Ich will konkret für Thüringen sagen: Den Sicherheitsbehörden in Thüringen liegen nach wie vor keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Thüringer Bürgerinnen und Bürger durch religiös beeinflusste Extremisten vor. Daher ist es wichtig zu sagen und ich will es auch erneut an dieser Stelle betonen: Die große Mehrheit der Muslime übt ihren Glauben im Einklang mit dem Grundgesetz aus. Die Zielstellung ihres Antrags, eine Spaltung zwischen „denen“ und „uns“ herbeizuführen, muss deshalb ganz klar zurückgewiesen werden. Thüringen ist ein Land, in dem sich die Menschen frei entfalten können sollen. Auf das grundrechtlich verbürgte Recht auf freie Religionsausübung will ich
an dieser Stelle ganz selbstverständlich hinweisen. Islamistische Gruppierungen haben sich in Thüringen bislang kaum strukturell etabliert. Das Potenzial der eher losen Anhängerschaft beläuft sich im Freistaat auf insgesamt circa 150 bis 200 Personen und ja, das Internationale Islamische Kulturzentrum Erfurter Moschee e. V. stellt dabei in Thüringen die größte Moschee mit den meisten Besuchern dar. Dem Verfassungsschutzbericht 2013 ist auch zu entnehmen, dass das IIKz Erfurt in der Vergangenheit durchaus auch als Ort von salafistischer Propaganda in Erscheinung getreten ist. Diese Aktivitäten des IIKz Erfurt haben in den vergangenen Jahren allerdings stark nachgelassen. Seit dem Jahr 2015 wurden keine islamischen Informationsstände mehr organisiert und auch kein überregionales Islamseminar veranstaltet. Im Ergebnis ist nach aktueller Einschätzung der Sicherheitsbehörden festzustellen: Verschiedene Moscheevereine und Gebetsräume werden zwar von Salafisten frequentiert, jedoch nicht von ihnen dominiert. Insofern ist die Behauptung der AfD, in vielen deutschen Moscheen und islamischen Vereinen würden „Hass und Abgrenzung gegenüber der deutschen Staats- und Werteordnung gepredigt“ – ich zitiere –, für Thüringen jedenfalls nicht zu bestätigen.
Ich weise im Übrigen auf Folgendes hin: Ein Generalverdacht gegen alle Moscheen und islamischen Vereine wäre nicht nur verfassungswidrig, sondern behinderte gezielt die notwendige Integration und würde den hohen Wert der Religionsfreiheit untergraben, und dies ist in unserem Freistaat, der immer für Religionsfreiheit gestanden hat, auch nicht gewollt.
Ich kann dem Hohen Haus gleichwohl versichern: Die Thüringer Sicherheitsbehörden sind nicht blauäugig, sie bleiben beständig aufmerksam und sie beobachten die Entwicklung, sie sind einsatzbereit. Die Einführung einer verpflichtenden Sprachverwendung für religiöse Predigten würde indessen weit in den Schutzbereich der Religionsfreiheit eingreifen, der zudem der religionsrechtlichen Autonomie von Religionsgemeinschaften unterfällt. Ich will deshalb abschließend feststellen: Die Landesregierung unterschätzt die Gefahr, welche von religiösem Extremismus ausgeht, nicht. Sie schenkt ihr ebenso wie der Bekämpfung sämtlicher extremistischer Phänomenbereiche die notwendige Beachtung und alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel werden auch ausgeschöpft, sowohl die rechtlichen als auch die politischen.
Der Kampf gegen politische oder auch religiös motivierte Gewalt gehört sicher zu den zentralen Aufgaben, auch zu den zentralen sicherheitspolitischen Aufgaben. Hierzu zählen selbstverständlich auch
präventive Angebote, die demokratisches Handeln stärken, sowie Maßnahmen, die Radikalisierungsprozesse hemmen. Die Landesregierung arbeitet im Rahmen ihrer Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit mit allen interessierten Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft kontinuierlich zusammen. Unser Ziel ist es daher, einen breiten präventiven Ansatz zu verfolgen, und das steht nicht im Einklang mit dem hier vorgelegten Antrag. Vielen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt. Wer dem Antrag der AfD-Fraktion in der Drucksache 6/3912 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
Das sind die Stimmen aus der AfD-Fraktion. Die Gegenstimmen, bitte. Die Gegenstimmen kommen aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Start einer Erstwähler-Kampagne zur Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Kommunalwahlen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3933
Gibt es den Wunsch nach Begründung dieses Antrags? Es wird keine Begründung gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache. Als Ersten rufe ich Abgeordneten Kellner, CDU-Fraktion, auf.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute den Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen „Start einer Erstwähler-Kampagne zur Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Kommunalwahlen“. Im November 2015 wurde hier mit Ihrer Mehrheit beschlossen, das Wahlalter auf 16 Jahre auf kommu
naler Ebene abzusenken. Ich habe mich schon nach anderthalb Jahren gefragt, was so ein Antrag wohl zu bedeuten hat, denn mir ist noch alles gut im Ohr, warum das Wahlalter auf 16 abgesenkt werden sollte und musste: Weil sich die Jugendlichen unbedingt beteiligen wollen – unbedingt! – und sie alle reif genug sind und sie das möchten.
