Protocol of the Session on January 24, 2001

(Beifall bei der PDS)

Wir sind der Auffassung, dass sich mit dem Gutachten die Chance für eine inhaltliche Diskussion und für ein Überdenken des Kabinettsbeschlusses verbindet. Dazu gehört für uns auch

eine gründliche Prüfung des Vorschlags der GdP, der in dem Gutachten aufgrund der unzureichenden zahlenmäßigen Untersetzung nur einer prinzipiellen Bewertun g unterzogen wird, aber letztlich keine Berücksichtigung findet.

Wir meinen, dass die Vorschläge der GdP sinnvoll mit dem Kabinettsbeschluss verbunden werden können, wenn man es denn will. Denn diese Vorschläge stellen bereits wesentliche Teile einer aufgabenkritischen Untersetzung dar.

(Einzelbeifall hei der PDS)

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich auch, über ein Modell mit mindestens drei Präsidien nachzudenken - Herr Homeyer, das schlage ich vor -, wie es der Beirat empfohlen hat.

Meine Damen und Herren! Minister Schönhohm entnimmt dem Gutachten, dass das Zwei-Präsidien-Modell genau das richtige ist. Worin wird der Vorteil dieses Modells gesehen? Für dieses Modell mit zwei Präsidien spricht. dass es die größte Einsparung an Personalkosten erbringt. Das Zweiermodell führt zu einer Personalkostenreduzienmg von 31,4 Millionen DM. Das ist ein Unterschied von etwa 11 Millionen DM im Vergleich zum Dreiermodell. Diese Einsparungen sollen frühestens ab 2003 teilweise und ab 2010 in vollem Umfang greifen, und auch nur vielleicht!

Hier gibt es viele Unwägbarkeiten und nicht umsonst weisen die Gutachter zu den Einspareffekten darauf hin:

"Inwieweit sich jedoch die ausgewiesene Größenordnung realisieren lässt, muss im Rahmen einer Feinplanung ermittelt werden."

Die steht ja wohl noch aus.

Als ein weiterer Vorteil von zwei großen Präsidien wird die bessere Nutzungsmöglichkeit der Ressourcen genannt. Damit bin ich auch schon hei den Nachteilen.

Mit der Konzentration auf zwei Präsidien würden in Brandenburg die größten Polizeipräsidien der Bundesrepublik geschaffen. Nun habe ich Verständnis dafür, dass wir auch einmal die Größten sein wollen. Sie hätten einen Personalkörper von 4 300 bis 4 60(1 Mitarbeitern. Bisher ist das Polizeipräsidium Köln mit 3 600 Beschäftigten nach meiner Kenntnis das größte, also ein Stadtpräsidium. während wir es hier mit einem flächengroßen Land in sensibler Lage zu tun haben.

Das Gutachten benennt dann auch als Nachteil einer solchen großen Organisation. dass Entscheidungsprozesse langwierig und Verantwortlichkeiten und Kompetenzen nicht eindeutig abgegrenzt sind.

Weitere Bedenken: Mit der einseitigen Fixierung auf den größten Einspareffekt werden die vom Strukturbeirat genannten Zielstellungen der Polizeipräsenz, der Bürgemähe und der Bürgerfreundlichkeit nachgeordnet. Hierzu äußern sich die Gutachter sehr vorsichtig, indem sie eine höhere Wirtschaftlichkeit des Zwei-Präsidien-Modells sehen, dessen Realisierung aus der Sicht der Gutachter keine qualitativen Nachteile für die polizeiliche Arbeit bringt.

Ich möchte jedoch meine Zweifel an der Wirtschaftlichkeit anmelden, da aus unserer Sicht die hohen Investitionsleistungen, die im Vorlauf erbracht werden müssen - das sind immerhin 70 Millionen DM -, im Kabinettsbeschluss und im Gutachten schöngerechnei werden. Durch die Aussparung von 70 Millionen DM, die in Basdorf ohnehin anstünde, wird die Gesamtinvestitionssumme von etwa 170 Millionen DM erheblich reduziert. Zudem wird von der Behauptung ausgegangen, dass ein Großteil der Summe schon in der mittelfristigen Planung festgeschrieben sei. Bitte, wo steht das? Uns sind solche Festlegungen nicht bekannt und wir möchten angesichts der aktuellen Finanzsituation unsere Zweifel anmelden. dass diese investiven Beiträge in den nächsten zwei oder vier Jahren tatsächlich erbracht werden können. Anders sieht es aus. wenn der Standort Basdorf erhalten bleibt und über ein langfristiges Programm die notwendigen Verbesserungen geleistet werden.

