Ursula Haußmann

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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Tag genau heute vor fünf Jahren, am 13. Dezember 1995, hat der Landtag das baden-württembergische Landesgleichstellungsgesetz beschlossen. Für die SPD ist dieses Jubiläum Anlass, um zum einen zurückzublicken und Bilanz zu ziehen und zum anderen nach vorn zu blicken und aus den gewonnenen Erfahrungen mit dem Gesetz die notwendigen politischen Konsequenzen zu ziehen.
Nach fünf Jahren ist offenkundig, dass das Landesgleichberechtigungsgesetz novelliert werden muss, und für die SPD ist das nicht erst seit heute offenkundig. Doch die Koalitionsfraktionen waren trotz wiederholter Ankündigungen und Versprechungen nicht zum Handeln bereit.
Am Ende dieser Legislaturperiode ist es Zeit, dass CDU und FDP/DVP nun endlich frauenpolitisch Farbe bekennen.
Die Wählerinnen und Wähler, Herr Glück, haben nämlich einen Anspruch darauf, vor der Wahl zu erfahren, ob es CDU und FDP/DVP mit der Gleichberechtigung von Frauen ernst meinen.
Meine Damen und Herren, am Anfang des Gesetzes stand die Erkenntnis, dass der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch nicht verwirklicht ist. Auch im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg, so die Gesetzesbegründung vor fünf Jahren, würden Leitungspositionen überwiegend von Män
nern eingenommen. Im höheren Dienst und in den Spitzenpositionen des gehobenen Dienstes sowie in den entsprechenden Angestelltenbereichen seien Frauen trotz gleichwertiger Qualifikationen noch immer deutlich geringer vertreten als Männer. So weit die damalige Gesetzesbegründung, die – daran möchte ich an dieser Stelle erinnern – auch von der CDU mit unterschrieben wurde.
Blickt man aber auf die Umsetzung dieses Gesetzes zurück, so ist die Erfolgsbilanz eher ernüchternd. Zwar leisten die rund 1 000 Frauenvertreterinnen unter diesen unzureichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen eine überaus engagierte Arbeit, für die ich mich namens meiner Fraktion an dieser Stelle ausdrücklich bedanken will,
aber vom Ziel der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und dem Abbau von Benachteiligungen ist der öffentliche Dienst in Baden-Württemberg immer noch weit entfernt.
Hier die Fakten: Obwohl in der Landesverwaltung 28 % der Beschäftigten des höheren Dienstes und sogar 52 % der Beschäftigten des gehobenen Dienstes Frauen sind, ist der Anteil der Frauen in Führungspositionen völlig unzureichend. Im Bereich der obersten Landesbehörden ist seit 1996 der Frauenanteil bei Abteilungsleitungsstellen mit nur 1,6 % und bei stellvertretenden Abteilungsleitungsstellen mit nur 3,3 % unverändert geblieben. Im Bereich der Referatsleitungsstellen ist der Frauenanteil lediglich um kümmerliche 1,7 Prozentpunkte auf gerade mal 7,8 % gestiegen und im Bereich der stellvertretenden Referatsleitungsstellen sogar nur um 0,8 Prozentpunkte auf 8,4 %.
Ein weiteres Manko ist die Freistellungsregelung. In weiten Bereichen der Landesverwaltung sind die Frauenvertreterinnen immer noch nicht im notwendigen Umfang zur Erfüllung ihrer Aufgaben von ihren dienstlichen Aufgaben freigestellt. Lediglich 4 der rund 1 000 Frauenvertreterinnen sind zu 100 % freigestellt, 5 zu 75 % und 21 zu 50 %. Insgesamt 67 Frauenvertreterinnen haben eine Freistellung, die zwischen 16 und 2 Stunden liegt, die Mehrzahl, insgesamt 560 Frauenvertreterinnen, sind entweder überhaupt nicht freigestellt, oder ihr Freistellungsumfang liegt unter 2 Stunden.
Auch im kommunalen Bereich ist die Gesetzesumsetzung völlig ungenügend. Obwohl nach den Vorschriften des Gesetzes Frauenförderpläne erstmals zum 31. Dezember 1997 erstellt werden sollten, hatten bis zur Jahresmitte 2000 nur 26 der 35 Landkreise und nur 92 der 292 Gemeinden über 8 000 Einwohnerinnen und Einwohner Frauenförderpläne erstellt. Das sind keine berauschenden Zahlen; Frau Blank, da müssen Sie mir Recht geben.
