Protocol of the Session on September 22, 2022

ein Jahr arbeiten könnte und ich nicht glaube, dass dies in dieser Zeit ordentlich aufgearbeitet werden könnte. Vor allem fehlt mir aber der Glaube daran, dass es hier um eine ehrliche Aufarbeitung der vergangenen Coronajahre gehen soll. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass die Enquetekommission benutzt werden soll, um die Entscheidungen der letzten Jahre nachträglich zu legitimieren oder besser gesagt, den verantwortlichen Entscheidungsträgern eine Absolution zu erteilen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Nächste Rednerin ist Abgeordnete Baum, Parlamentarische Gruppe der FDP.

(Beifall Gruppe der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident, ich begrüße Sie ganz herzlich hier in unserem Hause. Ich freue mich wirklich sehr, Sie wieder an diesem angestammten Platz zu sehen.

(Beifall CDU, AfD, Gruppe der FDP)

Also, ich hatte ja damit gerechnet, dass die Linken-Fraktion sagt, mit der Enquetekommission soll die Regierung vorgeführt werden. Womit ich nicht gerechnet hatte, ist, dass ihr versucht, mit der Enquetekommission die Regierungsarbeit der Bundesregierung zu rechtfertigen. Das ist ein ganz neuer Aufschlag, vielen Dank dafür, Herr Jankowski.

(Beifall CDU)

Grundsätzlich sind wir uns – glaube ich – einig, dass die Coronapandemie und auch der Umgang, den wir als Gesellschaft, den auch Regierende logischerweise mit dieser Pandemie gepflegt haben, das Leben der Kinder und Jugendlichen in Thüringen, in Schleswig-Holstein, in Brandenburg, in ganz Deutschland sehr schön durcheinander gebracht hat. Und jetzt möchte die CDU-Fraktion gern mit einer Enquetekommission evaluieren, was da alles falsch gelaufen ist und was man in Zukunft besser machen kann. Und da erlauben Sie mir jetzt bitte einen kleinen Zwinker – Semikolon Klammer zu –. Wenn wir in einer nächsten Pandemie in 20 Jahren immer noch die gleichen Rahmenbedingungen vorfinden wie jetzt, dann haben wir an ganz anderen Stellen, glaube ich, etwas verkehrt gemacht. Denn ich würde ganz gern die Zeit eher darauf verwenden, die Themen anzugehen, die auf dem Tisch liegen, also von denen wir wissen, dass es ein Problem ist. Es gibt einen riesengroßen Bericht vom Sachverständigenrat, es gibt einen großen Bericht

(Abg. Jankowski)

vom Coronabeirat, von diversen Forschungsinstitutionen, die das Thema angegangen sind und wir haben auch hier im Hause diskutiert. Die Anträge sind angesprochen worden, die wir im Ausschuss haben, und ich muss Ihnen widersprechen, Kollege Tischner, wir haben dazu eine Anhörung mit allen Akteuren gemacht, wir setzen uns sehr wohl im Tagtäglichen mit den Akteuren auseinander, in allen Themenbereichen. Da kann ich, glaube ich, über alle Ausschüsse hinweg sprechen. Es ist nicht so, dass wir hier im leeren Raum Themen diskutieren und nicht nachfragen, wie es draußen aussieht.

(Beifall Gruppe der FDP)

Das Ergebnis im Bereich der Anhörung, die wir gerade bei diesen Coronaanträgen auch gehört haben, war allerdings, dass es ganz viele Dinge gegeben hätte, die es einfacher gemacht hätten, damit umzugehen, wenn wir das Bildungssystem, wenn wir auch die Kindertagesstätten, wenn wir die Jugendhilfe mittlerweile einfach auf einem – sagen wir mal – zukunftsfähigen Kurs hätten. Ich möchte mal zitieren aus der Anhörung, in dem Fall von der Evangelischen Schulstiftung Mitteldeutschland, die sagte: „Nunmehr sollte die Diskussion deshalb weniger um das ‚Aufholen von Lernrückständen‘ als vielmehr um die grundsätzliche Frage der Schul- und Unterrichtsqualität in Thüringen geführt werden.“ Sie verweisen noch mal explizit darauf, dass es um Resilienz im System und um Eigenverantwortung gehen muss. Und, ich habe das auch schon im Ausschuss gesagt, als wir über die Anhörung diskutiert haben: Ganz viele von den Themen, von denen wir wissen, dass sie auch Corona für alle Beteiligten schwerer gemacht haben, liegen schon mehrere Jahre auf dem Tisch. Und so sehr ich das zu schätzen weiß, lieber Kollege Tischner, dass wir hier noch mal reinschauen und schauen wollen, was sich an den einzelnen Themenbereichen vielleicht verbessern lässt, wo wir zukünftig anders reagieren können – ich glaube, die Kinder und Jugendlichen haben keine Zeit und keine Lust, darauf zu warten, dass wir wieder die gleichen Ergebnisse haben, die wir jetzt eigentlich schon auf dem Tisch liegen haben.

