Protocol of the Session on November 15, 2000

Ich will jetzt noch ein Aber anfügen. Ich glaube, dass wir auch

im Bereich der Landesregierung noch Potenziale haben. die aktiviert werden können. Es gibt einige Ministerien. die hier eine Vorreiterrolle spielen. Das Bildun gsministerium habe ich eben schon genannt: natürlich betrifft das auch das Wirtschaftsministerium. Aber es ist. glaube ich. noch nicht bis an jeden Arbeitsplatz gedningen. dass man die dort vorhandenen Potenziale aktivieren muss. Es ist auch noch nicht überall durchgedrungen, welche Rahmenbedingungen man organisieren muss. Das werden wir noch erläutern müssen.

Wichtig ist für mich auch. wenn ich mir die Antwort auf die Große Anfrage ansehe. ta eiche Defizite noch zu erkennen sind. Ich erkenne leider auch Infomiationsdetizite. was auf dem Weg in die Infonnationsgesellschaft natürlich nicht so günstig ist. Aber das war auch nicht anders zu erwarten, weil sich eben sehr viel verändert hat.

Ich will einige dieser Infonnationsdefizite ansprechen. Es werden Indikatoren benannt. Indikatoren sind wichtig. damit man sich an ihnen orientieren kann: Was ist wichtig? Was ist weniger wichtig?

Was mir aber in der Antwort auf die Große Anfrage fehlt, ist eine quantitative Bewertung der Indikatoren, das heißt_ dass wir sagen. wo wirei gentlich stehen. Es geht darum. nicht nur zu definieren. was wichtig ist. sondern auch darum zu sagen. wo wir bezogen auf diese Indikatoren - eigentlich stehen.

Was mir auch ein bisschen fehlt und was wir auch. glaube ich, in Zukunft mit auf den We g brin gen müssen, sind Zielmarken. Das heißt. es geht um die Fragen: Wo wollen wir eigentlich hin? Was ist das Ziel. das wir in bestimmten Bereichen in Bezug auf die Indikatoren haben?

Was mir auch ein bisschen fehlt. sind Vergleiche mit anderen Bundesländern, Ich habe vorhin schon einige Zahlen genannt. die aber teilweise auch aus anderen Quellen stammen. Wir müssen noch stärker überlegen: Wo stehen w ir i m Vergleich zu den anderen Bundesländern? Wo stehen wir im Vergleich zu Berlin und was ergibt sich daraus für uns an notwendigen Maßnahmen. die wir auf den Weg bringen müssen?

Es ist notwendig. dieses Informationsdefizit im Auge zu behalten. denn nur wenn man weiß. wo man steht, kann man die Ziele neu definieren. und zwar seriöse Ziele. die dann auch erreichbar sind. Damit werden wir nach einiger Zeit. in einigen Jahren wissen, was wir in diesem Bereich bewegt haben.

Was die Landesregierun g angeht. haben wir auch noch wesentliche Potenziale. die wir aktivieren können. Sie betreffen einerseits die internen Vorgänge. die Digitalisierung der Geschäftsprozesse zwischen den Ministerien. und andererseits die Schnittstelle bei der Nutzung durch die Bürgerinnen und Bürger. Diesbezüglich kann einiges getan werden.

Ich will ein Beispiel dafür nennen. was ich für besonders drin g

-lieh halte: Das ist der Bereich von Ausschreibungen.

Dort ist die Wirtschaft unterdessen weiter als wir. Dort wird viel stärker mithilfe der neuen Medien. mithilfe von Internet digital die Auftragsbearbeitung. die Ausschreibungstätigkeit. die Angebotserstellung bzw. Angebotseinreichung organisiert. als wir das auf Landesebene machen. Es gibt Gründe dafür. Wir dürfen

niemanden abkoppeln. Wir dürfen nicht Unternehmen. die noch nicht die Möglichkeit haben. aus dem Internet Ausschreibungen abzunifen. abkoppeln. Aber wir müssen schon etwas stärker Druck darauf ausüben. dass wir hier eine Vorreiterrolle haben und damit auch die Unternehmen in eine Richtung zwingen. an der sie sowieso nicht vorbeikommen. Das werden wir nur dann erreichen. wenn wir viel stärker als bisher einen Schwerpunkt auf diesen Bereich legen.

