Sozialpolitik ist von jeher vom Prinzip der Subsidiarität geprägt, das aus der katholischen Soziallehre entlehnt ist. Wir stehen für den handelnden Staat ein, der sozialpolitisch Rahmen setzt und tätig ist. Gleichzeitig fördern und unterstützen wir die Selbstorganisation in Initiativen, Vereine und Verbände, freie gemeinnützige Institutionen, die wichtige Träger der sozialen Infrastruktur in unserem Land sind. Dafür, dass sich Verbände, Vereine und Initiativen für soziale Gerechtigkeit einsetzen, dass wir um den Erhalt und den Ausbau des Sozialstaats kämpfen, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, um die sozialpolitischen Ziele dieser Koalition zu erreichen, Armut zu vermeiden, Arbeit und soziale Sicherheit zu garantieren, nutzen wir Mittel des Bundes und der Europäischen Union. Gerade deshalb werde auch ich mich in die Bemühungen der Landesregierung einbringen, die Fusionsfonds der EU so auszugestalten, dass Thüringen auch nach 2020 weiterhin aktive Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfond betreiben kann.
Der Bundesebene ist, wie Sie wissen, das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket von eminenter Bedeutung. Sie wissen ebenfalls, dass dieses Bildungs- und Teilhabepaket umstritten ist, auf den Punkt gebracht zu bürokratisch, nicht ausreichend, nicht wirkungsvoll genug. Auch ich vertrete diese Sichtweise. Lassen Sie mich beispielhaft dafür die Leistungen für die Deckung des Schulbedarfs in Höhe von 100 Euro jährlich und die Leistungen für die soziokulturelle Teilhabe in Höhe von 10 Euro monatlich nennen. Sie alle, meine Damen und Herren, wissen von Ihren Kindern und Enkelkindern, welche Kosten monatlich für Schule und Teilhabe an Vereinen oder kulturellen Angeboten entstehen. Da reichen monatlich 8,33 Euro für den schulischen Bedarf und 10 Euro für die Teilhabe am Verein zum kulturellen Leben einfach nicht aus.
Weil die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets nicht für die Überwindung von Benachteiligungen und gesellschaftlicher Ausgrenzung von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher ausreichen, erwarte ich von der künftigen Bundesregierung, dass sie hier spürbar umsteuert. Zudem muss sie sich für eine Infrastruktur einsetzen, die allen Kindern zugutekommt. Besonders betonen möchte ich, dass die Notwendigkeit des Umsteuerns hinsichtlich der Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II und dem SGB III gilt. Deshalb hat der Bundesrat mit unserem Mitwirken die Bundesregierung aufgefordert, die Berechnungsmethode zur Bestimmung der Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche endlich der Lebensrealität anzupassen. Die aktuelle Bundesregierung ist dieser Aufforderung bislang nicht gefolgt. Gleichzeitig beklagt sie in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht die wachsende Kinderarmut in Deutschland. Die künftige Bundesregierung darf sich deshalb nicht das derzeit vorherrschende Prinzip, Feuer zu rufen und dann tatenlos zuzusehen, wie das Haus abbrennt, erneut zu eigen machen.
rin Nahles, hat erkannt, dass die Reform unseres Rentensystems zwingend notwendig ist, um im Alter ein Leben in Würde zu ermöglichen. Bei mancher Differenz im Detail unterstütze ich sie in der Sache. Bereits als Vorsitzende der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder war mir die Verhinderung von Altersarmut ein wichtiges Anliegen. Die jüngst überfällige Anpassung der Ostrenten hat die Bundesregierung zwar kürzlich als Gesetz vorgelegt, zufrieden stellt mich dieses Gesetz jedoch nicht.
Zwar begrüße ich das Ziel der Rentengerechtigkeit ausdrücklich, der Anpassungszeitraum bis 2025 ist freilich deutlich zu lang ausgefallen.
