Liebe Kollegen, vielleicht beruhigt sich der Kollege Wolf wieder etwas, wenn die Zwischenrufe auch ein bisschen weniger werden. Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Herr Wolf, Sie haben das Wort.
Sie haben gesagt, dass mit der Zurückholung der Horte Verschlechterung an die Horte gekommen ist. Das stimmt in Bezug auf einzelne Orte, mein Wahlkreis ist insbesondere betroffen. Aber wir haben uns daran gehalten – vielen Dank, Frau Finanzministerin! –: Keine einzige Stelle wurde abgebaut, sondern sie wurde einfach von einem Punkt zum anderen Punkt vermittelt. Da, wo wirklich Not war, da, wo der Personalschlüssel deutlich über 1 : 20 war, wurde es ausgeglichen und da, wo er deutlich unter 1 : 20 war, wurde es eben weggenommen bzw. wurden die Stellen, die frei wurden, nicht wieder neu besetzt. Auch die Gelder, die für zusätzliche Angebote zur Verfügung standen, wurden nicht gekürzt. Vielen Dank, Frau Finanzministerin!, Rot-Rot-Grün hat Wort gehalten.
Und was Sie auch nie hinbekommen hätten, wäre ein Massenbetriebsübergang gewesen, ein Massenbetriebsübergang, wo sich keine Beschäftigte und kein Beschäftigter, der vorher kommunal beschäftigt war, im Beschäftigungsumfang schlechtergestellt hat, und dass wir nicht Tarifrecht brechen.
Ja, das zeichnet eben auch eine Landesregierung von Linken, SPD und Grünen aus, dass wir uns nicht nur an das Grundgesetz, sondern auch an die Tarifverträge halten. Wir kommen da nicht raus. Und deswegen eben auch die Erhöhung des Beschäftigungsumfangs und deswegen der Stellenaufwuchs. Wir stärken damit die Ganztagsschulen.
Letzter Punkt zum Faktencheck, und das ist der entscheidende Punkt, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Die schwarz-rote Landesregierung von 2009 bis 2014 hatte sich verabredet, 2.500 Lehrer VZB einzustellen – 2.500 Lehrer. Anders als Kollege Tischner hier gesagt hat, wurden nicht 1.639, sondern 1.413 Lehrer eingestellt – 1.413. Und es ist Kollegen Matschie als damaligem
Bildungsminister zu verdanken, dass nicht noch deutlich weniger eingestellt worden sind, denn in der letzten Verhandlungsrunde wollte Ihr Finanzminister pro Jahr nur 127 einstellen. Kollege Matschie als Bildungsminister hat damals 400 rausgehandelt.
Jetzt sage ich Ihnen mal was: Wenn wir diese Stellen heute hätten, umgerechnet in Lehrerwochenstunden, wären das 27.000 Lehrerwochenstunden mehr. Wissen Sie, wie groß der Gesamtunterrichtsausfall an den Thüringer Schulen in der Woche ist?
18.275 statistisch. Das heißt, wir hätten deutlich mehr Lehrerwochenstunden, als wir benötigen, wenn Sie Wort gehalten hätten. Und Sie stellen sich jetzt hierhin und kritisieren uns, obwohl wir deutlich mehr Lehrer einstellen!
Das ist doch wohl eine Frechheit, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion! So viel zum Faktencheck. Ich möchte auch noch mal ausdrücklich Kollegen Matschie für seine Arbeit und für sein Engagement damals nicht nur im Bereich Inklusion, sondern auch im Bereich Lehrerneueinstellung danken. Wenn wir das nicht gehabt hätten, dann würden noch viel mehr Stunden ausfallen. Gut, dass wir das jetzt zusammen mit der SPD besser machen können.
Ministerpräsident Bodo Ramelow hat in seinem Interview in der TLZ am 04.03.2017 gefragt und festgestellt: „Das Bildungssystem erzeugt permanent Frust“. Er führte aus, dass Thüringen mit die höchsten Ausgaben pro Kind im Ländervergleich und das beste Lehrer-Schüler-Verhältnis hat und trotzdem erheblicher Unterricht ausfällt. Was also läuft schief im Lande Thüringen, dass heute vor dem Thüringer Landtag und in einigen Städten Thüringens Schüler, Lehrer, Eltern, Erzieher in Sorge um die Zukunft des Thüringer Bildungssystems stehen?
