An den Ursachen der Sanktionen hat sich nichts geändert und daher werden wir, Bündnis 90/Die Grünen, den Antrag der AfD ablehnen. Und im Übrigen, Herr Aust, Wandel durch Handel mit Russland ist gescheitert.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Zuschauer und Zuhörer! Es geht um die Russlandpolitik zum heutigen Zeitpunkt. Aktuell sehen wir die Folgen einer inkonsequenten Sanktionspolitik. Wir müssen uns eingestehen, dass eine weitere Ausdehnung der Eskalationsspirale nichts bringt. Unserer Auffassung nach sollten wir Russland ein Angebot machen, das einerseits auf klarer Kante, auf der anderen Seite auf einer ausgestreckten Hand beruht. Eine gute Partnerschaft lebt auch davon, sich gegenseitig zu kritisieren, aber trotzdem in Zukunft einen gemeinsamen Weg zu finden. Der Antrag der AfD ignoriert dieses und sagt einseitig: Russland gut, Deutschland böse, Europa böse. So wird das nicht funktionieren. Wir können nicht die rechtswidrige und völkerwidrige Annexion der Krim leugnen.
Wir können nicht leugnen, dass der Fall Nawalny auf das Schärfste zu verurteilen ist. Seit seiner Rückkehr am 17. Januar sitzt er nunmehr seit 111 Tagen wieder im Gefängnis. Auch Russland muss verstehen, dass Opposition und die Gegenmeinung zur Regierung ein Menschenrecht ist. Hier müssen wir klare Kante zeigen bei diesen Themen und dürfen niemals eine Missachtung akzeptieren.
Es braucht einen Neustart in den Beziehungen zu Russland. Aktuell steht es schlecht um die deutschrussischen Beziehungen, ebenso schlecht um die Beziehungen zwischen der europäischen Gemeinschaft und Russland. Es bedarf eben einer Neuausrichtung dieser Politik. Das hatten wir schon mal in Deutschland und das war sehr erfolgreich. Ich erinnere an die Zeiten der neuen Ostpolitik unter Willy Brand und Walter Scheel und natürlich auch an die Leistungen von Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher. Sie dürfen nicht unerwähnt bleiben, denn dieser Wandel hat dazu geführt, dass die
friedliche Revolution von 1989 stattgefunden hat und letztlich die deutsche Wiedervereinigung. Ohne sie wären wir nicht ein Deutschland.
Wir können mit Recht stolz sein auf diese historische Leistung. Verständigungspolitik war immer eine gute Sache und ist ein gutes Stichwort. Wir sollten endlich wieder in einen sinnvollen, nicht abbrechbaren Dialog mit Russland eintreten. Niemand hat etwas davon, wenn wir uns gegenseitig weiter Vorwürfe machen. Russland ist und bleibt ein elementarer Bestand der europäischen Friedensordnung. Ziel muss es jedoch sein, dass sich das russische Handeln wieder am internationalen Recht ausrichtet und Russland der Partnerschaft mit Europa auch wieder die notwendige Anerkennung schenkt. Voraussetzung hierfür ist ein pragmatischer außenpolitischer Ansatz, der auch der Bedeutung Russlands Rechnung trägt. Wir wollen auf die auf Symbolpolitik zielende Russlandpolitik verzichten und zurückkehren zum Dialog, der die Frage ermöglicht, wie man gemeinsam die internationalen Konflikte beilegt. Deshalb muss sich Russland einerseits an die internationalen Standards halten, andererseits braucht es wieder Einladungen in die internationalen Gesprächsrunden. Es muss die G7 gemeinsam mit Russland wieder tagen. Es muss einen Einbezug der russischen Meinungen in die Lösungen der territorialen Bestandteile in Europa, in der Welt geben. Wir sehen die Konflikte, die weltweit und in Europa tatsächlich immer noch aktuell sind. Deshalb muss in den internationalen Organisationen Russland ein Gesprächspartner sein. Das sieht nicht die Akzeptanz ihres rechtwidrigen Handelns vor, sondern einen höheren Miteinanderaustausch. Wer miteinander spricht, wird sich weniger hintergehen, erst recht andere Dinge. Deshalb muss sich Russlandpolitik in Zukunft in unseren Augen an vier Grundprinzipien ausrichten:
Erstens: Russlandsanktionen müssen sich an Angemessenheit und Wirkung orientieren. Viele der Sanktionen entfalten keine Wirkung und ich halte es auch für falsch, dass wir Handeln durch Sanktionen zu beeinflussen versuchen. Der Beweis ist noch nie angetreten worden, noch nie gefasst worden, dass das Wirkung entfaltet. Deshalb angemessene Schritte gehen.
