hören Sie doch zu, warum ich mich gewundert habe, sonst erfahren Sie es nicht! –, zumal es doch eigentlich verabredete Sache war, das Vorhaben ja schon in Ihren Parteiprogrammen immer thematisiert wurde und dann eingebunden wurde bzw. Eingang gefunden hat in den Koalitionsvertrag. Also eigentlich war schon alles im Koalitionsvertrag geregelt und da hätte ich schon erwartet, dass die Landesregierung etwas vorschlägt und nicht die regierungstragenden Fraktionen. Das habe ich – ehrlich gesagt – nicht verstanden und ich habe mir dann gedacht, vielleicht will die Landesregierung gar nicht und die Fraktion muss sich darum kümmern, dass was passiert. Jedenfalls muss ich den Eindruck haben, denn der
Innenminister hat im Februar erneut angekündigt, dass das die Landesregierung auf der Agenda hat. Am 5. Februar hat das der Innenminister angekündigt! Deswegen habe ich gedacht: Was ist da passiert, dass jetzt die Fraktion in die Bresche springen muss,
damit das Gesetz auf den Weg kommt? Vielleicht hat die Landesregierung dazugelernt und festgestellt, dass es vielleicht nicht der beste Weg und nicht die beste Idee ist, dieses so anzugehen. Wir warten auf Ihre Vorschläge, Herr Adams. Sie sind doch jetzt regierungstragend und Sie haben doch bisher immer einen guten Rat gehabt. Vielleicht fällt Ihnen dazu auch etwas ein! Uns fällt zu dem Antrag, den Sie eingereicht haben, nicht allzu viel ein.
Wenn ich den Antrag noch mal angucke, den Sie eingereicht haben, fällt mir auf, dass Sie letztendlich auch ein Vorschaltgesetz, eine Freiwilligkeitsphase drin haben.
Das ist ja genau das, was Sie nie wollten. Das ist das, was Sie uns ständig vorgeworfen haben, dass wir gesagt haben,
die Kommunen sollen freiwillig entscheiden, mit wem sie zusammengehen und wie sie zusammengehen. Das haben Sie uns immer vorgeworfen, wir sollten das regeln. Jetzt finde ich auf einmal in Ihrem Entwurf eine Freiwilligkeitsphase! Ich begrüße erst einmal die Freiwilligkeit, gar keine Frage. Das haben wir schon immer gesagt und daran halten wir auch zukünftig fest. Aber umso mehr hat es mich verwundert, weil ich von Ihnen bisher genau das Gegenteil gehört habe. Ich sage einmal, Adenauer hat es gesagt: Es ist nicht verkehrt, dazuzulernen!
Was die Vorschläge sind oder die Vorstellungen sind, die Sie dann sicherlich noch etwas vertiefen werden, in welche Richtung es gehen soll, Freiwilligkeitsphase – aber dann wollen Sie ja entsprechend auch handeln und wollen auch Kommunen und Landkreise zusammenlegen, vergrößern. So muss ich sagen, ich habe da große Bedenken, erstens, ob Sie das hinbekommen. Aber noch viel größere Bedenken habe ich, ob das Thüringen guttut, was Sie da auf der Agenda haben bzw. was Sie da vorhaben. Wenn man heute die TA gelesen hat, da ist das auch thematisiert worden, vor allem die Kreisgebietsreform. Sie haben hier in diesem Haus immer argumentiert: Wenn wir die Kreisgebietsreform machen, sparen wir viel Geld, es wird bürgernäher, die Bürgernähe wird gestärkt, die Kommunen werden gestärkt, indem wir viel kommunalisieren. Das war immer der Tenor, den Sie auch eingebracht haben. Sie haben auch nicht zuletzt den Bericht des Rechnungshofpräsidenten angeführt. Herr Dittes hat es auch gerade noch gemacht, wo Sie auch wieder, Herr Dittes – da muss ich sagen, da haben Sie wahrscheinlich vorgestern nicht zugehört, wo es darum ging,
haben Sie gestern nicht zugehört, wo es darum ging, dass nämlich der Bericht nicht erklärt hat oder gefordert hat, dass hier eine Gebietsreform erforderlich ist. In keiner Weise! Das steht da einfach nicht drin.
