Protocol of the Session on November 11, 2016

Das führt uns in einem nicht ganz so großen Sprung auf die Debatte, die wir gestern hier im Haus geführt haben. Dazu möchte ich abschließend zwei, drei Aspekte sagen. Lieber Herr Fraktionsvorsitzender der CDU, Sie wissen, dass ich Sie und Ihre politische Klugheit schätze. Der Ministerpräsident hat heute gegenüber der CDU-Fraktion die offene Hand ausgestreckt und gesagt: Ich biete Ihnen an, dass wir uns zusammensetzen und gemeinsam einen Prozess der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform gestalten.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Getwittert haben Sie aber anders!)

Twitter hat nur 140 Zeichen! – Noch einmal: Der Ministerpräsident streckt Ihnen die Hand hin. Wann hat einer der vorhergehenden CDU-Ministerpräsidenten in dieser Form gesagt: „Wir haben eine Reform

(Unruhe CDU)

vor uns und wir bieten Ihnen an, wir setzen uns an einen Tisch und wir gestalten zusammen diesen Prozess der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform. Den Prozess, den wir gemeinsam gestalten wollen, und das Ergebnis, das wir im Konsens erreicht haben, darüber lassen wir dann die Bevölkerung abstimmen?“ Das hat noch kein Ministerpräsident und noch keine Ministerpräsidentin der CDU vorher dem Oppositionsführer angeboten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es stimmt, Sie müssen sich entscheiden, lieber Herr Mohring. Sie argumentieren – ich zitiere wörtlich aus Ihrer Rede: „Ja oder nein, hopp oder top, lassen Sie, Herr Ramelow, die Bürger abstimmen und dann sehen wir“ – also Sie als CDU – „ob Sie“ – also Rot-Rot-Grün – „eine Mehrheit haben.“ Wollen wir weiter aneinander vorbei oder miteinander reden? Gestern sagten Sie den Satz – ich zitiere wörtlich einen Satz, den Sie gesagt haben; wir werden sehen, ob er sich im Protokoll findet –:

(Minister Prof. Dr. Hoff)

„Rot-Rot-Grün versaut dieses Land.“ Sie sagen, die Landesregierung vollzieht eine Zerstörung des Gemeinwesens, einen Angriff auf den ländlichen Raum etc. Jetzt komme ich noch mal auf das Angebot des Ministerpräsidenten zurück. Er sagt: Wir gestalten gemeinsam diesen Prozess, weil wir wissen, dass wir unser Land verändern müssen, damit wir zukunftsfähig sind. Jetzt ist die Frage: Soll eine Volksabstimmung eine Abstimmung über das Ergebnis eines politischen Prozesses und Kompromisses sein oder ist sie die Fortsetzung einer politischen Kampagne, in der Sie zur Veränderung dieses Landes Nein sagen?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das gilt, was ich im ersten Teil meiner Rede gesagt habe, dann müssen wir doch in den politischen Diskurs eintreten und uns hinsetzen und schauen, woher wir gemeinsame Ergebnisse kriegen, und nicht dafür sorgen, dass es in dieser Frage ein ausschließlich bipolares Parteiensystem gibt und so getan wird, als ob die einen die Zukunft des Landes bewahren und die anderen die Zukunft des Landes infrage stellen. Ich glaube, diese Debatte können wir uns nicht leisten. Insofern schauen wir uns gemeinsam an, wo wir hinmüssen.

Die Landesregierung hat ganz eindeutig gesagt, wir wollen nicht – ich betone – die Fehler früherer Gebietsreformen anderer Bundesländer wiederholen. Im Leitbild zur Gebietsreform hat die Landesregierung deutlich gemacht, dass wir genau analysiert und betrachtet haben, was in anderen Bundesländern falsch gemacht worden ist. Sie zitierten gestern in Ihrer Rede und heute wieder diejenigen, die frühere Gebietsreformer für die Fehler früherer Gebietsreformen kritisieren. Ja, da sind Fehler gemacht worden. Die Tatsache, dass man in anderen Bundesländern, in denjenigen Städten, die vormals Kreisstädte waren und es heute nicht mehr sind, bürgernahe Dienstleistungen einfach abgeschafft hat, ist ein Fehler gewesen. Wir wollen diesen Fehler nicht wiederholen. Dass man in den 90er-Jahren vor allem Gebietsreformen mit dem Ziel gemacht hat, Einsparungen vorzunehmen, war ein Fehler. Deshalb haben wir gesagt, das Diktum dieser Gebietsreform ist nicht die Einsparung von Geld, sondern die Herstellung funktionsfähiger Verwaltungseinheiten. Insofern reagieren wir bereits auf die Kritik früherer Gebietsreformen. Aber dann lassen Sie uns doch auf der Anerkennung dieser gemeinsamen Grundlage in die Debatte eintreten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insofern würde ich Sie auch bitten, nicht nur SPDVertreter und Linke zu zitieren, sondern möglicherweise auch mal den einen oder anderen Christdemokraten,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn ich denke, dass das zur Wahrheit in der politischen Auseinandersetzung auch dazugehört.