(Beifall Gruppe der FDP)

Wir müssen die Sachen anpacken, anstatt darüber zu diskutieren. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir als kleine Gruppe davon jetzt nicht wahnsinnig begeistert wären, noch eine zusätzliche Kommission zu besetzen, auch wenn es dafür möglicherweise Personal gibt.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann müssen Sie mal Un- tersuchungsausschüsse machen!)

Ich beschwere mich jetzt nicht darüber. Ich würde mich gern dem Vorschlag von Kollege Möller aus der SPD anschließen, dass wir den Antrag an den Ausschuss überweisen und dort vielleicht noch mal darüber sprechen, was eigentlich das Ziel ist, das Sie damit verfolgen, das durchaus ehrbar ist, aber bei dem die Frage ist, wie wir das bestmöglich erreichen können. Das Forschungsinteresse halte ich für grundsätzlich nachvollziehbar. Ich weiß nur nicht, ob wir in diesem Haus tatsächlich diejenigen sind, die da auch unabhängig genug draufschauen, das erforschen und objektiv betrachten können, was Sie sich vorstellen. Insofern stimmen wir einer Ausschussüberweisung zu, diskutieren das dann gern im Ausschuss, wie wir mit dem Thema weiterverfahren, und arbeiten hoffentlich parallel daran, dass wir die Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche in diesem Land besser machen und resilienter im System mit Herausforderungen wie dieser Pandemie umgehen können. Vielen Dank.

(Beifall SPD, Gruppe der FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Für die CDU-Fraktion rufe ich Abgeordneten Tischner auf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin dankbar, dass alle Fraktionen anerkannt haben, dass in den vergangenen zweieinhalb Jahren vor allem die Kinder und Jugendlichen enorm unter der Coronapandemie gelitten haben.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dafür hätte es den Antrag nicht gebraucht!)

Kinder und Jugendliche, wenn man es an den getroffenen Einschränkungen und Maßnahmen festmacht, sind die Generation, die wahrscheinlich am breitesten und am längsten von uns allen an den Folgen der Pandemie leidet. Kinder und Jugendliche – und das macht sie auch, Herr Möller, zu der besonderen Zielgruppe unseres Antrags – sind die Generation, die bei fehlenden Chancen am längsten, nämlich über ihr ganzes Leben hinweg, mit den Folgen leben müssen. Um es noch mal klar zu sagen: Der Arbeitsauftrag ist eben nicht rückwärtsgewandt, wie es die Linke vermutet, sondern wir wollen einen sehr kleinen Teil, natürlich eine rückblickende Analyse, wollen uns dann aber vor allem in Teil III den Handlungsempfehlungen widmen, nämlich der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen, wie Pandemiefolgen für Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene besser erkannt und bekämpft werden, also genau das, was eigent

(Abg. Baum)

lich Frau Baum gerade hier gefordert hat. Drittens geht es uns darum, auf vergleichbare Herausforderungen – das heißt ja nicht, dass wir auf eine neue Pandemie hoffen, im Gegenteil, wir alle wollen das nicht mehr – effizienter und zielgerichteter reagieren zu können.

Die Notwendigkeit für diese Fragestellung wird schon längst gesellschaftlich intensiv diskutiert. Nur, weil wir uns im Bildungsausschuss ab und zu mal eine halbe Stunde diesem Thema widmen und dann meistens von der Landesregierung gesagt bekommen, na ja, da fehlen uns Erkenntnisse, da gibt es noch keine Untersuchungen, da wissen wir auch noch nicht und da überlegen wir uns gerade mal noch ein Coronaprogramm und jetzt nehmen wir das Coronaprogramm, das es vom Bund gibt, und bezahlen damit die Flüchtlingshelfer – also nur deswegen, glaube ich, macht es auch Sinn, sich noch mal intensiv der gesamten Sache in einer Enquetekommission zu widmen.

