Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Senator, wir haben in der letzten Legislaturperiode gemeinsam erhebliche Zweifel an der Primarschule gehabt. Das hat uns verbunden. Manchmal klagten wir einander unser Leid: Ich ein wenig über die Vorgaben unseres Bürgermeisters, Sie ein wenig über die Vorgaben Ihres Landesvorsitzenden. Solange Sie noch durften, haben Sie den Finger recht häufig sehr treffend in die Wunde gelegt. Als Sie Senator wurden, nahm ich an, dass Sie aus dieser Zeit drei Dinge gelernt hätten:
Ich habe nun leider den Eindruck, dass Ihnen diese Erkenntnisse bei dem Sitzplatzwechsel abhandengekommen sind.
Sie waren kaum im Amt, schon verkündigten Sie, dass es künftig beliebig viele Vorschulplätze in Hamburg geben werde. Sie kannten zwar die Raumkapazitäten nicht und haben, wie Sie gerade erst wieder geantwortet haben, keine Ahnung, wie sich die Nachfrage entwickeln wird, aber Sie haben einfach einmal ein Versprechen abgegeben und zum Sommer dann halt ein paar Container mehr aufgestellt und den Platz zum Spielen auf den Schulhöfen weiter eingeschränkt.
Im April versprachen Sie dann großspurig kostenlose Nachhilfe für alle, haben aber schnell gemerkt, dass Sie die gar nicht finanzieren können. Jetzt bekommen nur die Schüler Nachhilfe, die schon mindestens auf Fünf stehen. Und selbst das ist nicht sichergestellt, denn Sie haben voll auf Honorarkräfte gesetzt, obwohl deren Einsatz rechtlich
"Der Auftragnehmer ist insbesondere in der inhaltlichen Gestaltung seiner Tätigkeit an keine besonderen Vorgaben gebunden […]."
Auf gut Deutsch: Die Nachhilfe erfolgt ohne jegliche Koordination mit der Schule oder dem Fachlehrer. Herr Holster, in Ihrem heutigen Antrag fordern Sie doch nun gerade – und wir unterstützen das auch – eine stärkere systematische Verständigung der Lehrkräfte untereinander, also genau das, was Ihr Senator per Mustervertrag bei der Nachhilfe ausgeschlossen hat. Vielleicht kümmern Sie sich erst einmal um die stärkere systematische Zusammenarbeit zwischen Fraktion und Senat, bevor Sie das an den Schulen einführen.
Noch besser ist Ihre jüngste Offensive in Sachen Schulinspektion und Feedbackkultur. Sie fordern – zumindest im "Hamburger Abendblatt", in Ihrem Antrag konnte ich es nicht finden – eine Veröffentlichung aller Schulinspektionsberichte im Internet, obwohl wir beide uns vor zwei Monaten noch völlig einig waren, dass man das sehr sorgfältig vorbereiten sollte und auch die Konsequenzen erst einmal beraten müsste. Darüber hinaus wollen Sie jetzt plötzlich – wenn ich es richtig gelesen habe – am Ende einer jeden Unterrichtsstunde ein Feedback durch die Schüler einführen. Bei drei oder vier Minuten sind das für jeden Schüler maximal zehn Sekunden. Das nenne ich ein fundiertes Feedback. Vielleicht wird es am Ende ein Applausometer.
Ähnlich sieht es aus beim Thema "Veräppeln". Nach den Sommerferien hat Senator Rabe gleich mehrere namhafte Journalisten getäuscht, die auf den Titelseiten seine Behauptung verbreiteten, es gäbe 600 neue Lehrerstellen. In Wirklichkeit, musste der Senat einräumen, sind es gerade einmal halb so viele.
Im Schulausschuss behauptete Senator Rabe stolz, er habe sein Senatorenbüro personell halbiert, weil das unter Frau Goetsch so einen Wasserkopf gehabt habe. Nach allen mir vorliegenden Zahlen ist das schlicht falsch. Ganz genau weiß ich es nicht, weil der Senator wieder einmal eine Anfrage nicht ausreichend beantwortet hat. Herr Senator, ich habe hier zwei Schreiben der Präsidentin vom 15. und 18. November, mit denen sie bereits das zweite und dritte Mal eingegriffen hat, weil Sie meine Anfragen nicht vollständig beantworten. Ich halte das langsam nicht mehr für einen Zufall. Ich vermute, dass Sie schlicht verfassungswidrig versucht haben, vor diesen Haushaltsdebatten Informationen zurückzuhalten.
