Protocol of the Session on June 2, 2023

Auch hier in Thüringen wurde die Protestwelle sehr deutlich und auch sehr umfangreich wahrnehmbar. In mehr als 100 Städten kam es zu Demonstrationen von Arbeitern und Bauern, von Studierenden, die für Freiheit und für Demokratie auf die Straße gingen. Nicht nur in den größeren Städten, son

(Abg. Herold)

dern auch im gestern viel zitierten ländlichen Raum war das Fall. Zum Beispiel in der Thomas-MüntzerStadt Mühlhausen gingen 3.000 Bauern in einer großen Demonstration auf die Straße und forderten die Abkehr von der Enteignung und Zwangskollektivierung mit dem Spruch: „Jetzt werden sich die Bauern von ihren Unterdrückern befreien – wir wollen freie Bauern sein!“. Das war in Thüringen genauso wie in Berlin und genauso wie in Berlin war natürlich auch die Niederschlagung überall und flächendeckend. In über 190 Ortschaften haben sowjetische Truppen diesen Demonstrationsbewegungen ein Ende bereitet. Sie haben Verhaftungswellen durchgeführt. Alfred Diener, ein Jenaer Schlosser, wurde dann in Weimar nach einem Schnellverfahren als Rädelsführer erschossen.

Bis zur friedlichen Revolution 1989 war das der Ausdruck des Widerstands oder des Freiheitswillens der Menschen in der früheren DDR. Wir müssen schon sagen, dass der Rückhalt in der Mehrheit der Bevölkerung nicht groß genug war, um damals schon Veränderungen herbeizuführen. Trotzdem haben wir die Wende dann am Ende erlebt. Das Gedenken ist natürlich für uns alle Verpflichtung, denn es ist ein Aufbegehren der Menschen gegen Unterdrückung, gegen Bevormundung.

In dieser historischen Einordnung dieses Aufstands sind wir demokratischen Fraktionen – und ich glaube, das kann man auch so bezeichnen, ohne dass man zu einer Sprachverwirrung, wie eben unterstellt, kommt – uns einig. Es hätte uns auch gut zu Gesicht gestanden, wenn wir jetzt nicht drei Anträge beraten würden, sondern einen gemeinsamen Antrag.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass wir in diesem Zusammenhang uns einen Bärendienst erweisen, wenn wir das Gefühl vermitteln, dass hier unter fünf demokratischen Parteien drei Meinungen herrschen und wir nicht dazu kommen, eine gemeinsame Bewertung auf den Weg zu bringen. Das ist Wasser auf die Mühlen derer, die Nektar daraus saugen, dass wir Demokraten uns nicht einig sind und nicht mal in der Bewertung dieses Ereignisses – und ich glaube, da gibt es kaum Unterschiede – zu einem gemeinsamen Punkt und zu einem gemeinsamen Antrag kommen. Denn eins ist doch festzustellen: Das, was wir vor fast 70 Jahren erlebt haben, das war keine nationale Revolution, das war kein Reichsbürgerputsch, das waren Menschen, die für ihre Rechte, für Freiheit, für Demokratie auf die Straße gegangen sind. Das eint hier in diesem Raum mit Sicherheit fünf Parteien – vier Fraktionen, eine Gruppe. Eine andere Fraktion sieht das ein biss

