Thomas Günther
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Guten Morgen! Nach Angaben des Betriebsrats von Bombar dier Transportation plant das Unternehmen, die Serienproduk tion von Schienenfahrzeugen am Standort Hennigsdorf einzu stellen. Damit verbunden wären der Verlust von voraussicht lich 500 Arbeitsplätzen und natürlich insgesamt die Sorge um diesen sehr traditionsreichen Produktionsstandort. Mittlerweile ist eine Woche vergangen, und das Unternehmen hat sich trotz eigener Versprechungen nicht offiziell zu dieser Situation ge äußert, dafür aber den Standortleiter, also den für Deutschland zuständigen Chef, ausgetauscht.
Deshalb frage ich vor dem Hintergrund dieser Situation: Wie schätzt die Landesregierung aktuell die Situation am Standort von Bombardier in Hennigsdorf ein?
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie jetzt noch einmal in einen Abschnitt des Einzel plans 05 mitnehmen, der mit „Kinder- und Jugendhilfe“ über schrieben ist. Das Kapitel berührt eine ganze Lebensphase, die viele von uns erlebt, einige durchlebt und manche durchlitten haben. Jeder, der sie durchlitten hat, weiß, wie schwierig diese Phase ist - wenn man nicht mehr Kind ist, erwachsen wird, selbst die Entscheidungen treffen muss und nicht mehr behütet durchs Leben geht, sondern voll verantwortlich ist.
Da ist es natürlich am wichtigsten, dass man Eltern an seiner Seite hat, die einen unterstützen, die verständnisvoll und ner venstark sind. Aber da ist es auch gut, wenn man Unterstützung von außen erhält. Deshalb bin ich froh, dass es für die Jugend lichen auf dem Weg zum Erwachsenwerden Ansprechpartner gibt. Das Land stellt nach wie vor Geld dafür zur Verfügung, damit die verantwortlichen Kreise Schulsozialarbeiter an den Schulen anstellen können. Die Zahl nimmt zu, und das ist auch gut und richtig so.
Dass Schule aber nicht der einzige Ort in der Lebenswelt Ju gendlicher ist, ist klar, auch wenn es ein wichtiger Ort ist. Wenn man neben der Schule auch noch den Jugendklub vor Ort hat oder den demokratischen Jugendverband an der Seite, ist das genauso wichtig, um den Prozess des Erwachsenwer dens zu begleiten. Die Jugendverbandsarbeit ist erst einmal ein tolles Gemeinschaftserlebnis, gerade wenn es darum geht, sich vom Elternhaus abzukoppeln, aber es lehrt eben auch Demo kratie. Wir möchten ausdrücklich, dass junge Menschen früh lernen, sich in ihrer Lebenswelt zurechtzufinden, sich in ihrer Kommune oder im Land auskennen, qualifiziert mitreden und selbstbewusst Entscheidungen treffen können. Das stärkt sie
nicht nur auf ihrem Lebensweg - da werden sie es brauchen -, sondern es macht sie auch selbstbewusst, vor allem gegen die einfachen Sprüche der Populisten. Wie wichtig das ist, haben wir hier gerade wieder erlebt.
Auch deshalb stärken wir die Jugendverbände, die Jugendbil dungsstätten und Projekte der Jugendbeteiligung und haben gegenüber dem Haushaltsentwurf der Regierung den Ansatz noch einmal erhöht. Wir fördern mit diesem Doppelhaushalt auch die deutsch-polnischen Jugendbegegnungen ausdrück lich. Die werden Stück für Stück immer beliebter, und ich fin de, sie gehören in Zukunft in jedes Programm einer Schule in Brandenburg.
Noch ein Hinweis zum Schluss: In dem Kapitel Kinder- und Jugendhilfe findet sich auch ein Titel zur Unterstützung von sogenannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Das sind Jugendliche, die ohne Eltern ihr Heimatland verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland gemacht haben, zu uns ge flohen sind - noch vor anderthalb Jahren ein kaum bekanntes Thema und heute ein Thema in fast jeder Sitzung des Bil dungsausschusses. Das ist auch richtig, gut und wichtig, denn hier gab es eine Menge Sorgen und Befürchtungen, die abge baut werden mussten.
