Protocol of the Session on December 8, 2016

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Bei der CDU müssen die Bürger bis 1991 bezah- len!)

Jetzt haben wir die Regelung gemacht, bis 2006 soll die Möglichkeit gegeben werden, dass die Kommunen das Geld zurückzahlen. Wo sie es hernehmen sollen, ist mir völlig schleierhaft.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Aus dem Haushalt!)

Herr Kuschel, Sie können ja nachher als Erklärbär nach vorn kommen, das machen Sie ja am liebsten.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da- mit Sie was lernen!)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Oder auch nicht!)

Wo wir das Geld hernehmen sollen? Aus dem Haushalt. Das ist richtig. Die Frage ist natürlich, was im Haushalt drin ist und ob man sich das dann leisten kann oder es zulasten anderer Maßnahmen geht.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist eine Einstellungsfrage!)

Es ist nämlich dann eine politische Frage, wenn der Bürger die Frage hat und den Antrag stellt, ist natürlich zu hinterfragen, wo das Geld hergenommen wird. Geht es vielleicht zulasten des Schuldenabbaus einer Gemeinde? Geht es zulasten der zukünftigen Investitionen, um Forderungen zu bedienen, die zehn, 15 und mehr Jahre zurückliegen? Ich weiß nicht, ob das rechtskonform ist. Auch das wird ja noch ein spannendes Thema sein, wenn wir das an den Ausschuss überweisen, entsprechende Anhörungen machen – das wird sicherlich im Anschluss dann erfolgen –,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wenn Sie nicht zuhören, lernen Sie auch nichts!)

welche juristische Betrachtung das an der Stelle erfahren wird. Da sehen wir große Schwierigkeiten. An der Stelle auch noch mal deutlich: Wir setzen Kommunen unter Druck, die mit Ach und Krach eine freie Spitze haben, aber dann aufgrund des politischen Drucks gezwungen werden, letztendlich das Geld auch auszuzahlen. Sie können mir doch glauben

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir glauben nicht – wir wissen!)

jeder, der in dem Geschäft unterwegs ist oder war –, dass es ein Bürgermeister oder Gemeinderat kaum durchsteht, wenn Forderungen auf den Tisch kommen und die Bürger das Geld zurückhaben wollen. Wenn da noch ein Euro drin ist, wird der auch abgeräumt. Ich halte das für äußerst gefährlich und es wird uns auf jeden Fall in der Entwicklung nicht weiterhelfen. Aber wir werden ja ausgiebig Gelegenheit haben, darüber im Ausschuss zu beraten und bei einer entsprechenden Anhörung

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ma- chen Sie doch mal einen eigenen Vorschlag! Einen heute! Wenigstens einen!)

Experten hören, und dann werden wir hoffentlich auch einen vernünftigen Kompromissvorschlag finden, der letztendlich allen gerecht wird. Nur bei dem, was im Moment vorliegt, haben wir nach wie vor große Bedenken. Das zum Gesetzentwurf der Landesregierung.

Ich komme jetzt zu dem Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen, das ist der in der Drucksache 6/998.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 3107!)

3107, das war kein Versprecher. Ich habe jetzt nur rein zufällig unsere Drucksache von der CDU-Fraktion gehabt, die ist inhaltlich gleich mit der Drucksache

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: 0815!)

3107, also wirklich inhaltlich gleich. Sogar Sätze sind gleich, die im Februar hier abgelehnt wurden, nämlich die Regelung, dass über die Kurtaxe der ÖPNV mitfinanziert wird, was wir von Anfang an, vor über einem Jahr, angeregt haben, einzuführen, weil es Sinn macht. Das hat man dann im Ausschuss mit einer Anhörung belegt. Die Anhörung war sehr positiv. Alle Anzuhörenden haben dies letztendlich befürwortet. Dennoch ist es hier in diesem Haus im Februar dieses Jahres abgelehnt worden.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Jetzt können Sie ja zustimmen!)