Weil das die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion ist, Herr Haas.
In 169 Gemeinden – das ist mit 58 % die Mehrzahl – ist ein Frauenförderplan weder erstellt noch in Bearbeitung.
Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern fehlt in der baden-württembergischen Gemeinde- und Landkreisordnung eine Verpflichtung zur Einrichtung der Stelle einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten. Es gibt bundesweit 1 732 kommunale Gleichstellungsstellen; in Baden-Württemberg gibt es gerade mal 46 hauptamtlich besetzte Stellen in den Städten, Gemeinden und Landkreisen. Nur 17 davon sind Vollzeitstellen, 29 sind Teilzeitstellen. Damit ist Baden-Württemberg bei der kommunalen Frauenförderung bundesweit Schlusslicht.
Aus diesen Fakten kann man nur einen Schluss ziehen: In wichtigen Feldern fehlt dem 1995 verabschiedeten Landesgleichberechtigungsgesetz der notwendige Biss.
Festgefahrene Strukturen in der Verwaltung und auf Machterhalt zielende männliche Seilschaften
lassen sich offenkundig nicht so leicht aufbrechen. Nach fünf Jahren ist es wirklich überfällig, dass die CDU ihre frauenpolitische Borniertheit endlich aufgibt.
An vollmundigen Ankündigungen und Willensbekundungen zur Novellierung des Gesetzes hat es wie überall sonst bei Ihnen nie gefehlt. Angesprochen auf die anhand von Fakten belegbare wenig durchschlagende Wirkung des Gesetzes, haben auch CDU-Frauenpolitikerinnen immer wieder Novellierungsbedarf eingeräumt. Stellvertretend für alle CDU-Politikerinnen nenne ich die Staatssekretärin Frau Lichy, die dies schon im August 1998 erklärte. Ich zitiere dazu wörtlich aus einem Zeitungsbeitrag:
Sollte das Gleichstellungsgesetz trotz aller Aktivitäten und Appelle in absehbarer Zeit noch immer nicht ausreichend greifen, kann sich Johanna Lichy auch eine Nachbesserung vorstellen.
So kann man im „Reutlinger Generalanzeiger“ vom 26. August 1998 lesen.
Meine Damen und Herren von der CDU, die Fakten liegen längst auf dem Tisch. Ich habe eingangs die Zahlen genannt. Dem Gesetz fehlt der notwendige Biss. Das zeigen diese Zahlen, und das sagen die Frauenvertreterinnen, die mit dem Gesetz Tag für Tag unter schwierigen und oft unzureichenden Bedingungen arbeiten müssen. CDU und FDP/DVP müssen sich schon fragen lassen, wie sie ihre sture Neinsagerhaltung weiter rechtfertigen wollen.
Ich erinnere CDU und FDP/DVP auch daran, dass sich der Landesfrauenrat Baden-Württemberg, in dem auch die Frauenorganisationen von CDU und FDP/DVP vertreten sind, massiv für eine Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes ausgesprochen hat. Heute besteht die Chance, nun endlich Taten folgen zu lassen. Wenn CDU und FDP/DVP heute unseren Vorstoß ablehnen, dann wird auch für sie schon bald der Satz zutreffen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Meine Damen und Herren, ich will noch die Punkte nennen, die wir unbedingt geändert haben wollen, bei denen wir Novellierungsbedarf sehen.
Zum einen müssen die Rechte der Frauenvertreterinnen gestärkt werden. Dann muss das Gesetz auch im kommunalen Bereich uneingeschränkt gelten. Die verpflichtende Einrichtung von kommunalen Frauenbeauftragten ist in der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung vorzusehen. In Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern und Einwohnerinnen und in Landkreisen ist diese Stelle – das ist ganz wichtig – hauptamtlich zu besetzen.
Die Freistellung der Frauenvertreterinnen muss durch eine verbindliche gesetzliche Regelung in Form einer Freistellungsstaffel geregelt werden. Die Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils müssen konkretisiert werden. Die SPD spricht sich dafür aus, dass in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, jeweils mindestens die Hälfte der neu zu besetzenden Stellen zur Besetzung mit Frauen vorzusehen ist. Die Sanktionsmöglichkeiten bei Nichterfüllung des Frauenförderplans müssen verschärft werden.
