Protocol of the Session on September 28, 2017

Ich weiß nicht, ob man nachwirkend so mit seinem ehemaligen Koalitionspartner umgehen muss. Ich finde, nein. Und jetzt will ich Sie einfach mal …

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Wie geht er denn damit um? Wie geht er denn mit uns um?)

Er benennt Probleme offen, das ist ein großer Unterschied. Was hat denn Herr Matschie gemacht? Herr Matschie hat sich hier vorn hingestellt und hat gesagt, er will nichts beschönigen. Ja, wir haben Unterrichtsausfall und jede Stunde Unterrichtsausfall ist eine zu viel.

(Unruhe CDU)

Aber darf ich Sie mal dran erinnern, dass es im Jahr 2013

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Schuld wa- ren immer die anderen!)

einen Sonderbericht des Thüringer Rechnungshofs gegeben hat, und zwar zum Stundenausfall in Thüringen? 2013 haben Sie regiert, wenn ich Sie daran erinnern darf. Es gab einen Sonderbericht, weil leider schon damals hoher Unterrichtsausfall an Thü

ringer Schulen Realität war. Das waren 4,4 Prozent, die damals ersatzlos ausgefallen sind, und 6,6 Prozent, die vertreten wurden, davon aber nur 17,5 Prozent fachgerecht. Das sind übrigens relativ ähnliche Zahlen wie heute. Das macht es nicht besser, das zeigt aber, dass wir dieses Problem schon länger haben, dass wir es aber immerhin angehen. Denn wir haben die Reserve auf den Weg gebracht.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Es haben sich die Richtlinien geändert!)

Wir haben die Lehrerreserve auf den Weg gebracht und wir stocken sie auf, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich beim Haushalt verhalten werden,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

wenn es darum geht, noch mehr in diese Lehrerreserve hineinzustecken.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie regie- ren!)

Ja, wir regieren und ich sage Ihnen ja jetzt, was wir machen, aber ich sage Ihnen auch, wie die Ausgangslage ist, und ich tue nicht so, als ob alles in den letzten drei Jahren erst schlimm geworden wäre oder vom Himmel gefallen wäre, sondern ich zeige auf, was Ursache und Wirkung ist. Und das müssen Sie jetzt auch mal aushalten, Herr Tischner.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Es ist nun mal so, dass eine bildungspolitische Zukunftsausgabe für uns darin besteht, die bestmöglichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir tatsächlich den Lehrkräftebedarf angesichts der ungünstigen demografischen Vorzeichen adäquat ersetzen. Unser Antrag macht deutlich, dass die Landesregierung mit dem vorgelegten Doppelhaushalt einen ganz wichtigen, richtigen Schritt getan hat, nämlich – und ich sage das hier noch mal – die Anzahl der Neueinstellungen 2018 auf 900 und 2019 auf 650, inklusive Entfristungen, zu erhöhen. Und ja, wir wissen, das kompensiert eben nicht diejenigen, die in den Ruhestand gehen. Das ist uns bewusst. Aber dann lassen Sie uns gemeinsam bei den Haushaltsberatungen vielleicht nicht jeden einzelnen 100-Euro-Posten hinterfragen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern schauen, wie wir mehr Gelder finden, um genügend Lehrer einzustellen. Dann setzen wir uns doch mal gemeinsam dran, da wird ein Schuh draus. Das machen Sie nämlich nicht, dem verweigern Sie sich und das nehme ich Ihnen auch wirk

lich übel. Die Verbeamtung ist ja schon diskutiert worden und sie ist bestimmt kein Allheilmittel. Das wissen Sie, dass ich dazu durchaus kritisch stehe. Aber sie erhöht die Attraktivität des Freistaats im Wettbewerb – das müssen wir anerkennen – um gut ausgebildete Fachkräfte. Unser Antrag fordert zudem die Landesregierung auf, bezüglich eines umfassenden Maßnahmenpakets aktiv zu werden – und das müssen wir gemeinsam. Es braucht Klarheit darüber, wie die zukünftigen Einstellungsbedarfe aussehen, und braucht übrigens auch eine Diskussion darüber, wie wirksam Fächerkombinationsvorschriften – Sie erinnern sich vielleicht, das ist auch ein Erbe, das wir aus der alten Regierung übernommen haben – an den Fakultäten für Lehrerbildung sind.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das ist doch vorher schon gelöst worden! Das hat die alte Regierung schon gelöst!)