chen anders und wir hätten uns heute tatsächlich mal die Möglichkeit gegeben, Einigkeit zu zeigen, wenn wir uns auf einen Antrag geeinigt hätten. Haben wir nicht getan, sollten wir in Zukunft ändern. In diesem Sinne vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Gruppe der FDP erhält Herr Abgeordneter Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucherinnen und Besucher und liebe Zuschauer! „Diese Angst auf halber Zeile, das mein Stift zerbricht, bevor alles gesagt, und wer hört mich, wenn ich schweige.“ Mit diesen Worten von Jürgen Fuchs möchte ich heute beginnen, denn er ist nur ein Beispiel dafür, aber natürlich ein sehr prägnantes, wie gnadenlos der SED-Staat mit politisch Andersdenkenden umging.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Da ist der 17. Juni 1953, der auch gerade schon kurz gewürdigt wurde, nur die Spitze des Eisbergs und leider nicht das Ende der repressiven Diktatur. Es ist ein Datum, dessen wir zu Recht gedenken und an dem wir an die Menschen denken, die damals den Mut aufgebracht haben, auf die Straße zu gehen und ihr Leben aufs Spiel zu setzen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal Zahlen wiederholen, die ich auch vor zwei Jahren schon in der ersten Beratung vorgetragen habe – damals in der Tat noch als Fraktion, was bei den Dokumenten ja vorhin etwas durcheinanderging, so lange beraten wir schon. Wir reden von 250.000 unschuldig politisch Inhaftierten. Wir reden von fast 34.000 per Kopfgeld verkauften Häftlingen. Wir reden von mehr als 1.000 Grenztoten, 3,5 Millionen Flüchtlingen, 500.000 Kindern in Erziehungseinrichtungen, wie man auf den Seiten der Bundesstiftung Aufarbeitung sowie des Stasi-Unterlagen-Archivs nachlesen kann. Ich könnte hier fortsetzen: Ehemalige Leistungssportler, die Diplomaten im Trainingsanzug, wie es so schön hieß, die unwissentlich oder zwangsgedopt wurden und mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen kämpfen. Kinder, die zwangsadoptiert wurden und noch heute nach ihren leiblichen Eltern suchen bzw. Eltern, die nach ihren Kindern suchen. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal deutlich meinen Dank an Andreas Laa

(Abg. Dr. Hartung)

ke und die Interessengemeinschaft gestohlene Kinder der DDR äußern.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, Gruppe der FDP)

Ich möchte an Herrn Tordinic aus Jena erinnern, der diese ganze Diskussion mitbegleitete, das Ende der Diskussion aber nicht mehr erleben kann, weil er inzwischen gestorben ist. Ich möchte erinnern an die Aktionen „Ungeziefer“, „Kornblume“. „Ungeziefer“ – auch für die Schüler, die noch da sind: mit „Ungeziefer“ wurden Menschen bezeichnet, die aus dem damaligen Sperrgebiet an der Grenze der DDR zur Bundesrepublik zwangsausgesiedelt worden sind, das sind in Summe ungefähr 12.000 Menschen, von denen wir da reden, plus 3.000 Fluchten von Menschen, die es noch geschafft haben, davonzukommen. Wir reden auch von Suiziden von Menschen, die das nicht verkraftet haben. Für mich persönlich ist es auch ein familiäres Trauma, weil ich an den Bruder meines Opas denke, der damals mit seiner Familie aus Titschendorf ausgesiedelt wurde. Sie wurden auf den Lkw verfrachtet und wussten nicht, wohin die Reise geht.

(Beifall Gruppe der FDP)

Da rede ich noch gar nicht von all jenen, die lernten, was sie nicht in der Schule sagen durften – etwa, wenn in der Schule die Lehrerin fragte, wie im Fernsehen die Uhr aussieht, um zu erfahren, ob zu Hause Westen geschaut wird –, die lernten, was gefährlich sein könnte, wenn man es in der Schule sagt. Und ich rede nicht von den Schmähungen, denen Menschen wegen ihres Glaubens ausgesetzt waren. Ich rede noch gar nicht von diesen Aktionen, als Schüler wegen des Zeichens „Schwerter zu Pflugscharen“ in Konflikte mit der Schulleitung geraten sind oder wenn sie auch nur einen unangepassten Haarschnitt oder auch nur die falsche Hose, Jeans aus dem Westen oder Plastetüte aus dem Westen hatten. Die DDR war eine Diktatur und hat sich selbst auch als solche bezeichnet.

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Jedem einzelnen Opfer dieses Staats sind wir es schuldig, dass wir die DDR auch klar als solche bezeichnen. Wir sind es ihnen schuldig, ihr Leid anzuerkennen und bei der Bewältigung an ihrer Seite zu stehen. Es ist unsere Aufgabe und unsere Aufgabe – ich betone es noch mal –, bei den Abläufen der Opferentschädigung nachzufragen und bestehende Hürden zu beseitigen, es ist unsere Aufgabe, hinzuhören und als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Keiner von uns kann geschehenes Unrecht wiedergutmachen. Das kann kein Geld der Welt,

aber Geld kann helfen, weiterhin bestehendes Leid zu mindern. Die DDR war kein Rechtsstaat und von ihr begangene Verbrechen wurden nicht anerkannt, sondern totgeschwiegen. Deshalb gilt es, der Aufarbeitung dieses Unrechts den nötigen Raum zu geben und diese konsequent und zu unterstützen.