Mittlerweile wissen wir, dass stabil 1 500 dieser Jugendlichen in den Jugendhilfeeinrichtungen der Landkreise leben, die üb rigens vom Land finanziert werden. Ich weiß, dass diese soge nannten „umAs“ auch sehr negativ in der Presse dargestellt wurden. Aber wer einmal eine solche Jugendeinrichtung be sucht und sich dort umgesehen hat, stellt fest, dass Verallge meinerungen uns hier überhaupt nicht helfen. So unterschied lich, wie die Herkunftsländer der jungen Menschen sind, so unterschiedlich sind ihre Wünsche, Sorgen, Probleme und Hoffnungen. Ich behaupte, dass mittlerweile auch die Fach kräfte der Jugendhilfe und die Landkreise so viele Erfahrungen gesammelt haben, dass es nur noch darum geht: Wie schaffen wir es, nicht nur diese jungen Menschen unterzubringen, son dern sie auch zu integrieren? Denn eins ist klar: Auch diese Ju gendlichen verdienen eine Chance, akzeptierte, gleichberech tigte und selbstbewusste Brandenburger zu werden, genauso wie die hier schon länger lebenden jungen Menschen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um freiwilliges Engagement geht, denken viele von uns wahr scheinlich zuerst an Feuerwehr und Sportvereine. In Branden burg blühen die Freiwilligendienste leider oft im Verborgenen, obwohl die Anzahl der Aktiven dort beträchtlich ist.
Gab es früher das Freiwillige Soziale Jahr typischerweise nur in Krankenhäusern oder Altenpflegeheimen, hat sich das Spek trum der Dienste doch mittlerweile enorm erweitert. Mittler weile ist das Freiwillige Ökologische Jahr eine genauso große Erfolgsgeschichte. Ein Freiwilliges Jahr kann auch im Bereich Kultur, Denkmalpflege und sogar Schule geleistet werden. Es gibt Diskussionen, dass auch im Politik- bzw. politiknahen Be reich Freiwilligendienste eingesetzt werden können.
Insgesamt leisten rund 770 Freiwillige ihren Dienst in Bran denburg. Sehr viele Jugendliche nutzen dieses Jahr, wie man immer wieder hört, erfolgreich zur eigenen Berufsfindung. Hinzu kommen geschätzt - es ist ein Bundesdienst, daher kön nen wir die Zahlen nur schätzen - 2 500 Plätze im Bundesfrei willigendienst. Auch der hat sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt.
Unterm Strich: Das freiwillige Engagement in Brandenburg lebt und erfreut sich großer Beliebtheit. Das ist gut, und auch ich kann sagen: Danke jedem, der sich dort engagiert!
Einen, wie ich finde, guten Überblick über die Lage der Frei willigendienste in Brandenburg hat die Anhörung im Oktober vergangenen Jahres im Bildungsausschuss geliefert. Fast schon erstaunlich: Es gab zu diesem Thema überwiegend gute Nach richten. Zwar haben sich die Plätze im Bereich Freiwilliges Jahr in der Kultur um 15 verringert, dafür wurde aus dem Sportbereich berichtet, dass es dort noch nie so viele Freiwilli genplätze gab. Alle haben uns gleichermaßen gesagt, dass sie ausreichend Bewerberinnen und Bewerber haben.
Es wurde gesagt, dass die Eigenleistung der Träger durch eine Erhöhung des Anteils und sinkende ESF-Gelder gefährdet war, was jedoch durch eine erhöhte Landesförderung ausgeglichen wurde. Uns wurde berichtet, dass die Freiwilligen mittlerweile nicht nur aus Brandenburg, sondern auch aus anderen Ländern und Erdteilen, zum Beispiel Südamerika, kommen, dass sie sich untereinander vernetzen und über soziale Medien kommu nizieren. Es wurde schon angesprochen: Ab September wird es eine einheitliche Richtlinie der Freiwilligendienste geben. Dann ist in Brandenburg auch ein Freiwilliges Jahr im Bereich Migration und Asyl möglich.
