Peter Wintruff
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Herr Staatssekretär, nachdem Sie betont haben, dass es keinen einzigen konkreten Fall gegeben habe,
wie erklären Sie sich dann die Vielzahl der Presseberichte, die insgesamt von allen regionalen Zeitungen kamen
und gerade in letzter Zeit mit Überschriften wie „Raubrittertum bei der Lehrerrekrutierung“ oder anders überschrieben waren und von diesen Fällen berichteten?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion begrüßt die Bildung eines Landesmedienzentrums in Verbindung mit der Weiterentwicklung der Stadt- und Kreisbildstellen zu regionalen Medienzentren. Wir begrüßen vor allen Dingen, dass das Landesmedienzentrum unter einer einheitlichen Leitung die dezentralen Standorte beibehält und damit sicher auch künftig die Grundlage für eine aufgabengerechte Weiterentwicklung bildet.
Das Gesetz gewährleistet die formale und die funktionale Gleichstellung und Gleichwertigkeit beider Standorte und damit letztendlich die Zusammenführung der beiden Landesbildstellen und den Aufbau der Kreis- und Stadtmedienzentren.
Gleichwohl gibt es einige Punkte zu kritisieren. Der Support für Schulen bleibt trotz des Gesetzes noch relativ offen. Der Gemeindetag hat vorsorglich Einspruch eingelegt, um nicht mit weiteren Kosten in Anspruch genommen zu werden.
Die medienpädagogische Information, Beratung und Fortbildung kommt in der Aufgabenbeschreibung des Gesetzestextes zu kurz. Wir meinen, gute Technik ist in Ordnung; die Beratung in medienpädagogischer Hinsicht darf dabei aber nicht zu kurz kommen.
Die Fortbildungsaufgaben des künftigen Landesmedienzentrums müssen eine Schwerpunktaufgabe bilden, weil es in den Schulen gerade in dieser Hinsicht den größten Bedarf gibt. Nach außen hin brauchen wir Fortbildung – im Bereich der Jugendarbeit könnte das Landesmedienzentrum seinen Aufgabenbereich erweitern.
Wir begrüßen die Wahlzeit von sechs Jahren für das Dienstverhältnis des künftigen Direktors, kritisieren aber, dass sich das Ministerium im Gesetz ein Weisungsrecht gegenüber dem Direktor vorbehalten hat, das letztendlich die Kompetenz des künftigen Verwaltungsrates in undemokratischer Weise einschränkt.
Meine Damen und Herren, offene Probleme bleiben also, insbesondere auch, was die Fortentwicklung der Bildstellen in den Kreisen und in den Städten anbelangt, hinsichtlich des Status der Bildstellenleiter. Ich hoffe sehr, dass in Zukunft dabei vonseiten des Verwaltungsrats die Vorschläge des Landesarbeitskreises Medien Baden-Württemberg und dessen Forderungen berücksichtigt werden.
Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Auf der Basis der grundsätzlichen Gleichwertigkeit beider Standorte ist der Arbeitsschwerpunkt des künftigen Direktors im Gesetz absichtlich offen gehalten worden. Die CDU-Landtagsfraktion hat sich jedoch dazu geäußert. In ihrem Pressedienst hat
der Fraktionsvorsitzende Oettinger am 16. November 2000 verkündet – ich zitiere –:
Die CDU-Landtagsfraktion werde bei der anstehenden Beratung des Gesetzes ihre Erwartung deutlich machen, dass der Direktor des Landesmedienzentrums seinen Arbeitsschwerpunkt nicht in Stuttgart, sondern in der vor kurzem renovierten Grenadierkaserne in Karlsruhe haben solle.
Ich muss leider feststellen, dass Sie zu dieser Ankündigung, hier eine Klärung herbeizuführen
und als CDU das hier deutlich zu machen, kein einziges Wort verloren haben. Das möchte ich doch kritisieren und Sie bitten, das nachzuholen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Weiterentwicklung des dualen Systems der Berufsausbildung erfordert auch grundlegende Reformen der beruflichen Schulen. Leider ist es so weit gekommen, dass wir heute eine Aufwertung des Dualpartners Berufsschule im Sinne eines gleichberechtigten Partners neben Wirtschaft und Betrieb einfordern müssen.
