Protocol of the Session on December 8, 2023

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 15 und will darauf verweisen, dass wir danach den Tagesordnungspunkt 44 aufrufen, um den Vormittag einzuhalten. Jetzt Tagesordnungspunkt 15

(Abg. Dr. Lauerwald)

Schulische Ausbildung zum Heilerziehungspfleger attraktiver gestalten – Schulgeldbefreiung und Vergütung langfristiger Praxisanteile sicherstellen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/6835 -

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Nein, das ist nicht der Fall. Dann rufe ich für die Fraktion der AfD Herrn Abgeordneten Aust auf. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Parlamentarismus ist etwas Wunderbares. Denn der Parlamentarismus sorgt dafür, dass in den vielen unterschiedlichen Themen auch viele unterschiedliche Sichtweisen zum Tragen kommen und sich einbringen können, dass viele Betroffene und möglicherweise Betroffene ihre Sichtweise in die Themen einbringen können und so ein besseres Ergebnis in allen Themen am Ende auch herauskommt. Deswegen dauern manche Verfahren im Parlament scheinbar zu lang, aber Qualität hat nun mal eben auch ihren Preis. Aber am Ende ist genau dieses Verfahren auch ganz besonders wirkungsvoll.

Ein Beispiel dafür: Im Frühjahr 2020 forderte die AfD-Fraktion die Abschaffung des Schulgeldes für Gesundheitsfachberufe. Im Gegensatz beispielsweise zu Sachsen oder anderen Bundesländern gab es nämlich noch tatsächlich Schulgeld für Gesundheitsfachberufe. Unser Antrag damals wurde von den anderen Fraktionen allesamt abgelehnt. Kurze Zeit darauf wurde unser Antrag abgeschrieben und am Ende eben doch durchgesetzt. Das ist die Wirkung der AfD in unserem Parlament im Thüringer Landtag.

(Beifall AfD)

Mit der Umsetzung der Abschaffung des Schulgeldes für Gesundheitsfachberufe war ein Versprechen verbunden, nämlich das Versprechen, dass wir in den vielen Bereichen weitermachen werden. Denn genau das ist auch unser Anliegen in der Sozialpolitik.

Herr Abgeordneter Aust, gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Dr. König?

Nein.

Nein.

Vielen Dank. Wir wollen die Sozialberufe in allen Bereichen so attraktiv machen, dass sich junge Leute für diese Berufe interessieren, dass es attraktiv ist, diese Berufe zu ergreifen, diese Berufe zu erlernen, damit wir unsere eigenen jungen Leute zu den Fachkräften ausbilden, die wir benötigen, statt auf Masseneinwanderung zu setzen. Das ist der Weg auch in unserer Sozialpolitik, damit sich die jungen Leute ein gutes Leben

(Präsidentin Pommer)

aufbauen können von ihrer Hände Arbeit, damit die Menschen in unserem Land in den Sozialberufen gut versorgt sind, dass die Patienten und Betroffenen eben auch gut versorgt sind.

(Beifall AfD)

Darum geht es uns auch in diesem Antrag. Ich möchte mich zunächst einmal bedanken bei einer Besuchergruppe aus dem Kyffhäuserkreis. Das waren nämlich Betroffene, die bei einer Diskussion genau auf diesen Umstand, über den wir heute diskutieren, hingewiesen haben, dass nicht nur die Schulgeldbefreiung in den Gesundheitsberufen allgemein nötig gewesen ist, sondern eben auch, dass es nach wie vor bei den Heilerziehungspflegern Schulgeld im schulischen Teil gibt. Wir bedanken uns ganz herzlich dafür, dass uns

dieser Impuls der Besuchergruppe auf die Idee für diesen Antrag gebracht hat. Genau das ist der Grund.

(Beifall AfD)

Genau das ist eben auch wichtig, weshalb die Bürger unseres Landes eben auch den Kontakt ganz dringend zu uns, zu uns Politikern suchen sollten, damit wir genau ihre Nöte und Sorgen hier in dieses Parlament einbringen. Genau das machen wir heute mit unserem Antrag „Schulische Ausbildung zum Heilerziehungspfleger attraktiver gestalten – Schulgeldbefreiung und Vergütung langfristiger Praxisanteile sicherstellen“. Wir fordern zwei Dinge:

Das Erste: Wir fordern die Landesregierung auf, die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger schulgeldfrei zu gestalten, indem diese Ausbildung in der Anlage 3 des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft ergänzt wird.