(Beifall CDU)

Es sind vor allem die Schüler-, die Elternvertretungen, auch in Thüringen die Verbände und Gewerkschaften, die fordern, dass wir eben nicht die Bücher zumachen, und die Rede von Herrn Wolf hat ja nun eindeutig offengelegt, was die Linke vermutet. Ich kann Ihnen sagen, liebe Kollegen der Linken, darum geht es uns gerade überhaupt nicht. Es geht nicht darum, irgendwelche – Frau Henfling nennt dann hier die großen Begriffe „politische Schlammschlachten“ usw. Wer eine Enquetekommission schon mal erlebt hat – und Frau Henfling, Sie haben es eigentlich schon mal erlebt, Sie wissen, dass man da sehr sachlich und sehr intensiv auch arbeiten kann. Vielleicht ist es sogar so, wenn die Mehrheiten in so einer Kommission nicht feststehen, dass man dann tatsächlich einer Enquetekommission gerecht wird, nämlich neutral und auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen – so, wie es auch Frau Bergner formuliert hat – zu Ergebnissen zu kommen.

(Beifall CDU, Gruppe der BfTh)

Meine Damen und Herren, erst kürzlich haben die Chefin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Frau Prof. Allmendinger, und der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, Prof. Schmidt, im „Spiegel“ erläutert, dass aufseiten der verantwortlichen Politiker offenbar kein Interesse an Erkenntnissen besteht, die den Bildungseinrichtungen helfen könnten, die Pandemiefolgen zielgerichtet zu bekämpfen. Das ist schon eine harte Feststellung, wenn zwei namhafte Professoren sagen, dass die Politik kein Interesse an Erkenntnissen über die Pandemiefolgen hat. Ich

bin auch gespannt, wie das Bildungsministerium nachher unsere Kommission hier bewerten wird.

Ich finde, wir in Thüringen sollten uns das eben gerade nicht ins Stammbuch schreiben lassen, dass wir kein Interesse haben, was die Folgen gerade für die Jüngsten in unserer Generation sind. Thüringen ist schließlich das Bundesland, was am schlechtesten durch die Pandemie gekommen ist, und wir sind es tatsächlich der jungen Generation schuldig, die ganze Sache nicht unter den Teppich zu kehren.

(Beifall CDU)

Ich darf Frau Prof. Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin zitieren, die sagt: „Schon vor Corona mussten wir feststellen, dass Kinder in Deutschland je nach Herkunft ganz unterschiedliche Chancen im Bildungssystem haben. Durch die Pandemie hat sich dieser Zusammenhang verschärft. Leider sehe ich zurzeit weder präventive noch reparierende Maßnahmen, die zielgerichtet wären – die wir aber dringend bräuchten. Wir haben nicht einmal die nötigen Daten.“ Und Prof. Schmidt vom Leibniz-Institut ergänzt: „Wir wüssten gern mehr darüber, wie die Konzepte in den Schulen tatsächlich wirken oder was der Wechsel- und Hybridunterricht mit den Schülerinnen und Schülern macht. Das Gleiche gilt für die Frage, wie gut die Coronamaßnahmen zur Eindämmung des Virus funktionieren, das Lüften etwa. Ein solches Monitoring gibt es bisher nicht, dabei wäre das wirklich kein Hexenwerk.“

Man könnte andere Maßnahmen in ihrer Wirksamkeit mit einer Enquetekommission betrachten. Beispielsweise könnte man fragen: Wie effizient sind die vielfach gepriesenen Luftfilter? Was bringen CO2-Ampeln wirklich? Was bringen Masken in Räumen mit zwei Dutzend Schülern? Sind Pool-Testungen effizienter als Schnelltests? Macht es Sinn, die Kommunikation von Schülern und Lehrern digital zu verengen? Man könnte fragen: Wie muss die Erreichbarkeit der Akteure im Bildungssystem gesichert werden? Kann die Digitalisierung – eine ganz wichtige Frage – tatsächlich Unterricht ersetzen? Gerade bei dieser Frage gibt es häufig auch Verlautbarungen von Bildungsminister Holter, der sagt, er könne sich durchaus vorstellen, dass Digitalisierung Unterricht ersetzt.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das hat er nicht gesagt. Ergänzt! Ergänzt!)

