Rolf Seltenreich
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jemand hat einmal gesagt, der Haushaltsplan sei der Versuch einer gleichmäßigen Verteilung von Ungerechtigkeiten. Das steht am Anfang meiner Betrachtung über den Rechnungshofbericht. Wenn man bedenkt, dass das Haushaltsrecht das Königsrecht des Parlaments ist, und man sich andererseits heute die lichten Reihen hier anschaut, zeigt das, dass das Parlament bei der Verteilung der Gelder mehr Aufmerksamkeit erregt und das Plenum besser besetzt ist als bei der anschließenden Kontrolle.
Zum Thema selbst: Der Rechnungshof hat in bewährter Weise seine Denkschrift 2000 vorgelegt. Die SPD-Fraktion wird natürlich ebenfalls in bewährter Weise ihre Kritik äußern.
Fangen wir bei der Verschuldung an, Frau Kollegin Lazarus. 1,47 Milliarden DM Nettoneuverschuldung bedeuten einen neuen Höchststand der Verschuldung des Landes von 59,3 Milliarden DM – etwa so viel, wie der Haushalt des Landes umfasst. Das sind alarmierende Zeichen. Wir fordern gemeinsam mit dem Rechnungshof, hier einen vorsichtigeren Kurs einzuschlagen, aber wir fordern auch eine Rückführung der Schulden, zum Beispiel durch den Erlös aus der Veräußerung des Tafelsilbers. Unsere Forderungen sind Ihnen aufgrund der Debatten ja bekannt.
Zweitens mahnen wir noch immer den Ausbau der Finanzbehörden an. Man muss sich überlegen, dass 172 Prüfer bei den Finanzämtern allein im Bereich der Umsatzsteuer von Steuerpflichtigen 364 Millionen DM nachgefordert und dass noch im Jahr zuvor 166 Prüfer nur 332 Millionen DM zusätzlich eingefordert haben. 1994 waren es mit 123 Prüfern nur 239 Millionen DM, die erbracht wurden. Das heißt, es gibt hier ein Feld, auf dem der Staat noch einiges für den Haushalt hereinholen könnte, und zwar zu Recht, denn Steuervergehen und Steuerhinterziehung sind schlichtweg keine Bagatellen. Deswegen hier zusammen mit dem Rechnungshof noch einmal unsere Aufforderung, die Finanzverwaltung zu stärken.
Es gibt auch andere positive Beispiele, die schon erwähnt wurden. Die Aussage des Rechnungshofs, dass Institutionen und Organisationen wie zum Beispiel Pro Familia im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung und Ehe-, Familien- und Lebensberatung gut arbeiten, kann nur bedeuten, dass, wenn man diese Leistung im Bericht anerkennt, auch die Landesregierung ihre Konsequenzen ziehen und zumindest die Bemühungen von Pro Familia und anderen Beratungsstellen unterstützen muss, Defizite bei ihrer Finanzierung abzubauen. Diese Leistungen werden unter schwierigsten finanziellen Umständen erbracht; daher hat das Sozialministerium, Herr Kollege Repnik, die Pflicht, hier einiges mehr zu tun, auf welchem Wege auch immer,
indem es selbst in Vorlage tritt oder zum Beispiel Kommunen veranlasst, sich wirklich relevant an den Kosten zu beteiligen. Also hier gibt es Handlungsbedarf.
Es gibt auch Kritik am Verhalten des Rechnungshofs selber. Wir haben bei der Diskussion über den Beitrag des Rechnungshofs zur Beschaffung von Schienenfahrzeugen gemerkt, dass Vorlagen doch wohl etwas verändert worden sind, etwas verwässert wurden, nachdem der Rechnungshof offensichtlich mit den Regierungsfraktionen oder vielleicht auch mit der Regierung selbst noch einmal über die Berichterstatterempfehlungen gesprochen hatte. Ich finde allerdings, dass das nicht der richtige Stil ist. Ich fordere auch nicht, dass der Rechnungshof erst einmal zur SPDFraktion geht, bevor er eine Vorlage in den Landtag gibt. Wenn der Rechnungshof zu einer Meinung gekommen ist, sollte diese auch dem gesamten Parlament neutral vorgetragen werden und nicht durch einen „Regierungsfilter“ laufen.
Es gibt auch positive Wirkungen aus der Arbeit des Rechnungshofs; das hat Frau Lazarus schon gesagt. Die Bemühungen des Rechnungshofs haben im Bereich des Hochschulbaus Wirkung gezeitigt und zu Einsparungen von immerhin insgesamt 117 Millionen DM geführt. Ich muss deshalb sagen, dass das Instrument des Rechnungshofs für das Land unverzichtbar ist.
