Jens Diederichs
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vergleich Listenparteitag und Justizwachtmeister ist wie der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.
Ja, es ist richtig, die Haushaltsplanungen sind abgeschlossen. Von Ihrer Seite kam in Richtung Justizwachtmeister aber auch nichts, das muss ich festhalten. Da ist auch nichts gekommen.
In der Anhörung im Rechtsausschuss war ja nun eindeutig zu hören: Wie der Vorsitzende des Landesverbandes Herr Ihlau mitteilte, bereitet nicht nur die Aufgabenvielfalt unseren Justizwachtmeistern Sorgen, sondern auch die dünne Personaldecke.
Herr Ihlau sprach von einem Deckungsgrad von nur 86 % der zu besetzenden Stellen. Dies führt zu einer enormen Belastung der Beamten auf der einen und einer deutlichen Unterbesetzung der Gerichte auf der anderen Seite. So kommt es zum Beispiel auch dazu, dass Gerichte eben vorzeitig zumachen müssen, weil keine Verhandlungen mehr durchgeführt werden können, weil die Leute fehlen.
Justizwachtmeister arbeiten bei Staatsanwaltschaften und Gerichten. Dort sind natürlich auch private Sicherheitsdienste beschäftigt, die diese Justizwachtmeister unterstützen. Teilweise werden diese Justizwachtmeister aber auch dazu verwendet: Die privaten Sicherheitsdienste machen die Einlasskontrollen und die Gerichtswachtmeister müssen die Rosen schneiden. Auch das ist schon vorgekommen.
Als Vollzugsdienstkräfte des Landes sind Sie befugt, im Rahmen der bestehenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften unmittelbaren Zwang auszuüben, ähnlich wie die Justizvollzugsbeamten in der JVA. Konkret heißt das, dass sie die Inhaftierten zu Terminen und Sitzungen bei Gericht vorführen und sie bewachen. Zum Teil führen sie die Eingangskontrollen in den Gebäuden der Staatsanwaltschaften und Gerichte durch. Sie müssen für Ruhe und Ordnung sorgen.
Wie sieht es aber sonst bei der Absicherung der Gerichtsverhandlungen aus? - Hier besteht ein reger Wachtmeistertourismus; dies sagte auch Herr Ihlau. Egal zu welchem Gericht man zu den Prozessen fährt, man trifft bei den Gerichtswacht
meistern fast immer auf die dieselben Gesichter. Die Fahrtkosten zu den Gerichten bekommen sie nur zum Teil erstattet.
Wenn ich dann sehe, dass sie netto rund 1 767 € bekommen und davon noch ungefähr 200 € für die private Krankenversicherung ausgeben müssen, dann noch ein bisschen Miete zahlen, dann bleibt nicht mehr viel hängen.
Man kann sich zwar nicht auf einen Schlag schnell neue Justizwachtmeister backen; das wissen wir selbst.
Aber wir hier im Hohen Hause können ein Zeichen setzen und dieser Berufsgruppe unseren Dank und unsere Anerkennung zollen. Dazu wäre es mehr als anständig, wenn diese Mitarbeiter der Justiz, wie auch in den anderen Bundesländern, in Zukunft analog zur Laufbahn des mittleren Dienstes gehörten und somit auch in SachsenAnhalt der sogenannte einfache Dienst Geschichte wäre.
Der Haushaltsplan für die Jahre 2017 und 2018 ist erledigt, beschlossen, das stimmt. Jedoch wäre es für das Haushaltsjahr 2019 ein überschaubarer zeitlicher Rahmen, in dem man diesem Anliegen endlich Rechnung tragen könnte.
Da unser lieber Finanzminister fragen wollte, woher denn das liebe Geld kommen soll, habe ich einmal nachgeschaut. Ich möchte jetzt nicht bei Gender-Dingen anfangen oder anderen Integrationskosten, nein, nein. Bei Kapitel 11 30 - Produkthaushalt des Justizvollzuges - werden unter der Rubrik Freizeit und Sport im Justizvollzug - nur die reinen Sachkosten, wohlgemerkt - für das Jahr 2017 Mittel in Höhe von 1 477 000 € und für das Jahr 2018 Mittel in Höhe von 1 771 000 € bereitgestellt. Für Freizeit und Sport im Justizvollzug! Ich frage mich: Sind wir im Robinson-Club? - Danke.
