Protocol of the Session on June 2, 2017

Eine Stärkung der Kindertagespflege hat der Gesetzentwurf leider nicht im Blick, im Gegenteil. In der heute geltenden Fassung des Kita-Gesetzes ist die Möglichkeit, Tagesmütter zu nutzen, zwar anders als jetzt im Regelfall auf zwei Jahre festgeschrieben, aber nicht zeitlich begrenzt. Das heißt, Sie können Ihr Kind auch, bis es drei Jahre oder noch älter ist, bei einer Tagesmutter betreuen lassen, wenn Sie das denn wünschen. Diese Möglichkeit und die damit einhergehende Flexibilität, was auch den Zeitpunkt des Wechsels in eine Kindertagesstätte angeht, den gibt es nach Ihrem neuen Gesetzentwurf nicht mehr. Dort ist eindeutig festgeschrieben, dass eine Betreuung bei einer Tagesmutter über das dritte Lebensjahr hinaus nur für wenige Einzelfälle möglich sein soll. Und diese Einzelfälle müssen separat begründet werden und es ist auch nur zusätzlich zu der Kita außerhalb der Öffnungszeiten möglich. Das heißt, es wird extrem begrenzt. Wenn Sie also Ihr Kind grundsätzlich vielleicht mit drei Jahren in den Kindergarten wechseln lassen wollen, der Kita-Platz aber erst verfügbar ist, wenn Ihr Kind drei Jahre und zwei Monate alt ist, dann haben Sie nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung eigentlich nur eins – nämlich Pech.

Genauso haben Sie Pech, wenn Sie mit Ihrer Tagesmutter beispielsweise zufrieden sind – was durchaus erstrebenswert ist – und erwägen, Ihr älteres Kind gemeinsam mit jüngeren Kindern dort weiterbetreuen zu lassen. Das können Sie nämlich nach dem neuen Gesetzentwurf dann auch nicht

mehr. Wir verurteilen das vor allem, weil sich die Kinderbetreuung nach unseren Vorstellungen den Bedürfnissen der Eltern und der Kinder anpassen sollte und nicht die Möglichkeiten der Eltern von irgendwelchen sinnlosen Regeln beschränkt werden sollten.

(Beifall AfD)

Auch wenn das ein rot-rot-grüner Gesetzentwurf ist, möchte ich die CDU dafür in Mithaftung nehmen. Warum? Weil Sie – wie so oft – die Misere selbst mitverursacht haben. Die CDU hat im Februar 2015 einen Antrag zur Kindertagespflege eingereicht, der dann nach einer langen Zeit im Ausschuss im März 2016 zu einem gemeinsamen Beschluss von CDU, Linken, SPD und Grünen wurde. Aus der ursprünglichen Vorlage der CDU wurde – offenbar, um den Antrag im Einheitsdreieck konsensfähig zu machen – ein entscheidender Aspekt gestrichen. Gestrichen wurde, dass die Kindertagespflege neben der familiären Betreuung und der Betreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichberechtigte Säule der Kinderbetreuung ist. Das habe ich damals kritisiert. Der CDU war es leider egal, weil sie vielleicht offenbar statt schwarz jetzt lieber bunt sein will. Jetzt haben die Eltern nach dem neuen Gesetzentwurf eine Wahlmöglichkeit weniger, was ich persönlich sehr bedauerlich finde.

Dann komme ich zu zwei Aspekten, die mich mehr an die Gebietsreform erinnern als an eine sinnvolle Reform des Kindertagesstättengesetzes. Zum einen gibt es da die Vorgabe aus § 25 Abs. 3 des Entwurfs, dass die Kommunen für Kindertageseinrichtungen, in denen mehr als 100 Kinder betreut werden, eine zusätzliche Förderung in Höhe von 21 Euro pro Kind erhalten sollen. Wozu soll das gut sein? Offenbar wollen Sie Kindertagesstätten jetzt nach dem Vorbild Ihrer Landkreise in der Größe des Saarlands strukturieren.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur Quatsch, es mutet auch seltsam an, wenn eine Fraktion, die sich penetrant gegen Massentierhaltung einsetzt, auf der anderen Seite Masseninstitutionen für Kinder fördert. Liebe Grüne und Grüninnen, Sie sollten mal Ihre Prioritätensetzung überdenken!