Das hat die alte Regierung eben nicht gelöst. Wenn sie es gelöst hätte, dann hätten wir das Problem ja jetzt nicht, so wie wir es haben, sondern es hat sich gezeigt, dass das mitnichten dazu geführt hat, dass genügend Lehrerinnen und Lehrer in den sogenannten Mängelfächern ausgebildet werden oder dass sich genügend Interessenten finden. Nehmen Sie das doch mal zur Kenntnis. Wir sehen im Übrigen auch die Notwendigkeiten – da verstehe ich die Polemik überhaupt nicht –, dass der Freistaat Thüringen selbstbewusst für sich werben sollte. Das haben wir viel zu lange nicht getan. Da standen nämlich an unseren Bahnhöfen die großen Plakate, Sie erinnern sich vielleicht, wo für Baden-Württemberg oder für Hessen oder sogar für Sachsen-Anhalt Lehrerinnen und Lehrer abgeworben worden. Wir haben es nicht getan als Thüringen und das war ein Fehler, das muss man auch einfach mal so benennen und deswegen wird es höchste Zeit aufzuzeigen, warum es gut und richtig ist, auch in Thüringen zu unterrichten und mehr Studienanfängerinnen auch für Thüringen zu begeistern, gerade für die sogenannten Mangelfächer. Auch ein Landesstipendium, da bin ich ganz bei Christoph Matschie, für Mangelfachstudierende halten wir für durchaus sinnvoll. Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den ich auch gern noch mal eingehen möchte, ist die Bezahlung der Lehrkräfte. Hier hat die Landesregierung mit dem Doppelhaushalt auch die bessere Bezahlung von Regelschullehrkräften vorgesehen, ein wichtiger und richtiger Schritt. Unser Antrag nimmt aber auch noch einmal die Gemeinschaftsschulen in den Blick, denn die waren bis jetzt nicht in der Betrachtung. Das ist durchaus ein Problem, wir wissen das, wenn man Mehrklassengesellschaften, wenn ich das mal so sagen darf, im Lehrerzimmer wiederfindet. Schließlich geht es auch um ein unkompliziertes Bewerbungsverfahren und vor allem darum, dass Lehramtsanwärterinnen frühzeitig eine Einstellungszusage erhalten. Das ärgert uns, dass

sie das nicht bekommen und dass sie es aus anderen Ländern eher zugesagt bekommen haben. Dafür müssen wir die Einstellungstermine vorziehen, auch die Bearbeitungszeiten entschlacken. Das ist ein Punkt, der brennt uns genauso auf der Seele, deswegen haben wir ihn benannt.

Weitere wichtige Aspekte in dem Zusammenhang sind aber auch erhöhte Mitspracherechte von Schulen im Rahmen der Personalauswahl. Ich nenne jetzt mal: schulscharfe Ausschreibungen, erleichterte Zugangsmöglichkeiten für Seiteneinsteiger und auch flexible Budgets für Schulen, um kurzfristig auf Ausfallsituationen reagieren zu können.

Zum CDU-Antrag muss ich trotzdem noch mal ein paar Sätze sagen, ich bin ja im Februar bereits detailliert darauf eingegangen. Das Besoldungsgesetz ist in der Diskussion. Ich will aber auch noch einmal sagen, dass gerade die von der CDU formulierte Einstellungsgarantie – Sie erinnern sich, wir haben das im Februar heiß diskutiert – für Lehrämter in Mangelfächern und im Regelschul- und Berufsschulbereich verfassungsrechtlich nicht durchführbar ist, auch wenn die Forderung schön klingt. Das ist reiner Populismus,

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: So ein Quatsch! So ein Quatsch!)

nennen wir es so, was Sie von der CDU da aufgeschrieben haben,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und reinen Populismus können wir als regierungstragende Fraktion uns nicht leisten. Wir müssen konkrete Angebote machen und das machen wir.

Andere Themen des CDU-Antrags haben wir in unserem Antrag ebenfalls aufgegriffen, sodass der CDU-Antrag aus unserer Sicht im Großen und Ganzen entbehrlich ist.