Gleichwohl, meine Damen und Herren, will ich zu Beginn feststellen, dass an dieser Schulart eine hervorragende Arbeit geleistet wird,
und das bei oft widrigen Umständen. Trotzdem wurde an den beruflichen Schulen eine Vielzahl von Neuerungen zur Weiterentwicklung der berufsqualifizierenden Bildungsgänge auf den Weg gebracht, worüber die Antwort auf die Große Anfrage ausführlich Auskunft gibt. Unsere Erkenntnis, dass das berufliche Schulwesen letztendlich eine einzige große Baustelle ist, ist durch das 49-seitige Werk dieser Großen Anfrage nun auch schriftlich belegt worden. Da reiht sich Schulversuch an Schulversuch bei den Berufskollegs, Lehrpläne wie die an den zweijährigen Berufsfachschulen werden laufend untersucht und analysiert statt einer Revision unterzogen, Lernfelder werden erprobt oder weitere Modellversuche zur Lernortkooperation durchgeführt.
Dabei würde es sich doch, meine Damen und Herren, im Sinne notwendiger Flexibilität und Attraktivität beruflicher Schulen viel einfacher machen lassen, wäre die Kultusbürokratie bereit, mehr Kompetenzen im Sinne von mehr Schulautonomie an die Schulen direkt vor Ort zu geben.
Aber selbst derjenige, der die Vielfalt und leistungsbezogene Differenzierung des beruflichen Schulwesens unkritisch bewertet, wird nicht umhinkommen, zuzugeben, dass ihre Basis das eigentliche Problem darstellt. Auch wenn von dieser Basis, nämlich der Berufsschule, in der Großen Anfrage kaum die Rede ist, so bleibt doch immerhin die Tatsache bestehen, das ca. 60 % aller Schüler die Berufsschule in Teilzeitform im Rahmen der dualen Berufsausbildung besuchen.
Wenn ein Teil dieser Auszubildenden den Anforderungen moderner Berufe an die kognitiven Fähigkeiten nicht mehr gerecht wird, meine Damen und Herren, so trägt diese Landesregierung letztlich auch dafür die Verantwortung. Wer denn sonst?
Am Ende, bitte.
Die jahrelange strukturelle Unterversorgung der beruflichen Schulen ist nachweisbar an den 25 000 ausgefallenen Pflichtstunden des vergangenen Schuljahres, die umgerechnet immerhin 1 025 fehlende Lehrkräfte bedeuten.
Die Zahlen, die uns jetzt vorliegen, zeigen einen noch viel größeren Unterrichtsausfall. Zum Beispiel liegt im Zuständigkeitsbereich des Oberschulamts Stuttgart der Durchschnitt an den gewerblichen Schulen im wissenschaftlichen Unterricht bei 10,2 % und im fachpraktischen Unterricht bei 9,1 %. Deshalb müssen wir doch zumindest leicht zweifeln, dass die vorgelegten Zahlen des Ministeriums nicht geschönt wurden.
Den 60 % Teilzeitberufsschülern wird seit Jahren der Pflichtunterricht von 13 Wochenstunden vorenthalten.
Das Defizit liegt hier selbst unter Vernachlässigung aller Krankheitsausfälle, meine Damen und Herren, bei sage und schreibe 14 %.
Da reichen natürlich die vor der Wahl bereitgestellten 200 zusätzlichen Deputate für die beruflichen Schulen bei weitem nicht aus. Ich weise im Landtag bekanntlich seit Jahren darauf hin,
dass hier das Defizit immer größer wurde.
Katastrophal bleibt ebenfalls die Bilanz bei den benachteiligten und lernschwächeren Jugendlichen, die das BVJ absolvieren. Nach der amtlichen Statistik erreichen nur ca. 10 % von ihnen den Einstieg in eine duale Berufsausbildung.
Und obwohl, meine Damen und Herren, unbestritten eine kontinuierliche sozialpädagogische Betreuung des BVJ unverzichtbar wäre, kann uns diese Landesregierung nicht einmal sagen – –
Vielen Dank, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hinzufügen: Dass Ihnen das alles unangenehm ist und dass Sie das nicht hören wollen, das verstehe ich vollauf. Aber ich muss es Ihnen trotzdem weiterhin sagen.
Und obwohl also unbestritten ist, dass eine kontinuierliche sozialpädagogische Betreuung des BVJ unverzichtbar ist, kann uns diese Landesregierung nicht einmal sagen, bis wann die Schulsozialarbeit endlich flächendeckend eingeführt ist.