Auch wäre eine Finanzierung ausschließlich aus Steuermitteln sinnvoller gewesen, wie viele Expertinnen und Experten forderten. Falsch ist nach meiner Ansicht der gleichzeitige Wegfall der sogenannten Hochwertung. Damit werden derzeit noch die Unterschiede im Einkommensniveau zwischen den alten und den neuen Ländern ausgeglichen. Das Durchschnittsentgelt hat in den neuen Ländern derzeit erst 89,3 Prozent des Werts der alten Länder erreicht. Somit bestehen immer noch markante Unterschiede. Bei dem gegenwärtigen Tempo der Lohnentwicklung ist nicht zu erwarten, dass die Durchschnittsentgelte in Ostdeutschland 2025 das Niveau der alten Länder erreicht haben werden. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Rente in den neuen Ländern oftmals die einzige Einnahmequelle im Alter ist, somit steigt auch das Risiko der Altersarmut. In Thüringen beziehen derzeit mehr als 5.000 Menschen Grundsicherung im Alter. Angesichts der nach 1989 häufig unterbrochenen Erwerbsbiografien und der niedrigen Löhne in Thüringen, die lange Zeit sogar als Standortvorteil gepriesen wurden, ist bei sinkendem Rentenniveau in Zukunft ein weiterer Anstieg der Altersarmut zu erwarten. Deshalb hat Thüringen im Bundesrat die Beibehaltung des Hochwertungsfaktors gefordert, bis das Durchschnittsentgelt Ost annähernd den Wert in den alten Ländern erreicht hat. Ich erwarte deshalb, dass die künftige Bundesregierung mit einer Rentenreform gegensteuert, die die Bezeichnung „Reform“ auch wirklich verdient.
Unabhängig davon tut die Thüringer Landesregierung das in Ihrer Macht Stehende, um der Armut und den Ursachen der Armut entgegenzuwirken. Das gilt für Sozialleistungen, das gilt für die Renten, das gilt für das Arbeitslosengeld und das gilt auch für Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts.
marktentwicklung spielen bei der Sicherung des sozialen Wohlstands eine zentrale Rolle. Erwerbslose Menschen bilden bundesweit mit einem Anteil von 59 Prozent die größte Gruppe der von Armut betroffenen Menschen, so der Paritätische. Wir sind in Thüringen aufgrund der guten Konjunktur und aufgrund der demografischen Entwicklung in der erfreulichen Situation, dass die Arbeitslosigkeit kontinuierlich sinkt. Darauf habe ich am Beginn hingewiesen. Wir können mit Stolz feststellen, dass unsere Arbeitsmarktprogramme wirken. Dabei konnte ich als Arbeitsministerin auch auf Förderinstrumente aufbauen, die in der vergangenen Wahlperiode auch gegen Widerstände entstanden sind. An dieser Stelle herzlichen Dank an meine Vorgänger im Amt, an Frau Taubert und Herrn Machnig.
Unsere rot-rot-grüne Koalition zieht nun gemeinsam an einem Strang. Wir haben die zeitgemäße Anpassung und die wesentliche Erweiterung der Arbeitsmarktprogramme vorgenommen. Das war unter anderem deshalb notwendig, weil 33,9 Prozent aller Erwerbslosen länger als ein Jahr ohne Beschäftigung sind. Nicht vergessen dürfen wir auch diejenigen, die in der bundesweiten Statistik nicht als arbeitslos geführt werden, obwohl sie keiner regulären Arbeit nachgehen können. Das sind in Thüringen immerhin über 27.000 Menschen. Der dafür benutzte Begriff der sogenannten „Unterbeschäftigung“ ist meines Erachtens einer der Euphemismen, die Politikverdrossenheit fördern und von denen wir uns verabschieden sollten.