Einen Bereich möchte ich noch besonders hervorheben, nämlich die Kontrolle nicht nur der Ministerien oder der Ämter, sondern die Frage: Was wird denn aus den so genannten „Erwin“-Programmen? Wir fordern den Rechnungshof auf, einmal zu untersuchen, ob zum Beispiel die Zahlungsausgänge, aber auch die Zahlungseingänge den Vorgaben und Angaben der Regierung entsprechen, wie die Gelder konkret geflossen sind, wie diese Maßnahmen durchgeführt wurden und ob danach auch die entsprechenden Finanzen stimmten. Diese Sonderprogramme haben sich zu Nebenhaushalten entwickelt. Sie eignen sich meines Erachtens eher dazu, Wahlkampf zu machen, als solide Finanzpolitik zu betreiben. Denn Geldausgeben ist für die Regierung offensichtlich immer schöner als Sparen. Deshalb ergeht unsere Aufforderung, in diesem Bereich etwas zu tun.
Zum Schluss sage ich mit einem Blick auf die Schreibtische des Rechnungshofs: Augustinus, der Kirchenvater
wohl einigen in der christlich-demokratischen Fraktion wie auch dem Herrn Pfarrer Kleinmann aus der FDP/DVP bekannt –,
hat einmal gesagt: Es ist niemandem möglich, nicht zu sündigen.
Dieser Satz gilt offensichtlich auch für den Bereich des Rechnungshofs. Wir können nur mahnen, dass der Rechnungshof ein gutes Vorbild in diesem Staat für eine saube
re Rechnungsführung, für Moral und Anstand bleiben möge.
Ich denke, dass in der nächsten Woche im Finanzausschuss diese Vorgänge auch entsprechend sachlich behandelt werden. Trotzdem gebührt es dem Parlament, heute den mahnenden Finger zu erheben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir danken dem Finanzminister für den Vorschlag, diesen parlamentarischen Beirat NSI oder „Neue Steuerungsinstrumente“ einzurichten. Die Diskussion über Neue Steuerungsinstrumente ist in der Vergangenheit sehr lebhaft geführt worden. Wir haben ja auch die Stabsstelle für Verwaltungsreform und auch die zugehörige Schriftenreihe. Dabei muss man bemerken, dass bei dieser Schriftenreihe vor allem die Hefte 20 und 21 – 20 zu Controlling
und 21 zum Zwischenbericht der Verwaltungsreform – äußerst interessant sind.
Dazu kommt noch, dass der Finanzminister in Form des Internets Einblicke in die NSI gewährt. Es gibt also „NSIEinBlick“-Nachrichten. Ich finde es besonders gut, dass die Mitarbeiter im Land über den Computer nun Zugang zu entsprechenden Informationen haben.
Die Forderung nach einem Beirat ist Ausfluss der Debatte im Finanzausschuss während der Haushaltsberatungen. Es stimmt, was hier gesagt worden ist: Wenn sich diese Methoden wandeln, hat das auch Folgen für das Handeln. Deswegen müssen wir kritisch begleiten, inwieweit sich die Neuen Steuerungsinstrumente auf die Arbeit des Parlaments und insbesondere des Finanzausschusses auswirken. Denn das Haushaltsrecht ist, wie schon gesagt wurde, das Königsrecht des Parlaments. Aus dieser Krone soll meines Erachtens auch kein Zacken herausgebrochen werden. Deshalb müssen wir als Parlament die Situation beobachten und gegebenenfalls auch eingreifend steuern.
Dass die Neuen Steuerungsinstrumente mit einem schwierigen Prozess verbunden sind, zeigt uns die Schlagzeile des „Handelsblatts“ vom 17. Mai: „Beamte gegen Berater“, wobei man bei der Firma debis gar nicht damit zufrieden war, wie die Beamten des Landes auf die Gespräche zu den Neuen Steuerungsinstrumenten reagierten. Da gibt es schon einmal den Satz: „Die Hand-outs vom letzten Meeting des Benefits Case liegen im Backoffice“ von Beratern. Es hieß, dass Beamte angeblich nach einem Dolmetscher riefen. Mir ist jetzt auch klar, warum Frau Schavan Englisch schon in der Grundschule einführen will: damit unsere Beamten das verstehen.
