Protocol of the Session on December 14, 2000

Dies ist die Umsetzung der Entscheidung der Innenministerkonferenz. Mit einer ergänzenden Weisung ist klargestellt. dass auch eine Begünstigung derjenigen Asylbewerberfamilien grundsätzlich möglich ist, die sich nachweislich vor dem Beschluss der Innenministerkonferenz zur so genannten Altfallre

gelung um die Aufnahme einer Arbeit bemüht haben und unabhängig von der Möglichkeit eines weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet ihre Absicht gezeigt haben, sieh in die hiesigen wirtschaftlichen Verhältnisse einzufügen. letztendlich aber aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktla ge keine Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme hatten.

Ich möchte daran erinnern, wie die Situation bei den Arbeitsämtern ist. Wenn die Arbeitsämter Arbeit zuweisen, weisen sie sie zunächst deutschen Staatsbürgern. dann EU-Staatsbürgem und dann den anderen zu - vor dem Hintergrund der dramatischen Arbeitslosigkeit, die wir in Deutschland noch haben. Das

ist eine der Grundlagen dafür, dass sich viele dann in Eigeninitiative Arbeit suchen. Dies hat es schon in den verschiedenen Bereichen gegeben.

Wir haben die größtmögliche Interpretation genutzt. die sich aufgrund des Beschlusses der lnnenmini sterkonferenz ergibt. Wir haben uns auch strikt an das gehalten, was das Oberverwaltungsgericht in Frankfurt (Oder) festgestellt hat, als es sich mit diesem Erlass beschäftigte, gegen den ja geklagt wurde. Auch daraus will ich auszugsweise zitieren. Das OVG hat dazu gesagt:

„Grund der humanitär bedingten Altfallregelung ist, dass von der Durchsetzung einer Ausreisepflicht abgesehen werden soll, wenn sich der angesprochene Personenkreis infolge der langen Verweildauer in der Bundesrepublik Deutschland in die hiesigen wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Verhältnisse eingefügt. mithin integriert hat. Die Altfallregelung soll erkennbar nicht Grundlage dafür bieten, sich hier eine zum maßgeblichen Stichtag noch nicht vorhanden gewesene Existenz erst aufzubauen,

Damit ist ganz klar gesagt: Diejenigen. die längere Zeit hier sind und bis zu diesem Stichtag alles getan haben, uni sich zu integrieren. die wollen wir nicht mehr ausweisen. die wollen wir nicht mehr zwangsweise in ihr Heimatland zurückführen. Sie werden die Chance haben. sich eine Arbeit zu beschaffen. wenn die Arbeitshemmnisse fallen.

deshalb im Unterschied zu anderen Bundesländern möglicherweise in unserem Land zu einer derart scharfen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition zu dieser Fragestellung und auch zu einer derart scharfen Auseinandersetzung innerhalb Ihrer Kirche gekommen ist, weil die politischen Verantwortungsträger das Ziel hatten, so viel wie möglich ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger auszuweisen?

Nlinister Schrinbohm:

Frau Kaiser-Nicht, diese Fragestellung haben Sie vermutlich früher einmal gelernt. Ich möchte auf diese Art von Fragen nicht eingehen. weil Sie immer Dinge unterstellen und hoffen. dass etwas hängen bleibt. Ich kenne Herrn Prof. Uwe Wesel nicht. Ich weiß nicht: Ist er Jurist oder ist er Politologe? Oder was ist er?

(Zurufe: Jurist - Politologe - Gesellschaftswissenschaft- ler!)

ich dachte. Sie hätten Prof. Funke zitiert. der wäre ja noch besser gewesen.

Wenn ein Jurist die Auffassung verträte, dass die Verwaltung von Stimmungen abhängt, dann wäre das sehr interessant. Da empfehle ich, einmal die Lebenserinneningen von Herrn Haffner zu lesen.