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Die DDR sorgte für mehr gebrochene Biografien, als wir uns heute vorstellen können, und das wirkt nach. Viele der Menschen, die von SED-Unrecht betroffen waren, leben heute noch. So haben wir die Möglichkeit, diesen Menschen zu signalisieren: Wir haben euch nicht vergessen und wir werden euch nicht vergessen.

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, um Menschen zu danken. Ich möchte den mutigen Menschen danken, die im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind, friedlich, um für ihre Heimat, für unsere Freiheit, für unser aller Freiheit zu demonstrieren. Wir sprechen heute noch von einer friedlichen Revolution, dabei war das alles andere als selbstverständlich. Die Menschen, die damals in Leipzig die ersten Transparente ausrollten, riskierten damit ihre körperliche Unversehrtheit und die ihrer Angehörigen. Ich wusste an dem 09.10.1989 nicht, ob ich am Abend meine Eltern noch sehen werde. Unvergessen ist mir deswegen auch ganz persönlich die unverblümte Drohung des damaligen Kampfgruppenkommandeurs von Leipzig, der in der „Leipziger Volkszeitung“ veröffentlichte, dass man den Sozialismus verteidigen werde, wenn es Not ist, auch mit der Waffe in der Hand – eine klare Drohung. Es gehört aber auch der Dank an Kurt Masur dazu, dem damaligen Gewandhauskapellmeister, und an die politisch Verantwortlichen, die die Hardliner in den eigenen Reihen ausgebremst haben. Es ist gelungen, über ideologische Grenzen hinweg mit Vernunft zu agieren. Deswegen gilt allen Beteiligten, die daran mitgewirkt haben, auch mein Dank.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Das Schönste für mich war allerdings in dieser Zeit zu erleben, wie Woche für Woche – das sah man ja auch auf den Demonstrationen – die Angst der Menschen weniger wurde, wie sie Woche für Woche freier durchatmeten, sich trauten, sich zu äußern und schlicht und einfach ihrem Recht auf Freiheit zum Nachdruck verholfen haben. Daher, meine Damen und Herren, ist die Einrichtung eines Denkmals in der Nähe des Thüringer Landtags für uns nach wie vor nur eine logische Konsequenz. Es

wäre ein Denkmal, das den Opfern, den mutigen Demonstranten und der Erinnerung, was das Fehlen der Freiheit bedeutet, Rechnung tragen würde. Unser Kollege Uwe Barth, der damals in der 5. Legislaturperiode hier Fraktionsvorsitzender war, hat mal einen Satz geprägt, er sagte: Das ist mit der Freiheit wie mit der Gesundheit, beides merkst du erst, wenn du es nicht mehr hast. – Dafür, dass wir diese Freiheit nie wieder verlieren, stehen wir gemeinsam ein. Danke schön.

(Beifall Gruppe der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Schülerinnen und Schüler, wir reden heute über ein tatsächlich ganz wichtiges Thema: Aufarbeitung. Aufarbeitung setzt voraus, dass man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für das, was geschehen ist. Und dass wir das den Opfern insbesondere des SED-Unrechtsstaats natürlich schuldig sind, hat nicht zuletzt die Einordnung von Thomas Hartung genauso wie eben von Herrn Bergner, glaube ich, noch mal sehr deutlich gemacht.