Zweitens: Russland muss mit seiner internationalen Bedeutung, auch seiner historischen Bedeutung in den internationalen Dialog eingebunden werden.
Drittens: Die Verteidigungsfähigkeit des Nato-Bündnisses und die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr müssen sichergestellt werden.
Viertens – und ein wichtiger Punkt –: Russland muss langfristig eine europäische Perspektive gegeben werden.
Gerade das Angebot eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und Russland, einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok, wäre eine Win-win-Situation für beide Seiten, natürlich unter Einschluss der Ukraine und aller anderen europäischen Partner. Wir haben schon einmal bewiesen, dass eben das Prinzip „Wandel durch Handel“/ „Wandel durch Annäherung“ die Grundlage einer erfolgreichen und an den Realitäten ausgerichteten Außenpolitik ist, und das an die Adresse meines Grünen-Vorredners. Und gerade hier sollten wir das Wirken von Hans-Dietrich Genscher als Vorbild nehmen, er hat uns sehr erfolgreich in diese letztere vor etwa mehr als 30 Jahren begonnene Zukunft geführt und das sollte uns Mahnung, Vorbild und Motivation sein. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, erlauben Sie mir eine Vorbemerkung: Die Hetzrede des Grünen-Abgeordneten hat gerade eben gezeigt, dass diese Grüne-Partei eine Gefahr für den Frieden in Europa ist.
Es war wirklich ein weiter Weg von der Friedensbewegung zur atlantischen Kriegspartei, die Sie heute sind.
Herr Aust, ich würde Sie ein bisschen um Mäßigung bitten. Sie wissen, Zwischenrufe sind erlaubt, ansonsten hat jetzt Herr Aust überwiegend das Wort.
Dann kommen wir mal zum eigentlichen Redetext, meine Damen und Herren. Am 23. März 2017 fasste der Thüringer Landtag den Beschluss, die gegenseitigen Sanktionen der Europäischen Union und der Russischen Föderation zu überwinden. Das war vor über vier Jahren. Mittlerweile haben die EU-Staats- und Regierungschefs die sektoralen Sanktionen bis Mitte 2021 verlängert. Noch immer pocht die Europäische Union auf die völlig unrealistische Umsetzung des Minsker Abkommens. Dieses Abkommen wurde und wird bis heute von beiden Seiten des Konflikts regelmäßig verletzt und kann daher kaum als Grund für Sanktionen gegenüber Russland herhalten.
Die Sanktionen haben nichts dazu beigetragen, die Konflikte herunterzubringen. Aber die Sanktionen haben den Wohlstand der russischen Zivilbevölkerung gesenkt, deutsche Unternehmen aus dem russischen Markt herausgedrängt und die deutsch-russischen Beziehungen belastet.
Die Russlandsanktionen richten mehr Schaden an und bewirken nichts Positives. Diese Sanktionen müssen weg!
Die außenpolitischen Konflikte werden wieder einmal auf Kosten der Unternehmer und Beschäftigten ausgetragen. Die Beschränkungen zerstören die über lange Zeit gewachsenen Handelsbeziehungen in der Industrie und Landwirtschaft. Ich erwähnte bereits: Nach einer Analyse des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft vom September letzten Jahres ging der Handel mit Russland zwischen 2013 und 2019 in den östlichen Bundesländern prozentual deutlich stärker zurück als im Westen. Das Außenhandelsvolumen von Thüringen mit Russland betrug einst über 400 Millionen Euro. Seit den Sanktionen sank es bis 2019 um mehr als ein Drittel. Das sind herbe Verluste für die Thüringer Wirtschaft. Auch hier zeigen sich die schädlichen Wirkungen der Sanktionen, die wir überwinden wollen.
Wenn es um Russland geht, empören Sie sich sehr gern. Würden Sie den gleichen moralischen Kompass und Maßstab jedoch auch an andere Staaten anwenden, so müssten Sie nahezu die halbe Welt mit Sanktionen überziehen. Das machen Sie aus blankem Opportunismus nicht.
Ich möchte hier noch einmal darauf eingehen, was Herr Bühl vorhin gesagt hat, dass durch die Sanktionen Verhaltensänderungen erwirkt werden sollen. Ich möchte hier Herrn Dr. Hartwig aus unserer Bundestagsfraktion zitieren...
Herr Aust, ich wiederhole mich ungern, aber Zwischenrufe sind erlaubt. Ich glaube, Sie sind hörbar. Von daher sehe ich keine Notwendigkeit, hier irgendjemanden zu disziplinieren.