Die Landesregierung hat seit Oktober 2015 mit den Landesrichtlinien „Öffentlich geförderte Beschäftigung“ und „Arbeit für Thüringen“ zwei wichtige arbeitsmarktpolitische Instrumente geschaffen. Mit dem Programm „Öffentlich geförderte Beschäftigung und gemeinwohlorientierte Arbeit“ werden gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit völlig neue Wege beschritten. Hier geht es darum, langzeitarbeitslosen Menschen eine Chance zur beruflichen Integration zu geben, die ohne dieses Angebot einer gemeinwohlorientierten Arbeit absehbar keine Chance auf eine Erwerbsarbeit haben. Die Zielsetzung des Landesprogramms für das Jahr 2016 lag bei circa 600 Beschäftigungsverhältnissen, 2016 wurden bereits 660 Plätze bewilligt. Das Ziel ist übertroffen und die Nachfrage weiterhin groß. Bis zum Jahresende 2017 rechne ich mit 1.000 Personen, die über dieses Landesprogramm eine geförderte Beschäftigung erhalten.
Mit dem Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ fördern wir die berufliche Integration von Menschen, die zu den benachteiligten Zielgruppen des Arbeitsmarkts zählen. Unternehmer erhalten zum Beispiel Einstellungsprämien für die Beschäftigung von langzeitarbeitslosen Menschen sowie für Men
schen mit Behinderungen, die nicht schwerbehindert sind. In diesem Programm fördern wir auch den Arbeitsmarkteinstieg geflüchteter Menschen. Auch das ist wieder ein Beitrag zur Vermeidung von Armut. Immer geht es darum, Menschen die Integration in den Beruf und ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, langzeitarbeitslos zu sein bedeutet, an einem wichtigen Bereich gesellschaftlichen Lebens, der Erwerbsarbeit, nicht teilhaben zu dürfen. Allein schon deshalb müssen wir alles daran setzen, den Betroffenen eine Perspektive zu bieten. Wir tun dies in Thüringen mit unserem Programm für gemeinwohlorientierte Arbeit. Es ist eine echte Innovation. Diese Innovation könnte ihr Potenzial noch mehr entfalten, wenn sich der Bund endlich dazu durchringen würde, die Mittel für Hartz IV für die Beschäftigungsförderung freizugeben und einen echten regulären Passiv-Aktiv-Transfer zu ermöglichen. Denn das sage ich ganz klar: Wir wollen Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit finanzieren.
Wir dürfen aber die Augen auch nicht davor verschließen, dass auch bei Menschen mit einem Arbeitsplatz die Gefahr des Abgleitens in die Armut besteht. Die Zahl der sogenannten „Aufstocker“ ist dafür ein Beleg. Wir müssen davon wegkommen, dass Menschen in unserem Land einen Lohn erhalten, von dem sie nicht leben können und der sie zwingt, zusätzliche SGB-II-Leistungen zu beziehen. Bei den in Vollzeit erwerbstätigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren davon 2016 etwa 6.000 Menschen betroffen. Dies sind im Vergleich zu 2014 immerhin 2.500 Personen weniger; die Einführung des Mindestlohns hat sich für diese Menschen als segensreich erwiesen. Der Mindestlohn wirkt Armut entgegen. Er führt viele Beschäftigte aus der Abhängigkeit von Sozialleistungen und gibt ihnen Teilhabe und Würde zurück. Deshalb haben die Parteien dieser Koalition über Jahre gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozialverbänden gegen die energischen Widerstände von CDU und CSU und der Wirtschaftslobby für den gesetzlichen Mindestlohn gekämpft.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es ist eine Binsenweisheit und kann dennoch nicht oft genug betont werden: Löhne sind ein Schlüssel zur Armutsüberwindung. Die Einführung des Mindestlohns hat zu einer Anhebung des Durchschnittslohns im untersten Lohnbereich geführt. Das ist eine gute Nachricht. Mit Blick auf das allgemeine Lohnniveau hinkt Thüringen aber noch hinter dem Westen her. Das ist auch Erbe einer Niedriglohnpolitik, für die die größte Oppositionspartei in über zwei Jahrzehnten Landesregierung die Verantwor
Doch die Hypothek der Niedriglohnpolitik wiegt nach. Wir haben es mit Niedriglohn und mit Fachkräfteflucht zu tun gehabt. Heute verdienen beispielsweise die Beschäftigten in der Altenpflege in Thüringen 500 bis 600 Euro weniger als in Bayern. Ich sage das, um deutlich zu machen, welche Strecke hier noch vor uns liegt.