Doch, das haben Sie gerade angeführt, dass dieser Bericht Ihnen letztendlich recht gibt, dass das letztendlich auf der Agenda steht und überfällig ist! Also an der Stelle sollten Sie noch einmal nachlesen.
Zum Schluss. – Ihre Vorstellung von Großkreisen, die Sie immer angeführt haben und die Sie letztendlich auch mit dem Argument, hier sparen wir Geld, fortführen wollen – ich kann Ihnen nur sagen, dass das in keiner Weise zutreffend ist.
Es gibt auch keinerlei Gutachten, die das belegen. Das haben Sie sich vielleicht ausgedacht, aber bewiesen ist das nicht. Ganz im Gegenteil! Wenn man sieht, wo Gebietsreformen stattgefunden haben, gibt es nicht die Vorteile. Bisher überwiegen die Nachteile, auch in finanzieller Art. Ich kann mal sagen aus meinem Kreis Gotha: Wir haben den MainKinzig-Kreis als Partnerkreis aus Hessen. Das ist der größte Landkreis in Hessen, 450.000 Einwohner. Der lebt seit 10, 15 Jahren nur noch vom Kassenkredit. Finanziell völlig pleite. Ich will jetzt nicht sagen, wer Landrat ist und welcher Fraktion oder Partei er angehört, aber nicht der CDU.
450.000 Einwohner haben gezeigt, dass es wohl nicht so ist. Auch in den anderen Ländern, wo Gebietsreformen durchgeführt wurden, ob das in Sachsen ist oder in Mecklenburg-Vorpommern ist, hat, was passiert ist, eins gezeigt,
dass bei einer Gebietsreform mitnichten Geld gespart wird, sondern es für die Kommunen wesentlich teurer geworden ist. Ich kann Ihnen auch einmal sagen, wie das Niveau war.
In Sachsen lag vor der Kreisgebietsreform im Jahr 2008 die Kreisumlage bei 199 Euro je Einwohner und bei 196 Euro je Einwohner in Thüringen. Nach der Gebietsreform stieg die Kreisumlage in Sachsen auf 242 Euro. Nach der Gebietsreform, also als man größere Kreise hatte, ist es gestiegen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern liegt sie bei 259 Euro pro Einwohner, Brandenburg 364 Euro pro Einwohner, alles nach der Gebietsreform, nachdem man Kreise vergrößert hat. Ich denke, das ist schon ein Argument dafür, dass man über Einsparungen an der Stelle nicht reden kann.
Aber dann geht ja noch ein Weiteres einher, wenn ich große Kreise, große Gebilde habe. Die Bürgernähe, die Sie immer beschwören und sagen, wir haben dann mehr Bürgernähe, wir können dann mehr kommunalisieren, die Gemeinden kriegen dann mehr Aufgaben übertragen, da stellt sich als Erstes die Frage: Wer bezahlt das? Wenn wir beim
Sparen sind, bezahlt das das Land. Wenn wir etwas nach unten geben, müssen wir es auch bezahlen. Also auch hier ist der Einspareffekt, denke ich mir, doch eher gering oder gar nicht vorhanden, eher wird es teurer. Zum anderen muss das Personal dann auch vorgehalten werden für die Leistung, die ich nach unten delegiere. Wenn ich Umweltbehörden nach unten delegiere – ich habe dann statt einem Landesverwaltungsamt 17 andere –, dann brauche ich auch 17 Fachleute. Da brauche ich auch das Personal. Das mache ich in allen Bereichen, da, wo ich etwas nach unten gebe, muss es bezahlt werden. Das macht das Land. Also auch hier ist es ein eklatanter Widerspruch. Auf der einen Seite sagen Sie, wir müssen zentralisieren, wir müssen straffen, wir müssen Einheiten schaffen, aber zentral verwalten. Auf der anderen Seite sagen Sie, wir machen große Landkreise, dann können wir wieder alles aufteilen. Das passt hinten und vorne nicht zusammen.
