Vielleicht – ich habe zwischendurch immer mal dazwischengerufen – müssen Sie sich mal belesen, das würde ich Ihnen einfach raten und uns jetzt hier nicht hinzustellen als Menschen, die, nur weil sie ideologisch einen gewissen Willen haben, hier Sachen erfinden, die gar nicht stimmen. Dem ist nicht so. Wir haben Zahlen genannt. Wir haben die Fälle, die uns beispielsweise von ezra genannt werden. Wir kennen persönlich Menschen, wo wir wissen, die sind Opfer eines rassistischen Übergriffs geworden, die sind jetzt nicht mehr da und das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt und es gibt überhaupt kein staatsanwaltschaftliches Verfahren, weil eben der Opferzeuge oder die Opferzeugin nicht mehr in Thüringen ist.
Ich habe mich auch gemeldet, um noch einmal zu bekräftigen, was Astrid Rothe-Beinlich hier vorhin schon einmal in Bezug auf die rechtspopulistische Fraktion hier im Haus gesagt hat. Unwahrheiten werden nicht richtiger, je öfter und je lauter man sie wiederholt, meine Damen und Herren, auch nicht, wenn es profilneurotisch und mit irgendwelchen Allmachtsfantasien hier am Pult geschieht. Ich finde, es ist schon Ausdruck von großer Dreistigkeit mit unwahren Behauptungen, es gäbe keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, ohne eine einzige Zahl belegen zu können, die von den Vorrednerinnen und Vorrednern mit Quellenangaben belegten Zahlen und Fakten infrage stellen zu wollen. Das ist nicht nur lächerlich, das ist auch sehr selbstentlarvend, meine Damen und Herren.
Zum Schluss möchte ich noch mal meiner Verwunderung und meinem Erschrecken Ausdruck verleihen, wie groß die Ablehnung ist, dass das humanitäre Bleiberecht nicht nur auf die von der Gewalttat, der gewalttätigen Straftat verletzten Betroffenen gelten soll, sondern auch für die Angehörigen. Wer schon einmal Opfer oder Verletzter eines gewalttätigen Übergriffs geworden ist oder wer wie die von Astrid Rothe-Beinlich schon benannte Empathie besitzt, der weiß, dass bei derartigen Erfahrungen die Belastung dadurch gemindert werden kann, dass man im Kreis seiner Lieben, im Kreis seiner Familie Trost und Halt finden kann. Solche Familien auseinanderzureißen, wäre unmenschlich. Unmenschlicher geht es nicht.
Frau Berninger, die Zahl, die ich von hier vorn verbreite, die Zahl stimmt – ich gehe mal davon aus, weil sie von Ihrem Minister stammt –, die Zahl heißt Null. Null ist die Zahl der Fälle, die einschlägig sind für das, was Sie hier regeln wollen. Und wenn Sie jetzt gerade irgendwas zitiert haben aus einer Zeitung von Januar 2017, wenn ich Sie richtig verstanden habe,
wo angeblich irgendwelche Fälle breitgetreten wurden, dann verstehe ich nicht, warum der Minister drei Wochen später davon nichts wusste. Wahrscheinlich waren es dann erfundene Nachrichten der Zeitung oder falsche Nachrichten. Aber ich glaube zunächst mal lieber sogar einem grünen Mi
nister mehr als einer Zeitungsmitteilung. Wenn der Minister dann von sich gibt, es gibt keinen Fall, dann glaube ich dem.
Ich weiß nicht, warum Sie sich dann plötzlich auf irgendwelche Zeitungen berufen. Ich weiß nicht, welche das war. Sie tun so, als wenn da die absolute Wahrheit drin stehen würde, was offenbar nicht der Fall ist, sonst hätte der Minister ja die Unwahrheit gesagt. Also irgendwas stimmt da mit Ihrer Argumentation auch insoweit nicht.
Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werde jetzt nicht wörtlich zitieren, weil ich das nicht darf. Aber der Minister hat im Ausschuss nicht gesagt, es gäbe keine Fälle, sondern er hat gesagt, er kennt nicht alle Strafverfahren in Thüringen und kann deswegen die Frage nicht beantworten. Er will jedoch dafür sensibilisieren, auf dieses Thema stärker zu achten.
Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat sich Frau Staatssekretärin Dr. Albin zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der vorliegende gemeinsame Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zielt darauf ab, durch ein humanitäres Bleiberecht der Opfer bzw. Zeugen rechtsmotivierter Straftaten ein laufendes Strafverfahren abzusichern sowie eine Wiedergutmachung für Opfer rassistischer und rechter Gewalt zu leisten. In diesem Zusammenhang wird die Landesregierung unter anderem gebeten, statistische Informationen zu Fällen rassistischer und rechtsextremer Gewalt an Flüchtlingen bereitzustellen und auf der Grundlage der aufenthaltsrechtlichen Regelungen zu prüfen, ob ein ermessenslenkender Erlass zur Erteilung von Aufenthaltstiteln und Duldun
gen bzw. einer Abschiebungsaussetzung zugunsten der Opfer rassistischer und rechtsextremer Gewalt gegenüber den Ausländerbehörden erlassen werden kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, der besorgniserregende bundesweite Anstieg politisch motivierter Gewalttaten erfordert es, dass wir handeln und die Instrumente unseres Rechtsstaats ohne Wenn und Aber zur Anwendung bringen. Das sind wir den Opfern solcher Straftaten, wie im Übrigen allen Opfern von jeglichen Straftaten in jedem Fall schuldig und die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land vertrauen genau darauf.
Daher begrüße ich als Vertreterin des Migrationsund Justizministeriums ausdrücklich die Zielrichtung des vorliegenden Antrags der Koalitionsfraktionen, durch ein Bleiberecht der Opfer bzw. Zeugen einer rassistischen und rechtsextremistischen Gewalttat ein laufendes Strafverfahren abzusichern. Denn Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit ist es gerade, solche wie im Übrigen auch alle anderen Straftaten konsequent zu verfolgen, die Durchführung des hierzu notwendigen Strafverfahrens abzusichern und daher ausländischen Opferzeuginnen und -zeugen einer rechtsextremistischen und rassistischen Gewalttat bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens eine stabile Aufenthaltssituation zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, nach meiner festen Überzeugung darf kein Strafverfahren scheitern, weil das Opfer zwischenzeitlich Deutschland verlassen musste. Nicht nur hat jedes Opfer ein Recht darauf, seine Belange im Strafverfahren effektiv zu vertreten und dabei zu sein, wenn die Entscheidung des Gerichts ergeht. Es wäre darüber hinaus auch eine Niederlage des Rechtsstaats, wenn Täter das Gericht mit einem Freispruch verlassen könnten, wenn der Tatnachweis nach einer Abschiebung des Opfers nicht mehr gelingen kann.
Und wir alle wissen, dass ein Geständnis des Tatverdächtigen aus dem Ermittlungsverfahren gern einmal widerrufen wird und dann doch die Einvernahme von Zeugen und gerade des Opfers notwendig wird. Im Freistaat Thüringen wurden in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt neun Abschiebungen ausgesetzt, weil die Anwesenheit der betreffenden Personen für die Durchführung eines Strafverfahrens für sachgerecht erachtet wurde. Nach der derzeit geltenden Rechtslage, das ist richtig, ist gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbre
chens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Im Übrigen kann einem Ausländer eine Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, eine verpflichtende Regelung, dem Opfer Aufenthalt zu gewähren, enthält das Bundesrecht in § 60 a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes also nur für die Verfolgung von Verbrechen, etwa Mord, Totschlag oder Brandstiftung. Die häufigsten Taten gegen Geflüchtete sind jedoch gerade Körperverletzungsdelikte und hier auch die gefährliche Körperverletzung, wenn der Angriff mit Waffen oder einer das Leben gefährdenden Behandlung durchgeführt wurde. Das aber sind nach dem Strafgesetzbuch bloße Vergehen. Für Vergehen enthält das Aufenthaltsgesetz keine verpflichtende Regelung, aber Optionen, die wir nutzen müssen und nutzen werden. Denn auch an der Aufklärung solcher Vergehen, wie etwa einer gefährlichen Körperverletzung, muss der Rechtsstaat ein elementares Interesse haben.