Sehr geehrte Damen und Herren, in den Vereinigten Staaten war der Mindestlohn ein hartes Wahlkampfthema. Dies wird auch in Deutschland so sein, wenn nicht notwendige Anpassungen vorgenommen werden. Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr ausgerechnet, dass der Mindestlohn 11,68 Euro betragen müsste, um Beschäftigten nach 45 Jahren Vollzeitarbeit eine Rente über dem Niveau der Sozialhilfe, also einen Ruhestand ohne Armut, zu ermöglichen. Tatsächlich wurde der Mindestlohn jedoch nur auf 8,84 Euro angehoben. Wir müssen uns nicht wundern, wenn von Armut betroffene Menschen dann der Meinung sind, die Politik tut zu wenig für sie.
Das Gleiche gilt für prekäre Beschäftigungen. Im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird sie als eine Quelle von Armut beschrieben. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Ein Blick in die Arbeitswelt und den Alltag vieler Menschen in unserem Land zeigt das sehr deutlich. In meinen Gesprächen zum Beispiel mit dem 45 Jahre alten Leiharbeiter oder der alleinerziehenden Verkäuferin, die in 450-Euro-Jobs tätig sind, sagen mir die Betroffenen sehr deutlich: Das ist Mist und es reicht hinten und vorn nicht. Man merkt ihnen an, wie sie den Glauben verlieren – an den Staat und an sich.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Anteil dieser Beschäftigungsverhältnisse ist seit 2010 um vier Prozentpunkte gestiegen. Verantwortlich für diesen Anstieg ist insbesondere der Ausbau von Teilzeitbeschäftigungen, aber auch Zeitarbeit. Mittlerweile arbeiten 22,2 Prozent aller in Thüringen Beschäftigten in Teilzeit, weibliche Beschäftigte sogar zu 37,4 Prozent. Wir wissen, dass diese Form der Beschäftigung oft nicht freiwillig ist, und wir wissen, dass atypische Beschäftigung ein Geschlecht hat. Fast 70 Prozent dieser Beschäftigungsverhältnisse in Thüringen betreffen Frauen. Ich bin froh, dass die Organisationen, die sich im Landesfrauenrat zusammengeschlossen haben, dass Gewerkschaften diese Geschlechterungleichheit mit uns gemeinsam überwinden wollen. Danke für dieses Engagement.