Ein zweiter Punkt in diesem Zusammenhan g. in dem meines Erachtens auch mehr möglich ist. ist die Bürokratie bei der Auftragsausschreibung. bei der öffentlichen Auftragsvergabe insgesamt. Wir haben es immer noch nicht geschafft. dass der große Papierkrieg behoben wird. den wir bis jetzt haben. Man muss. um sich an einer Ausschreibung zu beteiligen, einen ganzen Stapel von Papier abgeben. Ein zentrales Unternehmerverzeichnis - wir haben das schon mehrfach an dieser Stelle angesprochen - wäre eine Möglichkeit. den Aufwand sowohl für die Unternehmen als auch für die öffentliche Verwaltung zu minimieren. Das ist. glaube ich, eine Aufgabe. die man in absehbarer Zeit lösen kann und lösen sollte.

Ich will unter dem Strich feststellen: Wir sind auf dem Weg in eine Informations- und Wissens gesellschaft, aber der Weg ist noch relativ lang und wir werden uns noch sehr häufig über das Thema unterhalten können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Müller und gebe das Wort an die Fraktion der PDS. Hem) Abgeordneten Dr. Trunschke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Das Land Brandenburg auf dem Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft - ist so ziemlich das spannendste Thema. das ich mir vorstellen kann. Entsprechend gespannt war ich natürlich auf die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage. die Sie gestellt haben. Aber ich gebe zu: Nach der Lektüre bin ich einigermaßen ratlos.

Herr Müller. klar. wir haben eine ganze Menge Maßnahmen vorzuweisen. Aber ich behaupte: So richtig ernst hat die Landesregierung. hat die Politik die Wissensgesellschaft noch nicht genommen. und ich behaupte. auch Sie nicht.

Ich will das an einigen Punkten nachweisen. Es ist ein vernichtendes Urteil: aber wie soll ich die fol genden Fakten anders werten:

Erstens: Gleich der sechste Satz in der Antwort der Landesregierung heißt:

..Die Landesregierung sieht in der Gestaltung der Infonnations- und Wissensgesellschaft ein Politikfeld von Bedeutung."

Was soll man nach dieser pflaumenweichen Einführung noch erwarten!

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

Zweitens: Die Antwort benennt eine Unmenge Details - Sie haben ja eine ganze Menge aufgeführt -. viele benennt sie auch gleich mehrfach. aber - und das ist mein Problem - sie blendet sehr viele. zu viele wichtige Fragen aus. Einige haben Sie genannt. Ich will noch einiges dazusetzen.

Sie listen die Einzelaufgaben und Einzelergebnisse auf, aber welche Prioritäten setzen Sie'? Wo ist die klare Linie zu erkennen? Warum findet die Greencard in Brandenburg so wenig Anerkennung? Was tut die Landesregierung'? In der Antwort auf die Große ‚Anfrage sucht man das Wort..Greencard` vollkommen vergebens.

Ganz ausgeklammert sind alle Fragen nach der Hardware-Entwicklung. Aber wir haben doch in Frankfurt (Oder) ein Institut. das mit der Silizium-Gernianitini-Technologie Weltspitze mitbestimmt. Für die Landesregierung ist das nicht der Erw-ähnung wert. Nichts sagt sie zur Kooperation des IHP mit Motorola oder mit der BTU.

Wanun liegt der Anteil des Landes Brandenburg an den Mitteln des Bundes für die Schlüsseltechnologie Informationstechnik hinsichtlich der Anzahl der Projekte bei mageren 1.1 1?-0 und hinsichtlich des Fördervolumens nur hei 1 °o? Nichts dazu in der Antwort der Landesregierung.

Vollkommen unterbelichtet sind die Kooperationsmöglichkeiten mit Berlin. Im Verhältnis zu Ihren verschwommenen Vorstellungen. meine Damen und Herren von der Landesregierung. komme ich mir langsam vor wie ein glühender Anhänger der Fusion. Welche Chancen hätte z. B. ein Kompetenzzentrum Mikroelektronik zwischen Frankfurt (Oder) und der W1STA in Berlin? Das muss man doch einmal diskutieren!