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Reden Sie noch zum Thema?)

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie vergleichen Kinderbetreu- ung mit Massentierhaltung – geht es noch?)

Die zweite Änderung, die mich auch mehr an die desaströse Gebietsreform erinnert, ist der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, den Sie in § 31 Abs. 2 Ihres Entwurfs planen. Dort legen Sie fest,

dass die 1.000 Euro Infrastrukturpauschale, die die Kommunen jedes Jahr pro Kind bekommen, nicht mehr nach dem Beschluss der Kommunen für Investitionen in Kitas oder eben auch für die Errichtung und den Erhalt von Spielplätzen eingesetzt werden können, sondern vorrangig Kitas zu fördern sind, die Spielplätze also automatisch hintenanstehen. Das kritisiere ich aus zwei Gründen, zum einen, weil – wie ich schon sagte – Sie damit in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen – denn normalerweise können die Kommunen selbst entscheiden, ob ein Spielplatz schon so marode ist, dass er Vorrang vor der Sanierung einer Kita haben muss oder umgekehrt –, zum anderen, weil eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht. Was passiert, wenn eine Kommune entscheidet, eine bestimmte Sanierungsmaßnahme in einer Kita nicht zu fördern, der Träger der Kindertagesstätte aber weiß, dass irgendwo in der Stadt oder der Kommune bei einem Spielplatz die Bohlen für das Klettergerüst ausgetauscht wurden? Kann der Träger den Anspruch dann einklagen? Was machen Sie dann mit der kommunalen Selbstverwaltung als solcher? Ich hoffe doch sehr – Frau Pelke hat das, glaube ich, schon erwähnt, das begrüße ich –, dass zu dem Gesetzentwurf eine Anhörung stattfinden wird, bei der man dann die Betroffenen auch mal einbinden und fragen kann.

Ein weiterer Punkt, bei dem der Einfluss der Grünen als Verbotspartei durchscheint, ist die Beschneidung der freien Träger in ihrer Satzungsautonomie für die Kindertagesstätten. Ich glaube, Herr Tischner ist darauf auch schon eingegangen. § 29 Abs. 1 Satz 2 Ihres Entwurfs legt fest, dass die freien Träger von Kindertagesstätten ihre Gebühren im Einvernehmen mit den Gemeinden regeln müssen. Satz 2 berechtigt dann die Gemeinden für den Fall, dass kein Einvernehmen hergestellt wird, die mit dem Träger bereits geschlossenen Vereinbarungen wieder zu kündigen. Sie geben den Gemeinden ein Druckmittel in die Hand, was für die freien Träger wiederum geringere Flexibilität bedeutet. Auch dies ist schade, insbesondere weil die freien Träger ohnehin gleichermaßen verpflichtet sind, ihre Gebühren sozial verträglich auszugestalten und diese zusätzliche Einengung ihrer Rechte überflüssig ist.

Es gibt allerdings einen Punkt in Ihrem Gesetzentwurf, bei dem man mal wieder sagen kann: AfD wirkt. Das finde ich schön und den Punkt hat Frau Ohler auch erwähnt. Im letzten Jahr haben wir als AfD einen Gesetzentwurf eingebracht, durch den Mehr-Kind-Familien entlastet werden sollten. Unser Gesetzentwurf sah vor, dass bei der sozialen Staffelung der Kita-Gebühren nicht nur die Kinder einer Familie berücksichtigt werden sollten, die die gleiche Einrichtung besuchen, sondern selbstverständlich alle Kinder, für die die Eltern kindergeldberechtigt sind. Insofern begrüße ich sehr, dass das zu

mindest – leider nur als Empfehlung nicht ganz so verbindlich – hier Eingang gefunden hat.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Danke!)