(Zuruf von der PDS) Das war der Weg, den wir auch vor dein Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteils gehen konnten, weiter nicht. Herr Sarrach. Sie müssen auch zugeben, dass das Urteil eines Oberverwaltungsgerichtes für die Verwaltung nicht beliebig interpretiert werden kann, sondern den Handlungsspielraum ganz eindeutig beschreibt. Durch die Weisung, die wir erlassen haben, ist sichergestellt. dass alle Betroffenen, deren Anträge bisher ausschließlich aufgrund der fehlenden Sicherung des Lebensunterhaltes abgelehnt wurden. die Möglichkeit erhalten, einen neuen Antrag zu stellen und die entsprechende Unterlage nachzureichen. Die Ausländerbehörden sind gehalten. die Betroffenen entsprechend zu informieren. Wir werden dies auch tun und werden natürlich über die Frist hinaus die Anträge bearbeiten. - Herzlichen Dank. in denen er darlegt. wie es 1933 in Deutschland war. wie sich dort auf einmal Dinge hei der Juristerei geändert haben. Ich glaube. daraus haben wir alle gelernt. Nun aber zur politischen Voreingenommenheit: Was mich an Ihrer Frage so empört - das sage ich jetzt ganz ruhig -, ist die Unterstellung. wir würden eine rigide Politik machen und Ausländer hinauswerfen. (Klein [SPD]: Ja. so war es!)

Das hat Ihre Fragestellung impliziert. Das muss ich mit aller Schärfe zurückweisen, weil dies nicht der Fall ist.

(Beifall bei der CDU) (Beifall bei der CDU)

Herr Minister, es gab noch den Wunsch einer Nachfrage. - Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. bine sehr!

Wir haben einen Rechtsstaat. Wir haben Bestimmungen, die für alle gelten.

Der Ärger mit meiner Kirche hängt doch mit anderen Dingen zusammen, um das auch einmal zu sagen. Da geht es nicht um das Thema Ausländerpolitik.

Diese Frage kann ich als Christ stellen. Sie können diese Frage vielleicht nicht stellen. Diese Diskussion habe ich mit dem Bischof und mit dem Generalsuperintendenten geführt. der sich in seiner Jugendzeit im Zusammenhang nut dem Krefelder Appell sehr stark eingesetzt hat. Die Älteren unter Ihnen werden wissen, was das ist.

(Zuruf von der PDS)

- Prima! Er war von der SED finanziert. Das sage ich mal in Kurzform, damit wir es auf einen Punkt bringen.

All das spielt hier eine Rolle. Die Diskussion führe ich mit meiner Kirche. Das hat aber nichts mit der Ausländerpolitik zu tun, sondern mit anderen Fragen.

Von daher gesehen finde ich Ihre Frage, Frau Kaiser-Nicht, unfair. Ich habe Ihre Fra ge einmal festgehalten und bin gespannt, wie sie im Wortprotokoll steht. Ich werde sie in Ruhe nachlesen. Vielleicht schreibe ich Ihnen dazu noch einmal. damit das wirklich ganz klar ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag mit der Drucksache 3/2066. den die PDS-Fraktion gestellt hat. Wer diesem Antrag folgt, der möge die Hand heben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erlass einer Anordnung nach § 32 Ausländergesetz zur so genannten Altfallregelung der Innenministerkonferenz vom 18./19.11.1999 (Bleiberecht für Asylbevt erbe- rinnen und Asylbewerber mit langjährigen' Auftut- halt)

Antrag der Fraktion der DVU

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Abgeordnete Hessclbarth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir als DVUFraktion sind zu dem Ergebnis gekommen. dass im Land Brandenburg eine nähere Ausgestaltung der so genannten Altfallregelung der Bundesinnenministerkonferenz vom 18. und 19.

November 1999 im Sinne des Rechtsfriedens und insbesondere im Sinne objektiver Gerechtigkeit ganz dringend vonnöten ist.

Ihren tieferen Grund findet diese Notwendigkeit in Versäumnissen der abgewählten Regierung Kohl und der jetzigen Regierung Schröder, wobei letztere die Dinge einfach weiter schleifen ließ, konkret: in der Anwendung des Asylverfahrensrechts teilweise auch in dessen Ausgestaltung - und in der praktischen Handhabung der Rückführung abgelehnter Asyl- und Vertriebenenbewerber.

Dies alles führt vielfach zu einer nicht hinnehmbaren Verfahrenslänge und Aufenthaltsdauer. Diese Aufenthaltsdauer wiederum führt tatsächlich zu weiteren Konsequenzen für die Betroffenen. nämlich bei Kindern und Jugendlichen oft zu einer weitergehenden Entfremdung von den Verhältnissen in ihren Heimatländern.