In der Arbeits- und Sozialministerkonferenz setze ich mich dafür ein, durch konkrete Initiativen für einen Abbau von atypischer Beschäftigung und für die Bekämpfung der Armutsrisiken von Frauen zu kämpfen. Wir werden diese Themen auch demnächst in der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz wieder aufgreifen. Darüber hinaus hat Thüringen im Bundesrat Initiativen eingebracht, um die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für die weitere Verbesserung zugunsten der Leiharbeitnehmer zu nutzen. Auch hier erwarte ich von der künftigen Bundesregierung spürbare Verbesserungen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich habe bereits darauf hingewiesen, dass diese Landesregierung jedes Jahr mit Millionenbeträgen über unterschiedliche Ressorts eine verknüpfte Strategie der Armutsprävention verfolgt. Ich möchte in diesem Teil meiner Erklärung auf dieses Engagement und die künftigen Herausforderungen eingehen. Mit unserer Armutspräventionsrichtlinie im Umfang von 20 Millionen Euro ist erstmalig eine Strukturförderung, insbesondere zur Unterstützung der Landkreise und kreisfreien Städte, gelungen. Durch die Förderung von Planungskoordinatoren werden ab 2017 in der Mehrheit der Landkreise und kreisfreien Städte – immerhin 16 von 23 – eigene Armutspräventionsstrategien entwickelt, in den Kommunalparlamenten verabschiedet und anschließend umgesetzt. Ziel ist es, eine bedarfsgerechte Sozial- und Bildungsinfrastruktur nicht nur für die Armutsprävention und die Armutsbekämpfung zu sichern und auszubauen. In diesem Rahmen erfolgt zugleich die unverzichtbare Förderung des Quartiersmanagements durch die Thüringer Initiative für Integration, Nachhaltigkeit, Kooperation und Aktivierung, kurz ThINKA. Sie stärkt Nachbarschaft und die lokale Gemeinschaft. 13 Vorhaben werden derzeit in enger Abstimmung mit den Kommunen gefördert. Ich verweise darauf so ausdrücklich, um deutlich zu machen, dass Sozialpolitik ein übergreifendes Politikfeld der klassischen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, der Familien- und Kinder- sowie Jugendpolitik, aber auch der Strukturpolitik und Landesentwicklung ist. Denn Infrastruktur, von der individuellen Beratung über Kinderbetreuung bis hin zum altersgerechten Wohnen, kommt allen Menschen zugute, und zwar unabhängig von ihrem Einkommen. Mit anderen Worten: Auch Menschen mit geringem Einkommen profitieren von ihr. Und profitieren meine ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich positiv. Soziale Infrastruktur ermöglicht den Menschen ein Mehr an sozialer Teilhabe.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Koalition hat die Initiative zur Integration und Armutsbekämpfung mit Nachhaltigkeit, kurz TIZIAN, weiterentwickelt. Diese Initiative dient der Bekämpfung von Familien- und Kinderarmut und ist seit 2009 eine Erfolgsgeschichte. Die rot-rot-grüne Lan
desregierung hat sie deshalb nicht nur fortgeschrieben, sondern weiterentwickelt und erheblich ausgeweitet. TIZIAN richtet sich an Langzeitarbeitslose und arbeitsmarktferne Eltern und an deren Kinder. Ziel ist die berufliche und soziale Integration der Erwachsenen, die Stärkung von deren Erziehungsund Familienkompetenz und die Förderung der Kinder und Jugendlichen. Seit 2009 haben wir mit dem Programm über 8.500 Erwachsene erreicht, wovon wiederum mehr als 10.000 Kinder profitiert haben.
Aus den Erfahrungen von TIZIAN wurde ein neues Förderinstrument, TIZIAN plus, entwickelt. Zielgruppe sind Personen mit psychischen Problemen, einer hohen Schuldenlast oder Suchtproblemen, die beschäftigungsfähig im Sinne des SGB II sind und bei denen Beschäftigungsunfähigkeit droht. Der Schwerpunkt liegt in der sozialen Stabilisierung. Das ist wiederum ein wichtiger Baustein zu Verhinderung von Armut.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Liste unserer Initiativen zur Armutsbekämpfung ist damit nicht abgeschlossen. Ich habe bereits auf die vielfältigen Aktivitäten der Kommunen verwiesen. Die Kinder- und Jugendhilfe, die schulbezogene Jugendsozialarbeit, die Übernahme der Kostenbeiträge in Kindertageseinrichtungen, der Zuschuss zur Esssensversorgung usw. – all dies leisten unsere Kommunen. Dafür danke ich den kommunalen Akteuren ebenso wie den vielen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren.