- Ja.
Gut. Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der Spitze der Justizministerien - ich spreche jetzt ganz allgemein - stehen keine machtpolitisch neutralen Personen, sondern die Ministerinnen und Minister sind eingebunden in eine Kabinetts- und Parteidisziplin. Nicht nur die Staatsanwälte, sondern auch der Minister oder die Ministerin können bei politisch brisanten Fällen unter Druck geraten und dann in die Verlegenheit kommen, ihr Einzelweisungsrecht womöglich gegen ihr eigenes Gewissen auszuüben.
Insofern nimmt die von uns geforderte Abschaffung der Einzelweisungsbefugnis auch eine Bürde von Ihnen, Frau Keding. Zumindest hätten Sie noch die Wahl, dem Druck standzuhalten oder nicht. Diese hat der Staatsanwalt gar nicht. Er hat den Weisungen aller seiner Vorgesetzten nach § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes Folge zu leisten. Es ist ein Akt politischer Hygiene, hier anzusetzen. Es wird sich zwar auch in Zukunft nicht verhindern lassen, dass ein Staatsanwalt von der Politik unter Druck gesetzt wird.
Es lässt sich aber verhindern, dass das ganz legal geschieht und folgenlos bleibt.
Sie fragen nach Beispielen. Es gibt ein Beispiel. Der Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier hatte von 1997 bis 2000 Ermittlungen in der CDU-Spendenaffäre um den Waffenlobbyisten Schreiber durchgeführt. Laut Aussage dieses Staatsanwalts wurde er von Politikern und Vorgesetzten dermaßen unter Druck gesetzt, dass er die Konsequenz zog und im April 2000 als Richter für Familienrecht an das Oberlandesgericht München ging.
Der § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes
stammt von 1877 und ist ein Relikt des Obrigkeitsstaates, das nicht mehr in die demokratische Landschaft passt. Das haben eine Reihe europäischer Staaten erkannt. Sie sind unterschiedliche Wege gegangen, um die Staatsanwaltschaften dem politischen Druck zu entziehen. Das geht so weit, dass bestimmte Länder wie Italien oder Portugal, aber auch viele junge Demokratien in Osteuropa ihre Staatsanwaltschaften vollständig der Justiz und nicht der Verwaltung zugeordnet haben. Obwohl auch dort der Justizminister die politische Verantwortung nach außen trägt, ist ihm je
der Eingriff in die Strafverfolgung ausdrücklich und faktisch verwehrt.
Es bleibt dann zwar noch der indirekte Einfluss des Justizministers auf die Personalauswahl und Einstellungspolitik im Justizbereich. Das relativiert sich aber dadurch, dass der Justizminister politisch viel kurzlebiger ist als Staatsanwälte oder Richter. In manchen Fällen obliegt sogar diese Personalauswahl allein der Justiz und ein Staatsanwalt erhält - wie in Estland - von einem Justizkanzler die Ernennungsurkunde.
So weit wollen wir aber nicht gehen. Wir wollen lediglich die externe einzelne Weisung von außerhalb der Behörde Staatsanwaltschaft unterbinden oder ihr jedenfalls die rechtliche Grundlage nehmen.
Mit einer Initiative gegen das Einzelweisungsrecht kann das Land Sachsen-Anhalt nicht nur Rechtsgeschichte schreiben, sondern kommt auch einer alten Forderung des Deutschen Richterbundes nach wie auch einer Empfehlung der sogenannten Staatengruppe gegen Korruption, die Bestandteil des Europarats ist.
Diese Forderungen und Empfehlungen würden nicht erhoben werden, wenn die Sorge um die objektive Strafverfolgung in Deutschland nur theoretisch wäre. Halten wir fest: Es gibt in Europa ein Leitbild einer Strafverfolgungsbehörde, dem die deutsche Staatsanwaltschaft wegen möglicher willkürlicher Eingriffe nicht entspricht. Das Problem ist bekannt. Bund und Länder haben sich die Bälle in der Vergangenheit gegenseitig zugespielt und sich dann dahinter versteckt.