Die Landespolitik ist im Moment durch die Debatte über Leitbilder geprägt, was auch gut ist. Das Haushaltsrecht hat sich verändert – das wurde auch von Kollegen schon gesagt –, zum Beispiel durch die dezentrale Budgetverantwortung, das Wirtschaftlichkeitsgebot und mehr Flexibiliät im Haushalt selbst.
Einer der wesentlichen Punkte der NSI ist die Gestaltung von Zielen, also Zielvereinbarungen. Dies ist wohl der Hauptpunkt, wo das Parlament nicht außen vor sein kann. Zielvereinbarungen gelten nicht nur innerhalb der Verwaltung, also zum Beispiel vom Ministerium mit den entsprechenden Einrichtungen und Ämtern, sondern Zielvereinbarungen kann auch das Parlament mit der Regierung treffen. Ich erinnere nur daran, dass dies zum Beispiel im Kanton Wallis in der Schweiz gemacht wird und dass dies auch Kommunen beabsichtigen, etwa Mannheim, indem zum Beispiel auch die Fachausschüsse der Gemeinderäte Zielvereinbarungen mit der Verwaltung abschließen. Das bedeutet auch, dass wir als Parlament darüber bestimmen müssen, was zum Beispiel mit der Effizienzrendite passiert, also mit dem Geld, das man aufgrund der Neuen Steuerungsinstrumente einspart.
Ich will aber noch eines sagen: Neue Steuerungsinstrumente sind kein Ersatz für Politik. Es gibt einige Aufgabenfelder, die begleitend ausgeführt werden müssen. Ich erinnere daran, dass wir immer noch darauf warten, dass verschie
dene Verwaltungsebenen eingedampft werden. Die Regierungspräsidien oder die Landkreise sind zum Beispiel überflüssig. Wir brauchen verstärkt Normenrückbau, weil Gesetze in der Ausführung Geld kosten. Wir brauchen aber auch stärker den betriebswirtschaftlichen Ansatz. Es kann nicht angehen, dass zum Beispiel bei der Polizei Geräte im IuK-Bereich angeschafft werden, also Computer, aber verschiedene Generationen von Hardware und von Software schwer kompatibel nebeneinander stehen. Das ist ein Unding und hat nichts mit Sparsamkeit zu tun, sondern mit einer falschen Entscheidung. Solche Systeme müssen geschlossen eingeführt werden, damit sie handhabbar sind. Man sieht ja, welche Schwierigkeiten gerade im Bereich der Polizei eine solche Denkweise hat. Also heißt es, betriebswirtschaftlich zu denken.
Ich muss auch dem Finanzministerium sagen: Es ist nicht so, dass als Grundsatz für NSI gilt, dass nur gespart werden soll, sondern wir müssen stärker das Minimax-Prinzip berücksichtigen, das mit einem bestimmten Einsatz von Geld einen höchstmöglichen Erfolg erzielen will oder einen bestimmten Erfolg mit dem niedrigsten Einsatz von Geld. Ich glaube, dies wurde in der Vergangenheit in der Verwaltung nicht konsequent berücksichtigt.
Jetzt vielleicht doch noch zur Fragestellung: Was soll dieser Beirat tun? Wir ringen im Moment um den Status. Ich bin froh und dankbar, dass mein Vorredner zum Charakter des Beirats gesagt hat, dieser solle eher eine Enquetekommission und nicht so arg ein Ausschuss sein...
... – danke schön – mit einem Status zum Beispiel eines kleinen Parlaments. Deswegen fragen wir übrigens hier auch nach der Rolle des Rechnungshofs. Der Rechnungshof hat ja auch einen besonderen Status im Finanzausschuss. Ich denke, es wäre gut, wenn auch diesem Beirat der Rechnungshof beigestellt wäre.
Im Übrigen wissen wir nicht, wie lange wir diesen Beirat brauchen. Das muss man hier sagen. Wenn sich die Neuen Steuerungsinstrumente etablieren sollten, also auch im Parlament, wird irgendwann einmal dieser Beirat überflüssig werden, und wir werden seine Arbeit selbst als Finanzausschuss und als Plenum entsprechend erledigen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Tag ist schon fortgeschritten, und deswegen wollen wir versuchen, die Reden auch kürzer zu machen.
Zunächst einmal: Sparen ist für normale Bürger meist der Versuch, sich an seinem eigenen Einkommen zu bereichern.
Das jedenfalls sagt ein erfahrener Banker.
Für Parlament und Regierung ist es allerdings in den heutigen Zeiten eine große Notwendigkeit. Die SPD-Landtagsfraktion dankt daher dem Landesrechnungshof mit seinen vier Rechnungsprüfungsämtern für die große Hilfe, die Landesregierung zu kontrollieren, und auch für den Versuch, im Landeshaushalt sinnvoll zu sparen. Auch in diesem Jahr ist die Zustimmung zum Haushalt des Rechnungshofs für uns unproblematisch.
