Protocol of the Session on June 23, 2017

Liebe Kollegen und …

Von daher müssen wir uns doch damit beschäftigen …

Herr Kuschel, wenn Sie Ihren Ton etwas senken, kann ich die Kollegen auch noch etwas stärker und vehementer darum bitten, ihren Ton auch etwas zu senken, und für alle wird es erträglicher.

Ja. Es ist seit einigen Monaten bei der CDU erkennbar, wenn Sie keine Argumente mehr haben, machen Sie nur Krach.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist halt so. Sonst würden Sie zuhören und könnten dann von hier erwidern. Ich habe Ihnen eine ganz einfache Frage gestellt: Erläutern Sie Ihren Erkenntnisgewinn seit 2011 und erläutern Sie mal, welche demokratische Verfasstheit im Landkreis Greiz existiert, wenn in einem halben Jahr nur eine Kreistagssitzung stattfindet, übrigens nur mit Anträgen der Fraktionen, die Landrätin – weiß nicht – ich

glaube, einen oder zwei. Also das heißt, von einer gleichberechtigten Arbeit zwischen den beiden Organen Landrat und Kreistag ist nicht mal ansatzweise was da. Also, von daher können Sie doch nicht sagen, dass dort noch Selbstverwaltung stattfindet. Dort wird verwaltet, aber keine Selbstverwaltung, denn Selbstverwaltung geht nur, wenn der Kreistag mitbestimmen kann.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das ist ganz dünnes Eis!)

Der Landrat ist nur für die Verwaltung zuständig und für den Vollzug von Beschlüssen. Wenn der Kreistag aber gar nicht tagt, werden keine Beschlüsse gefasst. Was will der Landrat dann für Beschlüsse vollziehen? Oder macht das Frau Schweinsburg alles mit sich aus? Kann ja sein. Die Zeiten sind aber vorbei, sieht die Kommunalordnung nicht vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was sind die Effekte der Reform? Wir sorgen dafür, dass Verwaltung künftig überhaupt noch funktioniert.

(Beifall DIE LINKE; Abg. Krumpe, fraktions- los)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Oh, das ist ja unglaublich!)

Dafür sorgen wir. Wir sorgen dafür, dass das Fachkräfteproblem auf der kommunalen Ebene dauerhaft gelöst wird, indem wir Verwaltungsstrukturen haben, die für Fachkräfte interessant sind. Wir sorgen dafür, dass die Einzügigkeit von kommunalen Akteuren und Handelnden verstärkt wird, das heißt, sich Wege für die Bürgerinnen und Bürger verkürzen, weil sie künftig im Regelfall nicht mehr zur Kreisverwaltung gehen müssen, sondern alles bei der Gemeinde erfüllen können.

Wir sorgen auch für eine finanzielle Stärkung der künftigen Kommunalstrukturen, damit die technische Infrastruktur erhalten bleibt, damit die soziale Infrastruktur erhalten bleibt, damit das Ehrenamt gestärkt wird. Auch das setzt leistungsfähige Gemeinden voraus.

Ihre Redezeit ist vorbei.

In dem Sinne diskutieren wir weiter über diese Reform, gestehen ein, dass wir an der einen oder anderen Stelle nachjustieren müssen. Sie sind eingeladen, Sie als CDU, sich in diesen Reformprozess einzubringen in einer ähnlichen Art und Weise, wie das andere gesellschaftliche Akteure bereits getan haben. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Hey.

Vielen Dank. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, mich hat es noch einmal hier vor ans Pult getrieben, weil ich überrascht bin, dass ein eigentlich relativ, ich will jetzt nicht sagen harmloser, aber für alle klar erkennbarer Antrag, in dem steht, dass die Landesregierung gebeten wird, die Schlüsse aus dem Bürgergutachten zu ziehen und hier darüber zu berichten, gleich zu einer Generaldebatte über die Gebietsreform gemacht wurde. Das hat uns am Mittwoch hier im Rahmen einer Aktuellen Stunde beschäftigt, zumindest in Teilen, und heute scheint auch der große Tag der Abrechnung zu sein. Auf welchem Niveau diese Debatte geführt wird, habe ich eben wieder gemerkt, als mir ehemalige Koalitionspartner hämisch hinterhergerufen haben, als ich hierher ans Pult gekommen bin: Jetzt kommen die 10 Prozent, die reden. Dafür auch herzlichen Dank noch einmal in Ihre Reihen. Das hilft uns in der Debatte bestimmt auch weiter.

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Es wird noch weniger werden, wenn ihr so weitermacht!)

Ich bin nach vorn gekommen, weil mich Folgendes überrascht: Der von mir hoch geschätzte Kollege Wolfgang Fiedler hat mehrfach in dieser Debatte gesagt – und ich habe es auch schon von dem einen oder anderen in den letzten Tagen zumindest medial vernommen –: Seien Sie so vernünftig und stoppen Sie endlich diese Gebietsreform. – Das überrascht mich insoweit dann schon, weil das eine relativ klare Aussage ist, und ich will in den nächsten Minuten, die mir verbleiben, bevor die Redezeit zu Ende ist, auch klar darlegen, warum mich das überrascht: weil es eminent gegen das ist, was die CDU seit einiger Zeit im parlamentarischen Handeln auch hier im Landtag vollzieht und ich will das gern erklären.