Ich meine, dass in der Unterschätzung dieses hohen Investitionsbedarfs. der bei dem Modell mit zwei Präsidien einschließlich der beabsichtigten Umzüge in relativ kurzer Zeit anfallen würde, die Schwäche des Gutachtens besteht. Ebenso Lässt sich das Gutachten von der falschen Prämisse leiten, dass die weitere Entwicklung des Standortes Basdorf durch noch vorhandene offene Vermögensansprüche blockiert sei. Nach unserer Kenntnis ist dieses Problem Ende vergangenen Jahres gelöst worden.

Fazit: Im Gutachten findet sich eine große Zahl unbekannter Größen und unklarer Sachverhalte. Es ist eine Rechnung mit viel zu vielen offenen Variablen. Ihre forsche Schlussfolgerung aus dem Gutachten. es ginge nur und ausschließlich mit zwei Präsidien, klingt zu sehr nach der bekannten Melodie: Der Minister hat immer Recht.

(Beifall bei der PDS)

Ich komme zum Schluss: Ich möchte an Herrn Schönbohm und auch an die Gewerkschaften die Aufforderung richten, gemeinsam nach tragfähigen Lösungen zu suchen. Sie sollten dabei, Herr Minister, auch das Ergebnis der Urabstimmung der GdP nicht außer Acht lassen, bei der sich 74 % der Mitglieder de facto gegen die Reformpläne des Innenministers ausgesprochen haben.

Ziel muss es sein, die Reform mit den Beamten und nicht gegen sie durchzuführen. Dabei ist Ihre, Herr Minister, bisher mit Vorliebe praktizierte Überrumpelungstaktik vielleicht weniger hilfreich. Vor dem Hintergrund eines Vorgehens, mit dem schnell vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen, verlieren demokratische Beteili gungsverfahren wie die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung des Innenausschusses

Frau Abgeordnete. bitte kommen Sie zum Schluss!

- es ist mein letzter Satz, Herr Präsident - ihre eigentliche Bedeutung. Sie werden lediglich zur Legitimation der Regierungsentscheidungen eingesetzt. Wir wollen jedoch

(Widerspruch bei SPD und CDU)

eine inhaltliche Einflussnahme, um eine Fehlentscheidun g zu vermeiden. Deshalb beantragen wir die Überweisung unseres Antrages in den Ausschuss für Inneres.

(Beifall hei der PDS)

Das Wort geht an den Abgeordneten Schippet. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident? Meine Damen und Herren? Wir befassen uns heute mit dem Antrag der PDS, die im Rahmen eines Landtagsbeschlusses den Hauptstreitpunkt der Reform der Polizeistrukturen, die Anzahl der Präsidien, regeln will. Dazu möchte ich noch einmal auf die Ausgangssituation aus Sicht der SPD zurückkommen.

Erstens: Die SPD hat bereits vor den Wahlen keinen Zweifel daran gelassen, dass es zu einer Überprüfung der Strukturen und im Zusammenhang damit zu einer Reduzierung der Stellen in der Polizei kommen wird. Nachzulesen ist dies in der Antwort der SPD zu den so genannten Wahlprüfstellen der Polizeigewerkschaften. Wenn andere Parteien in ihren Antworten andere Hoffnungen geweckt haben, dann ist das nicht Sache der Sozialdemokraten.

Zweitens: Die Reform der Polizeistrukturen erfolgt auf dem Wege einer Verordnung. Dafür trägt nach der Gesetzeslage die Landesregierung, aber im Besonderen der zuständige Innenminister die Verantwortung.

Drittens: Die SPD-Fraktion bekennt sich zu den vom Innenminister genannten Zielen der Reform. die da heißen: Die Funktions- und Organisationsstrukturen der Polizei sollen zügig überprüft werden. Eine bürgernahe und kompetente Polizei soll erreicht werden. Die Polizeipräsenz auf Brandenburgs Straßen soll erhöht werden. Zugleich soll die Polizei einen Beitrag zum notwendigen Prozess der Konsolidierung des Landeshaushalts durch Personalabbau leisten.