Was die Altersentwicklung angeht: Die Freiwilligendienste im Bereich Soziales und Ökologisches Jahr werden im Wesentlichen von Jugendlichen unter 27 Jahren genutzt. Der Bundes freiwilligendienst wird von allen Altersgruppen angenommen.
Drei Minuten sind verdammt kurz für ein so wichtiges The ma. - Der Bundesfreiwilligendienst wird also angenommen, richtet sich an alle Altersgruppen und wird in Brandenburg auch in Teilzeit geleistet.
Ich kann nur sagen: Wir wollen mit unserem Entschließungs antrag den Freiwilligendienst weiter unterstützen. Ziel ist, dass das Freiwilligenengagement weiter gedeiht und blüht - in Zu kunft hoffentlich nicht mehr nur im Verborgenen, sondern möglichst im Licht der Öffentlichkeit. - Vielen Dank.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter den vielen gegenwärtig zu uns kommenden Flüchtlingen verdient eine Gruppe ganz besondere Aufmerksamkeit: Min derjährige, die allein hier ankommen oder die Flucht in Beglei tung von Freunden, Verwandten oder Bekannten geschafft ha ben, jedenfalls von Personen, die ihnen gegenüber nicht sorge berechtigt sind.
Fanden bisher nur sehr wenige Minderjährige ohne Sorgebe rechtigte den Weg nach Brandenburg - jährlich maximal 100 -, wird zukünftig mit rund 2 000 solcher Kinder und Jugend lichen gerechnet. Das ist eine völlig neue Herausforderung für die Jugendämter, die Jugendhilfeträger, die Landkreise und für uns alle im Land. Angesichts der Anhörung im Bildungsaus schuss und angesichts des Gesetzentwurfs, des Änderungsan trages und des gemeinsamen Entschließungsantrages von vier Fraktionen und der Gruppe BVB/FREIE WÄHLER bin ich sehr froh, dass fast alle diese Herausforderung stemmen wol len.
Die Jugendämter der Landkreise haben schon Vorarbeit geleistet und seit Anfang November auch minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. Jetzt ziehen wir mit dem vorliegenden Gesetz gebungsprozess nach und geben Antwort auf die Frage: Wie können wir diese neue Herausforderung stemmen?
An dieser Stelle gebührt der herzliche Dank ausdrücklich den beteiligten Fraktionen und der Gruppe, die an einer zügigen In kraftsetzung der Gesetzesänderung mitgearbeitet haben. Wir werden damit erst einmal Rechtssicherheit haben. Zudem wer den die Jugendhilfeträger rückwirkend die Erstattung vom Land erhalten.
Nach der Anhörung haben wir gemeinsam dort nachjustiert, wo wir erstens zuständig sind - schließlich handelt es sich hier um die Ausführung eines Bundesgesetzes - und es uns zweitens als Fraktionen und Gruppe besonders dringend erschien. Die am häufigsten diskutierte Frage war die nach der medizi nischen Untersuchung. Auf der einen Seite sollte es natürlich die gleiche Qualität wie bei den erwachsenen Flüchtlingen sein, auf der anderen Seite wollte aber niemand die Jugend lichen dafür durchs Land und vielleicht noch zu mehreren Ärzten reisen lassen. Außerdem sollen die in Obhut genom menen Jugendlichen umfassend informiert und beteiligt wer den, was auch explizit im Gesetz stehen soll.
Natürlich werden wir als Bildungsausschuss an dem Thema dranbleiben. Die zugehörige Rechtsverordnung werden wir dann ebenso wie einen umfassenden Bericht über diese große Neuregelung spätestens Ende 2017 beraten.
Was den vier Fraktionen bei diesem Thema noch am Herzen lag, findet sich im Entschließungsantrag wieder. Auf ihn kann ich hier aus Zeitgründen leider nicht eingehen, möchte aber ab schließend folgenden Satz daraus zitieren, der präzise den ge meinsamen Willen formuliert:
„Diesen jungen Menschen“
- also den Flüchtlingen -
„bei uns eine Heimat zu bieten und ihnen trotz ihrer - zum Teil traumatischen - Erlebnisse ein kind- und ju gendgerechtes Aufwachsen zu ermöglichen ist erklärtes Ziel des Landtages.“
Vielen Dank.
Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nie wieder Haasenburg, darüber waren und sind wir uns einig. Auch ich erinnere mich noch an den Tag, an dem die Untersuchungskommission ihren Bericht vorstellte. Es war eine der eindrücklichsten Sitzungen, die wir im Bildungsausschuss je hatten; die Vorrednerin hat dies ausführlich geschildert.
In der Tat gab es - das haben uns die Gutachter vorgestellt - Anzeichen für klare Grenzüberschreitungen, für Demütigungen und Misshandlungen. Offenbar waren das auch keine Ausrutscher. Nein, das hatte ganz offenbar System, das gehörte zum Heimalltag, und das hatte vor allem auch die Rückendeckung des Trägers. Diese Mängel waren und sind nicht hinnehmbar.
Trotzdem war die Haasenburg eine Einrichtung, die offenbar wirtschaftlich eine Erfolgsgeschichte darstellte. Denn die immensen Tagessätze, die die Jugendämter übrigens aus ganz Deutschland zahlten, machten diese Einrichtung wohl zu einem guten Geschäft, zu einem, das - auch darauf möchte ich hinweisen - wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Denn viele Jugendämter belegten diese Plätze in der Haasenburg bis zum Schluss. Offenbar waren sie froh, überhaupt eine Einrichtung für Jugendliche, die sonst niemand mehr wollte, gefunden zu haben.
Um das hier einmal klar und deutlich zu sagen: Diese Haasenburg hatte mit der etablierten Brandenburger Landschaft der Jugendhilfeträger nichts, aber auch gar nichts gemeinsam.
Wir haben uns in Deutschland und Brandenburg entschieden, die Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die aus den unterschiedlichsten Gründen - das können sehr vielfältige
Gründe sein - nicht in ihren Familien leben können, an freie Träger der Jugendhilfe zu übertragen. Bevor sie ihre Arbeit beginnen, müssen sie eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen. Sie müssen für jede Einrichtung ein pädagogisches Konzept vorlegen, sie müssen entsprechend qualifiziertes Personal haben, und sie müssen fachlich natürlich auf dem neuesten Stand bleiben. Und für die allermeisten Träger ist dies eine Selbstverständlichkeit.
Ich schildere einmal die Situation der Träger: Die 400 Einrichtungen nannte Frau von Halem schon. Dazu kommen noch rund 1 200 kleinere Untereinrichtungen. Gegenwärtig sind rund 5 500 Plätze in Brandenburg vorhanden, 2 280 Brandenburger Kinder sind gegenwärtig in diesen nur stationären Einrichtungen. Hinzu kommen noch die vielen Pflegefamilien. Es ist eben eine große Breite mit sehr unterschiedlichen Problemlagen bei den Kindern.
Meiner Schilderung werden Sie entnehmen können, dass es ohne eine Sache nicht geht - etwas, was heute offensichtlich völlig aus der Mode ist -, nämlich Vertrauen. Ohne Vertrauen geht es schon deshalb nicht, weil hier schließlich das Wertvollste, was wir haben, nämlich unsere Kinder, Geborgenheit, Stabilität, Bindung, Verlässlichkeit finden sollen und ein möglichst familienähnliches Klima, ein Klima einer funktionierenden Familie für Kinder, die so ein Umfeld oft noch nie erlebt haben. Die allermeisten Träger, die in Brandenburg arbeiten - das muss ich auch deutlich sagen - rechtfertigen dieses Vertrauen jeden Tag. Deshalb ist die Heimaufsicht für diese Träger eben auch eine wichtige Unterstützung, eine fachliche Hilfe, eine Begleitung, und nicht in erster Linie eine Kontrollinstanz.