Zum anderen ist gesagt worden: Da muss erst ein Verfassungsgerichtshof kommen – so hat sich Wolfgang Fiedler fast wörtlich ausgedrückt – und muss dieses Vorschaltgesetz stoppen, so unter dem Motto: Das höchste Gremium der Richter hier in diesem Land muss quasi diesem Wahnsinn ein Ende bereiten. Zumindest kann man das so übersetzen, wenn ich die Debatte mit verfolge.

Ich will versuchen, das mal in ein Beispiel zu kleiden, obwohl ich weiß, dass jedes Beispiel hinkt. Aber stellen Sie sich vor – oder was wir wissen, ich will mal so beginnen, ist, dass wir ein Vorschaltgesetz quasi zur Überprüfung beim Verfassungsgerichtshof in Weimar hatten, und aufgrund eines formellen Fehlers, es ging um die Anhörungsrechte des Parlaments, ein Protokoll hat gefehlt, wurde dieses Vorschaltgesetz jetzt – ich sage mal salopp

(Abg. Kuschel)

für null und nichtig erklärt. Das ist der Stand der Dinge. Das ist, wie gesagt, ein formaler Grund, der für uns alle Anlass sein sollte, darüber nachzudenken, wie die Abläufe hier im Thüringer Landtag auch demnächst angepasst an diesen richterlichen Spruch vollzogen werden müssen. Ich halte das für sehr wichtig, weil es eine Reihe von Gesetzgebungsverfahren gibt, wo es eben auch sehr, sehr gut ist, dass zum Schluss alles so eingetütet werden kann, dass das Gesetz nicht wieder wegen eines bestimmten formellen Vorgangs gekippt werden kann. Ich denke da nur zum Beispiel an Doppelhaushalte, an die Festlegung des Finanzausgleichsgesetzes, den Kommunalen Finanzausgleich, was immer es da auch alles gibt. Und ich sage auch schmunzelnd: Ich möchte gar nicht zurückverfolgen, wie beispielsweise die Gebietsreform 1993 – hier im Landtag sehr leidenschaftlich debattiert und 1994 in Kraft getreten – durch alle wirklich vorliegenden Protokolle der jeweils letzten Innenausschusssitzung gedeckt wurde. Das hat keiner überprüft, aber ich will es einfach noch mal hier in den Raum stellen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da haben wir mit Richard gute Verhandlungen geführt!)

Glaube ich nicht so ganz,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Wieso, da war der noch gar nicht da!)

weil damals ein anderer Innenminister war – Wolfgang, du hast ja eben darauf abgestellt: 1993, Herr Dewes –, aber okay. Ich will es auch nur mal gesagt haben.

(Unruhe CDU)

Ich finde, wenn man das zumindest einmal nüchtern zur Kenntnis nimmt, was die Richter in Weimar da getan haben – und ich glaube, der Respekt diesem Gremium gegenüber gebietet es, dass man es auch ordentlich darstellt –, dann muss man zugeben, dass es, wie gesagt, ein formeller Akt war, der gefehlt hat und zur Nichtigkeit des Vorschaltgesetzes führte. Ich finde das insoweit interessant, als dass – und jetzt komme ich zu dem Beispiel, das hinken mag – ich mich beispielsweise an einem Studenten orientieren würde, der eine wichtige Prüfungsarbeit bei seiner Universität abgeben muss und einen Formfehler begeht, indem er, ich nehme mal an, zum Beispiel ein Datum reißt. Das ganze Ding wird von ihm einen Tag zu spät eingereicht oder kommt durch den Postlauf zu spät an, was auch immer. Und die Professoren weisen diese Studienarbeit zurück und sagen: Das können wir nicht mehr annehmen, es gibt einen formellen Fehler, Sie haben die Frist überschritten. Sie haben aber netterweise – und Ähnliches ist in Weimar auch geschehen – schon mal in die Studienarbeit reingeguckt und gesagt: Das ist im Großen und Ganzen eigentlich alles okay, aber wenn Sie dem

nächst wieder einen Anlauf machen und die nächste Studienarbeit abgeben wollen, dann müssen Sie noch folgende Dinge beachten.