Allen Schülern, Eltern und Lehrkräften sei als Erstes gesagt: Den Anspruch auf ein allen Kindern zugängliches und funktionsfähiges Bildungssystem mit akzeptablen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten teilen wir zutiefst.
Lassen Sie uns aber zusammen über die notwendigen Entscheidungen zur Weiterentwicklung des Thüringer Bildungssystems diskutieren und die besten Lösungen auch finden. Uns allen sollte gelingen, notwendige und zutreffende Kritik mit Lösungskonzept für das Mögliche zu verbinden. Von
daher begrüßt die Fraktion Die Linke, dass die Landesregierung mit Lösungsvorschlägen auf einen Teil der Forderungen der Schüler, Eltern und Lehrervertreter eingeht, mit der Kommission „Zukunft Schule“ in nächster Zeit auch Vorschläge zur Diskussion stellen wird, an der sich wiederum alle eben Angesprochenen beteiligen können, natürlich auch die größte Opposition. Wir alle wissen: Bildung ist das nachhaltigste Kapital, über das Thüringen verfügt.
Ich möchte die Debatte in dieser Regierungserklärung nutzen, um einige aus meiner Sicht wesentliche Probleme im Bildungsbereich zu besprechen, und dabei auch die Erwartung deutlich machen, dass wir diese gemeinsam mit der von uns getragenen Thüringer Landesregierung dann auch lösen können.
Lassen Sie mich zunächst etwas zur Unterrichtsabsicherung sagen. Die Frage stellt sich doch: Ist Unterrichtsausfall neu? Das ist eben nicht so. Bereits 2008, vor dem Urteil zur Vollzeitverbeamtung, gab es in Thüringen statistisch 3,5 Prozent Unterrichtsausfall, das wissen Sie auch. Es geht bei knapp 800 Dienststellen, bei einer Stundentafel, die sehr ausdifferenziert ist, nicht, unbedingt immer sofort einen Ausgleich zu finden, außer wir haben Ressourcen im System, die sich kein Mensch leisten kann.
Ich habe schon ausgeführt, dass Thüringen heute noch das beste Lehrer-Schüler-Verhältnis hat. Trotz alledem haben wir steigenden Unterrichtsausfall. Mit der Lehrervollzeitverbeamtung 2008 entstanden Überhänge in etwa von 1.130 Stellen. Diese Überhänge wurden klug genutzt – auch von der vorherigen Landesregierung – im Bereich Schulentwicklung, im Unterstützungssystem, in der Förderung des Ganztags auch über den Primarbereich hinaus. Das war auch gut so. Aber es war auch klar – Minister Hoff ist heute Morgen darauf eingegangen –, diese Überhänge werden nicht ewig bestehen. Man hätte sicherlich einen Korridor anders beschreiten können. Man hätte sich, wie ich eben schon ausgeführt habe, auch an Koalitionsverträge halten müssen, sodass wir diesen abrupten Wechsel nicht haben oder nicht in dieser krassen Form haben. Aber es war klar: Diese Überhänge wird es nicht ewig geben.
Nun ist es natürlich so: Jedes System und jeder Mensch gewöhnt sich natürlich auch ein Stück weit an gute Verhältnisse. Und da streiten oder diskutieren wir natürlich auch mit den Verbänden, mit den Gewerkschaften, was wir uns zukünftig noch leisten können als Thüringen, als Nehmerland, als Land mit zurückgehenden Haushalten. Das wissen Sie doch auch, dass da nicht die Bäume in den Himmel
Zur Unterrichtsabsicherung gehört es aber auch, dass wir genügend gut ausgebildete, und zwar in den entsprechenden Fächern ausgebildete junge Menschen haben, und das nicht nur im Bereich der Lehramtsanwärter, sondern auch bei denjenigen, die auf Lehramt studieren. Das war bis 2011 völlig ungeregelt. Da konnte jeder studieren, wie und was er wollte. Berufswahlfreiheit ist auch hohes Gut. Nichtsdestotrotz geht es natürlich auch darum: Was brauchen wir? Wie wollen wir, wie können wir Ressourcen im Hochschulbereich so einsetzen, dass wir zukünftig auch den Fachlehrer hier in Thüringen haben? Auch da noch mal meinen Dank an den damaligen Wissenschaftsminister Christoph Matschie, dass er einen Vorschlag erarbeitet hat, wie eine Fachkombinationsvorschrift aussehen kann, damit sie kleine Fächer mit großen Fächern kombiniert. Wir werden uns das natürlich noch mal ansehen, was davon wirklich wirkt. Wir wissen um die Kritik der Studierenden auch heute noch, die sich dort wirklich eingeschränkt fühlen. Aber wir stehen dazu und finden das nach wie vor richtig, dass die Fachkombinationsvorschriften dementsprechend ausgestaltet worden sind.