Der vorliegende Antrag bietet nun die Möglichkeit, mit zeitlichem Abstand das Thema der Betreuung von Jugendlichen mit intensivpädagogischem Setting - und das sind sehr wenige von diesen 2 280 Brandenburger Kindern - einmal genauer in den Blick zu nehmen: die Zukunft, die Möglichkeiten und die Perspektiven dieser Kinder. Es wird kein erfreulicher Blick sein, aber er ist notwendig. Denn wenn wir davon ausgehen, dass es trotz Prävention, trotz früher Hilfen und trotz Unterstützung Minderjährige gibt und geben wird, die eine Gefährdung - und davon sprechen wir hier - für sich und die Gesellschaft darstellen, dann lautet die Gretchenfrage: Sind diese Jugendlichen auch zukünftig ein Thema für die Jugendhilfe oder überlässt man sie im Zweifelsfall der Justiz?
Wie groß ist eigentlich die Gefahr einer neuen Haasenburg? Ich würde nicht sagen, dass das in Brandenburg jederzeit wieder passieren kann. Aber wenn es sie gibt, wie verhindern wir sie und wie bewahren wir gleichzeitig das Vertrauen in unsere vielen gut qualifizierten, hervorragend arbeitenden Jugendhilfeeinrichtungen?
All diese Fragen sind wichtig. Auch wir wollen sie gerne im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport diskutieren und stimmen deshalb einer Überweisung zu. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin von Halem, Sie haben mich interpretiert, ich sähe nicht die Gefahr eines neuen Haasenburg-Falls. Ich will klarstellen: Das eine sind in der Tat die noch laufenden Gerichtsverfahren, zu denen ich keine Prognose abgeben kann. Aber ich glaube, dass es dem ehemaligen Träger eher darum geht, Schadensersatzansprüche geltend zu machen anstatt eine neue Einrichtung zu gründen. Sollte sich ein vergleichbarer Träger finden, der Vergleichbares tut, so bleiben die Maßnahmen, die gegenüber den Kindern in den Heimen angewandt wurden, in jedem Fall illegal. Ich gehe davon aus, dass eine Heimaufsicht ein besonderes Auge auf die geschlossenen Unterbringungsplätze - das sind sehr wenige - hat, insbesondere nach den Vorfällen in der Haasenburg. Aber das ist eine Frage, die wir im Ausschuss stellen sollten. Deshalb ist es gut, wenn wir eine Anhörung oder ein Fachgespräch durchführen. Das ist ein gutes Instrument. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag ist ausführlich vorgestellt worden. Deshalb möchte ich einmal etwas anderes tun: Ich möchte mit einer Filmempfehlung beginnen.
Seit der vergangenen Woche läuft in unseren Kinos der Dokumentarfilm „Neuland“. Das ist ein Film über junge Flüchtlinge und ihren Lehrer. Dieser Lehrer versucht, den Jugendlichen innerhalb von zwei Jahren Sprache und Kultur der neuen Heimat näher zu bringen. Der Filmtitel ist programmatisch, denn es ist Neuland für die Jugendlichen in einem fremden Land das ist klar -, aber eben auch Neuland für den Lehrer. Der macht sich und den Jugendlichen keine Illusionen darüber, wie schwierig es ist, in einem fremden Land einen beruflichen Einstieg hinzubekommen. Trotzdem glaubt er an seine Schülerinnen und Schüler und deren Traum, das Erlebte hinter sich zu lassen und sich eine neue Zukunft aufzubauen.
Der Film spielt zwar in Basel, könnte aber so oder ähnlich auch in Brandenburg spielen und hier gedreht worden sein. Hier hätte er wahrscheinlich in Fürstenwalde bei ALREJU gespielt, einem Jugendhilfeträger, der sich, wie schon gesagt, auf die sogenannten alleinreisenden minderjährigen Flüchtlinge spezialisiert hat, auf junge Menschen - um sich das vor Augen zu führen - im Alter von 17, 16, 15, manchmal sogar erst 14 Jahren, die ohne ihre Eltern hierher geflohen sind oder die auf der Flucht von ihren Eltern getrennt wurden.