Ich will abschließend noch einmal sagen, wir stehen vor großen Herausforderungen im Personalbereich und einen Diskussionsbeitrag dazu, wie wir ein Stück weit diese schulpolitische Herausforderung bewältigen können, haben wir mit diesem Antrag vorgelegt. Erkennen Sie das doch einfach mal an. Wir freuen uns auf die weitere Debatte, wie wir dauerhaft ein funktionierendes und leistungsfähiges Schulwesen schaffen können, das den Rechtsanspruch auf schulische Bildung und individuelle Förderung gewährleistet, auch wenn wir wissen, dass der Weg steinig ist. Das wird auch erfordern, dass Sie sich im Haushalt diesmal konstruktiv zeigen und mit uns gemeinsam schauen, wie wir die entsprechenden Gelder genau für diese wichtigen Aufgaben finden. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Wolf das Wort.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jetzt kommt die Gewerkschaft!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fiedler, Gewerkschafter ist man vom Herzen her und das bleibt man. Ich sage das nur mal so.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie in einer Gewerkschaft sind, dann werden Sie das sicherlich teilen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich bin in keiner mehr!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte als Erstes, weil mir das auch ein dringliches Herzensanliegen ist, Kollegen Matschie hier nicht nur für seine Rede danken, sondern auch für seine 13-jährige Arbeit hier im Thüringer Landtag

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

als Landtagsabgeordneter. Da hat sich Christoph Matschie immer intensiv, streitbar, aber auch konstruktiv in die Debatten eingebracht und sich damit auch um Demokratie und Parlamentarismus in Thüringen verdient gemacht. Ich möchte Christoph Matschie natürlich auch für seine Zeit als Bildungsminister und stellvertretender Ministerpräsident danken. Denn auch in der Exekutive hat er Thüringen vorangebracht, hat er nicht nur Bildung prioritär gesetzt, sondern er hat vor allen Dingen, er hat es vorhin auch noch einmal ausgeführt, auch immer gekämpft für gute Bildung in Thüringen. Er konnte sich bei seinem Koalitionspartner nie zu 100 Prozent durchsetzen

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Na endlich! Na endlich!)

und ich will mal sagen, wenn die CDU den Koalitionsvertrag mit der SPD eingehalten hätte, dann hätten wir 1.000 Lehrer mehr im System und wir hätten heute definitiv nicht so einen Unterrichtsausfall. Also wenn man eine Hausnummer sucht,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

an die man den Unterrichtsausfall in Thüringen heften sollte, dann sollte das bei der CDU passieren und bei niemand anderem sonst, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

(Abg. Rothe-Beinlich)

Wir wissen, dass wir vor großen Herausforderungen stehen, alle Redner sind darauf eingegangen. Die eine Rednerin hier zur Rechten hat es auf Ihre eigene Art getan, indem sie wieder Ausgrenzungen vollzogen hat. Aber allein die Zeitungsmeldungen dieser Woche machen die Dimension deutlich. Da ist einmal von einem Fehlbedarf an Lehrern die Rede, die eine Gewerkschaft, die GEW, herausstellt, aber natürlich auch von besonderen Herausforderungen in der Nachwuchsgewinnung, also in der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung. Minister Holter war gestern bei der Schulleitertagung und hat deutlich gemacht, wie wichtig auch die Bedienung der Stellschrauben ist, jenseits und ergänzend zu dem, was haushalterisch erfolgen muss. Ich erinnere mich noch gut an heute Nachmittag an die Frage von Kollegen Bühl zum Lindenberg-Gymnasium in Ilmenau bei der mündlichen Fragerunde, wo die Landesregierung geantwortet hat. Diejenigen, die es gehört haben: Es macht auch deutlich, wie auf der einen Seite bei sechs langzeiterkrankten Lehrerinnen und Lehrern auch die Schulverwaltung, die Schulleitung, auch die Eltern natürlich engagiert immer wieder darum kämpfen, das, was wir im System haben, optimal einzusetzen und dazu dann natürlich auch noch die eineinhalb Stellen, die heute Nachmittag Minister Holter zugesagt hat, dort auch einzusetzen, damit auch wirklich Unterrichtsabsicherung gegeben ist.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Was hat denn das mit den Stellen zu tun? Was ist denn das für ein Quatsch!)

Das macht deutlich, wie groß die Herausforderung ist. Wir werden uns auch in den nächsten Monaten und Jahren damit beschäftigen, auch das ist in den Redebeiträgen bisher deutlich geworden.