Zur Verfahrens- und Aufenthaltsdauer tragen die betroffenen ausländischen Staatsbürger häufig nicht bei. Ihnen ist also keine Eigenverantwortung im Sinne eines Mitverschuldens dieser Situation vorzuhalten. In all diesen Fällen tragen die politisch Verantwortlichen offensichtlich die Verantwortung für die eingetretene Situation. Die sich hieraus für jeden anständigen. billig und gerecht denkenden Menschen ergebenden zwangsläufigen Konsequenzen sind:

Wir leben bekanntlich in einer Demokratie. Die politische Verantwortlichkeit ist das Ergebnis von Wahlen. Fehler oder Versäumnisse der gewählten Verantwortlichen als Repräsentanten fallen auf die Allgemeinheit. sprich das Wahlvolk, zurück. Die Folgen hiervon dürfen im Prinzip nicht auf Dritte abgewälzt werden, die hieran nicht wenigstens eine Mitverantwortung tragen. Ich nenne diese Erkenntnis das Ergebnis objektiv verstandener Gerechtigkeit. Das vorweg.

Aber was fol gt nun aus dieser Erkenntnis? Erstens: Das verfassungsmäßige Asylrecht oder das internationale Flüchtlingsrecht dürfen bei alledem nicht infrage gestellt werden. Das verfassungsmäßige Asylrecht ist wesentlicher Bestandteil unserer Verfassung und blickt - wie die Freiheitsgrundrechte - auf eine lange Tradition zurück.

Die DVU will und wird das Asylgrundrecht nicht antasten. Exakt: Wenn es brennt. reißt man nicht das Haus ab, sondern man nimmt den Wassereimer oder hott die Feuerwehr. Dass es brennt, ist allerdings nicht zu bestreiten, und zwar bei derpraktischen Durchführung der Asyl- und Rückführungsverfahren. Hier sind den Verwaltungen eindeutig mehr Mittel in die Hand zu geben.

Wir sind also für ein faires und zü giges Asylverfahren. Wer unseres Schutzes bedarf. wird diesen bekommen. wer nicht. muss gehen, und zwar zügig

(Beifall bei der DVU)

und nicht erst nach zehn oder mehr Jahren.

Zweitens: Zu dem Antrag der PDS-Fraktion hat meine Fraktionskollegin Frau Fechner schon vorhin das Notwendige gesagt. Ich will es hier nicht wiederholen. Kurzum: So geht es eben auch nicht.

Drittens: Was aber ebenfalls angesichts der Ergebnisse und Diskussionen der letzten Wochen und Monate im Land Brandenburg und angesichts der dadurch bedingten rechtlichen Unsicherheiten und Unklarheiten nicht angeht - und das geht an die Adresse der Landesregierung und insbesondere an Sie, Herr Minister Schönbohni -. sind Entscheidungen hinter verschlossenen Türen, Kungelrunden oder Entscheidungen nach Gutsherrenart.

Im Übrigen. Herr Minister Schönbohm, widerspricht das auch unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit: Die Entscheidungen über Einzelfälle gehören in die dafür zuständigen Verwaltungen und wir sehen auch nicht den mindesten Anlass. hiervon abzugehen.

Viertens: Geboten ist eine abschließende Regelung der fraglichen Fälle anhand einer Anordnung. aus der für jedermann. einschließlich der entscheidenden Behörden. klar ersichtlich ist, warum wer wann und wie unter diese Altfallregelung fällt. Nur das ist im Interesse der Rechtssicherheit. Rechtsstaatlichkeit. der gebotenen Transparenz und der Akzeptanz in unserer Bevölkerung.

in diesem Sinne sind für die Fraktion der DVU die tatsächlich wie rechtlich erfassbaren Merkmale der Verantwortlichkeit. der Zumutbarkeit unter Einbeziehung des wohlverstandenen Kindesinteresses entscheidend.

Ergänzend wurden die in den Ländern Berlin, Schleswig-Holstein und Hamburg geltenden Bestimmungen und Erfahrungen mit ihrer praktischen Anwendbarkeit herangezogen. Das führt meine Fraktion ini Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen: Die vorangestellte Präambel beschreibt den Sinn der Anordnung und soll der ergänzenden Auslegung dienen.

§ I enthält den prinzipiell begünstigten Personenkreis. Er schließt in Absatz 2 insbesondere unter den dort genannten Voraussetzungen ledige minderjährige Personen ohne elterliche Begleitung in die günstigere Einreisestichtagsregelung für Familien mit Kindern ein. weil hier in gleicher Weise das Kindeswohl im Vordergrund stehen muss.

§ 2 enthält einen Katalog von Ausschlussgründen. Das heißt, die betroffenen Personen haben ihren langen Aufenthalt selbst zu verantworten oder aber ihr weiterer Aufenthalt ist für unsere Bevölkerung nicht hinnehrnbar, etwa weil sie in Deutschland erheblich straffällig geworden sind.