Unterbrechen Sie hier und heute diesen Teufelskreis und stellen Sie sich an die Spitze einer Justizreform, an deren Ende auch leiseste Zweifel an der Objektivität und Neutralität der Strafverfolgung ausgeräumt sind.
Noch ernster wird es aber, wenn nicht zuletzt wegen wenig volksnaher Urteile ein Vertrauensverlust in die Justiz hinzukommt. Dann haben wir eine Staatskrise. Wir haben sie dann wegen Ihrer Reformunfähigkeit, wegen Ihrer ideologischen Grenzen, zum Beispiel nicht mit der AfD zu stimmen, wenn es um ein Moratorium für die Vollstreckung der Forderungen gegen Abwasserabgabenschuldner bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht.
Setzen Sie ein glaubwürdiges Zeichen der Umkehr und stimmen Sie mit uns für die Initiative zur Abschaffung des Einzelweisungsrechts des Justizministers gegenüber Staatsanwälten.
Die AfD-Fraktion beantragt die Überweisung an den Ausschuss für Recht und Verfassung. - Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Ich darf mich zunächst bei der Kollegin Frau von Angern für ihre Kleine Anfrage in der Drs. 7/161 bedanken; denn seitdem wissen wir, dass die Zahl der Schulschwänzer mindestens seit dem Jahr 2014 wieder stetig angestiegen ist.
Schulverweigerung oder Schwänzen oder Schulabsentismus sind Schlagworte, hinter denen sich weit mehr verbirgt als nur die bloße Freude, dem tristen Schulalltag für ein paar Stunden zu entfliehen.
In der ersten Reaktion wird Schwänzen von Eltern und auch von manchen Lehrern zunächst einmal als Fehlverhalten bewertet. Dort meint mancher, der Schüler schwänzt aus Vergnügen und stellt damit die Autorität von Elternhaus und Schule infrage.
Seit vielen Jahren wissen wir, dass die Zahl derjenigen Schüler, die aus unterschiedlichen Gründen unserem Schulsystem den Rücken kehren, stetig ansteigt. Bekannt ist, dass in der Anonymität der Ballungsgebiete mehr geschwänzt wird als auf dem flachen Land mit dem hohen Maß an sozialer Kontrolle und dem hohen Risiko, als Schwänzer enttarnt zu werden.
Schulschwänzen scheint ein harmloses Vergehen zu sein, doch es ist etwas, was lebenslange Folgen haben kann. Die Kinder haben ein höheres Risiko, straffällig oder drogensüchtig zu werden oder lebenslang auf Hartz IV angewiesen zu sein.
In Niedersachsen ist man 2011 bereits mit drastischen Maßnahmen gegen das Fernbleiben vom Unterricht vorgegangen. Um die gestiegene Anzahl von Schulschwänzern einzudämmen, hat das Amtsgericht Hannover ein nach eigenen Angaben bundesweit einmaliges Projekt gestartet. Wenn Kinder dort mehr als 20 unentschuldigte Fehltage haben und massive Probleme in den Familien vorliegen, dann können die Jugendrichter den Eltern das Sorgerecht in schulischen Angelegenheiten entziehen.
Die Zahlen, die auf die Anfrage der Kollegin von Angern hin vorgelegt wurden, beziehen sich nur auf den tatsächlich vollstreckten Arrest. Wenn man aber weiß, was alles bis zur Vollstreckung des Beuge- oder Ersatzarrestes passieren und welche Schulschwänzerkarriere man dafür erst einmal hinlegen muss, dann wird einem klar, dass hieran nur die Spitze des Eisbergs sichtbar wird.
Aus den Medien haben wir die Zahl von rund 300 000 Fällen von registrierten Schulschwänzern bundesweit bei hoher Dunkelziffer. Es gibt aber auch eine auf Einzelerhebungen und Stichproben beruhende Schätzung des Bundministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wonach 10 % der 12 Millionen Schüler in Deutschland den Schulbesuch über Wochen und Monate verweigern. Das wären summa summarum rund 1,2 Millionen Schulschwänzer mit unterschiedlicher Intensität. Obwohl nur ein kleiner Anteil davon wirklich zum Dauerschwänzer wird, ist Schulverweigerung ein Massenphänomen mit offenbar steigender Tendenz.