Ein weiterer Grund, warum wir gegen eine Vergrößerung der Kreise sind, ist auch die Tatsache, wenn die Kreisstädte verschwinden – bei Neukreisbildung ist das ja der Fall –, dann bleiben die auf der Strecke, die jetzt Kreisstädte bzw. Sitz des Landkreises waren, dann verschwinden natürlich auch die Infrastrukturen. Da reden wir über Kreiskrankenhäuser, da reden wir über Sparkassen, da reden wir über viele Einrichtungen und da rede ich noch nicht von dem Personal, das abgezogen wird, dass auch Kaufkraft in der Region fehlt. Auch das sollte mit bedacht werden. Wir haben das jedenfalls immer mit bedacht. Wir weichen auch an der Stelle nicht zurück von der Freiwilligkeit. Bei uns hat die Freiwilligkeit höchste Priorität. Da, wo sich der Bürger findet, selber alleine findet und die Struktur selber gestalten kann, weiß ich auch, dass hinterher Wachstum und Zufriedenheit in der Region stattfinden. Wenn ich von oben aufdiktiere und meine, ich könnte das alles besser als der Bürger vor Ort, ist das von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das ist unsere feste Überzeugung. Und da wir die gute Erfahrung gemacht haben mit der Freiwilligkeit – Sie haben das ja Gott sei Dank schon mal aufgegriffen und reden jetzt auch über Freiwilligkeit –, haben wir schon unsere Vorstellungen, dass es auch wieder einen gewissen Anreiz geben soll, indem – wir haben das ja schon mal gemacht – finanzielle Anreize gegeben wurden, wenn sich Gemeinden finden, gerade um einen Ausgleich auch zu schaffen zwischen den Kommunen, die schwach sind, mit stärkeren zusammengehen wollen, damit der Starke nicht geschwächt wird, dass man da Geld mitgegeben hat, die Fusionsprämie. Damit hat man natürlich auch erreicht, dass sich die Bereitschaft erhöht hat auf der einen Seite und zum anderen die wirtschaftlichen Verhältnisse sich nicht so gravierend verändern, dass hinterher die Einheit Jahre zu tun hat, um das wieder auszugleichen.
Aus unserer Sicht ist der Weg, den wir eingeschlagen hatten in der letzten Legislatur, der richtige gewesen. Das zeigt auch, wie viele über hundert Gemeinden davon Gebrauch gemacht haben. Es zeigt auch, dass es wirklich gewollt war, sonst hätte es ja keiner gemacht. Zum anderen habe ich schon gesagt: Die Freiwilligkeit hat den Vorteil, dass sich die Bürger von allein auf den Weg machen, ihre Einheit, ihre Gemeinde so organisieren und strukturieren, dass sie sich auch zukünftig dort entsprechend wohlfühlen. Auch der Gemeinde- und Städtebund, die Spitzenverbände lehnen im Übrigen Ihre Vorschläge ab,
auch aus gutem Grund. Das wird sicherlich noch ein Thema sein, wenn wir das in den nächsten Beratungen vertiefen, wenn Sie Ihr Vorschaltgesetz vorlegen, die Diskussion beginnt erst. Ich will Ihnen auch gleich mit auf den Weg geben: Mit uns wird es das nicht so in der Form geben. Wir halten an der Freiwilligkeit fest und wir sollten die Freiwilligkeit stärken und nicht den Zwang. Vielen Dank.
Ich will die Präsidentin nicht in Verlegenheit bringen. Herr Dittes, wir machen das nachher, wie ich es gesagt habe, beim Kaffee draußen. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Dittes braucht ja nicht jede Einladung zum Kaffee anzunehmen.