Da war ja die Erwartung hoch und die Wahlbeteiligung wird damit steigen usw. Das haben wir alles hier hinreichend diskutiert. Die Volljährigkeit haben wir ausgeklammert. Das wurde damals nicht mehr mit beachtet, was ja unser Hauptargument mit war, aber wir haben natürlich auch andere Argumente vorgebracht, aber an der Stelle hat mich das schon gewundert. Das scheint vielleicht auch ein Stück weit symptomatisch zu sein für die drei Fraktionen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Ich will gleich mal zur Gebietsreform den Bogen spannen.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Man kann ja schlecht eine Kampagne machen, bevor man das Gesetz nicht beschlossen hat!)
Auch hier macht man nichts anderes, Frau Henfling, man macht erst mal die Gebietsneuordnung, eine Kreisgebietsreform. Wir machen eine Gemeindestrukturreform, eine Gebietsreform und dann überlegen wir, was können wir den Kommunen eigentlich übertragen, weil die Verwaltungs- und Funktionalreform vorher nicht gemacht worden ist. Ich kenne kein Bundesland, in dem eine Gebietsreform stattgefunden hat, in dem man nicht erst die Aufgaben definiert hat, die man an die neuen Gebietskörperschaften übertragen will, und dann wird geredet.
Ich wollte damit nur verdeutlichen, dass das kein Einzelfall ist, was hier stattfindet, dass man den zweiten Schritt vor dem ersten tut. Genau dieser Antrag, den Sie heute vorgebracht haben, ist für mich symptomatisch dafür, wie Sie mit diesem Thema umgehen. Erst wird das Wahlalter auf 16 mit der großen Erwartung abgesenkt, dass jetzt die Wahlbeteiligung steigt und Ihnen deswegen recht gegeben wurde oder recht gegeben wird in diesem Zusammenhang. Aber wenn Sie sich die Studien angesehen haben – und ich gehe davon aus, dass Sie die Studien alle gelesen haben, sonst hätten wir nämlich heute so einen Antrag nicht –, die im Zusammenhang mit dem Wahlalter ab 16 veröffentlicht wurden, dann wird Ihnen sicherlich auch klar geworden sein, dass es auch in Thüringen unter Umständen nicht so eintritt, wie Sie sich das erhofft haben. Allein schon in Thüringen ist die Wahlbeteili
gung 2016 zur Bürgermeisterwahl im Vergleich zur Kommunalwahl 2014 von 65 auf 52 Prozent gesunken. Da hatten wir aber das Wahlalter mit 16 schon eingebracht. Auch die Studie in Rheinland-Pfalz, bei der die 16-Jährigen gefragt worden sind, ob sie bereit sind, schon mit 16 zu wählen, oder wählen wollen, zeigt, dass das von 60 Prozent der Jugendlichen abgelehnt wird. Die Shell-Studie: 52 Prozent der Jugendlichen sehen sich nicht in der Lage, schon das Wahlrecht auszuüben; 24 Prozent war nur Zustimmung.
Auch die Grüne Jugend Ostalb hat die Umfrage gemacht: 58 Prozent der Jugendlichen lehnen das ab. Jetzt haben wir noch Mecklenburg-Vorpommern: Von 58 Prozent wird es abgelehnt. Das forsa-Institut hat ermittelt, dass 63 Prozent der Jugendlichen dies ablehnen. Darüber sollte man doch mal nachdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob man da auf dem richtigen Weg ist. Aber ich sehe am Antrag, dass Sie schon selbst eingeschätzt haben, dass es so nicht funktionieren wird. Auch die Studien machen deutlich, dass die Selbsteinschätzung der Jugendlichen erheblich weiter ist als der Versuch der politischen Zwangsbeglückung, den man hier versucht. Die Ergebnisse der Umfragen sprechen eine deutliche Sprache. Alle Erwachsenen sind gut beraten, an der Stelle mal auf die Jugendlichen zu hören. Das hat man wissentlich ignoriert. Jeder, der in Schulen und Klassen unterwegs ist und sich dort informiert hat – und ich habe das recht oft getan, aber man kann das auch hier, wenn die Schülerklassen in den Landtag kommen und da sind sie auch recht oft … Ich habe die Frage gestellt, wie die Schüler das Wahlalter mit 16 sehen, und die Mehrheit war nie dafür – bei mir nicht.
Die Studien, Frau Henfling, sprechen letztendlich die gleiche Sprache. Jetzt können Sie sagen, die Studien sind alle falsch. Das können Sie gern tun. Man kann sich natürlich auch etwas in die Tasche lügen, aber das wird Ihnen an der Stelle nicht weiterhelfen.