Schulverweigerung ist eine Ordnungswidrigkeit. Im Idealfall wirken Schule und Elternhaus zusammen, um das Problem zu beheben. Das ist bei Weitem aber nicht immer so. Viele Eltern erfahren die Fehlzeiten ihrer Kinder erst aus dem Zeugnis.
Wie läuft das in Sachsen-Anhalt ab? Nach schulischen Ordnungsmaßnahmen kommen zunächst Geldstrafen oder Sozialstunden. Erst wenn diese uneinbringlich sind oder nicht abgeleistet werden, kommen Beuge- oder Ersatzarrest in der Jugendarrestanstalt in Halle infrage. Hierzu sage ich eines: Schulschwänzer haben nichts in einer Anstalt zu suchen, in der Kriminelle einsitzen; sie gehören dort nicht hin.
Doch was bedeutet das in Wirklichkeit? - Dieser Beuge- und Ersatzarrest ist nichts anderes als eine staatlich sanktionierte Fortsetzung der Schulschwänzerei des Unterrichtsverweigerers. Was passiert in der Jugendarrestanstalt? - Außer Zeitvertreib nichts. Vor allem gibt es dort keinen Unterricht.
Die Mädchen und Jungen oder die Jugendlichen, die dort eingeliefert werden, verbringen ein paar Ferientage in einer anderen Umgebung, so kann man es sagen. Sie werden voll versorgt und be
treut, werden unterhalten und lernen neue Leute kennen - nicht immer die besten, wie wir wissen. Es ist wie in einem Ferienheim, nur dass diese Unterbringung grundsätzlich außerhalb der Sommer- und Weihnachtsferien, wenn es also noch wehtun würde, passiert. Es gibt hier vieles, nur nicht das Entscheidende, nämlich Unterricht. Mit anderen Worten: Dort kommen die Schulschwänzer mit allem Möglichen in Kontakt, nur nicht mit Mathe, Deutsch, Physik, Biologie usw.
Ein Großteil der hier anwesenden Abgeordneten ist wie wir ebenfalls gegen eine Arrestlösung. Deshalb schlägt die AfD-Fraktion die Einführung eines Jugendhilfeinternats vor. Bei der Zielgruppe für das von uns geforderte zentrale Jugendhilfeinternat handelte es sich im Jahr 2015 um immerhin 166 Jugendliche. Sicher ist bis jetzt nur, dass die Anzahl der Schulschwänzer für 2016 höher liegt.
Wenn wir die Tendenz der von Ihnen, Frau Kollegin von Angern, abgefragten Zahlen fortschreiben, dann wird es 2016 deutlich mehr als 200 Beugearrestfälle geben. Künftig soll diese Zielgruppe den Zwangsaufenthalt in dem von uns vorgeschlagenen Jugendhilfeinternat ableisten.
Damit das Ganze einen Erziehungscharakter erhält, sollte das Internat eine Art geschlossene Abteilung bekommen, in der aber ebenfalls Unterricht erteilt wird. Der größere Teil des Jugendhilfeinternats wird eine offene Einrichtung der Jugendhilfe sein.
Hier werden jene Schulpflichtigen untergebracht, denen unterhalb der Stufe des Beugerechts, welche eine Maßnahme der Hilfe zur Erziehung ist, wie es wörtlich in § 12 Jugendgerichtsgesetz heißt, die auf Anordnung eines Richters angewiesen wird. Das kann auch eine Reaktion auf Schulschwänzen sein, weil notorisches Schulschwänzen immer auch eine Form der Verwahrlosung ist.
Eine dritte Gruppe bilden künftig die Schulverwiesenen, die nach § 44 Abs. 4 Nr. 4 des Landesschulgesetzes auf das Jugendhilfeinternat überwiesen werden könnten. Diese Überweisung an eine Schule der gleichen Schulform ist eine Maßnahme der Schule in Zusammenarbeit mit der zuständigen Schulbehörde. Damit die Überweisung an das Jugendhilfeinternat für die Masse der Schulschwänzer möglich bleibt, wird im offenen Zweig des Jugendhilfeinternats Unterricht der Sekundarstufe 1 erteilt. Nach einer uns vorliegenden Studie der Fachhochschule Erfurt entstammt der Löwenanteil der Dauerschwänzer dieser Altersgruppe. Ergänzt werden soll die obligatorische Beschulung mit einem freiwilligen psychologischen Angebot.
