöner zu erkennen. Allerdings wird die Wirklichkeit im 16 : 9-Format später so schön, dass man sie gar nicht mehr "erkennen" kann. Aber das ist eine ästhetische Frage.
Geregelt werden Fragen des Jugendschutzes. der Werbung. des Sponsorings, der Eigenwerbung und des Datenschutzes. Das muss so sein.
Ein dritter Punkt: Es werden die Kosten behandelt. 14,5 Millionen DM für die Übertragung werden kumuliert für den ORB anfallen. 10 Millionen DM fallen jetzt für die terrestrische analoge Versorgung an. Also etwas teurer wird es, aber das lohnt sich auch. Das sollte man machen.
Allerdings muss ich jetzt, Herr Ministerpräsident, kritisch anmerken, dass die Staatskanzlei. die das vermutlich gemacht hat, ja doch ihre Formulierungen ein wenig bedenken sollte. Da steht etwa in der Einleitung auf Seite 2:
"Kosten können auch bei den betroffenen Haushalten entstehen. die noch analog terrestrisch empfangen. Die
Kosten einer Umstellung des Empfangs des Sendesignals werden derzeit mit einem Betrag zwischen 300 und 500 DM geschätzt."
"Dieser Aufwand ist zumutbar. Die derzeit genutzten terrestrischen Antennenanlagen werden in den nächsten Jahren ohnehin altersbedingt ersetzt werden."
Diese Argumentation würde ich an Ihrer Stelle patentieren lassen! Ihre Schuhe werden auch ersetzt werden, aber daraus leiten sich für die Haushalte keine unmittelbaren finanziellen Folgerungen ab. meine Damen und Herren!
Selbst wir verschleißen unsere Gelenke usw. Nein, das geht so nicht. Etwas genauer sollten Sie arbeiten. Und ich frage, ob Sie nicht einmal in das Land hinausgehen könnten, für das dieses Gesetz gemacht ist: 300 bis 500 DM - für allein erziehende Frauen mit mehreren Kindern ein durchaus ernst zu nehmender Betrag. Und ich nehme es nicht hin, dass hier einfach über Hunderte von Mark geredet wird, ohne dass Sie sich einen Kopf darüber machen, wie man denen, die das wirklich haben müssen. eine Unterstützung gewährleisten kann.
Sie führen den Weg in die Zweiklassenkommunikation fort und das war bisher nicht sozialdemokratische Politik. Da ist Ihnen durchaus etwas Neues eingefallen, meine Damen und Herren.
Wir jedenfalls sagen: Wir müssen uns darum kümmern, dass gerade auch Leute, die das Geld nicht haben, an digitale Übertragungsnetze angeschlossen werden können. Da muss sich der Gesetzgeber etwas einfallen lassen. Billiger ist es nicht zu haben.
Der vierte Punkt - und damit bin ich auch schon am Ende: Wir sollten auf jeden Fall, nachdem der Gesetzentwurf an den Hauptausschuss überwiesen wurde, eine Anhörung des ORBIntendanten und vielleicht von Herrn Gudarski vorn ORB als Techniker durchführen. Ich bin erstaunt, dass die Landesregierung sich nicht vorher so intensiv mit dem ORB beraten hat. Dem Chef der Staatskanzlei kann ich sagen: Sie können fast zu Fuß hingehen. - Jedenfalls wurde mir kürzlich vom Intendanten die Auskunft gegeben, dass er den Gesetzentwurf nicht kennt. Das ist blamabel. Hören wir ihn in einer Anhörung alle zusammen und dann können wir das Gesetz verabschieden. - Ich bedanke mich.