Protocol of the Session on April 25, 2024

Denn was wir brauchen, ist nicht weniger Sozialstaat, sondern eine gerechte Lastenverteilung – mehrfach in Debatten schon erwähnt – durch eine gerechte Steuerreform in diesem Land, durch eine solidarische Bürgerversicherung und durch eine Politik, die auch bereit ist, durch Kreditaufnahmen in der Gegenwart den Generationen in der Zukunft eine Infrastruktur zu hinterlassen, die ihren Namen auch verdient und kein Klotz am Bein ist. Ich will an der Stelle aber nicht noch mal die Debatte zur Schuldenregel in der Verfassung von gestern wiederholen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sondern ich will stattdessen noch mal auf zwei Aspekte aus dem Monitor Bezug nehmen, wenn es um die Frage der Transformationsprozesse geht, einerseits der Digitalisierung und andererseits des klimagerechten Umbaus bei der Wirtschaft. Das sind zwei Transformationsprozesse, in denen wir uns schon lange befinden und die auch mehr sind als die Stichworte, die dann immer genannt werden – Megatrend. An der Stelle will ich noch mal die Gelegenheit nutzen, auch noch mal mit einer Mär des Kollegen Voigt aufzuräumen, weil ich mir schon vorstellen konnte, dass auf die Bitkom-Studie Bezug genommen wird. Da kann man sich nämlich mal beides angucken. Sowohl die Bitkom-Studie nennt Gelingens-Bedingungen für die digitalen Vorreiter als auch der Thüringen-Monitor und da wird nämlich bspw. darauf hingewiesen, dazu braucht es eine hohe Bevölkerungsdichte und ein geringes Durchschnittsalter. Jetzt können wir uns in Thüringen mal umgucken und uns den Thüringen-Monitor genauso zu Gemüte führen, wo ja auch auf den hohen Bevölkerungsaltersdurchschnitt im Vergleich zu den anderen Bundesländern hingewiesen wird. Dann frage ich mich auch ganz ehrlich, warum die E-Lade-Infrastruktur ein entscheidendes Kriterium zur Erfassung des Stands bei der Digitalisierung ist.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern – vielleicht Studien erst mal genauer angucken, bevor sie herangezogen werden, um auch da wieder zu sagen: Thüringen läuft mit der roten Laterne durchs Land. Das Gleiche gilt dann auch beim Thema „Onlinezugangsgesetz“. Da hätte nämlich der Blick in die Thüringer Allgemeine von vor zwei Tagen gereicht. Es stand – glaube ich – sogar auf der Titelseite, man hätte also noch nicht mal aufschlagen müssen, da wurde noch mal gesagt: Thüringen liegt mit 250 Dienstleistungen auf Platz 4 bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes.

(Beifall DIE LINKE)

Besser sind nur Hessen, Bayern und Hamburg, also auch hier ist die Realität mal wieder komplexer als ein Tweet. Dann sei es an der Stelle auch noch mal erwähnt, einfach das noch mal in Zahlen gegossen: Thüringen stellt 241 Millionen Euro zur Verfügung für die Verwaltungsdigitalisierung in Thüringen. Auch da sei noch mal genannt, weil ja so getan wird, als wäre jetzt Digitalisierung irgendwas, was wir von oben verordnen und dann funktioniert das schon: Das muss natürlich auch in den Kommunen mit Leben gefüllt werden. Da erinnere ich mich dann auch an den Jahresempfang des Oberbürgermeisters der Stadt Ilmenau letzte Woche, der nämlich gesagt hat, dort wurde dieser Prozess auch angegangen. Mittlerweile ist man quasi durch mit der Umstellung des digitalen Aktendurchlaufs. Das ist diese Kultur, die dann vor Ort auch gelebt werden muss. Es hilft dann nicht, wenn wir uns hier hinstellen und sagen, in den Kommunen

funktioniert es mit der Digitalisierung nicht, wenn aber aus verschiedenen – vielleicht auch aus Gründen der Überforderung – eine Kommune sagt, sie schafft es nicht und dann die Schuld an das Land abgeschoben wird. So einfach kann man es sich an der Stelle nicht machen.