Zur Lehrersituation hat Frau Kuri gesprochen – nur nicht das Entscheidende! Denn schon heute ist die Lage dramatisch, weil die Nachwuchssorgen in Bezug auf das Lehramt an den beruflichen Schulen regelrecht kulminiert sind. Fakt
ist, dass die Studierendenzahlen in den berufspädagogischen Studiengängen im Wintersemester 1999/2000 an den Universitäten in Karlsruhe und Stuttgart so niedrig waren, dass man sie angesichts der steigenden Bedarfszahlen aufgrund der Pensionierungen und der zunehmenden Schülerzahlen einfach vernachlässigen muss. Denn was sind zehn Lehramtsstudenten, die sich an einer Universität haben einschreiben lassen?
Selbst bei der Einstellungsrunde im vorigen Jahr, meine Damen und Herren, hat die Landesregierung, wie immer, unsere Warnungen, die wir in diesem Bereich schon seit Jahren aussprechen, in den Wind geschlagen. Bereits seit 1998 konnten die Plätze im Vorbereitungsdienst der Studienreferendare für die Berufsschulen nicht mehr vollständig besetzt werden. Auch hätte man viel früher merken müssen, dass der Quereinstieg für Fachhochschulabsolventen nicht attraktiv genug ist. Das ist das Problem.
Aber auch das war letztlich nur eine Folge der verfehlten Personal- und Einstellungspolitik des Landes. Als es noch genügend Bewerber gab, hat man sie auch bei den Berufsschulen leider nicht eingestellt. Im vorigen Jahr gab es 740 Bewerber, und nur 450 wurden eingestellt.
Unser Ziel ist, der Chancengleichheit im Bildungswesen immer wieder zum Durchbruch zu verhelfen. Deshalb werden wir die herausragende Qualifizierungsarbeit unserer beruflichen Schulen durch einen Stufenplan absichern und so den Erfordernissen der Lehrerversorgung und Lehrerfortbildung gerecht werden.
Zum Schluss, meine Damen und Herren, noch eines zum IT-Bereich.
Wir setzen uns für eine zukunftsorientierte Sachausstattung insbesondere im Bereich der neuen Medien durch Unterstützung der Schulträger ein, statt eine Kürzung der Sachkostenbeiträge für berufliche Schulen um durchschnittlich 15 % vorzunehmen.
Zum Schluss, Herr Präsident, ein letzter Satz: Wer den Fachkräftemangel im IT-Bereich in Baden-Württemberg wegen 18 000 unbesetzten Stellen bekämpfen will, muss zuerst den Aufnahmestopp an beruflichen Gymnasien und Berufskollegs abschaffen, meine Damen und Herren. Wenn 18 000 IT-Fachleute in BadenWürttemberg fehlen, dann muss die Zahl von 1 568 Ausbildungsplatzangeboten mindestens verdoppelt werden.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, im Gegensatz zur Koalition werden wir uns weiterhin intensiv für eine Verbesserung der Situation im beruflichen Schulwesen einsetzen.
Herr Staatssekretär, würden Sie es auch als eine solide Lehrerversorgung bezeichnen, wenn, wie aus uns vorliegenden Zahlen hervorgeht, das Oberschulamt Stuttgart bei der Versorgung im fachpraktischen Unterricht im Durchschnitt 19,9 % Unterrichtsausfall meldet? Für die gewerblichen Schulen insgesamt meldet das Oberschulamt Stuttgart einen Durchschnitt von 10,2 % Defizit im wissenschaftlichen Unterricht und von 9,1 % im fachpraktischen Unterricht. Ich habe Ihnen vorhin vorgerechnet, dass strukturell 1 000 Lehrer fehlen. Wie können Sie da von einer soliden Unterrichtsversorgung sprechen? Das ist mir wirklich ein Rätsel.
Frau Ministerin, ich möchte Ihnen jetzt wirklich einmal sagen, um was es geht.
Meine Frage geht dahin – –
Hören Sie doch erst meine Frage an.
Warum waren Sie im Laufe dieser Legislaturperiode – fünf Jahre lang – nicht in der Lage, die Rückstände, die Baden-Württemberg im Grundschulbereich hat, aufzuholen?
Denn dann bräuchten wir diese Diskussion um Pflichtunterricht und Betreuung in der Form, wie wir sie heute führen, nicht mehr zu führen.
Ich sage Ihnen kurz, um was es geht, und bitte Sie, Frau Ministerin, anschließend ganz objektiv Auskunft zu geben.