Da kommen zu uns Jugendliche - ohnehin wie alle Jugendlichen in diesem Alter in einer schwierigen Lebensphase - mit all den alterstypischen Wünschen, Hoffnungen, auch Flausen und Ideen im Kopf. Sie bringen aber zusätzlich ganz spezielle Probleme mit. Das sind Jugendliche, die in ihren Herkunftsländern kaum oder gar nicht die Schule besucht haben, kein Deutsch sprechen, Jugendliche, die vor Hunger und Verfolgung geflohen sind, die vielleicht als Kindersoldaten eingesetzt, die durch Kriegserlebnisse traumatisiert wurden. Das ist dann in der Tat auch für unsere Jugendhilfe Neuland, das in dieser Komplexität bisher ausschließlich ALREJU betreten hat.
Wir alle wissen, dass die Zahl der Flüchtlinge in unserem Land und damit eben auch die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge weiter steigen wird. Brandenburg hat bislang relativ wenige dieser Jugendlichen aufgenommen. Bei ALREJU sind nach meinen Informationen gegenwärtig 63 Plätze belegt, und mehr geht da auch nicht.
Entsprechend unserer Einwohnerzahl werden wir zukünftig schätzungsweise zwischen 200 und 400 minderjährige Flüchtlinge aufnehmen. Das heißt, es wird in Brandenburg noch mehr Einrichtungen nach dem Vorbild von ALREJU geben müssen.
Der Kern des Antrags lautet daher: Diese weiteren Einrichtungen sollen mindestens genauso gut sein wie die in Fürstenwalde. Dieses Anliegen teilt die Koalition ausdrücklich mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und auch ich bin sehr froh, dass es zu einem gemeinsamen Antrag gekommen ist. Das zeigt, wie wichtig und ernst uns dieses Thema ist.
Jetzt steht der Jugendminister vor der Herausforderung, die er gemeinsam mit den Landkreisen meistern muss, neue und ge
eignete Unterkünfte und Einrichtungen zu finden. Die Antragsteller sind sich auch darin einig, dass die Jugendlichen nicht in Gemeinschaftsunterkünften, sondern in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden sollen. Diese haben grundsätzlich erst einmal gute Voraussetzungen, um den Jugendlichen ein altersgerechtes Umfeld zu bieten und vor allen Dingen auch eine Perspektive zu geben.
Sicher ist hier - auch darauf wurde hingewiesen - noch eine Spezialisierung für diese ganz besonderen Problemlagen erforderlich. Doch grundsätzlich ist die Jugendhilfe gewohnt, Jugendlichen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und in schwierigen Problemlagen zu helfen, sie zu integrieren. Wie bei deutschen Jugendlichen auch, muss es hier darum gehen, Perspektiven zu schaffen, Schule und Ausbildung zu ermöglichen, sie auf die Zeit außerhalb dieser Einrichtung vorzubereiten.
Die Realität, der wir uns alle stellen müssen, ist, dass die meisten dieser jungen Erwachsenen hier bleiben werden. Weil das so ist, ist es unser aller Verpflichtung, diese Jugendlichen nicht zurückzulassen - denn sie gehören zu uns - und auch ihnen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in Brandenburg zu geben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Augustin, das, was Sie hier vorgetragen haben, war ja eine bunte Mischung. Deshalb will ich einmal auf den Antrag, den Sie hier gestellt haben, und auf dessen Text zurückkommen. Sie wollen einen ehrenamtlichen Landeskinderbeauftragten.
„Diese oder dieser nimmt die Rechte von Kindern bei Gesetzgebungsverfahren wahr. Er oder sie achtet darauf, dass die Belange von Kindern besonders berücksichtigt werden, und arbeitet eng mit Verbänden zusammen, die sich ebenfalls für die Einhaltung der Rechte von Kindern einsetzen.“
Nun weiß ich ja, dass die CDU auf Outsourcing steht; aber das, was Sie hier beschrieben haben, ist die Grundaufgabe von Ihnen, von mir und von 86 anderen Landtagsabgeordneten, und dies erstens, weil es Ihre und meine Wählerinnen und Wähler verlangen, zweitens, weil wir das alles in unserem Wahlprogramm stehen hatten, genauso wie Sie, und drittens, weil es Verfassungsauftrag ist. Nach der Landesverfassung - wieder Textarbeit - Artikel 27 ist es genau das, was Sie unter anderem zu tun haben. In Absatz 1 heißt es:
„Kinder haben als eigenständige Personen das Recht auf Achtung ihrer Würde.“
Dieser Wortlaut ist übrigens anders als im Grundgesetz. Artikel 6 GG definiert Kinder im Wesentlichen als Kinder ihrer Eltern. Unsere Landesverfassung ist da wesentlich weiter. - Absatz 2:
„Kinder genießen in besonderer Weise den Schutz von Staat und Gesellschaft.“
Absatz 7:
„Jedes Kind hat … Anspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in einer Kindertagesstätte.“
Das steht also schon in der Landesverfassung. Ich sage gleich noch etwas zu den konkreten Maßnahmen, die daraus resultieren.