Herr Dittes war damals auch Vorsitzender. Wie schade, er ist jetzt nicht da. Er hat dann aus dem Ausschuss hier Bericht erstattet und hat das begründet, warum die Fraktionen nicht zustimmen. Heute würde mich das sehr interessieren, wie er das begründen will. Der gleichlautende Text, den wir voriges Jahr eingebracht haben, liegt heute hier zur Abstimmung vor. Ich finde das abenteuerlich. Es zeugt auch von wenig Kreativität und davon, muss ich sagen, dass man den Eindruck hat, auf der Regierungsseite bzw. auf der Seite der regierungstragenden Fraktionen ist man völlig schmerzfrei. Eins zu eins unseren Antrag abzuschreiben und hier einzureichen, das ist schon starker Tobak. Also den werden wir natürlich unterstützen, die Anhörung wird auch da wieder erfolgen, davon gehe ich mal aus. Wir werden wieder die Gleichen anhören; die werden sich natürlich fragen, was das alles soll, aber das kann letztendlich den Anzuhörenden von den regierungstragenden Fraktionen im Ausschuss erklärt werden, warum sie hier noch mal zum gleichen Text, den sie voriges Jahr schon entschieden haben, sprechen oder ihn begründen oder ihre Ausführungen dazu machen sollen. Also an der Stelle bin ich gespannt auf die Ausschussdiskussion. Wir beantragen die Überweisung an den Innenausschuss, federführend, den Haushalts- und Finanzausschuss und den Justizausschuss. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank Herr Abgeordneter. Als Nächster hat Abgeordneter Kalich, Fraktion Die Linke, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Zuschauer auf der Zuschauertribüne, mit dem jetzt in Punkt a) vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wird das Ergebnis eines langen und nicht immer einfachen Diskussionsprozesses – Herr Minister Dr. Poppenhäger ist ja bereits darauf eingegangen – dokumentiert. Dieses Ergebnis stellt einen klassischen Kompromiss dar, welcher insbesondere die seit vielen Jahren engagiert wirkenden Bürgerinitiativen im Bereich der Kommunalabgaben nicht zufriedenstellen wird. Trotzdem ergeben sich mit dem Gesetz, sollte es so beschlossen werden, spürbare Möglichkeiten zur nachhaltigen Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern.

Der Kernpunkt des Gesetzes besteht darin, dass Gemeinden zukünftig selbst entscheiden können, ob sie für Investitionsmaßnahmen, die vor dem Stichtag 1. Januar 2006 beendet wurden, noch Straßenausbaubeiträge erheben wollen oder nicht.

Herr Kellner, Sie bewegten sich vorhin ein bisschen im Bereich der Spekulation, was Gemeinderäte und Bürgermeister dann eventuell entscheiden. Ich habe da sehr großes Vertrauen in die gewählten Vertreterinnen und Vertreter, dass sie dort sachgerechte Entscheidungen auch im Interesse der Bürger treffen. Zusätzlich besteht dann die Möglichkeit, bereits vereinnahmte Beiträge an die Grundstückseigentümer zurückzuzahlen. Die Voraussetzungen dafür sind aber sehr hoch. Die jeweiligen Gemeinden müssen nachweisen, dass sie dauerhaft leistungsfähig sind und seit dem 1. Januar 2006 keine Bedarfszuweisungen in Anspruch genommen haben. Mit der Regelung wird in der Tat die Entscheidungskompetenz der Gemeinden erheblich erhöht und die Möglichkeiten einer entsprechenden Entlastung der Bürgerinnen und Bürger gewährt. Es gibt somit die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger jetzt nicht mehr für Maßnahmen zahlen müssen, die vor zehn Jahren und mehr erfolgt sind. Diese bisher auf der Grundlage der Gesetzeslage erfolgte Praxis ist für die Leute zu Recht überhaupt nicht mehr nachvollziehbar und führt landauf landab zu Protest und Frust.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir brauchen dieses zeitnahe Einräumen des gesetzlichen Ermessens, da in diesem Jahr noch weit über 100 Gemeinden für abgeschlossene Maßnahmen Beiträge erheben müssen. Diese Gemeinden sollten jetzt von der Möglichkeit Gebrauch machen, Festsetzungsbescheid und Zahlungsaufforderung in einem separaten Bescheid vorzunehmen. Auf diese Möglichkeit hat das Ministerium für Inneres und Kommunales in einem Rundschreiben vom 21.10.2016 an die Landratsämter und staatlichen Verwaltungsbehörden hingewiesen. Damit kann sichergestellt werden, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger von der nunmehr von der Landesregierung geplanten Regelung profitieren, auch wenn das Gesetz erst Anfang 2017 beschlossen wird.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, was jetzt vorliegt, ist das Ergebnis des im Koalitionsvertrag verankerten und von Minister Dr. Poppenhäger dargestellten Dialogprozesses und eines intensiven Verhandlungsprozesses innerhalb der Koalition. Mehr, sage ich hier, war nicht drin. Ich will trotzdem betonen, dass Die Linke weiterhin an ihrer grundsätzlichen Forderung der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und der Einführung einer Infrastrukturabgabe festhält. Aus unserer Sicht bleibt es zu bedenken, ob das Instrument der Beitragsfinanzierung, das zu Ende des 19. Jahrhunderts in Preußen entwickelt wurde, tatsächlich noch geeignet ist, um im 21. Jahrhundert die Probleme in Thüringen zu lösen.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Kellner)