Sie alle wissen, Frau Ministerin: Baden-Württemberg hat 90 Pflichtstunden über vier Schuljahre.
Ich frage Sie: Welche anderen Bundesländer haben mehr als 90 Stunden Pflichtunterricht? Zählen Sie uns die doch bitte einmal auf, und nennen Sie uns die Zahl. Denn Sie wissen, meine Damen und Herren, wenn wir auf 91 Stunden gehen,
dann kostet das 200 Lehrer.
Ihre 800 Lehrer, die Sie einsetzen,...
... wären nicht mal geeignet, um den Bundesdurchschnitt – –
Frau Ministerin – –
Ich habe sie doch gefragt.
Richtig. Ich wiederhole deshalb meine Frage:
Ich bitte die Frau Ministerin, zu erklären, a) warum sie nicht in der Lage war – –
Ich habe sie doch gefragt, sie möge sagen, welche Bundesländer mehr als 90 Pflichtstunden haben.
Das ist doch eine Frage: Welche Bundesländer haben mehr als 90 Stunden? Zweite Frage: Warum haben Sie heute nicht mehr als 90 Stunden anzubieten? Das sind doch klare Fragen.
Das sind doch klare Fragen.
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass das Konzept in Wiesloch vorsieht, dass für die Betreuung zwölfmal 139 DM und für die Ferienbetreuung pro Monat noch einmal 79 DM zu zahlen sind? Dies sind zusammen 218 DM. Warum wirken Sie darauf nicht ein? Das ist doch unsozial, oder finden Sie das nicht?
Nur eine kleine Anschlussfrage. Frau Ministerin, warum haben Sie denn der Politik „Geld statt Stellen“ den Vorzug gegeben? Sie könnten junge Lehrer einstellen, indem Sie die Millionen, von denen Sie reden, in Stellen umwandeln und damit jungen arbeitslosen ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern eine Chance geben. Warum machen Sie das nicht?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche sicherlich in Ihrer aller Namen – auch im Namen der Frau Ministerin –, wenn ich zunächst einmal feststelle: Es muss ganz unstrittig sein, dass einer qualitativ hoch stehenden Berufsausbildung für eine Industrienation wie Deutschland und insbesondere für Baden-Württemberg eine ganz entscheidende Rolle zukommt.
Neue Entwicklungen in der Technik, insbesondere im Bereich der Informationstechnik, aber auch das Lernen der Berufsschüler in Lernfeldern sowie die Erweiterung der Kompetenz in Fremdsprachen – das sind die neuen Anforderungen, die gestellt sind. Dazu muss man den beruflichen Schulen aber auch die Möglichkeit einräumen, diese Anforderungen zu bewältigen.
Es ist völlig unstrittig, dass eine qualitativ hoch stehende Berufsausbildung – insbesondere die Leistungsfähigkeit der Berufsschule – einen ganz starken Einfluss auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe hat. Nur: Man muss in der Politik diesen Rahmen auch schaffen und der Schule, auch in ihrer Eigenschaft als Partner im dualen Ausbildungswesen, eine ausreichende Unterrichtsversorgung ermöglichen.
Wenn sogar vonseiten der Industrie – ich zitiere hier die Industrie- und Handelskammer Stuttgart – bereits der Vorwurf erhoben wird, Betriebe hätten seit vielen Jahren wiederholt den verstärkten Unterrichtsausfall an den beruflichen Schulen beklagt, sie hätten mit den Schulleitungen immer wieder beraten und auf die unzureichende Unterrichtsversorgung aufmerksam gemacht, dann ist das doch auch ein Beleg für Sie, meine Damen und Herren, dass die Opposition hier nicht nur etwas aus dem hohlen Bauch zaubert.
Wir haben hier in der Tat schon oft über die Unterrichtsversorgung in den anderen Schularten beraten. Das ist nun heute nicht einfach eine Fortsetzung dieser Diskussion. Vielmehr geht es heute um die Spitze des Eisbergs, meine Damen und Herren.
Um die Unterrichtsversorgung der beruflichen Schulen in Baden-Württemberg ist es schlecht bestellt. Das sollten wir alle nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Ich will mit einer Analyse den Beweis antreten. An den beruflichen Schulen – das räumt die Stellungnahme der Landesregierung selbst ein – ist ein Unterrichtsausfall von 25 400 Wochenstunden aufgelaufen. Der erwartete Unterrichtsausfall im Pflichtbereich wurde bereits zu Beginn des
Schuljahrs in den Stundenplänen berücksichtigt. Diese Stunden können wegen mangelnder Ressourcen an Berufsschullehrern nicht erteilt werden.
