Protocol of the Session on December 9, 2016

Der größte Teil Ihres Antrags bezieht sich auf die Qualität der Berichterstattung. Hier bemühen Sie Begriffe wie den bereits angesprochenen „Bevormundungsjournalismus“; eine konkrete Unterfütterung dieses Begriffs lassen Sie außen vor. Sie fordern eine öffentlich-rechtliche Berichterstattung, die Ihre Realitätssicht abbildet. Es gibt aber einen Grund, warum es der Bericht zu einem vermeintlichen Vorfall im Maxim-Gorki-Park nicht in die öffentlich-rechtlichen Medien geschafft hat. Dieser Grund heißt nämlich „journalistische Sorgfalt“, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dass Sie dies als Problem sehen, überrascht uns an der Stelle nicht.

Hier liegt auch der Unterschied. Das Aufbereiten von Informationen, Fake News entlarven, also echte Nachrichten zu generieren, das ist die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten. Ihre postfaktische Weltsicht kann nicht das Maß der Dinge sein. Die Anfrage Brandners zu vermeintlichen Vorfällen in der Geraer Straßenbahn im September oder zur Ausgabe und steuerlichen Vergütung von DemoGeldern belegen dies. Es scheint Sie tief zu kränken, dass diese Informationen geprüft und für falsch befunden worden sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Des Weiteren sind Ihnen die Zwangsbeiträge ein Dorn im Auge. Nach Ihrer Argumentation – warum muss ich für etwas zahlen, obwohl ich es nicht nutze – kann man auch alle anderen Regelungen – das hat Kollege Blechschmidt angesprochen –, die auf dem Solidaritätsprinzip beruhen, infrage stellen, auch den von Ihnen oft beschworenen Generationenvertrag. Der Rundfunkbeitrag macht es möglich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anbieten kann, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. Sie formulieren als alternative Finanzierungsmethode eine Steuerfinanzierung. Damit wäre die finanzielle Ausstattung der Öffentlich-Rechtlichen haushaltsgebunden. Das ist also Ihre gelebte Staatsferne, meine sehr geehrten Damen und Herren. Mehr noch: Sie fordern ein Zusammenstreichen der Rundfunkanstalten und des Angebots.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Länderkompetenz im Bereich Rundfunk scheint Ihnen dabei egal zu sein. Lediglich in enger Begrenzung auf den Informations- und Bildungsbereich soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach ihrer Vorstellung noch existieren. Die bestehenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts lassen Sie dazu völlig außen vor. Fasst man Ihre eigenen Alternativvorschläge zusammen, wollen Sie einen realen Staatsfunk schaffen; keine autonome Finanzierung – damit weniger Unabhängigkeit; bestehende verfassungsrechtliche Entscheidungen wollen Sie ignorieren und einen zentralisierten Staatsfunk schaffen. Mehr noch: Sie wollen konkrete Programmanforderungen aufstellen, Sie wollen einen Rundfunk nach Ihren Vorgaben. Das ist weder unabhängig noch frei, das ist sogar verfassungswidrig.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie setzen sich nicht für die Freiheit ein, sondern für Autoritätshörigkeit. Wir haben in unserem Land ein hohes journalistisches Qualitätsniveau und auch einen hochwertigen öffentlichen Rundfunk, der seinem Rundfunkauftrag nachkommt und sich durchaus die Aufklärung der Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben hat. Das ist wichtig und gut so.

Journalismus ist wichtig, denn auch Unangenehmes muss aufgedeckt werden, auch wenn Politikerinnen ihr eigenes Land betrügen und dafür verurteilt werden oder einen Strafbefehl bekommen – nicht wahr, Frau Muhsal?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nach dem Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli vermitteln Medien zwischen Darstellungs- und Entscheidungsebene von Politik. Sie sind also mehr als die reine vierte Gewalt. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk gut tut. Er ist die Voraussetzung für eine mündige Gesellschaft, die sich selbstbestimmt entfalten kann. Komplettkündigung der Staatsverträge ist keine Alternative, besonders da Sie keinerlei Alternativkonzept vorlegen können. Außer einem bockigen Ich-will-das-aber-Nicht ist Ihrem Antrag nichts zu entnehmen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Man kann das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konstruktiv kritisieren. Bündnis 90/Die Grünen tut das häufig und auch auf unterschiedlichen Ebenen. Wir haben diverse Gegen- und Alternativvorschläge, Änderungen und Reformen mehrfach hier angesprochen. Das machen auch die Kolleginnen und Kollegen der Linken regelmäßig. Zum Beispiel reden wir öfter darüber: Was ist eigentlich die Problematik bei Staatsverträgen, brauchen wir da mehr parlamentarische Kontrolle? Wie können wir das tatsächlich regeln? Wir diskutieren darüber, ob Paketlösungen bei Staatsverträgen sinnvoll sind. Wir diskutieren darüber, ob Staatsverträge nicht lediglich einen Minimalkonsens darstellen und daher auch ein gewisses stumpfes Schwert sind. Die Gremienbesetzung, die Staatsferne, all das diskutieren wir gerade. Das diskutieren wir mit unserer Staatskanzlei und in diesen Fraktionen. Das kann man konstruktiv tun und man kann das reformorientiert tun. Was Sie wollen, ist aber die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch wenn Sie das nicht ganz so konkret in den Antrag geschrieben haben, sondern verschwurbelt von einer Reform schreiben.