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zu guter Letzt möchte ich noch auf einen kleinen, aber traurigen Punkt rot-rot-grüner Regierungsfantasien eingehen, und zwar den der Sprache. Die Landesregierung erhebt im Entwurf den Anspruch, das Gesetz sprachlich überarbeiten zu wollen. Wir kennen die Allmachtsfantasien der Grünen und Linken, zum Beispiel von Frau Henfling, die hier im Plenum schon mal begeistert konstatierte „Sprache ist Macht“, oder Frau König-Preuss, die nicht minder begeistert hier im Plenum philosophierte, und das auch noch in falschem Deutsch, deswegen zitiere ich jetzt wörtlich: „weil: Sprache schafft Realität“.

In § 2 Abs. 3 des Entwurfs schreibt die Landesregierung, dass Kinder die Wahl haben sollen, welche Betreuungsform sie in Anspruch nehmen können. Das ist aus meiner Sicht sprachlich wie inhaltlich falsch, denn die Vorstellung, dass bereits ein einjähriges Kind selbst entscheidet und selbst erklärt, dass es doch lieber zur netten Tagesmutter von nebenan gehen will als in die Kinderkrippe, und der nette Sachbearbeiter der Gemeinde dann Ja dazu sagt, ist wohl eher illuster oder eben rot-rot-grün.

(Beifall AfD)

Man kann in der Tat darauf kommen, dass diese absurde Formulierung nicht etwa ein sprachlicher Lapsus, sondern volle Absicht von Rot-Rot-Grün ist, da sich der ganze Spaß auch noch an einer zweiten Stelle findet, die ich Ihnen dann wahrscheinlich zu meiner nächsten Rede erkläre, denn ich sehe gerade, leider ist meine Redezeit vorbei. Vielen herzlichen Dank!

(Beifall AfD)

Danke schön, Frau Muhsal, für die Reaktion. Als nächster Redner hat Abgeordneter Wolf, Fraktion Die Linke, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Kollege Tischner, wenn es manchmal laut wird, manchmal emotional wird, dann hat das sicherlich auch etwas damit zu tun, was vorher hier an diesem Pult gesagt geworden ist. Daran muss man sich auch manchmal etwas deutlicher abarbeiten. Wenn es etwas zu laut war, dann gelobe ich Besserung!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, es freut mich zutiefst, dass auch Sie im 21. Jahrhundert angekommen sind, dass der bildungspolitische Sprecher hier die Rede zum Thema „KitaG“ halten durfte. Das ist eine neue Qualität. Vorher durfte es immer nur die sozialpolitische Sprecherin machen oder musste es machen, je nachdem, denn Kita war noch nie ein besonders beliebtes Thema bei der CDU.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Herr Tischner, wir wollten uns doch gerade darauf einigen, dass wir nicht so laut werden.

Das hat vielleicht noch etwas mit der Familienpolitik der ehemaligen Landesregierung unter Ministerpräsident Althaus zu tun, aber jetzt sind Sie, wie gesagt, im 21. Jahrhundert angekommen. Herzlich willkommen! Wer nicht angekommen ist, ist die AfD-Fraktion. Das macht Frau Muhsal hier wieder mal unmittelbar deutlich, für die AfD ist frühkindliche Bildung nämlich nicht frühkindliche Bildung, sondern immer noch Betreuung.

Herr Abgeordneter Wolf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tischner?

Ganz gern zum Schluss. Dann gibt es vielleicht auch noch einen anderen Hintergrund. Nach meiner Rede dann sehr gern, Kollege Tischner!