Frau Ministerin, für Sie müsste es ein Alarmsignal sein, dass sich diese Entwicklung in den letzten Jahren verstärkt hat und dass wir gegenüber dem letzten Schuljahr 1 600 Wochenstunden an zusätzlichen Ausfällen bekommen haben.
Weil Sie alle sich unter der Zahl von 25 000 Wochenstunden wahrscheinlich nichts vorstellen können, haben wir das umgerechnet: Das entspricht 1 025 Deputaten – ebenfalls vom Ministerium belegt –, die an den beruflichen Schulen fehlen, um den Pflichtunterricht zu erteilen.
Deswegen komme ich nicht umhin, Frau Ministerin, Ihnen einen entscheidenden Vorwurf zu machen: Sie waren nicht seriös, als Sie uns vorgetragen haben, wie groß die Unterrichtsausfälle an den einzelnen Schularten sind. Sie haben darüber informiert, dass in den beruflichen Schulen ein Unterrichtsausfall in Höhe von 4,1 % vorliege. Sie hätten aber zu diesen 4,1 % natürlich auch die 2,9 % noch hinzuzählen müssen, bei denen mit Aushilfsmaßnahmen reagiert wurde. Auch die 6,4 %, die den 1 025 Deputaten entsprechen, muss man hinzurechnen. Wenn Sie dies tun, dann kommen Sie auf einen Unterrichtsausfall von weit über 10 %. Das wäre die Wahrheit gewesen und die Offenbarung. Das müsste man einräumen, wenn die Tatbestände so sind.
Da kann es aber doch keine Lösung sein, wenn der Ministerialdirektor Ihres Ministeriums die Meinung vertritt, dass der Pflichtstundenanteil im Teilzeitbereich bei uns zu hoch angesetzt sei. Ich habe Ihnen doch aufgezählt, welche Entwicklungen heute in der beruflichen Schule vonnöten sind. Man kann doch nicht, weil ein Mangel vorhanden ist, das Unterrichtssoll kürzen. Frau Ministerin, das kann nicht sein. Sagen Sie Herrn Mäck – auch wenn der ehemalige Bildungsminister Rüttgers hier grüßen lässt –: Das wird der Landtag von Baden-Württemberg auf keinen Fall akzeptieren.
Dass wir in unserem Land Fortschritte gemacht haben, insbesondere beim Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, ist in erster Linie auf die Aktivitäten der Bundesregierung zurückzuführen, die mit ihrem Aktionsprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit auch in Baden-Württemberg 20 000 Jugendliche erfasst und in Maßnahmen übernommen hat. Aus diesem Programm wurden im vorigen Jahr 131 Millionen DM nach Baden-Württemberg geleitet, und das Programm wird in diesem Jahr in der gleichen Größenordnung fortgesetzt werden. Das sind Ansätze, die wir brauchen. Auch im Berufsschulbereich muss so etwas passieren.
Da kann ich eben nicht nur auf die anderen Schularten schauen, sondern muss mich insbesondere denjenigen widmen, die am schlechtesten dran sind. Das gilt für den Teil
zeitbereich der beruflichen Schulen. Ist es denn normal, frage ich Sie, dass mehr als die Hälfte der Berufsschüler im Teilzeitbereich keine 12 Wochenstunden Unterricht haben, obwohl wir 13 anstreben? Ist es denn tragbar, dass 675 Klassen noch immer nicht den festgesetzten Minimumpflichtanteil von 10 Stunden Unterricht bekommen?
Was sind das für Zustände im beruflichen Bereich in diesem Lande?
Und wen trifft es? Lachen Sie nicht.
Herr Scheuermann, lachen Sie nicht.
Ich werde Ihnen die „Zukunftskommission 2000“ der Landesregierung zitieren, und da werden Sie nichts mehr zu lachen haben.
Die Zukunftskommission ist eine von der Landesregierung eingesetzte Kommission.