Fazit: Der Antrag der AfD ist ein Angriff auf die freiheitliche Presse, ist eine Fundamentalkritik ohne Alternativkonzept, die bestehendes Recht ignoriert und eindeutig gegen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts handelt. Es lassen sich keine

Anknüpfungspunkte für eine Diskussion erkennen, was eine Überweisung obsolet macht. Deswegen bitte ich um Ablehnung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat Herr Minister Prof. Hoff das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nach 1945 haben die Alliierten in Westdeutschland die Grundlage für einen staatsfernen öffentlichrechtlichen Rundfunk nach dem Vorbild vor allem der britischen BBC gelegt. Hier wurden die ersten ethischen und rechtlichen Ansprüche an einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland formuliert. Sie tragen der Staatsferne und einem hohen Qualitätsniveau bis heute Rechnung, sorgen durch unabhängige und kritische Berichterstattung für Glaubwürdigkeit und dafür, dass mit dennoch vorkommenden Fehlern offen umgegangen wird. Als Mitglied des ZDF-Fernsehrats weiß ich, wie kritisch unter anderem die Berichterstattung und auch die in Teilen unzureichende Berichterstattung nach den Vorgängen in Köln dort diskutiert worden waren.

In seiner Geschichte wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk den gesellschaftlichen Erfordernissen und technischen Entwicklungen über die Rundfunkänderungsstaatsverträge angepasst und entsprechend weiterentwickelt. Oft ging es nicht weit genug oder auch zu langsam. Manchmal war aber sogar die Tatsache, dass es nicht weit genug und nicht schnell genug ging, von Vorteil, um nicht jede Mode mitzumachen oder ihr nachzulaufen.

Der mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgenommene Modellwechsel bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks folgt der technischen Entwicklung der konvergenten Medien. Mit ihm wurde auch die Grundlage geschaffen, das Solidarmodell der Finanzierung zukunftssicher und sozialverträglich zu gestalten.

Die Aufforderung an die Thüringer Landesregierung, mit den Regierungen der anderen Bundesländer Verhandlungen aufzunehmen, um eine grundlegende Neugestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzuleiten, beinhaltet verschiedene Verträge, über die hier schon geredet wurde. Aber sie beinhaltet auch die Vorschläge zur Zusammenlegung und Verkleinerung der Anstalten, Konkretisierung der Programmaufträge, angemessene Sportberichterstattung, Einstellung des Jugendan

(Abg. Henfling)

gebots „funk“ von ARD und ZDF, Werbefreiheit der Programme sowie eine nutzungsbezogene bzw. Steuerfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Zunächst will ich klarstellen: Die duale Rundfunkordnung in Deutschland ist für die Thüringer Landesregierung alternativlos. Sie garantiert die Meinungs- und Medienvielfalt und sie ist Teil unserer demokratischen Grundordnung, die nicht umsonst auch als vierte Gewalt bezeichnet wird. Die Länder haben bereits den Prozess zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks initiiert. Die Landesregierungen haben entsprechende Vorschläge an die Anstalten unterbreitet und die Verwaltungsebenen befinden sich in Gesprächen. Darüber wurde im letzten Ausschuss unter anderem auch gesprochen. In diesem Rahmen werden natürlich auch die Gehälter und Altersversorgung beim öffentlichrechtlichen Rundfunk erörtert. Ich will an der Stelle deutlich machen, da Sie, Herr Höcke, die Altersversorgung angesprochen haben: Ja, es trifft zu, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk scheiden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Altersgründen aus und sie bekommen Versorgungsleistungen; das ist ihr gutes Recht und sie haben es sich auch verdient. Wenn ich es richtig sehe, Herr Abgeordneter, bekommen Sie ja auch Ihre Altersversorgung als Beamter vom Staat. Sie zahlen keine Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung. Das ist natürlich eine bequeme Position, darüber zu reden, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren Beschäftigten eine Altersversorgung zahlen, und dies dann als „Versorgungsanstalt mit angeschlossenen Sendern“ zu kritisieren.