Mit dem von uns und der Fachhochschule Erfurt getragenen Institut für kommunale Planung und Entwicklung beraten wir Landkreise und kreisfreie Städte über die Jugendhilfe hinaus bei der Entwicklung und Umsetzung von Armutspräventionsstrategien und einer integrierten Sozialplanung.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Versorgung der Menschen in Thüringen mit angemessenem Wohnraum ist eine der wichtigsten kommunalen Aufgaben der Daseinsvorsorge. Das Land unterstützt diese herausragende Aufgabe insbesondere auch, um den mitunter anzutreffenden Teufelskreis, ohne Wohnung keine Arbeit und ohne Arbeit keine Wohnung, zu verhindern oder zu durchbrechen. Wir wissen eben nicht nur aus den Metropolen Hamburg und Berlin oder Städten wie Leipzig, Düsseldorf und München, sondern auch aus Erfurt, Jena, Weimar, dass wir das Angebot an preiswertem, aber auch qualitativ ansprechendem Wohnraum erhöhen müssen. Meine Kollegin Birgit Keller hat dazu verschiedene Maßnahmen ergriffen. Im Vordergrund stand die Überarbeitung der Wohnungsbauförderprogramme. Die Förderkonditionen wurden durch die Erhöhung der Fördersummen, der Einführung von Baukosten- und Tilgungszuschüssen verbessert. Zudem wurden in den ein
schlägigen Programmen zu Neubau und der Modernisierung von Mietwohnungen sogenannte angemessene Mieten als höchstzulässige Mieten eingeführt. Das ist enorm wichtig, um soziale Spaltungen in den Städten zu vermeiden. Diese angemessenen Mieten orientieren sich an der Angemessenheit der Aufwendungen der Kosten für Unterkunft und Heizung nach SGB II und XII.
Im Rahmen der Wohnungsbauförderprogramme werden zudem bevorzugt Maßnahmen gefördert, die der Verhinderung und der Beseitigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit dienen. Als weitere Maßnahme wird die Mietpreisbremse in den Städten Erfurt und Jena eingeführt, um die Mietsteigerung in diesen Städten zu dämpfen. Damit wurde ein Instrument geschaffen, das den Anteil der Wohnkosten am Einkommen relativ konstant halten soll. Aktuell wird von der Landesregierung geprüft, ob dieses Instrument auf weitere Thüringer Kommunen ausgedehnt und inwieweit ergänzend eine Kappungsgrenze eingeführt werden sollte. Durch die von Bund und Ländern gemeinsam vorangetriebene Wohngeldreform wurden sowohl das Wohngeld als auch der Kreis der wohngeldberechtigten Haushalte erhöht. Durch diese Direktsubventionierung wird das Armutsrisiko reduziert. Selbstverständlich unterstützt auch die Städtebauförderung die Armutsbekämpfung. Gefördert werden Vorhaben, die der Optimierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Anpassung der sozialen Infrastruktur dienen. Zudem wird die Bereitschaft, das ehrenamtliche Engagement von Bewohnerinnen und Bewohnern zu verbessern, unterstützt. Damit werden die lokalen Handlungs- und Selbsthilfemöglichkeiten gestärkt. Dementsprechend haben mein Ministerium und das Infrastrukturministerium sowohl auf Landesebene als auch bei Projekten auf kommunaler Ebene die Beteiligung an der jeweiligen Sozialplanung vereinbart.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, aus dem Bundesprogramm „Soziale Integration im Quartier“ wird Thüringen 2017 rund 5,1 Millionen Euro an Bundesfinanzhilfen nutzen. Wir wollen gemeinsam mit den Kommunen unter anderem Kitas, Schulen und Stadtteilzentren in Quartieren mit besonderen sozialen Integrationsanforderungen zu Orten der Integration umbauen, einschließlich der Förderung eines Integrationsmanagers. 2017 werden weiterhin die bestehenden Bund-Länder-Programme „Stadtumbau“ für Thüringen mit plus 3,5 Millionen Euro und „Soziale Stadt“ für Thüringen mit plus 1,2 Millionen Euro unterstützt. Damit sollen verstärkt soziale Benachteiligungen abgebaut werden, indem bauliche Maßnahmen für die soziale Integration und zur Verbesserung des Wohnumfelds mit sozialintegrativen Angeboten kombiniert werden.