Protocol of the Session on November 3, 2017

(Zwischenruf Abg. Rudy, AfD: Ich habe noch nicht geredet!)

Entschuldigung, ich hatte das vorhin als Hauptrede interpretiert. Es tut mir leid, Herr Abgeordneter Rudy.

(Zuruf Abg. Rudy, AfD: Jetzt habe ich den Aluhut vergessen!)

Was denn für einen Aluhut?

(Zuruf Abg. Rudy, AfD: Den Aluhut, den man mir jetzt gern aufsetzen will!)

Ach so. Nein, selbstverständlich nicht.

Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauer, es sind jetzt einige Schwergewichte hier dran gewesen und wollen mir den Aluhut aufsetzen. Aber wirklich, ich habe kein Hausaufgabenbuch bekommen.

Hinter Ihnen steht ein Eimer, der ist jetzt kein Aluhut, aber …

Ich habe auch kein Auftragsbuch bekommen. Ich sehe das einfach nicht ein, dass die guten Beziehungen zwischen Russland und Deutschland jetzt einfach so kaputt gemacht werden.

(Beifall AfD)

Und vor allem: Um das Minsker Abkommen zu erfüllen, müsste erst einmal die Ukraine aufhören, an der Grenze Gebäude zu beschießen, Krankenhäuser zu beschießen und Waisenhäuser und Wohngebäude zu beschießen. Es wäre erst mal da ganz wichtig, da mal diese Kampfhandlungen einzustellen. Solange die Ukrainer natürlich Geld von der EU, vom IWF usw. bekommen, machen die auch weiter. Da wird man nie zu einer friedlichen Lösung kommen, wenn das so ist.

Sehr geehrte Abgeordnete, Thüringen und Russland, namentlich Tatarstan, sind über ein enges Netz von ökonomischen und kulturellen Netzwerken, Projekten und Initiativen miteinander verwoben. Im wirtschaftlichen Bereich unterhalten aktuell 390 Thüringer Firmen – das hatte Frau Walsmann auch schon gesagt –, die meisten Mittelständler, Handelsbeziehungen zu Russland. Die Exporte nach Russland im Zuge des Ölpreisverfalls und der

Russlandsanktionen sind gleichwohl stark eingebrochen, allein im Jahr 2015 um fast 30 Prozent, im letzten Jahr um fast 10 Prozent.

Die thüringische Landesregierung ist hier aufgefordert, mehr zu tun. Es darf einfach nicht sein, dass zwischen der Unterzeichnung des Projektplans, der sogenannten Roadmap, im Juni 2016 und der konstituierenden Sitzung der „Arbeitsgruppe Thüringen–Tatarstan“ im März 2017 mehr als ein halbes Jahr verging. Es gibt hoffnungsvolle Ansätze, vor allem an der Schnittfläche zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. So ist die 2014 begründete deutsch-russische Hochschule GRIAT an der Technischen Universität Kasan die erste deutsch-russische Hochschule überhaupt. Die Technische Universität Ilmenau gehört zu den Gründungshochschulen. Durch diese gelungene thüringisch-russische Kooperation – Sachsen-Anhalt ist mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ebenfalls mit dabei – werden ingenieurwissenschaftliche Masterstudiengänge nach deutschen Standards an der staatlichen technischen Forschungsuniversität Kasan, eine der führenden Forschungsuniversitäten Russlands, angeboten. Hier gilt es, die Zusammenarbeit im Maschinenbau, beim Automobilbau ebenso wie in der Landwirtschaft weiter auszubauen. Das wird schwer genug sein, sind doch die Ausfuhren der Thüringer Automobil- und Automobilzulieferindustrie in Russland um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahresniveau eingebrochen.

Thüringer Landwirte, unter anderem die Milchbauern, werden durch die Sanktionen wieder mit einem Defizit im zweistelligen Millionenbereich belastet. Die beiderseitigen Sanktionen und Embargomaßnahmen schaden beiden Seiten, ohne dass der politische Nutzen erkennbar wäre. Wir sagen: Schafft sie ab! Sie gehören auf den Müllhaufen der Geschichte ebenso wie die Fortsetzung einer Konfrontationspolitik gegen Russland. Damit es nie wieder zu einem Krieg zwischen unseren beiden großen Nationen kommt, spielen der schulische Austausch, der Jugendaustausch insgesamt eine entscheidende Rolle. 19.000 Schüler lernen in Thüringen die Sprache Dostojewskis und Puschkins, Gogols und Lermontows. Diese Zahlen bleiben seit längerer Zeit konstant. Es wäre zu wünschen, dass sie wieder steigen. Aktuellen Zahlen zufolge gibt es 18 Schulpartnerschaften zwischen Thüringer und russischen Schulen. Sieben davon bestehen bereits seit zehn Jahren.