Ein besonders schöner PR-Bluff war dann auch Ihre jüngste Turnhallensanierungsoffensive. Es soll nicht wenige in der Stadt gegeben haben, die sich gewundert haben, warum eine frisch sanierte Turnhalle schon wieder saniert werden soll, bis dann irgendwann klar wurde, dass Sie ein längst laufendes Sanierungsprogramm des alten Senats einfach neu verkauft haben.
Erstens haben Sie auf meine Anfrage hin selber eingeräumt, dass Sie den Plan aufgestellt haben, ohne über ausreichende Informationen zu verfügen. Sie haben keine regionalen Schülerprognosen. Sie wissen nicht, welchen Bedarf es künftig für Vorschule oder Ganztagsschule geben wird. Sie können nicht abschätzen, wie sich die Zahl der Inklusionsschüler entwickeln wird. Mein Kollege Dr. Scheuerl wird auf das Thema noch eingehen.
Zweitens wissen Sie angeblich überhaupt nicht, was wo dazu gebaut werden muss, geschweige dann, was das kosten wird, woher Sie das Geld dafür nehmen wollen und wann das fertig werden könnte.
Drittens täuschen Sie die Stadtteilschulen. Damit Sie Ihr Wahlversprechen, dass jede Stadtteilschule eine eigene Oberstufe erhält, zumindest auf dem Papier einhalten können, soll die Zahl der Oberstufenzüge in sechs Jahren mal eben um 30 Prozent steigen. So wünschenswert es ist, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler das Abitur erreichen – gleichbleibendes Niveau natürlich vorausgesetzt –, so sehr scheint mir diese Prognose politisch doch geschönt zu sein.
Last but not least, Herr Senator: Ich persönlich fühle mich schon ziemlich veräppelt dadurch, dass Sie ausgerechnet für heute früh zu einer Pressekonferenz zu einem nicht unwichtigen Thema eingeladen haben. Das ist schon eine einmalige Missachtung der heutigen Debatte in diesem Hause.
Meine Damen und Herren! Ich finde es besonders gefährlich, dass Herr Rabe trotz aller Lippenbekenntnisse zum Schulfrieden wieder Politik gegen berechtigte Elternwünsche macht. Zuerst kippt er gegen den Willen von Eltern und Schulen das besondere Aufnahmeverfahren, und zwar gegen die Empfehlung der Evaluation seines eigenen Landesinstituts, in dessen Fazit immerhin steht:
ist eine Möglichkeit, Standorte in benachteiligten Stadtteilen stark zu machen. Gewinner sind nicht zuletzt die Schülerinnen und Schüler aus dem Einzugsbereich, die durch einen sozialen Mix und interessante Schulund Unterrichtsentwicklung profitieren."
Ausgerechnet einem SPD-Schulsenator sind solche wichtigen sozialen Erfolge offenbar völlig egal. Er diffamiert sie in der Presse sogar als "reformpädagogische Sau".
Jetzt versucht Senator Rabe ganz offensichtlich, die Zwangsganztagsschule in Hamburg einzuführen. Wir befinden uns mitten in einem wichtigen, durchgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Immer mehr Eltern wünschen für ihre Kinder eine ganztägige Betreuung oder sind auf eine solche angewiesen. Die CDU hält Ganztagsschulen und ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot sowohl zur optimalen Förderung vieler Schülerinnen und Schüler als auch zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf für einen sehr wichtigen Bestandteil des Hamburger Bildungssystems. In den vergangenen Jahren haben wir daher bekanntlich das Angebot an Ganztagsschulen und an ganztägiger Bildung und Betreuung in Hamburg erheblich ausgebaut. Was Eltern aber nicht wollen – und da bin ich mir sehr sicher –, ist ein unflexibler Zwang. Und genau das ist das Ziel der SPD.
Ausdrücklich zu diesem Zweck will die SPD-Bundestagsfraktion das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bildungspolitik aufheben und es ist sicherlich kein Zufall, dass Sie heute das Gleiche fordern.
Offenbar will die SPD in Hamburg den Zwang zur ganztägigen Betreuung aber noch schneller umsetzen. Am Sonntag haben Sie in "Der Welt" erklärt:
"Wir wollen, dass […] bereits in vier Jahren die Ganztagsbetreuung an den Grundschulen die Regel ist."
Die vielen erfolgreichen, oftmals ehrenamtlich organisierten Vereine und Organisatoren nachmittäglicher Angebote diffamieren Sie ganz offen als
"[…] viele Interessengruppen, die sagen: Ich kann meinen Flötenunterricht oder den Konfirmandenunterricht nicht mehr geben, die Kinder sind nachmittags nicht da."
Herr Rabe, die Kirche als irgendeine von vielen Interessengruppen – das nenne ich sozialdemokratischen Werteverfall.