Zweitens: Wir möchten eine Vergütung für diese jungen Leute so regeln, dass die Auszubildenden einen Anspruch auf eine Vergütung für das 19-wöchige Praxismodul im dritten und letzten Ausbildungsjahr erhalten.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, es ist ein Hohn, dass wir darüber diskutieren, dass es in diesem Bereich Fachkräftemangel gibt, während gleichzeitig junge Leute, die sich für diesen Beruf begeistern und diesen Beruf ergreifen wollen, Schulgeld bezahlen müssen. Dieses Schulgeld ist eine Ausbildungsbremse und deswegen muss es abgeschafft werden.

(Beifall AfD)

Jetzt werden wir gleich das erleben, was wir immer erlebt haben und was wir auch damals bei der Abschaffung des Schulgeldes in Gesundheitsfachberufen erlebt haben. Wir werden gleich allerlei scheinheilige Argumente hören, warum man unseren Antrag ablehnt.

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Blauer Dunst!)

Aber ich sage Ihnen eins, in einigen Monaten werden wir erleben, wie die eine oder andere Fraktion unseren Antrag wieder abschreibt und am Ende sich AfD eben durchsetzt, indem dieses Schulgeld abgeschafft wird und auch eine Vergütung für die Heilerziehungspfleger eingeführt wird. Dann am Ende wird es wieder so sein, dass AfD gewirkt hat. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

(Abg. Aust)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Aust hat jetzt gerade so getan, als ob er dieses Problem nur bei der AfD erkannte und es angegangen worden wäre. Das ist aber mitnichten der Fall.

Ich will noch mal auf das eingehen, was im Antrag tatsächlich steht und was inzwischen längst passiert ist.

Der Antrag der AfD fordert verschiedene Maßnahmen, um die schulische Ausbildung der Heilerziehungspfleger attraktiver zu gestalten. Da geht es darum, den Fachkräftebedarf zu decken, und Menschen, die sich für eine Ausbildung entscheiden, finanziell zu entlasten. Das hört sich auch erst einmal ganz sinnvoll an. Doch gerade bei dieser speziellen Berufsgruppe wird deutlich, wie populistisch und unglaubwürdig die vorgebliche Sachpolitik ist. Schauen wir uns den Antrag doch einfach mal im Detail an.

Sie fordern die Schulgeldfreiheit für Heilerziehungspflegerinnen, die Vergütung für das vierte Praxismodul, also das Abschlusspraktikum und eine praxisintegrierte und vergütete Ausbildung analog zur entsprechenden Erzieherinnenausbildung PIA. Ich will auf diese Punkte auch ganz sachlich eingehen.

Im Tagesordnungspunkt 13 der letzten Plenarsitzung, für alle, die es sich noch mal anschauen wollen, haben wir bereits in unserem Alternativantrag „Ausbildung in Thüringen attraktiver machen – Berufsbildung und berufliche Orientierung modern gestalten“, das ist die Drucksache 7/7855, im Punkt II Nr. 11 die Landesregierung gebeten, das Schulgeld für genau diese Berufe abzuschaffen, aber nicht nur für die Heilerziehungspfleger, sondern für alle in der sozialen Arbeit, da geht es um haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheitsund Erziehungsberufe. Damit ist unser bereits in den Ausschuss überwiesener Antrag weiterführender als der Ihrige und pickt sich eben nicht nur opportun eine Berufsgruppe heraus. Aber dazu gleich noch mehr.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass wir die von Ihnen geforderte Vergütung für das Abschlusspraktikum der Heilerziehungspflegerinnen bereits im Juli auf den Weg gebracht haben, und zwar mit dem rot-rot-grünen Gesetzentwurf zur Änderung des Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes. Auch das ist hier übrigens im Haus in erster Lesung diskutiert worden.