Ich möchte an dieser Stelle allen Lehrern danken, die neben ihrem herausfordernden Beruf ihrer Berufung folgen und sich für einen Erhalt und Ausbau der Schulpartnerschaften einsetzen.

(Beifall AfD)

Doch gerade von diesen engagierten Lehrern hören wir, dass der Schüleraustausch erschwert wird.

Hier spielen sowohl die europäische als auch die Thüringer Ebene eine negative Rolle.

Zum Ersten: Seit 2009 existiert eine wieder einmal unsinnige EU-Verordnung, die den Schulen und allen in den Bereichen des Jugendaustauschs Aktiven Steine in den Weg legt. So muss jeder einzelne russische Schüler in ein deutsches Konsulat/eine Botschaft reisen, damit dort seine Fingerabdrücke erfasst werden. Man kann sich bei den riesigen Entfernungen Russlands vorstellen, was das bedeutet. Dass die Thüringer Schulen sich über diese Praxis bei der Thüringer Landesregierung nicht beschwert haben sollen, wie die Landesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage schreibt, ist wenig glaubhaft. Wir fordern die Landesregierung auf, sich bei der Bundesregierung für eine Änderung der restriktiven Visumprozedur der Schulen und im Jugendaustausch einzusetzen.

(Beifall AfD)

In Thüringen müssten die Bewilligungen seitens des Ministeriums wesentlich eher erteilt werden, mindestens ein halbes Jahr vor Reiseantritt, um Flüge und Busfahrten verbindlich und preiswerter buchen zu können. Wir fordern den neuen Bildungsminister auf: Sorgen Sie für einen schnellen und unbürokratischen Ablauf des Schüleraustauschs! Setzen Sie ein Zeichen für Völkerverständigung, die nie von oben, sondern stets von unten erfolgt! Wenn wir die thüringisch-russischen, deutsch-russischen Beziehungen stärken wollen, dann steht die Jugend an erster Stelle. Sie ist unsere Zukunft und die Zukunft der deutsch-russischen Beziehungen. Insgesamt wollen wir einen Ausbau der thüringisch-russischen Beziehungen in allen Bereichen. Wir haben in diesem Jahr bereits mit unserem Antrag erreicht, dass der Thüringer Landtag für eine Beendigung der Russlandsanktionen eintritt. Wir fordern die Landesregierung auf, eine Regionalpartnerschaft mit Tatarstan nicht erst in mittelfristiger Perspektive einzugehen. Gerade jetzt muss Thüringen ein Zeichen gegen die weitere Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen setzen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. Jetzt sehe ich keine weiteren Wortmeldungen. Ausschussüberweisung ist auch nicht beantragt. Damit schließe ich diese …

(Zwischenruf Krückels, Staatssekretär: Ich würde auch noch etwas sagen wollen!)

Die Landesregierung will auch noch, selbstverständlich. Ich freue mich, dass die Landesregierung berichtet, ich war nur schon auf die 18.00 Uhr so geeicht. Ich bitte um Verzeihung. Die Kollegen drängen. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, ich mache es auch ganz kurz und darf auch auf Herrn …

(Zwischenrufe aus dem Hause)

Ja, was denn? Da muss ich aber Anweisungen …

Ja, ich finde, die Landesregierung sollte jetzt ihre Rede halten können, damit wir auch rechtzeitig aufhören können.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Richtig!)

Der Landesregierung steht es ja nicht an, sozusagen die Qualität parlamentarischer Arbeit und auch sozusagen der Großen Anfragen zu beurteilen. Deshalb tut sie das auch nicht. Persönlich sage ich: Ich fand die Einlassungen, die die Abgeordneten vorgebracht haben, über die Ambitionen sozusagen, die in den Fragen steckten, individuell zumindest nachvollziehbar. Insofern kann das jeder sehen, wie er das möchte. Ich sage noch etwas zu dem Inhalt.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Sagen Sie das jetzt persönlich oder als Vertreter der Landesregierung?)

Ja, eins nach dem anderen. Stehen Sie doch auf und fragen Sie, wenn Sie etwas machen wollen, da brauchen Sie gar nicht reinrufen.