(Beifall DIE LINKE)

Da will ich noch mal ein paar andere Sachen erwähnen, insbesondere mit Blick auf den Altersdurchschnitt der Thüringer Bevölkerung: Da lohnt es dann eben auch, noch mal genauer hinzugucken, was das Land denn macht, anstatt zu tun, als würde dieses Land nichts tun. Ich will nur ein paar Beispiele nennen. Es ist gut, dass das Land beispielsweise auch dem DigitalPakt Alter beigetreten ist, aus dem bundesweit Maßnahmen finanziert werden, um Erfahrungsorte für ältere Menschen im Umgang mit der Digitalisierung zu finden. Da gibt es Projekte in Bleicherode, Dingelstädt, Jena oder Nordhausen. Zudem ist natürlich auch die Frage im Kontext „Gesundheit“ der Aufbau der Gesundheitskioske als Orte, an denen Menschen zu gesundheitlichen und sozialen Belangen beraten werden können – auch im Zusammenhang mit Telemedizin ein wichtiger Aspekt. Es ist auch wichtig, dass mit der Unterstützung des Landes beispielsweise Projekte wie „Aktiv mit Medien“ gefördert werden, um hier den Menschen den Zugang zu neuen Medien zu erleichtern und ältere Menschen auch teilhaben zu lassen, um die digitale Spaltung im Alter entsprechend zu bekämpfen.

Überlegenswert ist natürlich: Wir haben viele Digitalisierungsstrategien entweder in den einzelnen Häusern oder aber auch in verschiedensten Bereichen dieser Gesellschaft. Es mag richtig sein, künftig zu gucken, wie hier noch stärkere Synergieeffekte hergestellt werden können und auch eine intensivere Debatte darüber zu führen. Da kommen wir dann wieder zum Thema „Arbeitswelt“, welche Auswirkung am Ende auch Künstliche Intelligenz auf die Veränderung der Arbeitswelt hat. Da gibt es nämlich nicht nur eine Richtung – darauf weisen verschiedene Publikationen auch hin, dass einerseits eine mit KI verbundene Automatisierung beispielsweise dazu führen kann, dass natürlich Beschäftigte mehr Eigenverantwortung erhalten, weil ihnen bestimmte Prozesse abgenommen werden. Auf der anderen Seite kann es aber auch dazu führen, dass Beschäftigte irgendwie nur noch als ein Backup im Hintergrund funktionieren und damit quasi ein Stück eine Dequalifizierung einhergeht. Diese Widersprüche gilt es zu diskutieren und da dann auch den Blick zu lenken, wie wir das mit den Beschäftigten auch machen im Rahmen betrieblicher Mitbestimmung und auch den Räumen, die dafür zu schaffen sind.

Auch beim Thema „Bildung“ war die verkürzte Debatte über die Nutzung von Chat GPT ja nur die Spitze des Eisbergs. Das Land geht hier einen neuen Weg mit dem Fach „Medienbildung“, was dann auch entsprechend in den Schulen seinen Platz findet. Dann will ich auch noch mal sagen, da müssen wir uns nicht unter den Scheffel stellen. Ich zitiere einmal hier Sven Kommer, Professor für Didaktik und digitale

Bildung an der Universität Aachen und Sprecher der Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“. Er appellierte daran, dass die Kinder und Jugendlichen in diesem Land auf das vorbereitet sein müssen, was kommt. Das wird nämlich nicht mehr verschwinden. Kommer wünschte sich Medienbildung als eigenes Schulfach in allen Bundesländern und meinte, da sehe es bisher schlecht aus. Thüringen könne hier entsprechend eine Vorreiterrolle wahrnehmen. Also auch hier dann vielleicht auch noch mal der Blick auf das, was wir geschafft haben und wo andere Länder durchaus auch von uns lernen können.

(Beifall DIE LINKE)