Ich begrüße zunächst die Geschäftsführer der beiden kommunalen Spitzenverbände, Herrn Rusch und Herrn Budde, und hoffe, Sie nehmen schon einen ersten Eindruck davon mit, was uns alle gemeinsam in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren erwartet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach der Rede des CDU-Kollegen will ich mal wieder zum Thema sprechen. Es geht nämlich heute hier um ein Leitbild für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Herr Kellner hat sich im Wesentli
chen auf den dritten Aspekt, die Gebietsreform, konzentriert. Die steht natürlich klar auch immer im öffentlichen Interesse, aber wir haben schon immer als Linke und die Koalition jetzt auch betont, dass es sich um eine Reform handelt, die alle drei Bereiche umfasst, und ich will Ihnen das deutlich sagen: Wenn wir bei den Verwaltungen auf Landesebene keine Veränderungen vornehmen, dann brauchen wir tatsächlich auch, was die Landkreise betrifft, nicht viele Veränderungen in Erwägung ziehen, aber unser Ausgangspunkt ist die Landesverwaltung und sind insbesondere die Mittelbehörden und eine Neuverteilung der Aufgaben. Wenn man das als Ausgangspunkt nimmt, dann kommt man zwangsläufig nicht umhin, auch über neue Strukturen bei den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden zu debattieren.
Meine Damen und Herren, in Thüringen ist es das erste Mal, dass eine Koalition den Mut hat, das Thema „Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform“ als großes Reformprojekt auf den Weg zu bringen. Alle Vorgängerkoalitionen oder die Alleinregierung der CDU hatten diesen Mut in dieser Konsequenz nicht
und wir als Regierungskoalition haben bewusst diesen Aufschlag gewählt, weil Regierung und Regierungsfraktionen eine Einheit sind und wir gemeinsam an diesem Reformprojekt im Dialog arbeiten werden. Insofern bringen wir hier durch den Antrag zum Ausdruck, dass wir letztlich das Verfahren mitbestimmen wollen, gemeinsam mit der Landesregierung. Wir müssen letztlich die erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen setzen und beschließen und das wird nicht ohne Landesregierung gehen, denn dort sitzt der Sachverstand. Es wird ein anspruchsvolles Projekt, auch was den Zeitplan betrifft. Darüber sind wir uns einig und nicht von ungefähr steht deshalb dieser Antrag auch am Beginn dieser Legislaturperiode.
Andere Bundesländer haben es uns vorgemacht. Ich verweise auf die Entwicklungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und MecklenburgVorpommern, aber auch in Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz. Da dort schon Reformen stattgefunden haben, haben wir den Vorteil, aus den dortigen Fehlern zu lernen. Einer der wesentlichen Fehler war zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern – daran ist die erste Reform gescheitert –, dass es eben kein Leitbild gab. Es gab kein Leitbild. Die Aufgabe des Leitbildes ist nämlich tatsächlich, den Rahmen zu setzen, sowohl für die Landesverwaltung als auch für die Kommunalverwaltung, und in dem Rahmen dann die Freiwilligkeitsphase zu definieren. Herr Kellner, es ist schon weit hergeholt, wenn Sie hier die These aufstellen, das wäre ein neues Element, wir hätten noch nie auf Freiwillig
keit gesetzt. Ich darf daran erinnern, dass sowohl in der 4. als auch in der 5. Legislaturperiode nicht nur die Linke, auch SPD und Grüne immer wieder gefordert haben, dass wir Freiwilligkeit als hohes Gut ansehen, aber eben im Rahmen eines Leitbilds. Ich darf daran erinnern, da waren CDU und SPD 2011 schon einmal mit diesem Entschließungsantrag auf einem guten Weg, in dem sozusagen Rahmenbedingungen für freiwillige Gemeindeneugliederungen beschlossen waren. Leider haben Sie das nur ein Jahr durchgehalten, dann haben Sie das bedauerlicherweise anderen Projekten geopfert, aber das war ein erster richtiger Ansatz. Ich muss aber Ihre These zurückweisen, dass wir noch nie auf Freiwilligkeit gesetzt haben.