Ich zitiere:
Von den 43 000 Jugendlichen, die 1996 in BadenWürttemberg einen Hauptschulabschluss erreicht haben, zählen fast die Hälfte, nämlich 19 000, zu der Gruppe, für die das Bildungssystem nicht genügend angemessene Ausbildungsmöglichkeiten bereithält – die also auf Dauer ohne abgeschlossene Berufsausbildung bleiben, mit den entsprechenden Handikaps auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Leben. Diese jungen Leute laufen Gefahr, zu den Verlierern der modernen Gesellschaft zu werden.
So die Zukunftskommission. Wer wollte da noch lachen? Sehe ich hier noch jemanden? Das wäre ja unglaublich.
Bei Ihnen ist ja Hopfen und Malz verloren.
17 000 Jugendliche sind im vorigen Jahr – diese gehören zu denjenigen, von denen die Zukunftskommission spricht –
in berufsvorbereitenden Maßnahmen und im BVJ gewesen. Wofür ist das Berufsvorbereitungsjahr gedacht? Vorzubereiten auf einen Einstieg in eine Berufsausbildung im dualen System. Meine Damen und Herren, die Landesregie
rung musste uns auf einen Antrag mitteilen, dass nur 10 % derjenigen, die ein Berufsvorbereitungsjahr besuchten, Jahr für Jahr diesen Weg in die duale Ausbildung fanden. 90 % dieser 11 000 bis 12 000 Jugendlichen, die jedes Jahr das BVJ besuchen, bleiben auf der Strecke. Da muss man sich doch etwas anderes einfallen lassen! Da kann ich mich doch nicht bloß den anderen Schularten im allgemein bildenden Bereich zuwenden. Da kann ich doch nicht die Eliteförderung als Nummer 1 der Bildungspolitik herausstreichen.
Meine Damen und Herren, wir haben als Folge und als Ergebnis all dessen zusätzlich einen dramatischen Nachwuchsmangel an den beruflichen Schulen. Verbände und Gewerkschaften haben seit Jahren darauf hingewiesen. Die Verbände sagen: Das ist die Folge einer Personal- und Einstellungspolitik des Landes, die zu sehr auf die allgemein bildenden Schulen ausgerichtet war und die die besondere Situation der beruflichen Schulen nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Meine Damen und Herren, der Beweis ist gegeben. Die beruflichen Schulen haben allein im vorigen Jahr 845 Schüler mehr zu bewältigen gehabt. Trotzdem sind 30 Klassen in den beruflichen Schulen gestrichen worden. Gleichzeitig hat man am Gymnasium aber 22 G-8-Klassen aufgemacht. Da sieht man die Gewichtung, die hier vorgegeben ist.
Die Ministerin wird wohl anschließend darauf hinweisen, dass man ja in diesem Jahr 200 neue Stellen für die beruflichen Schulen bereitstellt. Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen bereits gesagt, wie es aussieht mit den 1 000 fehlenden Deputaten im Pflichtbereich. Aber noch eines in diesem Zusammenhang zum Schluss:
Die Zahl der Berufsschüler hat zwischen 1995 und 2000 um 22 000 zugenommen. In dieser Zeit hat die Landesregierung ganze 70 Stellen geschaffen, mit denen dieser Zuwachs von 22 000 Schülern bewältigt werden sollte. Wenn es so ist, dass, wie die neuesten Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen, bis zum Schuljahr 2008/2009 noch einmal 49 000 Schüler hinzukommen werden, meine Damen und Herren, dann brauchen wir nicht 200 zusätzliche Lehrerstellen in diesem Jahr, sondern ein Notprogramm, welches jährlich 200 Stellen hinzukommen lässt, um diesen Bedarf in den beruflichen Schulen zu decken.
Ich bin sehr gespannt, wie die Landesregierung hier reagieren wird, wie ein Notprogramm aussehen soll, das diesen Ansprüchen dann gerecht werden wird.
Frau Ministerin, da ich jetzt erst drankomme, muss ich noch einmal auf Ihre vorherige Äußerung zurückkommen. Ich habe einmal ausgerechnet: Wenn wir nach Ihrer Argumentation die Latte auf 12 Unterrichtsstunden legten – Sie legen ja großen Wert darauf, dass die anderen Bundesländer das auch tun –, dann kämen bei 12 Sollstunden immer noch 8,1 % Unterrichtsausfall aufgrund struktureller Defizite plus 4 % durch krankheitsbedingte Ausfälle heraus; dann wären wir bei 12 %. Dazu kämen noch 2,9 % als Vertretungsunterricht hinzu. Bei 12 Unterrichtsstunden ergibt sich ein Fehlbedarf, der zwischen 12 und 15 % liegt. Ich frage Sie: Halten Sie auch das noch für normal?
