Protocol of the Session on May 8, 2012

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Geburtstag hat heute der Abgeordnete Olaf Lies. Herzlichen Glückwunsch im Namen des gesamten Hauses und alles Gute für das vor Ihnen liegende Lebensjahr!

(Beifall)

Zur Tagesordnung: Die Einladung, die Tagesordnung und der Nachtrag zur Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen vor.

Wie Sie der Drs. 16/4770 entnehmen konnten, beabsichtigt der Herr Ministerpräsident, außerhalb der Tagesordnung eine Regierungserklärung zum Thema „Niedersachsen in Europa: Verantwortung übernehmen, Interessen vertreten, Chancen nutzen, Herausforderungen bewältigen“ abzugeben. Nach den üblichen Gepflogenheiten erhalten die Fraktionen der CDU und der SPD eine Redezeit im Umfang der Regierungserklärung und die Fraktion der FDP, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion DIE LINKE die Hälfte dieser Redezeit. Insgesamt ergibt sich daraus eine bestimmte Beratungszeit.

Wie üblich haben Sie eine Übersicht erhalten, aus der Sie ersehen können, wie die Fraktionen die ihnen zustehenden Redezeitkontingente verteilt haben. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest.

Ich bitte um Aufmerksamkeit: Für die heutige Sitzung ergibt sich daraus ein Sitzungsende von ca. 22 Uhr.

(Unruhe)

- Wenn die Überraschung abgeklungen ist, darf ich vielleicht weitere Mitteilungen machen. - Ergänzend weise ich auf folgende Ausstellungen hin:

In der unteren Wandelhalle wird die Ausstellung „Fair Play, bitte!“ gezeigt, die von der Fritz-Wolf

Gesellschaft erarbeitet wurde. In der oberen Wandelhalle werde ich morgen um 19 Uhr die Ausstellung „Politköpfe - Satirische Porträts von Bismarck und Windthorst zu Steinbrück und Merkel“ eröffnen, die vom Landkreis Emsland, der LudwigWindthorst-Stiftung und dem Ludwig-WindthorstHaus konzipiert wurde. Die Veranstalter werden sich über Ihr Interesse sicherlich freuen.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Georgianum aus Lingen mit einer Onlineradioredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Gerd Will übernommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sendungen, die das „Modellprojekt Landtagsfernsehen“ der Multi-Media Berufsbildenden Schule erstellt, stehen im Internet auf der Homepage der Schule unter www.mmbbs.de zum Abruf bereit und sollen auch über den Regionalsender LeineHertz 106einhalb gesendet werden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer mit.

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Kultusminister Herr Dr. Althusmann von 14.30 Uhr bis ca. 15.30 Uhr, von der Fraktion der CDU Herr Hiebing, von der Fraktion der SPD Frau Dr. Lesemann, Frau Stief-Kreihe und Herr Bartling bis 18.00 Uhr, von der Fraktion der FDP Herr Sander und von der Fraktion DIE LINKE Frau Flauger.

Vielen Dank. - Wir kommen nunmehr zur Abgabe einer Regierungserklärung:

Zusätzlicher Tagesordnungspunkt: Abgabe einer Regierungserklärung zum Thema „Niedersachsen in Europa: Verantwortung übernehmen, Interessen vertreten, Chancen nutzen, Herausforderungen bewältigen“ - Unterrichtung durch die Landesregierung - Drs. 16/4770

Zunächst gibt der Herr Ministerpräsident die angekündigte Regierungserklärung ab. Ich erteile ihm dazu das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung hat heute Morgen das neue Europapolitische Konzept 2012 beschlossen. Es steht bereits auf den Internetseiten des Landes und der Staatskanzlei zum Download bereit. Die Parlamentarischen Geschäftsführer der fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben eine gedruckte Vorabfassung erhalten. Nach der Druckfassung wird das Konzept selbstverständlich allen Abgeordneten des Hauses Anfang Juni zur Verfügung gestellt werden.