Dann will ich noch mal einen Aspekt bei dem Thema „Transformationsprozess“ nennen. Ich glaube, da müssen wir noch mal ein bisschen nachschärfen. Vielleicht geht es hier darum, noch mal zu diskutieren, wo auch die Autorinnen und Autoren der Studie auch von uns Gedanken noch mal mit aufnehmen können. Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass eine große Mehrheit der Befragten, 87 Prozent, wünscht, dass Unternehmen ihre Beschäftigten bei der Umstellung auf einen klimafreundlichen Lebensstil auch unterstützen. Andererseits stimmen aber zwei Drittel der Befragten zu, dass Unternehmen nicht weiter durch Klimaschutzmaßnahmen belastet werden sollen. Doch da stelle ich mal die Frage: Was bedeutet denn eigentlich „Belastung durch Klimaschutzmaßnahmen“? Ist es eben nicht auch eine Belastung für Unternehmen, wenn sie mit der Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion einfach allein gelassen werden? Ist es am Ende nicht auch eine Belastung für die Gesellschaft, wenn wir die Thüringer Wirtschaft nicht klimaneutral umbauen und dann eben alle Menschen mit den Folgen der Klimakrise alleinlassen? Ich glaube, diese Fragen sollte man sich noch mal genauer angucken, auch vor dem Hintergrund dessen, dass wir Transformationsprozesse in Thüringen sehr konkret diskutieren. Mit einer hohen Zahl an Industriearbeitsplätzen von 81 je 1.000 Einwohnerinnen wäre es natürlich spannend, hier noch mal vertiefend in die Diskussion zu gehen, weil aus unserer Sicht Instrumente notwendig sind, ich erinnere an die Debatte zur Transformationsagentur oder beispielsweise auch Technologieberatungsstelle. Uns als Linken ist beispielsweise auch noch mal wichtig, die Idee zu diskutieren, zu fragen, wie wir über die Möglichkeiten einer Industriebeteiligungsstrategie hier im Land mit anderen oder ergänzenden Vorderinstrumenten im Transformationsprozess Unternehmen unterstützen können. Das hat nichts damit zu tun, wenn dann die FDP schon wieder Schnappatmung bekommt und irgendwie vom VEB redet. Nein, da gibt es eine konkrete Unterstützung für die Unternehmen und Beschäftigten, um Zukunftstechnologien hier in Thüringen am Standort weiterzuentwickeln, zu halten und damit auch Arbeitsplätze zu sichern.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann will ich den Rest in meiner Redezeit noch auf den zweiten Schwerpunkt lenken. Da geht es nämlich um die Frage der Mitbestimmung. Ein Teilaspekt ist die Frage der Rolle der betrieblichen Mitbestimmung. Da gibt es aus meiner Sicht gleich zwei wichtige Effekte, die der Thüringen-Monitor aufzeigt. Studien der Leuphana Universität zeigten beispielsweise, dass sich betriebliche Mitbestimmung positiv auf die Akzeptanz des politischen Systems auswirkt. Positive Erfahrungen mit demokratischen Praktiken am Arbeitsplatz beeinflussen also dementsprechend die Wahrnehmung auf das politische System. Auch der Thüringen-Monitor verweist darauf und stellt fest: Schließlich mindert die betriebliche Mitbestimmung am Arbeitsplatz auch nach Berücksichtigung aller Erklärungsfaktoren die Ausbildung rechtspopulistischer Einstellung unter den berufstätigen Thüringerinnen. Deswegen ist es wichtig, nicht nur auf die Wirksamkeit von politischer Mitbestimmung im Betrieb zu schauen, sondern auch die politische Mitbestimmung der Beschäftigten im Betrieb tatsächlich zu stärken und die Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle dann auch ganz klar zu unterstützen. Da wird dann auch im Kleinen deutlich, worüber wir reden, wenn es um die betriebliche

Mitbestimmung geht. Das lässt sich auch auf das Große übertragen. Wenn es darum, geht, was auch der Monitor konstatiert, ein Gefühl der politischen Ohnmacht zu überwinden, indem durch mehr Beteiligung auch eine eigene politische Wirksamkeit erfahren wird, dann steigt auch die Zufriedenheit mit der funktionierenden Demokratie. Wenn allerdings der Eindruck entsteht oder erweckt wird, dass sich politische Akteurinnen und Akteure nur noch gegenseitig politisch blockieren und Bürgerinnen und Bürger nur noch ohne Einflussmöglichkeit am Spielfeldrand stehen, dann kann das zum Problem in das Vertrauen für die Institutionen werden. Genau deshalb haben wir in den letzten zehn Jahren schon einiges auf den Weg gebracht.

Ich will an das Petitionsgesetz erinnern, das sich mittlerweile auch Delegationen von außerhalb Thüringens anschauen, will aber auch auf das Bürgerinnenbeteiligungsgesetz auf der kommunalen Ebene verweisen, das uns Mehr Demokratie als eines der besten, die die Bundesrepublik zu sehen bekommt, bescheinigte.