Jetzt kommen Sie mit dem Antrag, mit dem Sie genau dies korrigieren wollen. Sie haben vor, eine Erstwählerkampagne zur Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Kommunalwahlen zu starten. Das allein zeigt schon, dass Sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind bzw. dass das nicht eingetreten ist, was Sie hier in einer Tour prognostiziert haben. Das ist ein deutliches Eingeständnis dafür, dass Ihre These, die Sie aufgestellt haben, nicht stimmt, sonst hätten Sie das nicht gebraucht.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist ein eindeutiges Zei- chen dafür, dass Sie unseren Antrag nicht gelesen haben!)
Zu dem, was Sie hier reingeschrieben haben, dass sich die Schulen im Rahmen der politischen Bildung etc. dieser Sache widmen sollen, kann ich nur eines sagen: Die Schulen bearbeiten dieses Thema schon lange. Alle Klassen, die ich erlebt habe, auch hier im Landtag, waren sehr gut vorbereitet. Das zeigt mir, dass die Lehrer auch diese politische Bildung sehr ernst nehmen. Aber natürlich können sie den Schüler nicht zwingen, zur Wahl zu gehen. Das muss schon der Schüler bzw. der Jugendliche selbst entscheiden.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Deshalb können wir sie aber nicht zur Wahl zwingen!)
Das ist genau der Punkt: Wenn man an den Jugendlichen vorbei ein Gesetz erlässt, das nicht angenommen wird, haben wir genau das Ergebnis, was heute vorliegt. Ich sehe das als verzweifelten Versuch, hier doch noch das eine oder andere zu korrigieren.
Dann zu Punkt II in Ihrem Antrag, „die ErstwählerKampagne in Zusammenarbeit der zuständigen Fachminister[ien] und der Landeszentrale für politische Bildung sowie mit weiteren staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zu erarbeiten und umzusetzen“. Was sind denn bitte schön „zivilgesellschaftliche Akteure“? Was muss ich mir denn darunter vorstellen? „Zivilgesellschaft“ sagt mir schon etwas. Die „Akteure“ fehlen mir, die hätte man ja auch benennen können. Also auch an der Stelle sehe ich doch, dass Sie nicht weiterwussten und jetzt versuchen, hier einen Antrag einzubringen.
Die CDU-Fraktion – das will ich an der Stelle auch noch mal deutlich sagen – war nicht dagegen, Jugendliche zur Wahl zuzulassen, weil wir das nicht wollten, weil wir vielleicht Angst hatten – wie Sie es darstellen –, dass die Wahlbeteiligung hochgeht oder auch die Falschen gewählt werden.
Mitnichten – wir haben ständig darauf aufmerksam gemacht, dass Jugendliche mit einer Wahl Verantwortung für andere übernehmen. Das war auch ein Hauptargument, was Schüler bzw. Jugendliche vorgebracht haben, dass sie sich nicht in der Lage fühlen, für andere Verantwortung zu übernehmen – nicht für sich selbst, das ist geregelt, aber für andere. Wir haben natürlich auch auf die Volljährigkeit abgestellt, weil letztendlich damit erst die Rechte und Pflichten festgehalten werden und natürlich auch die Verpflichtung, entsprechend Verantwortung übernehmen zu können, um hinterher unter Umständen dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.
An der Stelle möchte ich Ihnen deutlich sagen: Die CDU-Fraktion wird diesem Antrag nicht zustimmen. Auch die Absenkung, die Sie hier noch mal drin haben, das Landtagswahlalter auch auf 16 zu reduzieren, das haben Sie schon reingeschrieben, das geht nur, wenn die Verfassung in Thüringen geändert wird. Das wird Ihnen nicht gelingen, solange wir hier im Landtag sind, weil wir es ganz einfach ernst nehmen, was Jugendliche wollen, die letztendlich in erster Linie entscheiden sollen, ob sie sich wirklich reif genug fühlen, diesen Wahlakt durchzuführen und Verantwortung für andere zu übernehmen. Solange das nicht der Fall ist, sehen wir da auch keinen Handlungsbedarf. Was für uns vor allem ein wichtiger Punkt ist, ist die Volljährigkeit. Das wollte ich an der Stelle noch mal sagen. Und weil das gestern auch noch mal vom Innenminister so angesprochen wurde, dass die CDU das abgelehnt hat, weil wir das nicht wollten, dass Jugendliche zur Wahl gehen: Das ist mitnichten so.
Wir haben das sehr intensiv begründet. Und wenn Sie dieser Begründung nicht folgen wollen, ist das Ihr gutes Recht, aber die Studien an der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, geben uns nun mal recht. Das muss man einfach akzeptieren. Wir haben das getan, den Willen der Jugendlichen akzeptiert.
(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Ja, Sie beeinflussen die Jugend- lichen auch so!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kollegin Frau Marx hat mich gerade noch mal darauf hingewiesen, dass zu viel lachen auch vorzeitige Wehen verursachen kann. Ich bin relativ froh, dass wir das jetzt gerade noch vermeiden können. Ich hätte diesen Redebeitrag nicht mehr halten können.