Wenn wir uns die Vorschläge der Politik der letzten Jahre ansehen, dem damals noch nicht so großen Problem der Schulschwänzer beizukommen, können wir nur sagen: Das ist gescheitert.
Gescheitert sind jene, die auf Beugearrest verzichten wollten, wie auch jene, die gegen diesen Verzicht waren; denn beides setzt die Schulpflicht nicht durch. Keine Beschulung während des Arrests ist keine Lösung.
Flankierend halten wir übrigens die französische Lösung für zielführend. Unter Präsident Sarkozy wurde in Frankreich die Schulpflicht mit der Streichung des Kindergeldes erzwungen. Das kann in Deutschland nur ein Bundesgesetz. Damit lassen wir uns aber Zeit bis zum nächsten Jahr. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Dadurch, dass ich von 1993 bis 1997 im Strafvollzug in Hamburg und seit 1998 bis zu meinem Einzug in den Landtag im Justizvollzug in Sachsen-Anhalt tätig war, weiß ich, wovon ich rede. Ich war im normalen Stationsdienst tätig und ich kenne die Stimmung an der Basis genau. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass die Stimmung vor Ort nicht die beste ist.
Die Koalition ist mit der Neueinstellung von Anwärtern auf dem richtigen Weg. Gleichwohl hat die Koalition der letzten Legislaturperiode mit erstaunlicher Gelassenheit unter dem politischen Deckmantel von Effizienz und Wirtschaftlichkeit Haftanstalten geschlossen und Personal abgebaut. Die Haftanstalten in Halberstadt, Naumburg, Magdeburg, Dessau und Stendal sind geschlossen worden.
Die Gewerkschaft Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands äußert sich wie folgt: Im Bundesdurchschnitt befinden sich ca. 28 % der Gefangenen in sozial schädlicher gemeinschaftlicher Unterbringung und eine 90-prozentige Belegung wird als Vollbelegung betrachtet; das bleibt dem Spardiktat der Finanzverwaltung untergeordnet. Dabei standardisieren durchgängig alle Landesstrafvollzugsgesetze die Einzelunterbringung. Im Ergebnis fehlten zum Berechnungsstand 31. März 2015 bundesweit 9 000 Hafträume und das dazu erforderliche Personal. Eine belegungssenkende, länderübergreifende Zusammenarbeit findet kaum statt. Bezogen auf eine Einzelunterbringung bestehen seit Jahren erheblich unterschiedliche Auslastungsquoten von 100 % bis 144 %. - So weit die Ausführungen der Gewerkschaft.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist für die Personalstrategie in der Justiz der richtige Weg und wird von uns unterstützt. Der Bürger erwartet Sicherheit und Gerechtigkeit. Diese gibt es allerdings nicht zum Nulltarif. Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein wesentliches Kennzeichen eines modernen, gewaltengeteilten Rechtsstaats, heißt es im Antrag.
Wir müssen in Sachsen-Anhalt verhindern, dass wir Berliner Verhältnisse bekommen. Dort ist aufgrund des Spardiktats ein Personalmangel entstanden. Im Jahr 2014 befanden sich dort - dies wurde aufgrund einer Anfrage eines Abgeordneten bekannt - ca. 1 400 Straftäter trotz eines Haftbefehls auf freiem Fuß. Dies war der Tatsache geschuldet, dass Haftplätze und Personal fehlten.
Hinzu kamen ca. 5 000 Haftbefehle, bei denen es sich um Ersatzfreiheitsstrafen handelte. Bei uns sind es 1 500 offene Haftbefehle, die bislang nicht vollstreckt worden sind.
Solche hausgemachten Tatenlosigkeiten wie in Berlin sind verantwortungslos und sollten in Sachsen-Anhalt von vornherein vermieden werden.
