Protocol of the Session on July 12, 2000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Fraktion der PDS vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg und des Gesetzes zur Verwertung landeseigener Grundstücke ist eindeutig. Zum einen beinhaltet die Verfassungsänderung die Einführung und die dauerhafte Verankerung des Verfassungsgebotes, dass der im Eigentran des Landes Brandenburg befindliche Wald grundsätzlich unveräußerlich ist, zum anderen dient die Änderung des Gesetzes zur Verwertung landeseigener Grundstücke der Umsetzung des Verfassungsgebotes.

Mit dieser Gesetzesinitiative wird dem pro gressiven Geist der Landesverfassung entsprochen. In Artikel 40 der Landesverfassung ist als Staatsziel benannt. dass die Nutzung von Grund und Boden. der dem Lande gehört, vorzugsweise über Pacht und Erbbaurecht zu regeln ist. Das bedeutet. dass verfassungsrechtlich jede Veräußerung eine Ausnahme darstellt. Deshalb ist in Artikel 40 Abs. 1 bestimmt, dass landeseigener Grund und Boden nur nach Maßgabe eines Gesetzes veräußert werden darf.

Auf Antrag der PDS-Fraktion verabschiedete der Landtag in der 2. Wahlperiode am 26. Juli 1999 - nach immerhin sechsjährigem erbittertem Tauziehen - ein solches Gesetz, und zwar das bereits genannte und aus unserer Sicht kaum verfassungskonfonne Grundstücksverwertungsuesetz. Mit seiner Fülle von Ausnahmetatbeständen zur Veräußerung landeseigener Grundstücke kollidiert dieses Gesetz mit Geist und Buchstaben des Artikels 40. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang. dass mit § 4 des Gesetzes quasi ein Freibrief für den Verkauf von Landeswald geschaffen worden ist. Ein entsprechender Änderungsantrag der damaligen PDS-Fraktion fand keine Mehrheit.

Einer Privatisierung steht derzeit das mit dem Bund hei der Übernahme von Teilen des Preußenvermögens vereinbarte zehnjährige Veräußerungsverbot des früheren Preußen- und jetzigen Landeswaldes entgegen. das allerdings bereits heute Ausnahmen aus landespolitischem Interesse für Investitions- und Arrondierungszwecke einschließt. Übrigens sieht der vorliegende Gesetzentwurf solche Ausnahmen vor, allerdings nur unter der Maßgabe, dass Verkäufe durch Zukäufe zu kompensieren sind. Das ist

eine hohe Hürde. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Ausnahmen auch Ausnahmen bleiben.

Zurück zum Preußenwaldveräußerungsverbot, das mit Marktpflege begründet wird. Anders aus gedrückt: Es soll vermieden werden, dass in Konkurrenz zum Verkauf des so genannten Treuhandwaldes durch die BVVG und von WGT-Flächen durch die BBG auch noch Landeswald auf den Bodenmarkt geworfen wird. Das würde die Preise verderben und könnte sie ins Bodenlose fallen lassen.

Ich hätte nur gewünscht. die Landesregierung hätte erklärt: Lieber Bund, wir akzeptieren das zehnjährige Veräußerungsverbot, aber es hätte eines solchen nicht bedurft. da Brandenburg nicht im Traum daran denkt, jemals Landeswald zu veräußern.

Da ein solch klares Bekenntnis zum Landeswald bisher fehlt, darf es niemanden wundem, dass es nicht wenige Befürchtungen gibt. dass der Landeswald früher oder später zur Disposition gestellt wird. Solche Befürchtungen wurden auch in den beiden Anhörungen zur Reform der Landesforstverwaltung deutlich ausgesprochen. Auch ich sehe die potenzielle Gefahr, dass die mit der Reform beabsichtigte Rechtsformänderung bei der Bewirtschaftung des Landeswaldes, das heißt die Privatisierung von Aufgaben und Funktionen der Landesforstverwaltung, in einem erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Betrieb nur ein erster Schritt sein könnte. Dem würde fast zwangsläufig die materielle Privatisierung. das heißt der Waldverkauf, folgen.