Daher muss auch hier dafür Sorge getragen werden, dass diese Straftaten konsequent verfolgt werden und insofern das hierfür notwendige Strafverfahren abgesichert ist. In jedem Einzelfall ist also sorgfältig zu prüfen, dies mit einem Bleiberecht für Opfer bzw. Zeugen rassistischer und rechtsextremistischer Gewalt zu gewährleisten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Dann stimmen wir – Ausschussüberweisung ist nicht beantragt – über den Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/3760 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen und der Abgeordnete Krumpe. Gegenstimmen? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD. Stimmenthaltungen? Vom Abgeordneten Gentele. Damit ist der Antrag angenommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.
Klappt ja, wie im Zirkus, wunderbar. Die Angst vor Terrorismus erreicht neue Rekordhöhen in Deutschland. Über 73 Prozent der Befragten der renommierten Ängste-Studie der R+V Versicherung in Ost und West haben Befürchtungen, was terroristische Akte angeht. Nach den Anschlägen auf das Word Trade Center in New York 2001 hat sich die Angst vor terroristischen Attentaten im Durchschnitt der Jahre 2014 nahezu verdoppelt und nahm 2015 und vor allem 2016 noch weiter zu, so weit, dass sie im letzten Jahr auf Platz 1 der Ängste in Deutschland landete. Diese Angst ist berechtigt.
2016 erschütterten fünf islamistische Terrorakte unser Land. So viel wie nie zuvor. In drei Fällen – Ansbach, Würzburg und Berlin – waren die Täter Asylbewerber, von denen zwei beim großen Massenzustrom 2015 nach Deutschland kamen. So viel zur Aussage, die Migrationskrise würde gar nichts mit steigender Terrorismusgefahr zu tun haben.
Die Ausländerkriminalität, insbesondere die Kriminalitätsbelastung durch die während der Migrationskrise illegal nach Deutschland Gelangten, erklimmt neue Höhen. Die Anzahl der tatverdächtigen Asylbewerber, Geduldeten, Illegalen und Bürgerkriegssowie Kontingentflüchtlinge – im BKA-Jargon „Zuwanderer“ – steigt um mehr als die Hälfte. Bei manchen schweren Straftaten wie bei solchen gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind Zuwanderer im obigen Sinne weit überproportional vertreten. Im Bund stellen sie 14,9 Prozent der Tatverdächtigen, während ihr Anteil an der Bevölkerung bei höchstens 2 Prozent liegt. In Thüringen sollen 6,7 Prozent der Tatverdächtigen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Zuwanderer im obigen Sinne sein, bei einem Bevölkerungsanteil von 1,1 Prozent.
Die Migrationskrise hat zu einer gravierenden Verschlechterungslage der inneren Sicherheit in Deutschland und in Thüringen geführt. Es gilt, Maßnahmen zu ergreifen, um diese wieder umfassend wiederherzustellen.
Justizminister Maas hat unrecht. Es gibt ein Grundrecht auf Sicherheit. Wer etwas anderes behauptet, stellt den Existenzzweck des Staates infrage. Vielen Dank.
Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat Abgeordnete Berninger, Fraktion Die Linke, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Zuschauerinnen am Livestream! In der Begründung dieses AfD-Antrags heißt es, Thüringen stehe im Fadenkreuz des internationalen islamistischen Terrorismus.