Der 17. Juni kommt jetzt wieder näher und er ist noch nicht lange Gedenktag in Thüringen. Im Jahr 2016 gab es einen Gesetzentwurf von den Fraktionen SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/1769, mit dem wir diesen Gedenktag im Thüringer Feiertagsgesetz aufgenommen haben. Das ist gut so, das ist richtig so. Damit haben wir einmal mehr gezeigt, dass wir uns der Verantwortung an dieser Stelle bewusst werden wollen. Es geht um die vielen Tausend Menschen, es sind Tausende gewesen, die in Thüringen – Thomas Hartung sagte es völlig richtig – an mehr als 100 Orten auf die Straßen und Plätze gegangen sind. Es geht um all diejenigen, die nach dem 17. Juni Verhaftungen und Unrecht erfahren haben, aber es geht natürlich auch um das Unrecht insgesamt, das wir immer wieder erinnern.

Wenn Sie einmal googeln und „Thüringen – 70 Jahre Volksaufstand“ eingeben, dann werden Sie feststellen – auch Frau Herold könnte das –, dass es dafür sogar eine extra Internetseite gibt – auch das ist gut und richtig so – und auf dieser Internetseite finden Sie noch einmal die historische Einordnung und Sie finden aber auch 20 ganz konkrete Veranstaltungshinweise, die deutlich machen, wie vielfäl

tig Aufarbeitung in Thüringen stattfindet, dezentral, mit ganz vielen Betroffenen, mit denjenigen, die an die Geschichte vor Ort erinnern. Da bin ich unserem Beauftragten Dr. Peter Wurschi für die Aufarbeitung des SED-Unrechts sehr dankbar, dass er genau für dieses Jahr den Schwerpunkt gesetzt hat, gemeinsam mit vielen Aktiven vor Ort, aber auch mit der Landesregierung, zu sagen, wir gehen vor Ort in die Gemeinden, wir erinnern an die Geschichte ganz konkret, wir erinnern uns an einzelne Schicksale, wir erinnern uns an den Mut der Menschen vor Ort. Das ist, glaube ich, etwas, was uns von vielen anderen Ländern unterscheidet. Ich finde das richtig so, auch und gerade heute, auch und gerade 70 Jahre später, weil das natürlich nicht ins Vergessen geraten darf.

Jetzt will ich noch mal ganz konkret auf die Anträge, die uns hier vorliegen, und ihre Geschichte eingehen. Herr Herrgott hat vorhin bei der Berichterstattung aus dem Ausschuss deutlich gemacht, wie lange diese Anträge teilweise schon in den Ausschüssen, aber auch im Parlament lagen und wie viele Beratungen es gab. Es waren teilweise bis zu elf Beratungen im Ausschuss, die zu diesen Anträgen stattgefunden haben. Und ja, ich bin auch ganz bei all denen, die sich gewünscht hätten, dass es eine gemeinsame Initiative der demokratischen Fraktionen gegeben hätte. Da will ich noch mal ein bisschen darauf eingehen, welche Versuche hier unternommen wurden. Es gab nämlich dankenswerterweise von Minister Hoff selbst die Einladung an alle demokratischen Fraktionen, an einen Tisch zu kommen und die Ergebnisse der Anhörung, die stattgefunden hat – Herr Herrgott sagte es, zu allen drei Anträgen gab es umfangreiche Anhörungen –, in einem gemeinsamen Änderungsantrag zusammenzuführen. Das Treffen fand auch statt, die FDP war nicht dabei. Als Entgegenkommen an die CDU wurde ihr Antrag, der der zeitlich älteste Antrag war, als Grundlage genommen, um daraus einen gemeinsamen Antrag zu machen. Punkt für Punkt, lieber Herr Kellner, wurde der durchgesprochen und seitens der Staatskanzlei gab es dann einen überarbeiteten Antrag, der noch einmal rumgeschickt wurde. Unsere Fraktion hat ihn dann auch noch einmal überarbeitet. Umso irritierter waren wir – das muss ich an dieser Stelle so deutlich sagen –, als dann kurz vor dem Ausschuss von der CDU mitgeteilt wurde, dass der Antrag leider nicht als gemeinsame Grundlage gesehen wird, dass es gar keinen gemeinsamen Antrag mehr geben soll. Es hieß zwischenzeitlich sogar, der Antrag läge Ihnen nicht vor. Aber das ist alles aufgearbeitet, schon im März ist Ihnen das zugegangen. Es wäre in der Tat ein schönes Zeichen gewesen, wenn es wenigstens bei solchen Themen seitens derjenigen,

(Abg. Bergner)

die sich gern selbst als konstruktive Opposition bezeichnen, zu einer Einigung gekommen wäre. Das hat aber leider nicht funktioniert. Nun haben wir drei sehr ähnliche, aber trotzdem unterschiedliche Anträge auf dem Tisch.