Es ist uns, so finde ich, gelungen, einen guten und umfassenden Überblick über die europapolitischen Aktivitäten der Landesregierung zu geben. Ich möchte im Namen der Landesregierung die Abgeordneten aller Fraktionen bitten, das neue Konzept sorgfältig zu diskutieren. Für Anregungen und kritische Hinweise sind wir Ihnen sehr dankbar.

Aus diesem Anlass möchte ich heute, einen Tag vor dem Europatag am morgigen 9. Mai 2012, eine Regierungserklärung zur Europapolitik abgeben und dem Landtag darlegen, wie wir in Niedersachsen Verantwortung für Europa übernehmen, wie wir unsere Interessen vertreten, wie wir die Chancen nutzen, die uns die Europäische Union bietet, und wie wir neue europapolitische Herausforderungen bewältigen.

Konkret möchte ich erstens allgemeine Anmerkungen zur europäischen Staatsschuldenkrise machen, zweitens die Europapolitik der Landesregierung im engeren Sinn darstellen und drittens einige ausgewählte aktuelle Themen aus dem Europapolitischen Konzept 2012 ansprechen.

Meine Damen und Herren, die Bewältigung der Staatsschuldenkrise ist die gegenwärtig größte europapolitische Herausforderung. Die Landesregierung unterstützt die Politik der Bundesregierung vollumfänglich.

Aktuell ratifizieren die nationalen Parlamente, so auch der Deutsche Bundestag und der Bundesrat, den Europäischen Stabilitätsmechanismus, den ESM, als dauerhaften Mechanismus zur Krisenbewältigung und den sogenannten Fiskalvertrag, auf den sich 25 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union verständigt haben. Meine Damen und Herren, um es deutlich zum Ausdruck zu bringen: Der Fiskalvertrag ist sinnvoll und richtig.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dieser Vertrag bildet das rechtliche Fundament für eine verstärkte finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung; es wird vor allem die Haushaltsdisziplin verbessern. Er gilt für den Gesamtstaat und damit in Deutschland für den Bund und auch für die Länder. Die Landesregierung wird die Verpflichtungen ernst nehmen und ihren Beitrag zur Erfüllung des Fiskalvertrages leisten. Sie wird daher dem Ratifikationsgesetz im Bundesrat zustimmen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Hans-Henning Adler [LINKE])

Im Rahmen einer Stellungnahme zum Ratifikationsgesetz wird der Bundesrat gleichwohl auf eine Reihe noch offener Fragen hinweisen. Ein zentraler Punkt ist der Hinweis darauf, dass bei der näheren Ausgestaltung des Fiskalvertrages auf die Vereinbarkeit mit der Schuldenbremse des Grundgesetzes geachtet werden muss. Dies gilt vor allem für das Inkrafttreten, und dies gilt vor allem für die Übergangsfristen.

Was wir verhindern müssen, ist eine Überforderung der Länder durch europäische Vorgaben. Wir brauchen einen intensiven Dialog, und die Haushaltsautonomie der Länder muss gewahrt bleiben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn der ESM und wenn der Fiskalvertrag in Kraft treten, nähern wir uns der Überwindung der Staatsschuldenkrise. Daher halte ich von einer Nachverhandlung oder gar von einer Neuverhandlung des Fiskalpaktes wenig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Hans-Henning Adler [LIN- KE])

- Das werde ich gerne aufgreifen. Wissen Sie, was nicht geht? - Wir können nicht einmal geschlossene Verträge nach jeder einzelnen Wahl in der Europäischen Union wieder aufmachen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

„Pacta sunt servanda“ sagt der Niederdeutsche.

Meine Damen und Herren, ebenso skeptisch bin ich mit Blick auf die weiteren europäischen Konjunkturprogramme in dreistelliger Milliardenhöhe. Um die Finanz- und Bankenkrise zu bewältigen, haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereits 2008 und 2009 ein europäisches Konjunk

turprogramm mit einem Gesamtvolumen von sage und schreibe 600 Milliarden Euro aufgelegt. Diese Mittel haben die Mitgliedstaaten der EU fast vollständig durch Kreditaufnahme aufgebracht. Das ist der Grund, warum die Mehrzahl der Mitgliedstaaten nicht in der Lage war, das Defizitkriterium von 3 % einzuhalten. Folgerichtig hat die Europäische Kommission bis Juli 2010 gegen 23 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, ein Defizitverfahren eingeleitet.