Wir wollen eine Reform, die an der auf das Gemeinwohl orientierten Waldbewirtschaftung festhält und zugleich eine weitaus höhere Wirtschaftlichkeit als derzeit ermöglicht. Ich sage ganz offen: Der neoliberale Zeitgeist. der von der Schröder-Fi scherRegierung in Berlin regelrecht kultiviert wird, macht mir Angst. Die gegenwärtige Privatisierungseuphorie, die Privatisierungsoffensive, die immer mehr Bereiche umfasst, nährt sich nicht nur von der Finanznot der öffentlichen Kassen. sondern auch von politischer und ideologischer Voreingenommenheil. Die Heiligsprechung des Privateigentums zielt wesentlich darauf ah. den Gesichtspunkt der Gemeinnützigkeit des Eigentums zurückzudrängen und den des privaten Nutzens hervorzukehren. Hierzu sei mir ein Ausflug in die Geschichte gestattet.

Der Chef der Preußischen Staatsforstverwaltun g,. Otto von Ha

gen. hat 1867 Wirtschaftsgrundsätze formuliert. nach denen im Gebiet des heutigen Landes Brandenburg jahrzehntelang verfahren worden ist. Ich zitiere daraus leicht gekürzt:

"Die Preußische Staatsforstverwaltung bekennt sich nicht zu den Grundsätzen des nachhaltig höchsten Bodenreinertrages..., sondern sie glaubt. im Gegensatz zur Privatforstwirtschaft. sich der Verpflichtung nicht entheben zu dürfen, bei der Bewirtschaftung der Staatsforsten das Gemeinwohl der Einwohner des Staates ins Auge zu fassen.... Sie hält sich nicht befugt. eine einseitige Finanzwirtschaft. am wenigsten eine auf Kapital und Zinsgewinn berechnete reine Geldwirtschaft mit den Forsten zu treiben."

Fakt ist: Preußen, dessen 200. Jahrestag vor der Tür steht, hat die Fläche der Staatsforsten im Laufe des 19. Jahrhunderts beträchtlich vergrößert und jährlich Millionen Mark zum Zwecke des Flächenerwerbs bereitgestellt. Auch im 20. Jahrhundert

wurde der Staatswaldanteil erahlten sogar in Notzeiten zum Beispiel nach der Inflation im Jahre 1923.

Deutschland hat heute 54 % Staats- und Körperschaftswald. Das Land Brandenburg hat dagegen nur 38 %, wovon 25 % Landeswald sind. Auch deshalb ist es geboten. weni gstens diese 25 9,4 Landeswald dauerhaft zu sichern.

Zusammenfassend möchte ich feststellen: Die mit unserem Gesetzentwurf angestrebte ausdrückliche Festschreibung der grundsätzlichen Unveräußerlichkeit von landesei genen forstwirtschaftlichen Flächen in der Verfassung ist geboten. um eine Missdeutun g des Artikels 40 in seiner jetzigen Fassung auszuschließen und damit jeglichem Missbrauch vorzubeugen.

(Beifall hei der PDS)

Die Gefahr einer eventuellen Missdeutung sehe ich in Folgendem: Der verfassungsmäßige Vorrang von Pacht und Erbbaurecht ist heim Wald wegen seines generationsüberschreitenden Reproduktionszyklus nicht sinnvoll. Dieser Umstand könnte zur Begründung eines Ausverkaufs herhalten. Dem möchten wir durch eine unmissverständl iehe Formulierung in der Verfassung einen Riegel vorschieben.

(Beifall bei der PDS)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht rennt meine Fraktion mit ihrer Initiative offene Türen ein, denn immerhin hat die CDU-Fraktion vor der Landtagswahl 1999 in Beantwortung von Wahlprüfsteinen die nachfol gende Feststellung getroffen:

"Die CDU tritt ein für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Privatwald und Staatswald."

Schließlich führte die SPD-Politikerin und Finanzministerin Simon erst am 12. April im Landta g aus:

"Eine der wenigen Vorgaben besteht darin, dass der Wald Landeseigentunt bleibt."