Herr Minister, einen kleinen Augenblick. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Höcke.

Freilich.

Bitte? Ich habe Sie nicht verstanden.

Ja, freilich.

Bitte schön, Herr Höcke.

Ja, vielen Dank, Herr Prof. Hoff. Ich erwähnte in meiner Rede, dass der Intendant des WDR 364.000 Euro per anno verdient. Meine Frage: Halten Sie dieses Gehalt für angemessen?

Ich bin zunächst dankbar, dass wir die Rahmenbedingungen dafür geschaffen haben, dass es Transparenz über die Gehälter gibt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde durchaus angemessen, dass die Gehaltshöhen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutiert werden. Wir kommen aber nicht weiter, wenn wir faktisch wie Sie die Abschaffung des öffentlichrechtlichen Rundfunks fordern. Sondern: Genau die Diskussion muss geführt werden.

Mein Thema war aber ein anderes. Mein Thema war, dass Sie als Beamter mit einer Altersversorgung vom Staat kritisieren, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Altersversorgung zahlen, und dann die Behauptung aufstellen, es würde sich um eine „Versorgungsanstalt mit angeschlossenen Sendern“ handeln. Dazu habe ich gesagt, dass ich finde, dass das eine ziemlich bequeme Ausgangsposition für diese Art von Kritik ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe deutlich gemacht, dass sich die Länder mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten …

Herr Minister, es gibt noch einen Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Brandner.

Ich will die Zeit der Abgeordneten mit der Stellungnahme der Landesregierung nicht überstrapazieren.

Dabei darf ich allerdings – und ich komme auf meine Rede zurück – auf …

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: War das ein Nein oder was?)

Es ist keine Zwischenfrage zugelassen, Herr Kollege. Das habe ich als Nein interpretiert.

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Ich habe deutlich gemacht, dass die Landesregierungen Reformvorschläge an die Anstalten übermittelt haben. Ich will darauf verweisen, dass die Prämisse der Ländervorschläge die gebotene Staatsferne dargestellt hat und dass der Spielraum der Länder gerade so groß ist, wie das Bundesverfassungsgericht ihn definiert. Das heißt: Eingriffe in die Programmautonomie sind nicht erlaubt, sehr wohl aber kann beispielsweise der Auftrag für bestimmte Programme und Angebote zurückgenommen oder auch verändert werden.

Allerdings sind wir als Landesregierung nicht bereit, die Forderung der AfD aufzugreifen, den Auftrag für das Jugendangebot „funk“ zurückzunehmen, nachdem dieses gerade erst am 1. Oktober gestartet ist. Ganz im Gegenteil: Wir begrüßen, dass es ein solches Angebot für Jugendliche gibt, und die hervorragende Arbeit dieses neuen Angebots.

Staatsferne bedeutet auch, dass die Landesregierungen nicht das Recht haben, in die Tarifautonomie der Anstalten, deren Strukturen und Aufgaben einzugreifen, sofern es keine Verstöße gibt, bei denen die jeweilige Rechtsaufsicht der Anstalten tätig werden muss. Die im Antrag der AfD-Fraktion vorgeschlagene Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus Steuermitteln schließt sich aufgrund der gebotenen Staatsferne des öffentlichrechtlichen Rundfunks von selbst aus. Dass die Steuer kein Instrument der Rundfunkfinanzierung ist, hat bereits Prof. Dr. Kirchhof in seinem Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festgestellt. Ich würde den Antrag der AfD aber zur Grundlage nehmen, dem Ausschuss dieses Gutachten noch einmal zur Verfügung zu stellen, sofern der Ausschussvorsitzende und der Präsident mit diesem Vorgehen einverstanden wären. Inzwischen wurde durch mehrere Gerichtsurteile bestätigt, dass der Rundfunkbeitrag keine Steuer darstellt und nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Herr Abgeordneter Blechschmidt ist darauf ausführlich eingegangen. Die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geregelte Finanzierung ist ein Solidarmodell, das durch den Gesetzgeber zur Sicherung der Breite und Vielfalt des Programmangebots bewusst so gestaltet worden ist. Mir ist deshalb wichtig, auf diesen Sachverhalt hinzuweisen, weil ich es schwierig finde, wenn im Stil der Tea Party aus den USA die Behauptung aufgestellt wird, die GEZ würde heute noch existieren.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist aber antiamerikanisch!)

Das ist überhaupt nicht antiamerikanisch, sehr geehrter Herr Abgeordneter, sondern eine Tatsachenfeststellung.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Antiameri- kanische Hetze ist das!)

Sie gestatten, dass ich in meiner Rede fortfahre.