Viertens: Für die SPD-Fraktion bestand und besteht immer eine wichtige Reformvoraussetzung darin, eine möglichst breite Übereinstimmung mit den Betroffenen und mit ihren Interessenvertretern, also den Gewerkschaften, zu erreichen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Hier. meine Damen und Herren, liegt das eigentliche Problem. Dass es dazu gekommen ist, hat der Innenminister mit zu verantworten. Wer wie Sie. Herr Innenminister, eine Kabinettsvorlage einbringt, die in einem wesentlichen Punkt, nämlich der Anzahl der Präsidien. das Verhandlungsergebnis im polizeilichen Strukturbeirat, also das Ergebnis der Verhandlungen mit den Gewerkschaften, nicht beachtet. der braucht sich über die jetzige Haltung der GdP nicht zu wundern.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der SPD)

Eine Kabinettsvorlage mit der allgemein formulierten Zielstel

lung - die ja nicht umstritten ist mit einem beschriebenen Verfahren z. B. über Gutachten und einer Zeitleiste wäre der Mitwirkung der Gewerkschaften sicherlich dienlicher gewesen. Das beweist nicht zuletzt der Gesamttenor des Wirtschaftsgutachtens von Mummen & Partner, das vom Innenministerium in Auftrag gegeben wurde. Dort wird an vielen Fällen festgestellt, dass ein Gesamtergebnis letzten Endes von den Auswirkungen der Feinstruktur, also der inneren Struktur und Aufgabenverteilung, abhängig ist. Wir haben Ihnen, Herr Innenminister, unsere Fragen zu diesem Gutachten bereits zugeleitet.

Wie ich der heutigen Presse, zumindest der "Lausitzer Rundschau", entnehmen konnte, beginnen die Gespräche, die ich in den vergangenen Tagen mit Ihrem Staatssekretär, Herr Innenminister, geführt habe, nun Früchte zu tragen. Eine Reform. bei der z. B. Cottbus als großer Polizeistandort wegfallen soll, ohne dass eine wie auch immer geartete Kompensation darstellbar ist, ist nicht denkbar. Das - Herr Homeyer, hören Sie gut zu! - beweist der jetzt vorliegende Sozialbericht des Landes in Bezug auf die Entwicklung in den berlinnahen und in den berlinfernen Räumen.

Auch dein Prinzip der dezentralen Konzentration, das wir beide in der Koalitionsvereinbaning unterschrieben haben

(Bartsch [CDU]: In Klammern aber!)

- Sie müssen es wissen, Herr Homeyer -. muss Rechnung getragen werden. Dass der Ministerpräsident immer gesagt hat "Ohne eine Kompensation speziell in den Regionalen Entwicklungszentren", also Eberswalde. also Cottbus, "ist eine Reform nicht durchführbar", wird durch den Sozialbericht nochmals unterstrichen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der PDS. wir lehnen Ihren Antrag nicht ab, weil wir eventuell gegen drei Präsidien sind. Wir lehnen diesen Antrag heute und hier ab, um das, was Sie wollen, den Weg zum Konsens. den der Innenminister ebenfalls sucht, nicht durch eine heutige Festlegung zu verbauen. - Ich danke sehr.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, da gibt es noch den Wunsch. eine Frage zu stellen. Stehen Sie noch einmal zur Verfügung? - Bitte sehr!

Herr Kollege, ich habe eine Verständnisfrage. Ich hatte den Beginn Ihres Beitrages mit der Erwiderung an unsere Fraktion so verstanden. dass Sie gegen Vorbedingungen für eine solche Reform sind. Zum Schluss Ihrer Rede machen Sie nun aber im Kanzlerwahlkreis Brandenburgs, also in Cottbus, Vorbedingungen auf.

Was gilt denn nun? Sind Sie nun für Vorbedingungen oder nicht?

(Homeyer [CDU]: Ja, das frage ich mich auch!)

Schippe' (SPD):

Ich kenne a) keinen Kanzlerwahlkreis. Im Übrigen betrifft das alle äußeren Entwicklungsräume und es betrifft alle Regionalen Entwicklungszentren. Hier spricht der Landessozialbericht eine eindeutige Sprache.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])