Ich kann nur sagen: Wunderbar, dann schreiben wir das gemeinsam in der Landesverfassung fest, auch als Gebot fürnachfolgende Regierungen und als hohe Barriere gegen eventuelle aus dem neoliberalen Zeitgeist erwachsende Gelüste. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke auch. - Ich begrüße ganz herzlich unsere jungen Gäste vorn Gymnasium aus Guben. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort geht an die Koalition. Für sie spricht der Abgeordnete von Amint.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS be gehrt mit dein vorliegenden Gesetzentwurf unter anderem die Ergänzung

der Landesverfassung im Artikel 40 Abs. 1 dahin gehend, dass landeseigene forstwirtschaftliche Flächen grundsätzlich unveräußerlich sind. Sie begründet ihr Anliegen damit, dass im Interesse der Allgemeinheit und künftiger Generationen der Landeswald als begrenzt verfügbares Kultur- und Naturei gentum nicht veräußert werden darf.

Dieses Vorhaben stößt bei mir auf Unverständnis. Lassen Sie mich dazu drei kurze Bemerkungen machen:

Ich weiß nicht, meine Damen und Herren Abgeordneten von der PDS. ob Sie sich über die Aufgaben des Landes, bezogen auf den Wald. wirklich im Klaren sind.

Zu den Aufgaben des Landes gehört unter anderem. dass die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes als natürliches Gut gesichert werden kann.

Es ist unser aller Interesse. den Wald zu erhalten. Bereits der derzeit geltende Artikel 40 unserer Landesverfassung fixiert diese Verpflichtungen für das Land. Ungeachtet von Eigentumsformen des Waldes hat das Land diese Aufgabe zu erfüllen.

Nun darf ich noch anmerken: Herr Vietze. ich möchte Sie an die Debatte im Hauptausschuss erinnern, wo Sie zur Verwaltungsreform des Landes Brandenburg - wie ich finde - richtig gesagt haben. dass die klare Zielstellung vor Verfahrensabläufen zu verändern wäre. Meinen Sie nicht auch, dass wir bei dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf im gegenwärtigen Prozess bei der Forstreform eigentlich den dritten Schritt vor dem ersten tun? Bevor nicht die Zielstellungen der Forstreform diskutiert sind. kann man doch nicht jetzt schon die ei gentumsrechtliche Stellung des Landeswaldes auf Dauer festlegen.

Nebenbei gesagt möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS. anraten, das Bild von "Gemeineigentum", bezogen auf Landesvermögen. nicht so ohne weiteres fortzuführen: denn auch da handelt es sich schlicht und ergreifend uni Privatvermögen.

Zum Abschluss möchte ich bemerken: Herr Vietze. im Finanzausschuss haben wir über die Re gelung des Haushaltsstrukturgesetzes zum Landesvermögen diskutiert und abgestimmt. Dabei haben auch die Vertreter der PDS ohne irgendwelche Einwände zugestimmt und damit das Haushaltsstrukturgesetz angenommen.

Meine Damen und Herren Ab geordneten. ich denke. der Gesetzentwurf von der PDS. Drucksache 1386. sollte nicht in einen Ausschuss überwiesen und in der Sache abgelehnt werden. - Danke.

Herr Abgeordneter, lassen Sie noch eine Frage zu? - Herr Ludwig, bitte!

Herr Abgeordneter, sind Ihnen eigentlich folgende Passagen aus Artikel 39 der Landesverfassung bekannt? Dort steht nämlich in Absatz 1:

"Der Schutz der Natur, der Umwelt und der gewachsenen Kulturlandschaft als Grundlage gegenwärtigen und künftigen Lebens ist Pflicht des Landes und aller Menschen."

Und in Absatz 4 steht:

"Die staatliche Uniweltpolitik hat auf den sparsamen Gebrauch und die Wiederverwendung von Rohstoffen sowie auf die sparsame Nutzung von Energie hinzuwirken."

Wenn Ihnen das bekannt ist, sind Sie dann bereit. die von Ihnen gemachten Aussagen hinsichtlich der Unveräußerlichkeil von Landeswald zu korrigieren?

Ich denke, dass das in Artikel 40 durchaus so verankert ist, dass wir damit klarkommen.

Herr Vietze, bitte!

%letze (PDS):

Hen• Abgeordneter von Amim, könnten Sie mir zustimmen. dass gerade die Festschreibung der Unveräußerl ichkeit von Landeseigentum eine jener Zielbestimmungen ist, Ihr die es wert ist, dass sich ein Parlament dafür ausspricht?

Ja. aber ich bleibe dabei: Wenn Sie den Artikel 40 genau und buchstabengetreu nachvollziehen. ist das darin vollkommen ausreichend geregelt.

(Beifall bei CDU und SPD)