Es war damals einhellige Meinung in der politischen Diskussion, dass die Mitgliedstaaten solch ein Programm nicht noch einmal stemmen können. Richtig ist ein Zweiklang aus entschiedenen Sparanstrengungen und nachhaltigen Impulsen für mehr Wachstum und Beschäftigung. Beides gehört zusammen. Beides sind zwei Seiten derselben Medaille. Insbesondere gilt das für die Krisenstaaten. Beides kann über die Europäische Investitionsbank und über die Strukturpolitik gefördert werden. Das ist der richtige Weg.

Meine Damen und Herren, ich möchte für die Landesregierung einmal mehr unmissverständlich zum Ausdruck bringen: Ein Aufweichen des Fiskalpaktes, die Vergemeinschaftung der Schulden durch Eurobonds und Konjunkturprogramme - milliardenschwer und auf Pump - lehnen wir ab!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Europapolitik der Landesregierung im engeren Sinne: Die Landesregierung verfolgt seit vielen Jahren und Jahrzehnten große Kontinuität bei ihren Aktivitäten in den Bereichen Europa und internationale Zusammenarbeit. Sie übernimmt Verantwortung für die europäische Idee, für den Gedanken der Völkerverständigung und in jüngster Zeit auch für die Entwicklung benachteiligter Regionen in Afrika am Beispiel Tansania. Wir pflegen enge Partnerschaften mit unseren beiden Partnerprovinzen in Polen und in den Niederlanden.

Meine Damen und Herren, gerade die Beziehungen zu den Niederlanden entwickeln sich weiterhin dynamisch. Mittlerweile leben rund 30 000 Niederländer in Niedersachsen, davon 80 % in der Grenzregion, also in den Kreisen Leer, Grafschaft Bentheim und im Emsland. Die Niederländer sind gut integriert, und sie sind herzlich willkommene Freunde bei uns in Niedersachsen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Land verfügt über gute Kontakte zur Zentralregierung in Den Haag und zu den nordostniederländischen Provinzen Drenthe, Fryslan, Groningen und Overijssel. Für die engere Zusammenarbeit mit unseren niederländischen Nachbarn gibt es eine Vielzahl von Beispielen. Ich möchte aus aktuellem Anlass nur einmal mehr auf die European Medical School hinweisen. Mit der European Medical School betreten wir hochschulpolitisches Neuland. Ab dem Wintersemester 2012/2013 wird ein länderübergreifender Medizinstudiengang mit jeweils 40 Studienanfängern zwischen der Rijksuniversiteit Groningen und der Universität Oldenburg beginnen. Die erste grenzüberschreitende Medizinerausbildung in Europa findet bei uns in Niedersachsen statt. Ich finde das großartig. Das ist ein gemeinsamer Erfolg aller Beteiligten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gestern Nachmittag fand ein Gespräch mit dem niederländischen Botschafter Marnix Krop und dem Honorarkonsul in Hannover Volker Müller zusammen mit niederländischen Investoren im Gästehaus der Landesregierung statt. Am 24. Mai reise ich ganztägig nach Groningen und Eemshaven. Viele weitere Besuche von Ministern und Landtagsdelegationen runden das Bild ab. Ich finde, wir sollten diesen guten Weg niederländischniedersächsischer Zusammenarbeit weitergehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, außerhalb der Zusammenarbeit mit unseren Partnerregionen fördert die Landesregierung den europäischen Gedanken insbesondere durch die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit des EIZ und die Europabüros in den Regierungsvertretungen. Die Landesregierung hat kürzlich die Neubesetzung der Leitung des EIZ beschlossen. Das ist ein Bekenntnis zum EIZ in der Staatskanzlei. In Zeiten, in denen der Zuspruch der Menschen zu Europa abnimmt, soll das EIZ die Menschen in Niedersachsen auch weiterhin unabhängig informieren und für die europäische Idee werben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)