Also, die AfD-Fraktion ist bei Weitem noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen, sondern eher in den 60er-Jahren hängen geblieben. Sie spricht immer noch von Betreuung. Sie will ein Familiengeld. Ich war ja ganz überrascht, als Frau Muhsal angekündigt hat, sie hat Bedenken, was die Ausgestaltung der Elterngebühren anbetrifft, und jetzt bringt sie einen Vorschlag, wie man es besser machen kann. Der Vorschlag ist alter Wein in neuen Schläuchen bzw. hier in blau-braunen Schläuchen, nämlich ein Familiengeld, welches tatsächlich überhaupt nichts, und zwar gar nichts, mit frühkindlicher Bildung zu tun hat. Das ist einfach schade.

Tatsächlich ist es so, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch auf der Tribüne und am Livestream, dass heute ein guter Tag ist. Die Landeselternvertretung, die ich natürlich auch von meiner Seite her herzlich begrüße, hat vorhin auch noch einmal gesagt: Gut, dass es jetzt auch noch einmal vor der Sommerpause hier diskutiert wird. Ich sage auch noch einmal ganz bewusst dazu: Gut, dass es hier in diesen drei Tagen diskutiert wird. Wir hatten gestern hier eine spannende, manchmal vielleicht etwas zu emotionale Diskussion über Bildungspolitik. Wir führen heute auch wieder ein bildungspoliti

(Abg. Muhsal)

sches Thema an und wir werden heute eventuell noch dazu kommen, die eigentlichen Grundlagen für Bildung, nämlich gute Finanzierung, mit dem Antrag zum Kooperationsverbot zu diskutieren. Da sieht man, wie breit wir aufgestellt sind, nicht nur im Plenum, sondern insgesamt als regierungstragende Fraktionen und als Landesregierung. Gute Bildung ist uns wichtig und gute Bildung bringt Thüringen voran, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ein guter Tag ist das auch und insbesondere, weil die Eltern – und da muss auch Verlässlichkeit drin sein – tatsächlich in einem Kita-Jahr von den Gebühren entlastet werden.

Es ist auch von Frau Staatssekretärin in ihrer Rede schon gesagt worden, wie wichtig in der Fachwissenschaft, in der veröffentlichten Meinung, aber auch zum Teil an den Tischen einer jeden Familie das Thema „frühkindliche Bildung“ mittlerweile geworden ist. Wir alle wissen, auf den Anfang kommt es an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was im Alter zwischen null und sechs nicht grundlegend gelegt worden ist, das wird später nicht wieder aufzuholen sein. Dort finden die kognitiven Prozesse statt, die den Kindern später in ihrem Bildungsweg die Möglichkeit geben, mit bester Unterstützung an den Schulen dann ihre Bildungserfolge zu erreichen. Deswegen ist es so richtig und wichtig, dass gesamtgesellschaftlich darüber diskutiert wird, dass wir uns immer wieder, immer wieder hier in Thüringen, aber auch darüber hinaus über die besten Wege unterhalten, dass wir uns auch vergleichen und vergleichen lassen über die besten Wege und dass wir dort auch die entsprechenden Schwerpunkte setzen – als Thüringer Landtag, als Landesregierung. Ich bin sehr stolz, dass wir jetzt an dem Punkt sind, hier darüber auch zu diskutieren.

Kitas sind eben keine reinen Betreuungseinrichtungen. Es hat auch was mit Bindung zu tun – natürlich Kollegin Muhsal, was denn sonst? Deswegen ist es auch so wichtig, dass da auch eine personelle Kontinuität, aber eben auf höchstem Niveau stattfindet. Deswegen ist es zum Beispiel auch richtig, dass wir zukünftig im Leitungsbereich auch die Akademisierung mit einbringen. Viele derjenigen, die heute hier an der FH in Erfurt ihren Abschluss machen, warten darauf. Sie wollen auch entsprechend ihrem Bachelor oder Master an den Kitas eingesetzt werden. Die wollen natürlich auch so bezahlt werden.