Zu Ihrem dritten Punkt: Vielleicht hat es sich noch nicht bis zu Ihnen herumgesprochen, aber in Thüringen ist die praxisintegrierte Ausbildung für Heilerziehungspflegerinnen bereits möglich. Und zwar wurde schon 2019 in § 37 Abs. 3 der Thüringer Fachschulordnung für den Fachbereich Sozialwesen eine entsprechende Änderung vorgenommen. Und für Sie noch einmal zum Mitlesen oder -hören, dort heißt es im zweiten Satz: „In der praxisintegrierten Ausbildungsform finden im ersten Schuljahr ein Praxismodul mit einer Dauer von 45 Arbeitstagen, im zweiten Schuljahr zwei Praxismodule mit einer Dauer von 40 und 20 Arbeitstagen und im sechsten Schulhalbjahr ein Abschlusspraktikum mit einer Dauer von 95 Arbeitstagen statt.“ An der Medizinischen Fachschule in Saalfeld können Sie sich das auch ganz praktisch anschauen. Dort ist diese Ausbildung nämlich genauso längst möglich.

Wir haben es also leider statt mit einem konstruktiven Antrag mit einer opportunistischen Scheindebatte der AfD zu einem eigentlich wichtigen Thema zu tun. Was aber meine ich damit? Schauen wir uns beispielsweise mal an, was Heilerziehungspflegerinnen eigentlich machen. Dafür lohnt sich ein Blick auf die Internetseite des Berufsverbands Heilerziehungspflege. Dort finden wir unter dem Stichwort „Bildung/Teilhabe“ folgenden Eintrag: „Die Heilerziehungspflege setzt sich für personale, materielle, strukturelle, soziale, politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen ein, die Menschen mit Behinderung Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglichen. Durch ständige Reflektion [sic] entwickelt die Heilerziehungspflege ein ganzheitliches und

akzeptierendes Menschenbild, das den Prinzipien der Selbstbestimmung, der Teilhabe und der Inklusion aller Menschen folgt.“

Ich weiß nicht, ob Sie gerade zugehört haben, aber Selbstbestimmung, Teilhabe und Inklusion sind demnach zentrale Prinzipien der Arbeit von Heilerziehungspflegerinnen. Jetzt muss ich Sie leider an das Sommerinterview von Herrn Höcke am 9. August 2023 erinnern, dort sagte er: „Unter anderem müssen wir das Bildungssystem auch befreien von Ideologieprojekten, beispielsweise der Inklusion […].“

(Beifall AfD)

Die Inklusion als Quasi-Ideologieprojekt – hier geht es um ein Menschenrecht von Kindern mit Behinderungen. Das müssen Sie vielleicht den Menschen erst mal erklären, wie Sie sich hier als Vorkämpfer der Heilerziehungspfleger hochstilisieren, deren Selbstverständnis genau die Umsetzung der Ihrer Meinung nach Ideologieprojekte ist. Perfide ist Ihr vorgeblicher Einsatz für die Interessen der Heilerziehungspflegerinnen jedoch deshalb, weil die AfD ganz klar eine Politik der Ausgrenzung betreibt. Einer Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen – Sie sollen nämlich keine – in Anführungszeichen – regulären Schulen besuchen –, von Menschen mit Migrationshintergrund oder ‑erfahrung oder allgemein von Menschen, die einen anderen Lebensstil wählen als den, der von ihnen als der vermeintlich deutsche oder richtige erachtet wird.

Deutlich wird dies beispielsweise auch durch die Sprache Ihres vorliegenden Antrags. Sie sprechen in der Begründung von – in Anführungszeichen – Behinderten und Menschen, die ohne Hilfe nicht leben können, also Menschen auf der einen Seite und von Ihnen so benannte Behinderte auf der anderen Seite. Mehr Ausgrenzung geht sprachlich bald nicht. Da mag man sich die reale Ausgrenzung und Abwertung, für die Ihre politische Haltung steht, gar nicht ausmalen. Obwohl, sich ausmalen muss man das ja auch gar nicht. Da genügt ein Blick in die deutsche Geschichte: Hunderttausende Menschen mit Behinderungen – Kinder und Erwachsene – wurden während der NS-Herrschaft vergiftet, vergast, weggesperrt, zwangsbehandelt oder zwangssterilisiert. Und warum? Weil Ihre, von der AfD, geistigen Vordenker meinten, man könne Menschen in Kategorien wie lebenswertes und lebensunwertes Leben aufteilen.

Ihrem Antrag werden wir – wenig überraschend – nicht zustimmen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber nicht, weil er heuchlerisch und verlogen ist, sondern auch deshalb,

(Zwischenruf Abg. Mühlmann, AfD: Das ist eine Verschwörungstheorie!)

(Beifall AfD)

weil er, wie ich eingangs ausgeführt habe, überholt und sachlich falsch ist. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)