(Beifall DIE LINKE)

Aber das reicht noch nicht ganz aus und ohne der Debatte morgen Vormittag oder morgen zur Verfassung vorgreifen zu wollen – die Einigung zur Änderung der Thüringer Verfassung ist wichtig, aber sie darf nicht dazu führen, dass wir dann am Ende sagen: Es braucht keine weiteren Veränderungen mehr, wir müssen die Diskussion nicht führen, denn aus unserer Sicht braucht es auch in der kommenden Legislatur zwingend die Diskussion darüber, wie direkte Mitwirkungsmöglichkeiten im Land gestärkt werden können. Das betrifft unter anderem die Vorschläge zur Absenkung der Unterschriften oder des Unterschriftenforums beim Bürgerinnenantrag von 50.000 auf 5.000 Unterschriften oder die Streichung des Finanzvorbehalts. Der Ausbau von Bürger- und Bürgerinnenrechten in dieser Zeit, wenn das Vertrauen in die funktionierenden demokratischen Institutionen schwächelt, darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Deswegen ist die Einigung morgen und die Entscheidung darüber wichtig, aber die Diskussion über die weiteren Stellschrauben in der nächsten Legislatur zwingend.

(Beifall DIE LINKE)

Wie wichtig das ist, das zeigen auch die Zahlen, die uns insbesondere mit Blick auf den Thüringen-Monitor ganz besonders umtreiben. Die Autorinnen und Autoren verweisen darauf, dass insbesondere der Rückgang gerade der extrem rechten Einstellungen vor allem auf die Jahre der Coronpandemie zurückzuführen und als Kurzzeitphänomen zu betrachten sei. Ich will es nur einmal noch kurz benennen: Wir haben erhebliche Probleme, wenn 13 Prozent der Thüringerinnen meinen, dass der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten hatte, jeder fünfte Mensch meint, dass es wertvolles und unwertes Leben gebe, oder auch noch mal festzuhalten ist, dass sechs von zehn Menschen im Freistaat oder Befragten meinen, dass die Bundesrepublik in gefährlichem Ausmaße durch Ausländerinnen überfremdet sei und jeder Zweite der Auffassung zumindest zustimmt, die Menschen kämen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen. Diese Zahlen sind nicht abstrakt, die werden zu einer ganz konkreten Gefahr einerseits für das politische System, aber auch für Menschen. Wenn wir uns einmal anschauen, welche Gefahr von diesen Einstellungen extrem rechter Ideologien dann ausgehen, dann zeigen das die Zahlen von ezra, die für das letzte Jahr 147 Fälle von rechten/rassistischen/antisemitischen Übergriffen auf 200 direkt betroffene Menschen auflisten. Auch die Zahlen des Landeskriminalamts weisen darauf hin, beispielsweise mit 1.835 Straftaten ist ganz klar: Von rechts, das ist die größte Gefährdung unserer Demokratie und unserer Kultur und für die Sicherheit in diesem Land. Das bestätigen übrigens auch die Wahlergebnisse. Überall dort, wo es hohe Zustimmungswerte gibt, werden extrem rechte Einstellungen normalisiert. Und dort, wo die AfD hohe Zustimmungswerte hat, geschah dann auch die höchste Zunahme an rechter und rassistischer Gewalt. Das zeigt, wo das Problem auch liegt und welche Schlussfolgerungen wir dann auch konkret daraus ziehen müssen. Eine sollte ganz

klar sein ohne Wenn und Aber: Die Feinde der Demokratie, wie sie hier im Parlament sitzen, sind kein politischer Partner.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann will ich aber durchaus auch auf eine weitere Schlussfolgerung abstellen, wenn ich daran denke, was jetzt unsere gemeinsame politische Verantwortung ist: Denn der Thüringen-Monitor verweist beispielsweise auch darauf, dass bestimmte Einstellungsmuster einer politischen Konjunktur der öffentlichen Debatte dann auch unterliegen. Deswegen ist es auch so wichtig, sich verantwortungsvoll mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Rolle wir als demokratische Parteien und Fraktionen in diesem Landtag haben, damit sich

eben nicht Ängste in den Köpfen von Menschen manifestieren und der Eindruck entsteht oder Eindrücke entstehen, die sich dann entsprechend sowohl in den Einstellungen als auch in der Frage der konkreten Auswirkungen in Taten auch widerspiegelt.

Dieser Verantwortung werden wir aber nicht gerecht, wenn auf den Straßen dieses Landes plakatiert wird, dass man aufgrund der Politik der Landesregierung nachts nicht mehr alleine aus dem Haus gehen könne. Mit so einer Stimmung, mit so einer Kampagne, die da gemacht wird, bereitet man denen das Feld, die die Demokratie am laufenden Band attackieren und Grundrechts- und Freiheitsrechte einschränken wollen. Deswegen brauchen wir eine Abrüstung in der Debatte in der Frage, wie wir über die gesellschaftlichen Herausforderungen diskutieren. Sachlichkeit und Redlichkeit würde uns gemeinsam an vielen Stellen dann eben auch zugutekommen.