Hier müssen wir weiterhin die Diskussion führen. Ausdrücklich ist die Regelung im Gesetzentwurf zu begrüßen, dass Gemeinden, die bisher über kein Satzungsrecht verfügten und eine Straßenausbaumaßnahme planen, spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Durchführung der Investitionsmaßnahme eine entsprechende Straßenausbausatzung beschlossen haben müssen. Das schafft Klarheit und Planungssicherheit für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger und da sind wir uns ja gemeinsam einig. Mit dem Punkt b), dem eingebrachten Gesetzentwurf, setzt Rot-Rot-Grün ein Versprechen um und hält somit Wort. Mit der Gesetzesinitiative wird Rechtssicherheit bei der Verwendung von Kurbeiträgen zur Finanzierung kostenloser ÖPNV-Angebote geschaffen. Mit dem Gesetzentwurf wird in § 9 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes klargestellt, dass der Kurbeitrag künftig ausdrücklich auch verwendet werden darf, um die kostenlose Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs durch Kur- und Erholungsgäste zu finanzieren. Die Möglichkeiten zur kostenlosen ÖPNV-Nutzung in Kombination mit touristischen Aktivitäten leistet einen wesentlichen Beitrag zur Attraktivitätssteigerung von Tourismusstandorten und fördert zudem die umweltfreundliche Mobilität vor Ort. Für Kur- und Erholungsorte ist deshalb nahe liegend, solche touristischen Verkehrsangebote über die Erhebung von Kurbeiträgen zu finanzieren. Auch wenn bereits durch die jetzige Gesetzeslage Angebote wie das Rennsteig-Ticket ermöglicht worden sind, wird mit der von der Koalition eingebrachten Klarstellung Rechtssicherheit geschaffen.

(Zwischenruf Abg. Holbe, CDU: Das hättet ihr schon vor einem Jahr haben können!)

Ich beantrage somit die Überweisung des Gesetzentwurfs in Punkt a) an den Innen- und Kommunalausschuss und in Punkt b) federführend ebenfalls an den Innen- und Kommunalausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft und an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Ich wünsche mir konstruktive und zugleich zügige Beratungen, damit die vorgesehenen Regelungen schnell in Kraft treten können. Wir könnten schon einen Schritt weiter sein, wenn unser Dringlichkeitsantrag in der letzten Sitzung hier angenommen worden wäre, dann wären wir jetzt schon im Prozess der Anhörung. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Holbe, CDU: Vor einem Jahr hättet ihr das schon haben können!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster hat Herr Abgeordneter Henke, Fraktion der AfD, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Abgeordnete, werte Gäste, es ist nicht bekannt, was Johann Wolfgang von Goethe zu dem ewigen Thema der Straßenausbaubeiträge sagen würde. War er doch im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach als Wegebaudirektor zehn Jahre lang für den Straßenbau zuständig. Auch wenn die Straßenausbaubeiträge nicht rückwirkend bis ins 18. Jahrhundert erhoben werden dürfen, so sind sie doch ein konstantes Ärgernis für Thüringer Bürger, Familien, Rentner, Mittelständler und den gesamten ländlichen Raum.

(Beifall AfD)

Im „Hammer der Woche“ berichtete das ZDF im Februar 2016 über die rückwirkende Beitragserhebung in Zella-Mehlis. Für Straßen, die teilweise 25 Jahre alt waren, wurden horrende Beiträge erhoben – 75.000 Euro für 10 Meter Straße, 71.000 Euro, 50.000 Euro von einem Mittelständler. Die Bürger sprechen von einer kalten Enteignung. Existenzen stehen auf dem Spiel. Dabei zahlen die Bürger für kaputte Straßen, die längst wieder erneuert werden müssten.

(Beifall AfD)

Die AfD begrüßt als Bürgerentlastungspartei alle Schritte, die wenigstens die Last unserer Bürger gerade in den kleinen Kommunen verringern. Doch wir sagen: Der Gesetzentwurf der Landesregierung geht nicht weit genug. Wir fordern eine umfängliche Entlastung der Bürger!

(Beifall AfD)

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 2013 entschieden: Je länger der Ausbau zurückliegt, desto schwieriger wird es mit der Rechtfertigung, die Beiträge zu erheben. Eine Kalkulation der Straßenausbaubeiträge, die für eine Straße vor zehn Jahren entstanden sind, ist erheblich komplexer als die Berechnung für einen kürzeren Zeitraum, wie zum Beispiel vier Jahre, und daher mit mehr Fehlern behaftet. Es geht auch und vor allem um den Vertrauensschutz. Die Bürger müssen darauf vertrauen können, nicht noch nach 25 und nicht nach zehn Jahren für inzwischen längst reparaturbedürftige Straßen ausgenommen zu werden. Wenn man sich den Gesetzentwurf der Landesregierung ansieht, fragt man sich, wo Frank Kuschel und Co. eigentlich waren, als es um die Interessen der Bürger, zumal die der Bürgerallianz gegen überhöhte Kommunalabgaben, ging.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Auf einer Antifa-Demo wahrscheinlich!)

(Abg. Kalich)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das fragen Sie nicht wirklich!)

Es heißt ja nicht umsonst: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“ Statt wirkungsvoll für die Entlastung Thüringer Bürger einzutreten, versuchen sich die Koalitionsfraktionen in taktischen Spielchen. Sie stellen einen von der CDU kopierten Gesetzentwurf – die CDU hat ihn übrigens im Jahr 2015 eingebracht – vor. Sie müssen dabei aufpassen, dass Sie sich nicht völlig lächerlich machen.

(Beifall AfD)