Herr Kollege Rau, ich hätte Niedersachsen ja wirklich nicht zum Punkt meiner Frage gemacht,
aber weil Sie das in den Raum gestellt haben, wollte ich Sie doch fragen, ob Sie wissen, dass der Studiengang In
formatik in Hildesheim aus strukturpolitischen Gründen an die Standorte Braunschweig, Clausthal und Oldenburg verlegt worden ist, weil eben Hildesheim insbesondere in der Lehrerausbildung und in den geisteswissenschaftlichen Fächern seine Hauptstruktur hat. Ist Ihnen das bekannt? Das, glaube ich, beantwortet alles, was Sie hier in den Raum gestellt haben.
Herr Präsident, Frau Ministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit nunmehr fast 15 Jahren sind etwa ein Drittel der Schüler eines Jahrgangs und deren Eltern zufrieden, wenn für sie die Grundschul
empfehlung zum Übergang in die Realschule abgegeben wurde. Die Eltern wissen, dass ihren Kindern dann eine Schulart offen steht, die den direkten Zugang zu einem mittleren Bildungsabschluss eröffnet und deren Zertifikat ihnen den breiten Zugang zur Bildung und zu einem lebenslangen Lernen bescheinigt.
Unter den veränderten Qualifikationsanforderungen unserer Gesellschaft, die einen ständig wachsenden Bedarf an höheren und mittleren Qualifikationen einfordert, wissen die Eltern ihre Kinder in der Realschule in guten Händen. Der Bildungsübergang zur Realschule schafft einerseits Grundlagen für eine Berufsausbildung, die auch Berufen mit erhöhten theoretischen Anforderungen gerecht wird, und verbaut andererseits nicht den Einstieg in schulische Bildungsgänge der Oberstufe.
Die hohe Akzeptanz der Realschule kommt aber auch aus der Erkenntnis der überwiegend praxisorientierten und aufstiegsorientierten Eltern, dass die fachlich fundierte Grundbildung der Realschule kontinuierlich durch Kompetenzbereiche erweitert wurde, die heute nachgefragt werden.
Unter den allgemein bildenden Schulen hat die Realschule seit 1994 mit dem neuen Fach Technik in den Klassenstufen 5 und 6 sich als erste der Stärkung des technisch-naturwissenschaftlichen Bereichs gewidmet. Positiv geprägt wird das Bildungsprofil der Realschule jedoch auch durch den Wahlpflichtbereich ab Klasse 7 mit seinen Wahlpflichtfächern „Natur und Technik“, „Mensch und Umwelt“ oder das Erlernen einer weiteren Fremdsprache. Hier findet sich der Ausgangspunkt zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen und die Chance zu einem fächerverbindenden und fächerübergreifenden Lernangebot.
Ein weiterer Akzent liegt auf dem Berufswahlunterricht als Vorbereitung eines Einstiegs in die Arbeits- und Berufswelt. Neue Wege für die Berufsorientierung sollten durch ergänzende Betriebsbesichtigungen und Schnuppertage in den Ferien oder verstärkte Betriebspraktika von Lehrern beschritten und damit die guten Ansätze der „eindeutig als zu kurz“ beurteilten BORS-Praktikumswoche ergänzt werden.
Der in den letzten zehn Jahren rückläufige Übergang von Realschülern in eine Berufsausbildung des dualen Systems ging einher mit dem rapiden Abbau von Ausbildungsplätzen in den Neunzigerjahren. Ich bin überzeugt, dass beim Vorliegen eines ausreichenden, auswahlfähigen Ausbildungsplatzangebots Realschülerinnen und Realschüler wieder ihre guten Voraussetzungen hier voll einbringen werden.
Da aber in dem kommenden Jahrzehnt die Schülerzahlen weiter steigen werden, ist es unsere Pflicht, eine bedarfsgerechte Zahl von Klassen der gymnasialen Oberstufe der beruflichen Gymnasien wie auch der Berufskollegs bereitzustellen.
Es ist nicht einzusehen, meine Damen und Herren, dass neue allgemein bildende Gymnasien gebaut und bestehen
de erweitert werden, aber zusätzliche Klassen in den beruflichen Gymnasien verweigert werden, obwohl es dort zu jedem Schuljahresbeginn zu Engpässen kommt.