Deswegen will ich zum Abschluss auf ein paar Sachen hinweisen, wo ich mir vielleicht einen gemeinsamen politischen Konsens – auch in der Auseinandersetzung mit anstehenden Wahlkämpfen – wünschen würde. Statt nach unten zu treten, sollte es doch Konsens sein, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter aufgehen darf, ja, eigentlich kleiner werden muss. Wenn das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen seit 2020 inflationsbereinigt um drei Viertel gewachsen ist von etwa 89 auf 155 Milliarden US-Dollar, während jedes fünfte Kind mittlerweile von Armut betroffen ist und die Armutsquote unter Alleinerziehenden bei 43,2 Prozent liegt, sollte es doch gemeinsamer Konsens sein, dass hier etwas schiefläuft und dass

wir an die entscheidenden Stellschrauben ranmüssen, um hier eine soziale und gerechte Lastenverteilung in diesem Land tatsächlich hinzubekommen und eben nicht durch ein Sprech vom Land der Fleißigen und virulenten Bürgergeld-Debatten dann entsprechend die zu diffamieren, die beispielsweise aufstocken müssen, was in erheblicher Anzahl eben immer noch Alleinerziehende sind, die im Niedriglohnsektor arbeiten müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Statt über Bleibeperspektiven – ob sicher oder nicht gut – zu diskutieren, über vermeintlich sichere Her

kunftsländer zu reden den ganzen Tag, könnte es doch Konsens sein, dass die Aufnahme von Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, aber auch vor Armut und wirtschaftlicher Not erst mal ein humanitäres und ethisches Gebot ist und dass wir denen unabhängig von der Art und Weise, wie sie zu uns gekommen sind, die Möglichkeit geben sollten, hier Fuß zu fassen, dass sie eine Arbeit aufnehmen können und ihr Leben selbst gestalten können.

Statt erhitzte Debatten über geschlechtergerechte Sprache könnte es vielleicht auch etwa Konsens sein, dass Diskriminierung bekämpft und Menschen frei und selbstbestimmt leben können, egal welchen Geschlechts oder welche Identität sie haben. Das ist ein Punkt von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wertschätzung, der im Mittelpunkt stehen könnte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und statt die immer gleichen Debatten über Windkraft im Wald oder das Verbrennermotor-Aus zu führen oder vermeintliche Heizungsdiktate, könnte man auch einfach anerkennen, dass es eine reale Bedrohung gibt, die wir im Hier und Jetzt für zukünftige Generationen auch lösen müssen, und dass es dabei eine gemeinsame Kraftanstrengung, das ökologisch wie auch ökonomisch nachhaltig zu machen, damit am Ende die Lasten der Transformation gerecht verteilt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir uns auf diese Konsense einigen könnten, ich glaube, dann wären wir auch viel öfter in der Lage, über Grenzen oder vermeintlich unüberwindbare Grenzen hinweg die Sorgen der Thüringerinnen und Thüringer nicht nur wahrzunehmen, sondern sie auch politisch zu bearbeiten. Das, was der Thüringen‑Monitor uns dazu auf den Tisch gelegt hat, diskutieren wir heute und es liegt nun an uns allen als demokratische Fraktionen und Parteien, insbesondere dann aber auch an einigen ganz besonders, zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen wollen: den Weg der Empörung, um damit den Resonanzraum nach rechts zu öffnen, oder den Weg, um gemeinsam in der Sache um die besten Lösungen zu streiten, auch über einen Schatten zu springen. Da kann man ja einen kleinen Hoffnungsschimmer entdecken – es wurde ja schon erwähnt –, denke ich an die gestrige Entscheidung gemeinsam zum Schulgesetz, denke ich an die Einigung zur Verfassung oder beispielsweise auch beim Windenergiebeteiligungsgesetz. Das zeigt, dass es möglich ist und es gab ja – zumindest im Vorfeld dieser Debatte – auch ein Stück weit die Hoffnung, dass die Debatte zum Thüringen-Monitor und der Verantwortung, die daraus erwächst, etwas doch differenzierter geführt wird. Aber am Ende musste ich auch so ein Stück weit zur Kenntnis nehmen – vielleicht ist es aber auch nur eine Momentaufnahme –, dass nicht nur die Pressemitteilung der CDU-Fraktion nicht die Tiefenbohrung zum Thüringen-Monitor war, sondern auch die Aussprache des Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion halt alles andere war als diese Tiefenbohrung.