In etwa so kann man sich sehr einfach und holzschnittartig dargestellt den Vorgang, den wir am 9. Juni in Weimar erlebt haben, versuchen zu übersetzen. Nun passiert Folgendes, und das finde ich in dieser Debatte sehr, sehr schwierig, aber auch interessant: Wenn wir dabei bleiben, dass das Vorschaltgesetz in seinem Inhalt nicht geprüft, zumindest aber am Rande in der Medieninformation und wahrscheinlich auch in der Urteilsbegründung, die uns in den nächsten Tagen zugehen wird, mit behandelt wurde, dann fällt auf, dass die Richter mitnichten gesagt haben, diese Gebietsreform ist handwerklich vollkommener Murks. So ist es auch in der Aktuellen Stunde immer angeklungen, so war auch der Titel der CDU-Fraktion hier im Landtag, die das unter diesem Titel angemeldet haben. Da steht auch nicht drin, dass diese Reform vollkommen überflüssig oder falsch wäre, sondern im Gegenteil, die Richter sagen: Wenn ihr so etwas machen wollt, müsst ihr bestimmte Maßgaben, also bestimmte Spielregeln einhalten. Die sind uns in der Medieninformation zumindest in Teilen, die Urteilsbegründung wird etwas umfangreicher ausfallen, schon aufgezählt worden. Übersetzt auf unseren Studenten tobt jetzt eine gewisse Menge in diesem Lande herum und brüllt: Die Uni hat – ich sage es in dem Beispiel – diese Studienarbeit gar nicht durchgehen lassen, also ist der Student de facto erstens vollkommen blöd und zweitens nie wieder in der Lage, eine Uni zu besuchen, und er hat nur Murks gebaut.

Nichts anderes passiert, denn wenn man sagt, dass da erst ein Gericht hingehen muss, um diese wahnsinnige Gebietsreform zu stoppen, muss man dieses Urteil der Richter, das in ein paar Tagen kommen wird, aber auch diese Medieninformation genauer durchleuchten. Es geht gar nicht darum, dass nach einem Selfie-Video, das der CDU-Fraktionsvorsitzende euphorisch wenige Sekunden nach der Urteilsbegründung ins Netz gestellt hat, er gesagt hat, jetzt sei alles gescheitert, eine...

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU)

Das habe ich mir selbstverständlich angeguckt,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Achtzig- tausendmal angeschaut!)

achtzigtausendmal. Das ging ab wie Schmidts Katze, ja klar. Ich habe sogar die Kommentare darunter einer ebenso euphorisierten, zum Teil aber auch geifernden Menge gesehen, wo gesagt wurde: Jetzt müsse aber alles und jedes, was zwei Beine hat in dieser Regierung und irgendwo schon mal das Wort „Gebietsreform“ in den Mund genommen hat, zurücktreten. Und genau das …

(Beifall CDU)

Ja, Sie können auf die Tische trommeln wie die Duracell-Äffchen, aber genau das – aus meiner Sicht heraus – ist dieses Problem. Denn jetzt will ich Ihnen eins sagen …

Ein klein wenig müssen wir uns zügeln.

Ja, Entschuldigung. Ich habe überhaupt keine Probleme mit Gluten und Laktose, da wollte ich mir ein bisschen Parlamentsunverträglichkeit heute leisten.

Sie wollen aber nicht noch einen Ordnungsruf für Kommentierungen?

Nein, natürlich nicht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das, was die CDU da darstellt – zum einen über die Frage, wie das Vorschaltgesetz, vor allen Dingen aus welchen Gründen, dort gekippt wurde, und welche Schlüsse daraus gezogen werden, und zweitens, ob es tatsächlich richtig ist, wenn Wolfgang Fiedler hier vorn am Pult sagt, dass wir jetzt aber die Gebietsreform stoppen müssten – richtig ist, ich will Ihnen auch gern erklären, warum.

Vorhin ist bereits auf den Antrag im Jahr 2011 abgestellt worden, den wir damals noch unter anderen Mehrheitsverhältnissen und unter anderen Farbenspielen hier im Thüringer Landtag verabschiedet haben. Ich habe mich mehrfach an diesem Pult mit steigendem Blutdruck darüber erregt, dass es eine eindeutige Besonderheit, ein Alleinstellungsmerkmal, ich finde, eine bodenlose Frechheit ist, dass ein Antrag, der gemeinsam in der Koalition vereinbart, vorher vom Koalitionsarbeitskreis „Innen“ verabschiedet, von der Mehrheit aller Abgeordneten hier im Hause, damals auch der Grünen und der Linken und Teilen der FDP mit verabschiedet wurde, niemals umgesetzt wurde. Ich will mich heute aber dieser Sache enthalten, weil ich gern noch etwas viel Aktuelleres, noch etwas viel Schöneres, noch ein weiteres Schlagsahnehäubchen des Verhaltens der CDU-Fraktion hier im Thüringer Landtag präsentieren möchte. Am 23.06.2016, das ist noch nicht allzu lange her, nämlich genau ein Jahr – dieser Antrag hat heute Geburtstag –, gab es einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU zur Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses in der Drucksache 6/2344. Diese Drucksache ist die 6/2345.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Habt ihr abgelehnt!)

Ist doch richtig.

Wer gern die AIS-Codes eingeben möchte, kann dem gleich Folge leisten.

Die CDU versucht bei diesem Änderungsantrag Folgendes ins Gesetzgebungsverfahren mit einzubringen: Sie versucht das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen zu ändern. Und zwar sagt die CDU, die Landkreise sollen abweichend von dem, was als Gesetzentwurf, also als Vorschaltgesetz hier debattiert wurde, in der Regel mindestens 80.000 Einwohner haben und es soll Ausnahmen geben können. Das steht darin.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Geschrie- ben haben wir das damals!)

Ja, es ist nun im Geschäftsgang drin, Wolfgang Fiedler.