In Absatz 5 heißt es:
„Kinder und Jugendliche sind vor körperlicher und seelischer Vernachlässigung und Misshandlung zu schützen.“
Der allerbeste, interessanteste Punkt, von dem ich in der Tat auch nicht wusste, dass dies in unserer Verfassung steht:
„Kindern und Jugendlichen ist durch Gesetz eine Rechtsstellung einzuräumen, die ihrer wachsenden Einsichtsfähigkeit durch die Anerkennung zunehmender Selbstständigkeit gerecht wird.“
Das ist ein Grund, warum wir zum Beispiel das Wahlalter 16 eingeführt haben: weil wir genau das anerkannt haben. Sie haben dagegen gestimmt, völlig unerklärlich.
Wenn Sie hier auf die Bundesebene abheben, dann kann ich nur sagen: Bei der Stellung von Kindern im Grundgesetz gibt es noch Nachholbedarf. Das will die CDU/CSU-Bundestags
fraktion nicht, und deshalb ist das Placebo ein Kinderbeauftragter.
Hier in Brandenburg ist die Situation anders. Kinder und Jugendliche sind eines der Hauptthemen hier an diesem Pult und in den Ausschüssen. In der Datenbank gibt es 844 Treffer zum Stichwort Kinder in der vergangenen Wahlperiode. Dann habe ich mir einmal Instrumente und Maßnahmen herausgesucht, völlig ungeordnet und wahrscheinlich auch unvollständig. Ich zähle sie einfach einmal auf: die Fachstelle Kinderschutz, das Einladungs- und Rückmeldewesen bei Frühuntersuchungen, die Netzwerke Gesunde Kinder, die Frühförderung, die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes, die Sprachförderung in den Kitas und natürlich auch die Familienhebammen. All das hat sich dann auch in den Wahlprogrammen widergespiegelt ich würde behaupten, in den Programmen aller hier vertretenen Parteien -, und natürlich, weil dies Konsequenzen haben musste, auch im Koalitionsvertrag.
Wir haben in der 2. Legislaturperiode in Folge mehr Erzieherinnen und Erzieher in unsere Kitas gebracht oder werden es tun. Wir werden die Gelder für die Netzwerke Gesunde Kinder um 2 Millionen Euro erhöhen.
Wenn Sie Beratungsbedarf haben - das steht auch in Ihrem Antrag - und dem nicht aus eigenen Ressourcen Ihrer Fraktion und des Landtages entsprochen werden kann, dann kann ich sagen: Auch dafür gibt es Institutionen, die sich damit auskennen und die fachlich ausgesprochen kompetent sind, für den Schulbereich den Landesschulbeirat und für den Kinderbereich originär den Landeskinder- und Jugendausschuss. Er hat verbriefte Rechte, und deshalb berät er bereits etwas, was wir noch gar nicht auf unserem Tisch haben, nämlich die Neufassung des Kita-Gesetzes.
Wir sind beide in diesem Ausschuss; also kann ich nur sagen: Da gibt es eine Menge zu tun. Dort sind auch alle Verbände vertreten, die hier aufgeführt sind: Jugendverbände, Jugendbildungsstätten, die Wohlfahrtsverbände und Kommunen. Also, Frau Augustin, auf Sie und mich kommt da in den nächsten fünf Jahren eine Menge Arbeit zu. Insofern kann ich nur sagen: Packen wir es an! - Vielen Dank.