Deswegen ist es so wichtig – anders, als Kollege Tischner hier betont hat –, dass wir den Leitungsteil auch noch mal aufwerten. Denn anders als Kollege Tischner es hier dargestellt hat, ist es eben gerade die Kita-Leitung, die stellvertretende Kita-Leitung, die Konzeptentwicklung durchführt, die Elterngespräche mit vorbereitet, die Teammanagement betreibt etc. pp. Wir entlasten dadurch gerade auch in der pädagogischen Arbeit und stärken damit auch die pädagogische Arbeit der Kita-Leitung und brin

gen dort unsere Kitas weiter voran. Das ist ein klares Qualitätsindiz für uns.

Wir haben in Thüringen lange Zeit diskutiert: Was ist eine gute frühkindliche Politik? Die einen, seitens der CDU, sagten: Das ist Familienpolitik. Ich habe eben schon gesagt: Gut, dass die CDU das jetzt als Bildungsauftrag versteht. Dementsprechend ist hier Politik auch gestaltet worden, unter anderem durch das Landeserziehungsgeld. Das haben wir schon immer für einen Fehler gehalten – im Übrigen nicht nur wir als Linke, sondern auch SPD und Bündnis 90/Die Grünen – und deswegen ist das jetzt auch abgeschafft worden. Es läuft Ende dieses Jahres aus. Wir haben das nicht abgeschafft, weil wir den Eltern die Gelder nehmen wollen, sondern wir haben das abgeschafft, weil wir das für einen prinzipiellen Steuerungsfehler halten, dass Eltern Geld dafür bekommen, dass sie die Kinder eben nicht an die Kitas geben. Das hat mindestens zwei Implikationen:

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Kinderbe- treuung ist freiwillig! Kein Zwang!)

Erstens: Die Kinder, die dadurch nicht in den Kitas sind, haben nicht die Möglichkeit, nach dem Thüringer Bildungsplan – einer der besten Bildungspläne in ganz Deutschland – bei qualifiziertem Personal – und jetzt kommt das Entscheidende – mit Gleichaltrigen zusammen groß zu werden und zu lernen und zu wachsen und geprägt zu werden, sondern sie werden ausgesondert. Die Bertelsmann Stiftung hat anhand von 5.000 Schuleingangsuntersuchungen klar nachgewiesen, dass die Kinder, die vom 1. bis zum 6. Lebensjahr in den Kitas waren, einen deutlichen Vorsprung vor den Kindern haben, die zu Hause betreut worden sind, nämlich in der Motorik, in der Sprache, aber auch schon in den Bereichen: Was können sie, was bringen sie zum Beispiel im mathematischen Bereich schon mit,

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Manch- mal!)

können sie schon zählen? – Nicht manchmal. Lesen Sie bitte Studien, da steht das ganz klar drin. – Dementsprechend haben wir das von dem Punkt her schon für einen Fehler gehalten. Wir haben es aber auch für einen Fehler gehalten, das sage ich ja ganz klar, weil es ein Sparmodell war. Es war ein klares Sparmodell. Natürlich sind 150 Euro, die seitens der CDU dafür eingesetzt worden sind, deutlich weniger, als wenn ein Kind mit einem Betreuungsschlüssel von eins zu sechs in einer Krippe betreut wird. Nur für die anwesenden Bürgerinnen und Bürger hier im Saal: Da muss man in etwa nur vom Personalkostenanteil mit 45.000 Euro im Jahr rechnen, und das Ganze nimmt man dann durch sechs und das Ganze durch zwölf, da ist man bei mehreren Hundert Euro im Monat. Natürlich war das ein Sparmodell, von Anfang an so angelegt. Dort sollten Kinder – deswegen war das auch richtig: es war