Oder die Chancen für die berlinfernen Regionen - da ist doch durch die Wissensgesellschaft auch etwas möglich. Wie wollen wir erreichen, dass Brandenburg nicht zum Speckgürtel mit angeschlossenem Nationalpark wird?

Offen lassen Sie, welche Effekte für Arbeitsplätze tatsächlich entstehen. Wie viele Existenzgründungen gibt es im MIK-Bereich? Warum sind es nicht mehr' Warum haben wir in Brandenburg eigentlich keine Gründerweile`'

Herr Müller. ich teile Ihre großen Erwartungen in die Wissensgesellschaft. Da gehe ich vollkommen craccord. Aber ich verstehe nicht. warum die Landesregierung Risiken und Gefahren so vollständig ausblenden kann. Wir haben es mit einer Effizienzrevolution zu tun. und man müsste auch diskutieren: Was für Auswirkungen hat das auf die Arbeitsmarktpolitik? Wie sieht es mit neuen rechtlichen Regelungen aus. die erforderlich sind? Fragen über Fragen. aber keine Antwort. Allerdings will ich zur Ehrenrettung der Landesregierung sagen: Sie haben auch einige der Fragen gar nicht gestellt. zumindest nicht ausdrücklich.

Drittens wundert es mich dann nicht mehr. dass selbst Fragen. die Sie gestellt haben. nicht beantwortet werden. Gefragt nach quantitativen und qualitativen Indikatoren für den Weg in die Wissensgesellschaft benennt die Landesregierung weitgehend nur quantitative. Zum Beispiel wird für die Hochschulen die Leistungskapazität der Computer total ignoriert. Dann brauche ich mich auch nicht län ger zu wundern. dass es in der Landes

1470 Landtag Bnndenhurg - 3. Wahlperiode - I'lenarproeokoll 3.25 -15. No%ember 21)00

regierung niemanden aufregt. wenn die EDV-Ausgaben für die Hochschulen halbiert werden. Computer sind an den Hochschulen reichlich vorhanden. und die ältesten sind gerade mal acht Jahre alt. Ich traue mich schon gar nicht mehr zu fragen. ob die Minister gelegentlich selbst am Computer arbeiten.

Gefra gt nach der Zusammenarbeit mit Berlin im Bereich der öffentlichen Verwaltung antwortet die Landesregierung:

..lm Bereich Verwaltung ist ein breites Feld für Kooperationsmöglichkeiten ge geben. Insbesondere betrifft dies die Projekte im Rahmen des Multimediawenbewerbs 'Media rii.Komm. in beiden Ländeni.

Mehr nicht. Ein weites Feld also. Ist das die Antwort. die Sie von Ihrer Regierung haben wollten? Nun sagen Sie bitte nicht ja!

Die Krönung ist die Frage 8.6: Durch welche Maßnahmen soll der Fachkräftebedarf in der MIK-Branche befriedigt werden? Haben Sie eine Antwort gefunden? Ich nicht. nicht einmal den möglichen Hinweis. dass man das jetzt gerade nicht beantworten könne, weil noch einige Aussagen fehlen. Aber das ist doch ein dringendes Problem. Wir haben an der BTU in C'ottbus die Grenze der Aufnahmekapazität mit 202 Neuimmatrikulationen erreicht. Im nächsten Jahr wird es dort wahrscheinlich einen örtlichen N. C. geben. ähnlich an der Fachhochschule Lausitz. Dort fährt man bereits Überlast. Warum drückt sich die Landesregierung uni die Antwort auf diese Frage? Lassen Sie sich das bieten?

Mit Fra ge 10.! fragen Sie nach den finanziellen Mitteln. die 2000 bis 2006 in dem Bereich eingesetzt werden sollen. Zu den Hochschulen sagt die Landesregierung in diesem Zusammenhang nichts. Aber das ist ja vielleicht auch eine Antwort.

Am problematischsten ist meines Erachtens aber - viertens -, dass die Antwort der Landesregierung auf die Frage nach dem Weg in die Wissensgesellschaft selbst nicht den Geist der Wissensgesellschaft atmet.