Wie schon gesagt: Auch in diesem Jahr ist die Zustimmung zum Haushalt des Rechnungshofs für uns unproblematisch, trotz der veranschlagten Steigerung des Staatszuschusses. Es ist zu bedenken, dass der Staatszuschuss, der im Jahr 1999 bei 24,9 Millionen DM gelegen hat, im Jahr 2000 auf 27,1 Millionen DM anwächst und im Jahr 2001 27,4 Millionen DM erreicht, allerdings, wie hier schon gesagt wurde, bei der gleichen Stellenzahl von 270.
Nach Angaben der Berichterstatterin ist der Landesrechnungshof von Baden-Württemberg dennoch der sparsamste der Republik – wir haben es ja gehört – beim Anteil am Gesamthaushalt. Aber auch bei den Stellen sind wir ähnlich Spitze. Hier liegt Baden-Württemberg bei 0,125 %, die Bayern folgen später mit 0,150 %, Schlusslicht ist Brandenburg mit 0,326 % aller Stellen im Gesamthaushalt. Nordrhein-Westfalen, das ja normalerweise von der CDU immer negativ zitiert wird, liegt allerdings auch recht günstig, und zwar bei 0,133 %. Damit ist der Rechnungshof Baden-Württemberg Spitze.
So ist es nicht.
Das ist unter anderem die Folge des Umstandes, dass der Landesrechnungshof die Organisation der Finanzkontrolle in den vergangenen Jahren einer modernen Prüfung angepasst hat, wie das auch im Haushaltsplanentwurf nachzulesen ist.
Der Rechnungshof mit seinen vier Rechnungsprüfungsämtern befindet sich weiter im Wandel. Die qualitativen Anforderungen an die Rechnungsprüfer werden mit der Einführung von neuen Steuerungselementen in der Landesverwaltung höher. Der Rechnungshof entwickelt neben seinem bewährten Standbein Prüfung eine rege Beratungstätigkeit und eine hohe Beratungskompetenz.
Dieses gewandelte Selbstverständnis erkennt man auch im Wandel des Outfits des Rechnungsprüfungsberichts von 1999. Vom etwas depressiven packpapierbraunen Prüfbericht geht man nun zum glänzenden Weißbuch über. Herzlichen Dank für diese neue Aufmachung. Das zeigt auch eine große Spur Optimismus.
Der Rechnungshof geht in der Anwendung der neuen Steuerungsmodelle selbst voran. Wir hoffen mit dem Präsidenten des Landesrechnungshofs, Herrn Frank, dass die Möglichkeiten der dezentralen Budgetverantwortung zu einer budgetneutralen Verbesserung der Personalstruktur beim Landesrechnungshof führen werden. Wir gehen davon aus, dass gerade der Landesrechnungshof fleißig und kritisch die Möglichkeiten der neuen Budgetverwaltung erprobt und daraus vermutlich finanziell und auch konzeptionell Folgerungen für seine zukünftige Arbeit ziehen wird.
Die SPD-Landtagsfraktion ist bereit, diesen Prozess wohlwollend zu begleiten und gegebenenfalls einem sinnvollen Umbau des Rechnungshofs nicht im Wege zu stehen. Gut wäre es, wenn der Rechnungshofpräsident, wie die Minister, im Parlament Ausführungen zu seiner Arbeit machen dürfte. Er hat immer noch nicht das Recht, hier zu seinem Haushalt zu reden. Diese Forderung stellen wir ja bei allen Haushaltsberatungen wieder wie der alte Cato. Wir sind auf die Ergebnisse, die die neuen Steuerungsmodelle beim Rechnungshof zeitigen, gespannt.
Zum Schluss: Der Landesrechnungshof ist bei vielen gefürchtet, weil er die Wahrheit sucht. Seine Prüfberichte lösen meist keine Freude, sondern höchstens Ärger und Proteste bei den Ministerien, Ämtern und Einrichtungen aus. Der ehemalige Beichtvater von Helmut Kohl, ein Herr Basilius Streithofen, soll vor kurzem im Fernsehen philosophiert haben, wo die Wahrheit sei, sei der Teufel nicht weit.
Wir wissen, der Landesrechnungshof fürchtet den Teufel nicht, und wir unterstützen ihn voll und ganz dabei, auch in Zukunft den Teufel auszutreiben.
Herzlichen Dank.