Birgit Diezel

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Herr Abgeordneter Huster, ist Ihnen bekannt, dass nur 50 Prozent der Haushalte in Deutschland überhaupt Steuern bezahlen? Ja, Herr Huster, weil Sie von der Umverteilung sprechen. Kennen Sie das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das sagt, dass alles das, was über 50 Prozent vom Einkommen entnommen oder weggenommen oder versteuert wird, enteignungsgleich ist?
Herr Abgeordneter Matschie, vielen Dank. Herr Abgeordneter Matschie, Sie haben sicherlich vernehmen können, dass wir gestern ein Gespräch mit den kommunalen Spitzen hatten zur Kommunalisierung, und Sie konnten sicherlich auch vernehmen, dass man sich auf ca. 250 Aufgaben geeinigt hat, die zur Kommunalisierung angedacht oder vorbereitet wer
den und jetzt umgesetzt werden. Herr Abgeordneter Matschie, ich hatte den Eindruck, dass gerade der Oberbürgermeister von Jena, gerade weil er Erfahrungen als Sozialdezernent hat, im Bereich der Sozialverwaltung sehr offen für diese Aufgaben war und für eine Kommunalisierung und für eine Zweistufigkeit. Haben Sie den Eindruck auch oder hat er Ihnen was anderes erzählt?
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mich in meiner Eigenschaft als Abgeordnete zu Wort gemeldet. Wie viele wissen, bin ich ehrenamtlich im Landesverband der Lebenshilfe tätig und Vorsitzende der Lebenshilfe Thüringen.
Herr Kollege Nothnagel, die von Ihnen ausgelöste Diskussion aus einer dpa-Meldung heraus und dann die Presseartikel, die folgten, haben niemanden in der Lebenshilfe kaltgelassen. Es gab im Landesverband, aber auch in seinen Mitgliedsverbänden auf Kreisebene eine sehr besorgte Diskussion. Bei mir selbst häufen sich die Briefe bzw. haben sich die Briefe vor allen Dingen besorgter Eltern - wir sind eine Elternorganisation - auf dem Schreibtisch gehäuft. Was am meisten betroffen gemacht hat, war: Werden denn die Werkstätten nicht mehr gebraucht? Denn Sie sprachen von einer schrittweisen Reduzierung der Werkstätten. Wird unsere Arbeit nicht anerkannt? Haben wir noch einen Arbeitsplatz in Zukunft? So hat es mein Abgeordnetenkollege Günther hier aus einem Auszug auch dargestellt. Das waren vor allen Dingen die Behindertenräte in den Werkstätten, die - und hier werden Sie auch in der dpa-Meldung wörtlich zitiert - es auch für sehr deprimierend hielten, dass gesagt wird, wir erhalten keinen Urlaub, wir sind nicht gleichberechtigte Mitarbeiter in der Werkstatt. Das hat sehr viele sehr hart getroffen. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie das auslösen wollten. Ich glaube, auch in Ihrem Brief an die Lebenshilfe war diese Nostalgie in Richtung DDR nicht ganz angebracht, denn viele betroffene
Eltern wissen, wie der Zustand der Betreuung, der Unterstützung gerade für geistig Behinderte, schwerst mehrfach geistig Behinderte war, und die dankbar sind, dass der Staat und die Kassen so viel Geld in die Hand genommen haben, die Gesellschaft insgesamt, nach der politischen Wende, um hier Abhilfe zu schaffen, um Teilhabe am Leben und vor allen Dingen Förderung zu schaffen. Die Lebenshilfe mit ihren 11 Lebenshilfeorganisationen hier in Thüringen hat 20 Werkstätten. In allen Thüringer Werkstätten sind über 8.570 Beschäftigte und ich unterscheide nicht zwischen Beschäftigten mit Handicap und Beschäftigten ohne Handicap. Sie sind gemeinsam dort beschäftigt, die einen fördern und fordern und die anderen arbeiten gemeinsam an nützlichen Projekten, die dann auch verkauft werden. Ich glaube, das ist den Mitarbeitern auch mit Handicap und Behinderung sehr, sehr wichtig, dass sie dienlich sind, dass sie nützlich sind, sich einbringen können mit ihrer Arbeit in die Gesellschaft und dass sie genauso wie alle anderen ein monatliches Entgelt bekommen - Frau Kollegin Künast hat ja auf die Spezifik des Entgelts hingewiesen -, dass sie Urlaub, Mutterschutz haben, und wir freuen uns, wenn eine junge Kollegin dort in Mutterschutz geht, die ganze Werkstatt, wie sich die anderen Mitarbeiter freuen, wenn jemand einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden hat. Herr Kollege Nothnagel, man bekommt nicht so einfach einen Platz in der Werkstatt, das wird sorgfältig geprüft, die Behinderung beurteilt. Es gibt eine Aufnahmepflicht der Werkstatt, die kann nicht nach Belieben auswählen, das wissen Sie ganz genau. Es ist aber in der öffentlichen Diskussion der Eindruck entstanden, dass man beliebig aufnehmen könnte, die Leistungsstarken in den Vordergrund, damit man „just in time“ - haben Sie auch genannt - die Arbeit in der Werkstatt organisieren kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin dem Minister Zeh sehr dankbar, dass er hier einmal deutlich gemacht hat, wie die Landesregierung zur Arbeit in den Werkstätten im Freistaat Thüringen steht. Frau Kollegin Künast, dieser Seitenwurf auf die Kosten war natürlich - das habe ich schon verstanden - eine Replik in meine Richtung, aber da gestatte ich mir den Hinweis, Dagmar, dass man da auch mal in den Rechnungshofbericht des letzten Jahres schauen soll. Der kritisiert nämlich die Höhe und das wissen die Anwesenden im Haushalts- und Finanzausschuss nach zehn Jahren, und nicht die Höhe nach oben, sondern eher die Höhe nach unten.
Sie sagen es ihr, Dr. Pidde. Ich möchte auch informieren darüber: Die Lebenshilfe diskutiert sehr wohl, auch ihre Lebenshilfekammer, aber auch in
den Ausschüssen - wir werden demnächst wieder Lebenshilfetag haben -, solche Modelle wie auch Werkstätten für psychisch Kranke, das ist nicht unumstritten innerhalb der Lebenshilfe. Das gibt auch viele Probleme in den Werkstätten, in der Betreuung. Das ist im Diskussionsprozess und es kann ja im Ausschuss darüber berichtet werden und dargestellt werden, ob diese Modelle passförmig sind oder nicht. Wir diskutieren auch die Annahme des persönlichen Budgets, das viele Möglichkeiten gerade für geförderte Behinderte, die eine Entwicklung durchgemacht haben, das noch größere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bringt.
Ich möchte auch auf die Integrationsfirmen, die hier in Erfurt und in Gera entstanden sind, verweisen, die sehr gute Ergebnisse zeigen, um andere Modelle, die den Marktgesetzen unterliegen, in Angriff zu nehmen.
Ich möchte Sie deshalb auch wie mein Kollege Günther noch mal auffordern in Richtung der Mitarbeiter, aber auch der Menschen mit Behinderungen, das hier von diesem Pult aus noch mal deutlich klarzustellen, dass wir in Thüringen den Werkstätten ein großes Augenmerk zumessen, dass die Werkstätten notwendig und richtig sind und dass auch die Förderungen der Werkstätten notwendig und richtig sind, dass wir aber auch die Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt nicht aus dem Blick haben - Herr Minister Zeh hat dieses Programm aufgelegt - und dass die Landesregierung genauso wie die Fraktionen sich für die Teilhabe geistig Behinderter in die Thüringer Gesellschaft einsetzen. Herr Nothnagel, jetzt kommt bei mir ein bisschen die Abgeordnete, nicht die Lebenshilfevorsitzende zu Wort. Ich hätte mir manchmal gewünscht, Sie hätten in dem Moment mehr Handwerk wie Mundwerk gesagt und hätten vorher mit den Betroffenen diskutiert.
Ich lade Sie noch mal von diesem Pult aus in die Lebenshilfe Jena recht herzlich ein, um mit den Betroffenen zu diskutieren, um sich auseinanderzusetzen und nicht nur am Rande der Oberhofer Spiele sich mit dem einen zu unterhalten, sondern diskutieren Sie mit dem Lebenshilferat, diskutieren Sie mit dem Elternrat bei uns in der Organisation, da kommt mehr raus. Vielen Dank.