Es ist höchste Zeit, heute über eine dringend notwendige Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes abzustimmen.
Ich rede deshalb so schnell, damit ich in der zweiten Runde noch Redezeit habe,
weil ich schon jetzt weiß, was von Ihnen kommt.
Noch ist es für die Regierungsfraktionen möglich, ihre sture Neinsagerhaltung aufzugeben und noch in dieser Legislaturperiode eine Novellierung auf den Weg zu bringen. Verharren CDU und FDP/DVP aber in ihrer Neinsagerhaltung, muss diese Fehlentscheidung nach dem 25. März 2001, Herr Dr. Glück, vom neuen Landtag
und von der neuen Landesregierung korrigiert werden. Es ist Zeit, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verwirklichen – auch in Baden-Württemberg.
Ich appelliere an Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Liebe Frau Schweikert, ich habe noch genau 21 Sekunden – schade, nur 21 Sekunden – und möchte Ihnen sagen, wie tief enttäuscht ich vom Verhalten der FDP/DVP bin. Zur Zeit der großen Koalition konnte es Ihnen frauenpolitisch nicht weit genug gehen,
aber da hatten Sie noch einen anständigen frauenpolitischen Sprecher – das war der jetzige Wirtschaftsminister Dr. Döring. Jetzt sind Sie stolz darauf, mit der Landesregierung die frauenpolitische rote Laterne im Bundesländervergleich hinter sich herzutragen. Das kann es doch nicht sein! Ich bin von dieser Haltung zutiefst enttäuscht. Das kann ich Ihnen sagen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt den Gesetzentwurf der Landesregierung,
mit dem eine neue Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit eigener Haushaltshoheit errichtet werden soll.
Die Verkammerung
ist die notwendige Konsequenz aus dem Psychotherapeutengesetz, mit dem vor zwei Jahren auf Bundesebene die neuen Heilberufe Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut geschaffen wurden. Dem Psychotherapeutengesetz ging ein langer, von Psychotherapeuten als quälend langsam empfundener jahrzehntelanger Diskussionsprozess voraus, in dem die Psychotherapeuten um ihre Anerkennung als selbstständige Heilberufe kämpfen mussten. Mit der Schaffung dieser Psychotherapeutenkammer kommt dieser Prozess nun auch landesrechtlich zu einem Abschluss.
Erfreulicherweise ist die Landesregierung auch gegen Ende der Legislaturperiode noch dazu in der Lage, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen.
Das ist nicht selbstverständlich – wenn Sie mir diesen Seitenhieb gestatten –, hat doch die Landesregierung im Sommer die Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes mit der Begründung abgelehnt, für einen Gesetzgebungsprozess sei zu wenig Zeit.
Erfreulicherweise gilt dieses Zeitargument bei diesem Gesetz jetzt nicht.
Etwas unverständlich ist es, dass die gesetzlichen Grundlagen für die Weiterbildung erst später geschaffen werden sollen.
Herr Haas, ich glaube, Sie waren heute noch nicht am Neckar. Ich empfehle Ihnen einen Spaziergang dorthin.
Über diesen Punkt wird sicherlich noch im Ausschuss zu diskutieren sein.
Die Landeskonferenz der Psychotherapeutenverbände merkt in diesem Zusammenhang an, dass eine solche Ausklammerung der Weiterbildung in keinem anderen Bundesland, in dem bisher eine Psychotherapeutenkammer geschaffen wurde, vorgenommen wurde. Die Landesregierung ist deshalb aus Sicht der SPD-Fraktion begründungspflichtig, weshalb in Baden-Württemberg ein Sonderweg gegangen werden soll.
In diesem Punkt gibt es, wie gesagt, noch Beratungsbedarf im Sozialausschuss.
Zu prüfen ist aus Sicht der SPD-Fraktion auch der Vorschlag der Landeskonferenz der Psychotherapeutenverbände, die Kurzbezeichnung „Psychotherapeutenkammer“ als Klammerzusatz mit aufzunehmen. Dies ist sicher einprägsamer als das Sprachungetüm „Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“.
Ich danke Ihnen.