Zweites Beispiel: Die CDU-Fraktion – das muss man hier so sagen – bekennt sich immer noch zu dem Kabinettsbeschluss der vorhergehenden Landesregierung unter Leitung der CDU zur Personalentwicklung. Ich habe bis heute noch keinen Gegenvorschlag der CDU-Fraktion gehört. Sie bekennt sich dazu. Sie äußert sich auch nicht wirklich zu unserem Vorschlag zur Personalentwicklung 2025. Ihr Vorschlag sah vor, dass wir bis zum Schuljahr 2021/2022 noch in etwa 1.200 Stellen im Schulbereich abbauen müssen. Wissen Sie überhaupt, was das heißt – ich kann es Ihnen wiederum in Lehrerwochenstunden vorrechnen – und wie sich damit der Unterrichtsausfall verschärfen würde? Das ist Ihre Politik, die haben wir geerbt, die korrigieren wir jetzt und das ist richtig so.
Und die werden wir auch jeweils immer wieder gemessen an den Anforderungen anpassen. Aber sich hierhinzustellen und zu sagen, dass das alles Rot-Rot-Grün ist nach zweieinhalb Jahren, und sich nicht zur eigenen Verantwortung zu bekennen, das ist keine verantwortungsvolle Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU.
Was haben wir gemacht? Wir haben in den zweieinhalb Jahren so viele Lehrerinnen und Lehrer eingestellt wie in den letzten 15 Jahren vorher nicht mehr – so viele Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben uns – Minister Hoff ist schon darauf eingegangen – auch mit den Sonderbedingungen derzeit im Schulsystem beschäftigt, indem wir 130 DaZ-Lehrer eingestellt haben, die wir jetzt entfristen. Das hat auch
was mit guter pädagogischer Arbeit zu tun. Die werden Qualifizierungsangebote erhalten, damit sie ihre möglicherweise noch nicht vollständig vorhandene Lehrbefähigung auf die Stundentafel auch nachholen können, sodass wir die DaZ-Kompetenz zusammen mit der notwendigen Entwicklung auf die Stundentafel hin natürlich einstellen.
Und auch da ist der Faktencheck wieder völlig falsch, was hier Kollege Tischner verbreitet hat. Wir halten diese Lehrer auch im System. Wir haben begonnen, eine Vertretungsreserve mit 100 Lehrern aufzubauen. Das war ein wichtiger Schritt. Das hat viel Entlastung gebracht. Wir haben damit deutlich gemacht, wo die Schwerpunktsetzung für uns liegt, nämlich in der Unterrichtsabsicherung, was ein schwieriges Feld ist, keine Frage, und in der Schulentwicklung.
Diejenigen aber, die heute Neueinstellungen von weiteren Lehrern fordern – und da haben wir eine ganze Bandbreite an Forderungen, die zum Teil wirklich nicht gut durchdacht sind, um es mal vorsichtig zu formulieren –, denen möchte ich sagen: Jawohl, wir brauchen weitere Stellen, wir brauchen auch Instrumente, um dem Unterrichtsausfall zu begegnen. Dazu werde ich gleich einen Vorschlag machen, darauf werde ich gleich noch zurückkommen. Wenn man sich aber damit beschäftigt und sagt – und das hat der Kollege Tischner gerade eben getan –, da geben wir mal Geld, da geben wir mal Stellen rein, dann ist alles wieder gut, da können wir alle Strukturen und jeden Kirchturm bedienen, da sage ich, dass das an der Entwicklung vorbeigeht. Das geht deutlich an der Entwicklung vorbei.