Ich will noch mal kurz sagen, warum wir nicht allen so zustimmen können: weil sie sich zum Teil inhaltlich widersprechen und zum Teil auch schon erledigt haben. Das hat allerdings mit der langen Verhandlungsdauer zu tun. Das muss man ganz klar sagen.

Ich will beginnen mit dem Antrag von Rot-Rot-Grün. Wir haben uns selbstverständlich dafür ausgesprochen, dass die interministerielle Arbeitsgruppe und die Berichterstattung, die wir dazu regelmäßig im Landtag haben, fortgeführt werden und halten deshalb an der Zeitlinie fest, die sich bisher bewährt hat. Wir haben die Landesregierung ebenfalls aufgefordert, ein Konzept für die Erinnerung an den 70. Jahrestag zu erarbeiten. Das liegt vor, das ist zeitlich auch nachvollziehbar. Sie können es, wie gesagt, auf der extra dafür eingerichteten Internetseite nachlesen. Bei dem Konzept sollte die Einbeziehung der Institutionen der Thüringer Aufarbeitungslandschaft berücksichtigt werden – ganz, ganz wichtig –, denn ohne diese Zeitzeuginnen, ohne die Menschen vor Ort geht das nicht. Es sollte öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen geben. Im Fokus und beteiligt werden sollten insbesondere die Opfer der SED-Diktatur. Der Fokus sollte aber auch auf dem – wir nennen es – widerständigen Verhalten in Thüringen in den 50er-Jahren liegen, denn das war sehr vielfältig. Das fand in Betrieben statt, das fand von Bauern statt, das fand auf allen Ebenen statt. Das war keine verkopfte, aufgesetzte Geschichte, sondern etwas, was tatsächlich von unten wuchs. Die Formate der Erinnerungsarbeit – das ist ganz wichtig – sollen insbesondere ein jüngeres Publikum ansprechen, weil es darum geht, Geschichte weiterzugeben, erfahrbar, transparent zu machen, auch für diejenigen, die es selbst nicht erlebt haben.

Der Antrag der CDU hat ebenfalls Forderungen zum Gedenkjahr 2022 enthalten – das ist nun schon vorbei – und zum 17. Juni dieses Jahres. Der Wunsch war hier, dass das Konzept zum 17. Juni ein Schwerpunkt auf die Opfer kommunistischer Unterdrückung legen sollte. Im Mittelpunkt der Aufarbeitungsarbeit sollten die Grenzabriegelung, der Mauerbau, der Volksaufstand und die friedliche Revolution stehen. Gefordert wurden und werden zentrale Veranstaltungen zur Feier des Jubiläums, die auch stattfinden. Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung und auch die Landeszentrale für politische Bildung sollten Konzepte auch

für jüngeres Publikum entwickeln. Sie sehen, es gibt viele Einigungsmöglichkeiten, die hier schon angelegt waren. Die Kooperation mit umliegenden Bundesländern war ausdrücklich erwünscht. Die Arbeit der IMAG, also die Arbeit der interministeriellen Arbeitsgruppe, sollte fortgesetzt werden. Und – da habe ich ein bisschen gestutzt – es steht nach wir vor drin, dass die Stasiüberprüfung fortgeführt werden soll. Das haben wir in Thüringen beschlossen, das will ich ganz klar sagen. Da gibt es einen Beschluss. Deswegen ist mir unklar, was gemeint ist, weil Sie entweder die Bundesebene meinen, wo das so nicht ist, oder Sie haben nicht mehr auf dem Schirm, dass wir in dieser Legislatur bereits eine Änderung des Abgeordnetengesetzes vorgenommen haben, womit die Überprüfung der Abgeordneten ermöglicht wurde.