Meine Damen und Herren, es muss doch möglich sein, dass das Anmeldesystem so organisiert wird, dass für die Realschüler und die beruflichen Schulen mehr Planungssicherheit eintritt.
Das gleiche Dilemma finden die Realschüler beim Berufskolleg vor. Es ist ein hervorragendes Bildungsziel, dass im Rahmen der informationstechnischen Grundbildung in den Klassen 7 bis 10 den Realschülern eine Qualifikation vermittelt wird, mit der sie einen verbesserten Zugang zu den neuen Berufsfeldern in Informatik und im Medienbereich haben. Obwohl die Zahl der IT-Berufe und Medienangebote ständig wächst, wird der Bedarf nach den einjährigen Berufskollegs für Technik und Medien nicht befriedigt. So bemüht sich beispielsweise die Gewerbliche Schule Rheinfelden um das Anschlussberufskolleg für technische Kommunikation, weil der Bedarf einer ganzen Region dafür vorhanden ist.
Die Durchlässigkeit unseres Schulsystems nicht voll zu garantieren, mit gezielter Lenkung von Ausbildungsgängen bei den Berufskollegs nur umzuschichten und die beabsichtigte Einschränkung des Angebots zur Erlangung der Fachhochschulreife nicht zurückzunehmen, Frau Ministerin, bedeutet, die Chancengleichheit von Realschülern einzuschränken und die positiven Ansätze einer weiterführenden Schulart zu konterkarieren.
Meine Damen und Herren, es genügt auch nicht, die Verteilung von Medienhardware nach dem Gießkannenprinzip vorzunehmen. Vielmehr könnte die Entwicklung nur mit attraktiver Bildungssoftware und flächendeckender Lehrerfortbildung forciert werden. Dieser Mangel ist aber immer noch ebenso offensichtlich wie die eingeschlafene Initiative der Kultusministerin nach einem Schüler-Laptop unter 1 000 DM für alle.
Ich komme zum Schluss. – Für die Realschule, meine Damen und Herren, tun sich noch viele Innovationsfelder auf. Denn wer stehen bleibt, wird unweigerlich überholt.
Neben einer notwendigen stärkeren Verzahnung von Schule und Arbeitswelt brauchen wir die Einbindung der Realschule in Schulentwicklungskonzepte, die in den Regionen vor Ort aufzustellen sind.
Mein letzter Satz: Realschülerinnen und Realschüler müssen sich darauf verlassen können, dass das, was sie am Ende ihres Schulbesuchs können und gelernt haben, nicht nur für die Schule, sondern für das Leben nützlich war.
Herr Finanzminister, ist es nicht logisch, dass sich, wenn wir beispielsweise im Verhältnis der Bundesländer den Grundschülern die wenigsten Stunden erteilen, die Relation automatisch günstiger für uns verschiebt? Warum geben wir den Grundschülern die schlechteste Unterrichtserteilung – Stunden pro Woche – im gesamten Bundesgebiet? Wenn Sie das verbessern und auf Normalniveau gehen würden, wäre doch Ihre Behauptung sofort erledigt.
Frau Ministerin, Sie hatten mich gebeten, meinen Zwischenruf in eine Zwischenfrage umzuwandeln. Das will ich hiermit gern tun.
Ich möchte Sie gern fragen, ob es dabei bleibt, dass Sie den Pflichtstundenteil der Berufsschule mit 13 Stunden bewerten und dass Sie dann auch zugeben müssen, dass der
Unterrichtsausfall bei Berufsschulen – und ich rede wohlgemerkt von den Teilzeitschulen – bei weit über 10 % liegt, nämlich derzeit bei etwa 13 %.
Als Zweites möchte ich fragen, ob Sie auch davon Kenntnis haben, dass Sie selbst seit Jahren in den Organisationserlass hineinschreiben, dass Berufsschulklassen nicht mit unter zehn Wochenstunden beschult werden sollen. Trotzdem nehmen Sie es Jahr für Jahr hin, dass wir weiterhin Hunderte von Klassen haben, die unter zehn Stunden beschult werden. Sie selbst haben dies erst vor wenigen Tagen auf einen parlamentarischen Antrag, der sich auf die Region Stuttgart und ihre Berufsschulen bezog, geantwortet.
Ich frage Sie: Wann werden Sie diesem misslichen, ja untragbaren Zustand endlich ein Ende machen?