Ich will Thüringen mit einem durchaus attraktiven anderen Bundesland vergleichen, das ist Schleswig-Holstein. Das ist auch ein Flächenland, hat in etwa 300.000 Schülerinnen und Schüler – wir haben in etwa 180.000 –, hat für die 300.000 Schülerinnen und Schüler im allgemeinbildenden Schulbereich in etwa 19.500 Lehrerinnen und Lehrer in Vollzeit – wir haben in etwa 14.500 –, hat ein Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1 : 15 – wir haben ein Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1 : 11,5. Was ist nun anders? Jetzt könnte man sagen, dass das in Schleswig-Holstein wohl alles schlechter sein wird. Wir wissen, Thüringen erzielt nach wie vor – und das ist auch gut so – beste Ergebnisse bei Vergleichsstudien, auch wenn der Gehalt von Vergleichsstudien manchmal durchaus hinterfragt werden kann. Aber es gibt drei Indikatoren, die stimmen mich dann doch nachdenklich, wo wir nämlich mit Schleswig-Holstein gleich sind bei deutlich besserer Personalausstattung und wo wir zum Teil schlechter sind. Das eine sind Absolventen mit Hochschulreife. Hier haben wir beide in etwa 42 Prozent des Jahrgangs. Was anderes sind die Abgänger ohne Abschlüsse, beide in etwa 7,5 Prozent. Der dritte Indikator ist die Integrationsquote,
also die Inklusionsquote. Minister Hoff hat heute Morgen schon gesagt, Thüringen hat nahezu 40 Prozent erreicht – dritter Dank an Kollege Matschie, da schließe ich mich gern an, was Minister Hoff heute Morgen gesagt hat, das hätten wir ohne Minister Matschie und seinen Staatssekretär nicht geschafft. Thüringen hat in der Inklusionsquote, wie gesagt, knapp 40 Prozent erreicht, aber SchleswigHolstein steht dort deutlich besser da. SchleswigHolstein hat 65,3 Prozent, und das mit deutlich weniger Personal. Woran liegt das nun also?
Letzter Punkt: Der Unterrichtsausfall unter anderem an Gymnasien in Schleswig-Holstein liegt bei 2 Prozent, bei uns liegt er deutlich über 5 Prozent.
Woran liegt das also? Da nehmen wir uns mal die durchschnittliche Größe eines Gymnasiums in Schleswig-Holstein: Sie liegt bei 840 Schülerinnen und Schüler, in Thüringen bei 510; an den Grundschulen in Thüringen so in etwa bei 160, in Schleswig-Holstein bei 240. Was heißt das? Wenn ich eine größere Schuleinheit habe, dann bin ich natürlich deutlich flexibler im Personaleinsatz. Da kann ich natürlich auch vertreten lassen, da sind die Lehrer vor Ort, das sind dann eben keine Reisekader mehr; das macht nämlich auch krank, das macht kirre, man ist nicht mehr an der Schule etc. pp.
Also größere Schuleinheiten sind durchaus für die Unterrichtsabsicherung ein Gewinn. Wenn wir als Thüringer, also als rot-rot-grüne Koalition zusammen mit der Thüringer Landesregierung, ein Schulbauinvestprogramm in den Blick nehmen – Minister Hoff hat das heute Morgen ausgeführt – von insgesamt knapp 300 Millionen Euro, auch mit Bundesmitteln, aber eben mit vielen Landesmitteln in dieser Legislatur – damit fünfmal so viel wie in der vorhergehenden Legislatur –, dann heißt das eben genau das, dass wir Schulstandorte so ausgestalten wollen und so ausgestalten müssen, dass dort eben auch mit einem optimierten Personaleinsatz zu rechnen ist – das ist unsere Aufgabe –, damit eben weniger Unterricht ausfällt und trotzdem die entsprechenden Ergebnisse zu erwarten sind.
Das alles kostet Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das lässt sich nicht von heute auf morgen machen. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass das Personalentwicklungskonzept 2025 von der Landesregierung jetzt aufgelegt worden ist und dass wir da weiter in Diskussion bleiben. Denn jede Veränderung, gerade am lebenden Körper „Schule“, braucht eben auch die Zeit und braucht eben auch die Investition, die wir vornehmen und die Sie nie vorgenommen haben, weil Sie eben kein Konzept hatten und nach wie vor nicht haben, das hat ja die Rede des Kollegen Tischner hier deutlich gemacht.
Deswegen ist es gut und richtig, dass wir jetzt deutlich mehr Neueinstellungen vornehmen, als wir uns das vorgenommen haben, als wir es bei der Verhandlung des Koalitionsvertrags überhaupt in den Blick nehmen konnten.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Fraktion Die Linke schlägt deshalb ein Zukunftsprogramm „Gute Schule“ vor. Erstens: Wir wollen zusätzliche Maßnahmen zur Unterrichtsabsicherung. Zweitens: Wir wollen Aktivitäten im Bereich Lehrerbildung. Wir wollen – drittens – eine Verbesserung im Bereich Besoldung. Wir wollen – viertens – Maßnahmen zur Entlastung von Lehrern.