eine „Herdprämie“, wie wir das immer genannt haben –, dort sollten Kinder vom ersten Tag an sagen: Okay, du gehst in die Richtung und du gehst in die Richtung. Das ist nicht unser Ansatz. Was wollen denn überhaupt Eltern? Was wollen Eltern in Thüringen? Das ist ziemlich klar herauszulesen aus der Statistik, auch wieder Bertelsmann-Studie, eine Studie zur frühkindlichen Bildung und Betreuung vom letzten Jahr. Die sagt: die unter Dreijährigen in Thüringen, das sind 27 Prozent der Kinder, in der Woche mit 35 bis 45 Stunden betreut, die ganz Kleinen, und mehr als 45 Stunden 65 Prozent. Da komme ich auf über 90 Prozent derjenigen, die länger als 35 Stunden die Woche betreut und gebildet werden. Auf den Anfang kommt es an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und die über Dreijährigen, fast identische Zahlen, 26 Prozent 35 bis 45 Stunden und 68 Prozent über 45 Stunden. Und deswegen ist es so albern – ich will das hier mal sagen –, es ist albern, wenn diese Partei, diese Fraktion, die ein Bildungsverständnis, ein Familienverständnis, ein Gesellschaftsverständnis der 50er-Jahre hier vertritt, wenn die irgendetwas sagt, sie wäre Volkspartei. Das ist völlig albern, das geht an der Realität derjenigen vorbei,

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Vorschlä- ge! Ihre Argumentation ist albern!)

die hier in Thüringen, die Familien, die Eltern, natürlich auch die Kinder, die hier in Thüringen es zu schätzen wissen, dass wir in Thüringen nicht nur das Land sind, welches als erstes Land hier, zumindest in unserem Territorium, einen Kindergarten hatte, sondern wir nach wie vor gute Bedingungen und auch mit die besten Bedingungen haben. Denn auch aus derselben Studie von Bertelsmann vom letzten Jahr will ich mal die Betreuungsrelation, die Bertelsmann errechnet, nennen – nicht die im Gesetz steht, die kann man natürlich auch vergleichen, sondern die Bertelsmann errechnet. Die nennt sich Personalschlüssel, nämlich: Rechnerische Größe der Relation zwischen den vertraglichen Betreuungszeiten aller Kinder und der vertraglichen Arbeitszeit des in einer Gruppe tätigen Personals. Wie sieht es da aus? In Thüringen haben wir bei den unter Dreijährigen ein Verhältnis von 1 zu 5,3, bei den über Dreijährigen 1 zu 11,4. Nun kann man sagen, das reicht alles nicht aus. Bertelsmann schlägt vor oder die Bildungswissenschaftler dort: Wir müssten bei den unter Dreijährigen bei 1 zu 3 landen und bei den über Dreijährigen bei 1 zu 7,5. Sie wissen aber auch, das würde uns insgesamt 376 Millionen Euro kosten.

Frau Finanzministerin, kein Bundesland kann sich das leisten. Das wissen die auch, sie empfehlen es. Wenn man noch einmal vergleicht, wo wir bei den über Dreijährigen stehen: 1 zu 11,4, wie gesagt, in Thüringen. Wo stehen wir denn da im Ostländervergleich? Nehmen wir mal Ostländer, Westländer – ist schwierig zu vergleichen, weil dort die Betreu

ungszeiten anders sind, das weiß auch jeder, der ein bisschen Ahnung hat. Also, wie sieht es aus: Thüringen 1 zu 11,4, Sachsen 1 zu 13,5 bei den über Dreijährigen, Sachsen-Anhalt 1 zu 11,9 – nah dran an Thüringen –, Brandenburg 1 zu 11,6 – noch näher dran an Thüringen –, Mecklenburg-Vorpommern 1 zu 14,1. Das heißt, wir haben als Flächenland Ost nach dieser Studie die beste Personalausstattung bei den über Dreijährigen. Das heißt aber nicht, dass wir uns darauf ausruhen können.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aber nicht Ihr Verdienst!)