Also, was mir als Letztes aufgefallen ist, was Sie gesagt haben, Herr Rudy, dass die Völkerverständigung immer nur von unten, nie von oben funktioniert: Das ist, glaube ich, nicht richtig, historisch. Ich hatte mich gerade noch mal an den Kniefall von Brandt erinnert. Das war, glaube ich, von oben, das war nämlich der Bundeskanzler, der das gemacht hat, und ich glaube schon, dass das viel zur Völkerverständigung beigetragen hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich braucht das auch immer Kontakte, selbstverständlich. Aber es braucht auch politische Zeichen und – wenn Sie sagen „von oben“ – es braucht auch, glaube ich, staatliche Maßnahmen für einen Verständigungsprozess. Sie selbst kritisieren ja. Insofern wäre es auch vollkommen unlogisch, zu behaupten, dass die Sanktionen einen Verständigungsprozess nicht mehr zulassen. Insofern, die Sanktionen sind ja auch von oben beschlossen worden.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Weil Sie das …!)

(Abg. Rudy)

Ja, es funktioniert doch nicht unabhängig voneinander, das von unten und von oben. Sondern es muss die Voraussetzung geben, damit die Völkerverständigung tatsächlich gelebt werden kann. Ich glaube, Sie wird ganz gut gelebt, und im Vergleich zum Westen, wo ich lange gewohnt habe, ist es natürlich noch mal ein ganz anderes Verhältnis. Hier lernen immerhin 8 Prozent der Schüler Russisch in der Schule. Im Westen ist es durchschnittlich 1 Prozent, also da ist es ein wahnsinniges Orchideenfach, das macht kaum jemand. Das ist noch, glaube ich, hinter Altgriechisch im Westen gelegen. Also dafür interessiert sich nie jemand. Da, finde ich, ist das Aufholbedürfnis für Kontakte eigentlich sehr viel größer, als es hier ist, und auch des Kennenlernens von slawischen Sprachen. Das sind ein wenig im Westen unterrepräsentierte Sprachkenntnisse, die es da gibt. Da kann ich auch aus meinen eigenen Erfahrungen berichten. Selbst wenn man da mal Polnisch lernt, ist man da schon ein Exot an der Uni.

Die tatsächlichen Verbindungen zu Russland sind doch relativ umfangreich. 19.000 Schüler sind es noch, wie ich gerade gesagt habe. Es gibt traditionelle, gute Beziehungen in der Wirtschaft und gleichzeitig gibt es die Entwicklung, die hier ja auch beschrieben worden ist, nämlich dass die Exporte nach Russland abgenommen haben, sodass nur noch der Platz 17 zu verzeichnen ist. Das ist natürlich wesentlich weniger, als es mal gewesen ist. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass es nicht allein eine – es ist zwar eine Folge der Sanktionen, aber nicht allein der Sanktionen. Beispielsweise sind auch die chinesischen Exporte in die Russische Föderation um 15 Prozent im Zeitraum zurückgegangen, obwohl keinerlei Sanktionen zwischen diesen beiden Staaten vereinbart worden sind. Sondern es gibt anscheinend, muss man daraus schließen, eine große Nachfrageschwäche aufgrund sinkender Öl- und Gaspreise in Russland und aufgrund tatsächlich schlecht funktionierender ökonomischer Strukturen und einer ungerechten ökonomischen Einkommensverteilung in Russland, die die Nachfrage hat sinken lassen. Das trifft dann alle, die nach Russland exportieren. Insofern sind die Sanktionen sicherlich ein Moment des Ganzen, aber nicht die ganze Wahrheit. Was Frau Walsmann gesagt hat und was hier auch geäußert worden ist, es ist ja auch noch mal beschrieben worden, was die demokratischen Parteien und Fraktionen hier verabschiedet haben zu den Sanktionen, die sind...

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Also das ist unverschämt, Herr Staatssekretär, dass Sie hier diese Infamie wiederholen! Sie sind zu Neutralität verpflichtet!)

Ja, aber lassen Sie mich doch noch mal zum Inhalt sprechen, sozusagen zu den Sanktionen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das ist uner- träglich!)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wenn Sie nicht als Sozialisten genannt werden wollen, halten Sie sich mal zurück!)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt bitte ich um etwas mehr Aufmerksamkeit. Selbstverständlich steht den Abgeordneten gegenseitig zu, sich zu titulieren oder nicht zu titulieren, in einem bestimmten Maße. Die Regierung ist wiederum auch frei, wobei ich auch sagen muss, dass ich den einen oder anderen Abgeordneten schon rügen würde, wenn er sagen würde, was die Regierung momentan vorträgt.

Ehrlich?