Ein besonders schwieriger und aus meiner Sicht mindestens zu diskutierender Punkt ist, dass die Lehrpläne in Thüringen geändert werden sollen. Da bin ich wirklich nach wie vor der Überzeugung, dass Lehrpläne nicht politisch diktiert werden. Wir sind uns alle einig, dass Aufarbeitung und Geschichte eine ganz große und wichtige Rolle spielen. Aber dafür gibt es Fachverbände und Verantwortliche, die genau das übernehmen, damit es eben keine politische Überformung gibt, sondern damit es auf wissenschaftlicher Grundlage stattfindet. Forschung soll an Universitäten gesichert werden. Da muss ich sagen, dann brauchen wir dafür natürlich auch die Mittel im Haushalt. Das müssen wir dann bei der Haushaltsdebatte wieder berücksichtigen.

Ich will auch kurz noch etwas zum Antrag der FDP sagen. Auch hier finden sich erstens diverse Berichtsersuchen an die Landesregierung für den Ausschuss. Die haben mit dem Plenum jetzt hier weniger zu tun, die sind im Ausschuss gegeben worden. Zur Erinnerung an die Oper des DDR-Regimes – so heißt es – soll ein Denkmal errichtet werden. Da hat die schriftliche Anhörung – das ist ganz spannend – ergeben, dass dieses Projekt keine breite Unterstützung erhält, weil es nicht darum geht, weitere Denkmäler in Beton zu gießen – wenn ich das so sagen darf –, sondern wir authentische, lebendige Orte der Aufarbeitung brauchen. Da gibt es beispielsweise die Bildungs- und Aufarbeitungsstätte in der Andreasstraße, die, glaube ich, eine ganz hervorragende Arbeit leistet. Und es findet sich auch hier die Forderung, dass es eine Gedenkveranstaltung zum 17. Juni geben sollte.

Insgesamt, wie gesagt, hätten wir uns gewünscht, dass wir zueinanderfinden. Wir sind uns zumindest unter den demokratischen Fraktionen einig, wie wichtig dieser Tag ist, wie wichtig das Erinnern ist.

Es darf und wird niemals einen Schlussstrich in puncto Aufarbeitung geben. Das sei hier auch noch mal gesagt. In diesem Sinne hoffe ich, dass uns das Einigende zum 17. Juni in der Erinnerung bleibt und trägt und nicht das, was uns trennt, und ich wünsche uns mitunter mehr Konstruktivität und den Willen, sich auch aufeinander zuzubewegen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Herrgott das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Beauftragter Wurschi, der uns vermutlich am Livestream zuschaut, liebe Gäste, werte Zuhörer, tempus fugit, ich habe es heute bei dem Bericht aus dem Ausschuss bereits erwähnt, es ist deutlich an Zeit vergangen, seit wir diese Anträge hier in unterschiedlicher Abfolge im Plenum betrachtet, bearbeitet und besprochen haben. Auch im Ausschuss haben wir uns sehr viel Zeit genommen. Nachdem die Anträge von CDU und FDP aus dem Jahre 2021 anlässlich des 60. Jahrestags des Mauerbaus am 13. August 1961 sowie der Antrag der Regierungsfraktionen anlässlich der Grenzschließungen in Thüringen auf Grundlage der Verordnung vom 26. Mai 1952 jeweils ihre aktuellen Bezüge etwas verloren hatten bzw. diese abhandengekommen sind, haben sich alle Fraktionen noch mal an die Überarbeitung gemacht. Alle Anträge wurden noch einmal aktualisiert, jetzt insbesondere auch mit dem 17. Juni 1953 als aktuellem Bezugsdatum, aber auch unserer gemeinsamen Verantwortung in der Erinnerungskultur über diese Schlaglichter und einzelnen Gedenktage hinaus.

Ich könnte jetzt auch noch mal 10 Minuten ausführen, woran jetzt was wie gelegen hat, aber ich glaube, dass Klein-Klein an dieser Stelle und die leider verstrichene Lebenszeit, die wir uns alle genommen haben, führt hier nicht weiter. Es wäre dem Thema auch nicht angemessen. Von daher ist es gut, dass wir heute hier endlich diese Anträge gemeinsam beraten, noch vor dem Jahrestag, und wir das Ganze auch gut abschließen, damit es sich entsprechend auch in Ergebnissen zeitigt.