Abschließend will ich nur noch mal darauf hinweisen: Wenn davon gesprochen wird, die Landesregierung sei nicht am Puls der Zeit und würde sich nur noch um Nebensächlichkeiten kümmern, dann frage ich: Sind es

Nebensächlichkeiten, wenn die rot-rot-grüne Landesregierung einen Schutzschirm mit einem Bürgschaftsprogramm spannt für die Krankenhäuser in Thüringen, um sie bei der aktuellen Reform zu unterstützen?

(Beifall DIE LINKE)

Ist es eine Nebensächlichkeit, wenn durch das Land über 400 Millionen Euro bis 2031 in die Krankenhausinfrastruktur investiert werden, um bestmögliche Versorgungsstrukturen zu schaffen? Ist es eine Nebensächlichkeit, wenn sich das Land Thüringen in der Agrarministerinnenkonferenz für den Bürokratieabbau zur Entlastung der Landwirtinnen einsetzt? Ist es eine Nebensächlichkeit, wenn die Landesregierung mit den

Hochschulen neue Wege geht, um die Lehrkräfteausbildung angesichts der notwendigen Fachkräfte zu stärken? Oder ist es eine Nebensächlichkeit, wenn die Landesregierung gerade jetzt in diesen Zeiten – das war diese Woche auch bei „MDR AKTUELL“ zu hören – auch eben dafür Sorge trägt, dass kostenlose Energieberatung zur Verfügung steht, wenn Menschen mit erhöhten Abschlagszahlen konfrontiert werden? Ich glaube, nein.

Das sind einige Beispiele dafür, dass diese Landesregierung am Puls der Zeit ist, die Probleme anpackt und sich eben nicht um Nebensächlichkeiten kümmert, anders, als wenn wir hier aber auf Antrag anderer Fraktionen über geschlechtergerechte Sprache sprechen. Dann trägt es eben auch nicht zur Demokratiezufriedenheit bei, wenn Thüringerinnen landauf landab erzählt wird, es wäre nicht so und wir würden uns hier

im Parlament nur mit Sachen beschäftigen, die nichts mit den Problemen der Menschen im Land zu tun hätten.

Wir können uns gern in der Sache um die beste Idee streiten, ganz im Sinne dieses gemeinsamen Wettstreits. Diese Verantwortung tragen wir alle. Das, was dazu notwendig ist, hat uns der Thüringen-Monitor aufgezeigt. Ich hätte mir aber diese Tiefenbohrung, diese Differenzierung in der Debatte an der einen oder anderen Stelle heute gewünscht, aber vielleicht gelingt das ja noch auf anderen Ebenen, wenn es um konkrete Lösungen bei einzelnen Gesetzen, Anträgen oder Initiativen geht. Die Hoffnung gebe ich zumindest nicht auf. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächstes erhält die fraktionslose Abgeordnete Bergner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordnete, liebe Zuhörer, der Thüringen-Monitor zeigt auf, wie die Bürger im Freistaat denken. Jetzt ist es der Anspruch der Landesregierung – so habe ich das zumindest verstanden –, daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. 72 Prozent der Thüringer sind der Meinung, dass Parlamente die geeignete Institution zur Gesetzgebung sind, und 88 Prozent halten die Demokratie für die beste Gesellschaftsordnung. Wenn man dann dagegenhält, dass lediglich 17 Prozent der Thüringer mit der Bundespolitik und 30 Prozent mit der aktuellen Thüringer Landespolitik zufrieden sind, dann geht es also nicht um das Ob der Demokratie, sondern um das Wie.

Sie, Herr Hoff, haben selbst dargestellt – mit Zahlen aus dem Thüringen-Monitor –, dass auch Sie im Sinne der Bürger versagt haben. Die Zufriedenheit ist auf das Niveau abgesunken, das für die Ablösung der CDU-Herrschaft geführt hat. Und wenn Sie den begrenzten Spielraum der Landesregierung aufgrund der mangelnden Länderkompetenzen beklagen, dann lassen Sie uns doch gemeinsam für die Rückeroberung wichtiger Kompetenzen kämpfen und uns nicht widerstandslos dem hingeben.