Einem Gedanken im Antrag der LINKEN muss ich widersprechen: Sie behaupten in dem Antrag, dass der Personalmangel im Bereich der Justiz letztlich zu einer Erhöhung der Kriminalitätsrate führe. Einem Gauner ist es egal, ob dort ein Richter mehr oder weniger sitzt, der begeht seine Straftaten sowieso.
Der Personalmangel bei der Polizei führt durchaus zu einer schlechteren Aufklärungsquote. Das ist richtig. Die AfD-Fraktion stimmt dem Antrag der LINKEN und der Überweisung an den Ausschuss zu. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Liebe Gäste! Wenn wir uns in den deutschen Haftanstalten umschauen, dann wird klar: Der Löwenanteil der Gefangenen sind Männer.
Deshalb stellt sich die Frage, die wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst ist: Wann ist man ein Mann?
Der Deutsche Bundestag hat sich dazu 1975 festgelegt: Man ist ab seinem 18. Geburtstag ein Mann und darf tun, was ein Mann tun muss: allein Auto fahren, sich bei der Bank Geld pumpen, heiraten, Alkohol kaufen, in der Öffentlichkeit rauchen, und wenn er will, kann er in ein Spielkasino gehen und alles auf Rot setzen. Er kann aber auch eine Waffenbesitzkarte beantragen. Er kann den Bundestag wählen und Verträge unterschrei
ben. Er darf zur Bundeswehr und am Hindukusch das Grundgesetz verteidigen.
Zuvor hatte man fast alle diese Wunderdinge erst ab dem 21. Lebensjahr tun dürfen. Juristisch gilt also seit 1975: Ein 18-Jähriger ist ein Erwachsener. Im Jahr 2016, also 41 Jahre danach, bleibt er aber strafrechtlich immer noch bis zu seinem 21. Lebensjahr ein Heranwachsender.
Das ist lebensfremd. Nach §§ 105 ff. des Jugendgerichtsgesetzes wurde es in das Ermessen der Gerichte gestellt, ob ein Heranwachsender zwischen 18 und 21 Jahren nach Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht zu verurteilen ist. Stellt man fest, dass ihm die geistige Reife fehlt, die man von einem Erwachsenen erwarten darf, dann könnte dieser junge Erwachsene nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.
Insofern wirft die Praxis der Rechtsprechung auf den ersten Blick ein erschreckendes Licht auf die geistige Reife der Heranwachsenden in unserem Land; denn dass ein Heranwachsender nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird, kommt bei uns doch kaum vor.
Es mag tatsächlich ab und an geschehen, dass ein 20-Jähriger wegen Autobahnraserei oder Schwarzfahrens nach Erwachsenenrecht verurteilt wird. In allen Fällen ernst zu nehmender Kriminalität wird jedoch ausnahmslos das Jugendstrafrecht angewendet. Aber ist das illegale Autorennen unter Inkaufnahme schwerster Unfälle eine typische Jugendverfehlung?
Um es abzukürzen: Die Grenze zwischen jugendtypisch oder -untypisch ist in der Praxis nicht zu ziehen. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass etwa der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr ein Kavaliersdelikt ist, Hehlerei dagegen nicht. Aber eigentlich spielen diese Merkmale keine Rolle; denn die Gerichte können es sich einfach machen. Es reichen wegen des Grundsatzes „In dubio pro reo“ Zweifel am Reifegrad aus, damit das Gericht Jugendstrafrecht anwendet.
Von diesen zufälligen subjektiven Merkmalen des individuellen Einzelfalles wollen wir wegkommen, denn wer das Faustrecht vorzieht, der hat den Respekt vor dem intakten Rechtsstaat verloren. Eine Strenge im Urteil, argumentierte einmal ein Richter, sei er vor allem den Leidtragenden von Straftaten schuldig, den Verletzten, Ausgeraubten, Bestohlenen und Vergewaltigten. Er fragt sich bei jedem Urteil: Werde ich dem Opfer gerecht? Seine Antwort: Nur wenn auch die Täter spürbare Nachteile zu erleiden hätten, quasi ein Strafübel empfinden müssten, habe er als Richter seine ausgleichende, befriedende Aufgabe erfüllt. Sonst kommen die Bürger noch auf die Idee, sich selbst zu rächen.