Sie. meine Damen und Herren von der Landesregierun g, geben eine ganze Menge brave Antworten. zählen viele einzelne Maßnahmen auf, wie gesagt, manche auch mehrfach. Das Problem ist nur: In dieser neuen, dieser Wissensgesellschaft kommt es relativ wenig auf brave Antworten und auf viele Einzelmaßnahmen an: entscheidend ist ein strategischer Wurf. entscheidend sind wirklich neue Ideen und entscheidend ist die Schnelligkeit ihrer Umsetzung.

Aber wo sind Ihre neuen Ideen? Herr Müller. Sie haben die Cal Icenter erwähnt. Da ist uns Mecklenburg-Vorpommern längst außer Sichtweite geraten. Am spannendsten finde ich noch die Idee eines zentralen virtuellen Marktplatzes für das Land Brandenburg. Aber richtig neu ist das auch nicht - was nicht heißt. dass man es nicht machen sollte. Und warum entsteht dieser Marktplatz eigentlich nicht gemeinsam mit Berlin? Erst wollen Sie eine Fusion, selbst zu unannehmbaren Bedingungen. und jetzt können Sie nicht einmal einen gemeinsamen virtuellen Marktplatz gestalten.

Welche Idee setzen Sie so schnell um. dass Sie damit Erster sind - und ich meine nicht Erster in Brandenburg. sondern Ers

ter weltweit, das ist der Maßstab -? An welcher Stelle hält diese Landesregierung mit der ungeheuren Dynamik in der Wirtschaft tatsächlich mit? Ich will Herrn Minister Reiche als Beispiel nehmen. Ich halte viele seiner Maßnahmen für ausgezeichnet, z. B. den Bildungsserver und auch. dass die Schulen jetzt ans Netz gekommen sind. Die Frage ist: Warum geht davon dennoch keine richtige Aufbruchstimmung im Land aus?

Das Problem ist vielleicht - ich denke darüber nach -. dass andere Länder. wie Finnland oder z. B. das Bundesland Hamburg. längst viel wen sind. Wir betreiben eigentlich überall nur nachholende Entwicklung. Aber in der Wissensgesellschaft ist doch entscheidend, die oder der Erste zu sein. wenigstens ab und zu. Ich spüre einfach nicht die Begeisterung der Landesregiening.

(Zuruf des Ab geordneten Klein [SPD])

Meine Damen und Herren. wir haben es hier mit einer der d ynamischsten Entwicklungen einer Technologie in der Menschheitsgeschichte zu tun. Noch nie hat sich eine Technik so schnell durchgesetzt. Ich will ein Beispiel nennen: Der Chip in einem Handv. das die meisten von uns in der Tasche haben. besitzt ein Leistungsvermögen. das ausreichen würde. das gesamte Mondprogramm der Amerikaner von damals zu managen.

Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Natürlich sind Sie nicht allein für die Aufbruchstimmun g zuständig. Aber ich frage Sie: Wo ist Ihr Beitra g dazu? Die Antwort auf diese Große Anfrage ist es jedenfalls nicht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der CDU. ich wiederhole meine Frage: Meinen Sie wirklich. diese Landesregierung hat dic Wissensgesellschaft richtig angenommen, hat Sie ernst genommen und deswegen Ihre Fragen so beantwortet? Herr Müller. vielleicht hätten Sie unsere Idee eines regelmäßigen Berichtes zu den luK-Technologien damals nicht so schnell ablehnen sollen. Mit ihm hätte die Landesregierung wenigstens eine zweite Chance gehabt. Aber egal. das Thema wird auf der Tagesordnung bleiben, und ich biete Ihnen an: Lassen Sie uns künftig gemeinsam suchen. welche Wege wir in Brandenburg beschreiten können. um tatsächlich und mit Begeisterung auf dem Weg in die Wissensgesellschaft voranzukommen! Das hat offensichtlich die Landesregierung nötig - ich glaube das nachgewiesen zu haben -. aber noch wichtiger ist das für das Land. Wir sollten dazu unseren Beitrag leisten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

13eifall bei der PDS