Wer sich gegen die Aufarbeitung der vergangenen Jahre sträubt, der hat etwas zu verstecken.

(Beifall CDU, Gruppe der BfTh)

Leider ist hier auch die Kultusministerkonferenz kein Vorbild. Die Berichte und Evaluationen zu die

sem Thema scheinen nicht gewollt, auch von der KMK nicht gewollt. Das ist keine Basis für das Vertrauen in das politische System, in die politischen Entscheidungen. Und dass deswegen die AfD kein Interesse an so einer Kommission hat, weil so eine Kommission tatsächlich auch wieder Vertrauen schaffen könnte, das ist mir klar, deswegen hat mich Ihre Rede auch nicht verwundert.

Nichts Genaues weiß man nicht. Das ist auch das Ergebnis des Gutachtens der Expertenkommission des Bundes von Ende Juni. Hier kommen die Experten zum Ergebnis – und ich darf noch mal zitieren –: „Die genaue Wirksamkeit von Schulschließungen auf die Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus ist trotz biologischer Plausibilität und zahlreicher Studien weiterhin offen, auch, weil im [Bildungsbereich] eine Reihe von Maßnahmen gleichzeitig eingesetzt wurden und damit der Effekt von Einzelmaßnahmen nicht evaluiert werden [konnte].“ Weiter fordert die Bundeskommission die Politik auf – ich zitiere weiter –: „Die deutlichen wissenschaftlichen Beobachtungen und Studien zu nicht-intendierten Wirkungen sind wiederum nicht von der Hand zu weisen. Da Kinder durch Schulschließungen besonders betroffen sind, sollte eine Expertenkommission die nicht-intendierten Auswirkungen dieser Maßnahme unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls genauer evaluieren.“

Auch im Bildungsausschuss hatten wir uns in den vergangenen Jahren vereinzelt immer so ein paar Minuten – mehr Zeit, das wissen die Kollegen, die die Tagesordnungen kennen, die in der Regel 20 Punkte umfassen – damit befasst. Bei diesem Thema, wenn wir uns mit der Kindeswohlgefährdung befasst haben, wurde immer wieder von der Landesregierung gesagt: Die Erkenntnislage ist unklar, wir wissen noch nicht, wir vermuten, wir hören, aber Genaues weiß man auch hier nicht.

Politik – und davon sind wir fest überzeugt – kann und darf die Augen nicht davor verschließen, dass Tausende Kinder und Jugendliche zu Hause zunehmend physische und psychische Gewalt erlebt haben. Experten gehen leider von einer Steigerung der Fälle aus. Auch die aktuelle Situation, wo in den Familien der finanzielle und ökonomische Druck massiv zunimmt, kann uns keinesfalls in dieser Frage beruhigen – im Gegenteil.

Die Präsidentin des Deutschen Jugendinstituts, Frau Prof. Walper, bilanziert: „Die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bleibt in vielerlei Hinsicht massiv beeinträchtigt.“ Zwar sei Corona wegen weiterer aktueller Krisen medial in den Hintergrund gerückt, doch der Bedarf an Unterstützung sei nach wie vor hoch. „Gerade

junge Menschen mussten aufgrund der Pandemie auf vieles verzichten, was Jugend ausmacht“, betont Frau Walper.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Nie wieder dürfen wir unvorbereitet und konsequenzlos in solch eine Krise hineingeraten. Lassen Sie uns gemeinsam alles dafür tun, dass der Coronakrise nicht eine Bildungskrise folgt. Dies sind wir uns allen und dies sind wir vor allem der jungen Generation schuldig.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Aus den Reihen der Fraktionen liegen mir jetzt keine weiteren Redewünsche vor. Möchte die Landesregierung sprechen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte nicht, sondern ich muss sprechen, werde das aber dann machen. Ich mache meine Arbeit gern, auch das, was ich machen muss.

(Beifall CDU)

Danke für dieses Gespräch, was wir gern auch weiterführen können über die Arbeit.

Ich war ein bisschen erstaunt, dass Sie sich auf Frau Allmendinger berufen haben. Ich bin nicht sicher, ob Sie sich da auf eine Gewährsperson berufen haben, die ihre Position so sehr unterstützen wird, wenn Sie sich näher anschauen, was Frau Allmendinger veröffentlicht hat. Aber das nur am Rande.