Die Altersgruppe von 18 bis 21 hat sehr wohl den geistigen Horizont zu erkennen, dass etwa das Wegnehmen oder die Gewaltanwendung oder die sexuelle Nötigung Unrecht ist. Durch die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht wird dem tatsächlichen geistigen Horizont und der Einsichtsfähigkeit dieser Altersgruppe Rechnung getragen.
Selbst Kinder im Vorschulalter verstehen schon moralische Normen im Sinne ihrer formalen und universellen Gültigkeit. Sie haben bereits eine Vorstellung von Gut und Böse. Die Volljährigen haben diese erst recht, sieht man von den ganz oder teilweise Schuldunfähigen ab. Wir wollen mit unserer Initiative vermeiden, dass nach Belieben weiterhin strafrechtliche Boni verteilt werden.
Im Jahr 2013 wurden 66 % der heranwachsenden Straftäter nach Jugendstrafrecht verurteilt. Nur in Sachsen und Baden-Württemberg lag die Anwendungsquote des Jugendgerichtsgesetzes 2014 bei unter 50 %. Die ursprüngliche Ausnahme wird mehr und mehr zur Regel. Im Jahr 1953, als die §§ 105 ff. in das Jugendgerichtsgesetz eingefügt wurden, waren es ca. 2 %. Hier fragt man sich: Geschieht dies heute, weil die Heranwachsenden nach und nach unreifer geworden sind? Weiterhin kommt ein gewisser Konformitätsdruck in der Richterschaft hinzu, und dies, um nur nicht als „Richter Gnadenlos“ verschrien zu werden.
Es gab einmal einen Richter in Hamburg, dem genau das vorgeworfen wurde, nur weil er bei der Bemessung des Strafmaßes das Strafgesetzbuch vollumfänglich angewendet hat. Diesen Richter habe ich 1993 in Hamburg noch selbst kennenlernen dürfen.
Danke. - Auf kommunaler Ebene und in vier Bundesländern können im Übrigen auf Initiative von SPD und GRÜNEN junge Menschen bereits mit 16 Jahren wählen. Das wird interessanterweise mit dem geistigen Reifegrad von Jugendlichen begründet, der heute höher sei als früher.
Bei den Verteidigern der Fiktion von Heranwachsenden hört man dann aber das Gegenteil. Um dann doch noch bei den Erwachsenen vom 18. bis zum 21. Lebensjahr die §§ 105 ff. des Jugendgerichtsgesetzes anzuwenden, wird - ich formuliere es etwas sarkastisch - selbst die fal
sche Backform im Sandkasten oder das Herunterfallen vom Wickeltisch herangezogen.
Meine Damen und Herren, noch einmal: Juristisch gilt ein 18-Jähriger als erwachsen, strafrechtlich bleibt er bis zu seinem 21. Geburtstag ein Heranwachsender. Das ist lebensfremd und hat im europäischen Rechtsvergleich kein Vorbild. So verbüßen in Großbritannien zum Beispiel Heranwachsende ihre Haftstrafe zwingend nach Erwachsenenstrafrecht. Das ist keine Regelung aus dem Mittelalter, sondern eine Strafrechtsreform der Labour-Regierung unter Tony Blair von 1998.
Strafrecht ist Bundesrecht. Deshalb wenden wir uns mit unserem Antrag an die Landesregierung, auf Bundesebene über den Bundesrat die Initiative zu ergreifen. Unser Antrag bietet Sachsen-Anhalt die Chance, sich zum Vorreiter einer Modernisierung des Strafrechts zu machen. Nichts anderes ist die Abschaffung der Privilegierung von Volljährigen im Strafrecht.
Meine Damen und Herren! Unser Antrag ist nicht lebensfremd und sollte eine Mehrheit finden. Es wäre schon viel gewonnen, wenn künftige Strafdelikte oder Gewaltexzesse junger Erwachsener - ob mit oder ohne Waffen - von unseren Richtern nicht wider besseres Wissen als Jugendverfehlung oder sittliche Unreife bewertet würden.
Das verhöhnt die Opfer und deren Angehörige und schafft in der Öffentlichkeit den fatalen Eindruck einer Kuscheljustiz, die die Täter schützt. - Vielen Dank.