Sie haben gestern, lieber Herr Mohring, kritisiert, dass die Kreisgebietsreform vor allem dazu führen würde, dass der Staat sich aus den Städten zurückziehen würde und aus dem ländlichen Raum. Ich glaube, dass man den Schuh andersherum anziehen muss, als Sie das machen. Es geht um die Frage, wie es uns gelingt, in dem Gemeinwesen unseres Bundeslands eine tragende Entwicklung zu schaffen, ohne dass nur die öffentliche Hand die Funktionsfähigkeit jeder Form von Perspektive dieses Gemeinwesens realisiert. Wollen wir Unternehmen hier ansiedeln, dann müssen wir aus den Kleinststrukturen Thüringens heraus. Es kann nicht sein, dass der Staat der alleinige Ersatz für diejenigen Strukturen ist, die in anderen gut funktionierenden Bundesländern wirtschaftliche Unternehmen, Industriebetriebe etc. sind. Aus diesem Grund machen wir diese Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform. Sie haben – damit komme ich zum Abschluss, lieber Herr Mohring – immer wieder, auch gestern und heute, auch zutreffend darauf hingewiesen: ohne Verwaltungs- und Funktionalreform keine Gebietsreform. Zutreffend! Aber Sie behaupten, dass es quasi einen lehrbuchhaften Schritt geben muss, wie eine Gebietsreform zustande kommt. Man müsse erst eine Verwaltungsmodernisierung machen, dann eine Funktionalreform und dann könnte man darauf aufsetzend eine Gebietsreform machen. Wo nehmen Sie diese Gewissheit her, dass es nur diesen einen Weg gibt? Ich kann diese Logik nicht erkennen, sondern es geht darum, dass wir in einem Zusammenhang Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform herstellen, und genau darum geht es. Ich sage aber auch: Ihr Argument, bezogen auf die Verwaltungs- und Funktionalreform, ist natürlich – sagen wir mal – angreifbar. Denn wir haben einen Landkreistag, der in seiner Mehrheit der Landkreise sagt: Wir wollen keine Gebietsreform, weil wir der Auffassung sind, dass wir in unserer jetzigen Größe genau richtig sind, und weitere Aufgaben auf uns zu übertragen, lehnen wir ab, weil das unser verfassungsrechtliches Argument schwächt, dass wir für die Aufgaben, die wir haben, genau die richtige Größe haben. Das heißt also, auch die mehrfache Bitte meiner Seite an den Landkreistag und an die Landrätinnen und Landräte, mir Vorschläge zu machen, welche Aufgaben des Landes wir auf die Landkreisebene übertragen können, ist bisher ohne Antwort geblieben, weil es ein politisches Interesse in einer verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung gegen die Gebietsreform gibt, keine Aufgaben des Landes auf die Landkreisebene zu übertragen.

(Unruhe CDU)

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Ein Brief von mir an den Landkreistag: „Machen Sie mir Vorschläge!“, ist bis auf eine Einladung auf irgendwann unbeantwortet geblieben. Insofern sage ich: Wer A sagt, muss auch B sagen. Und ich bitte alle Landrätinnen und Landräte, die sich gegen eine Gebietsreform wenden, zu sagen, welche Aufgaben des Landes auf die Landkreisebene übertragen werden sollen, aber auch in die ehrliche Debatte darüber einzusteigen, ob die Aufgaben, die in anderen Bundesländern vom Land auf die Landkreisebenen übertragen worden sind, in anderen Größenordnungen zu erledigen sind.

Ich sage aber auch, die Aufgabe der Verwaltungsmodernisierung, die haben wir als Land zu leisten. Wir haben eine interministerielle Arbeitsgruppe, wir werden am Ende des Jahres die Ergebnisse für die Veränderung der Landesorganisation vorlegen. Insofern sage ich, lieber Herr Mohring: Es ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, in die Diskussion einzutreten und mit uns gemeinsam den Weg zu beschreiten, wie wir in diesem Land eine Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform – alle drei Punkte gehören zusammen und es gibt keinen ersten, zweiten oder dritten Schritt, sondern es gibt die Gemeinsamkeit davon – auf den Weg bringen, und über dieses Ergebnis können wir dann, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür hergestellt sind, auch gut und gern gemeinsam für eine Zukunftsfähigkeit des Landes die Bürgerinnen und Bürger abstimmen lassen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, damit verlängert sich die Redezeit pro Fraktion noch mal um 19 Minuten. Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Walsmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Irgendwie, Herr Minister Hoff, hatte ich jetzt das Gefühl, dass Sie den Wunsch und das Bedürfnis hatten, die etwas verunglückte Rede des Innenministers gestern zur Gebietsreform, die ja auch eine Regierungserklärung sein sollte, korrigieren zu wollen.

(Beifall CDU; Abg. Henke, AfD)

Aber das hätten Sie dann gestern tun sollen, das wäre der richtige Ort gewesen, und vielleicht auch im Beisein des Innenministers. Irgendwie beschleicht mich da das Gefühl, dass es auch nicht ganz fair ist. Aber das ist nicht unser Problem, das ist Ihr Problem in der Regierung. Das kann man ja mal sagen.

Kommen wir aber zum Thema. Ich begrüße die Schüler des Heinrich-Böll-Gymnasiums aus Saalfeld,

(Beifall CDU)

die ja eigentlich zu den Fakten des Thüringen-Monitors in dieser Debatte dabei sein wollten. Und auch nach den Debattenbeiträgen, die gefolgt sind, meine ich, dass es wichtig ist und dass es gut ist, dass wir den Thüringen-Monitor auch im 16. Jahr haben und dass er uns mit Zahlen – und Zahlen sind nun mal unverrückbar – ein Verständnis von Demokratie unserer Thüringer Bürgerinnen und Bürger übermittelt.

Mike Mohring, mein Fraktionsvorsitzender, hat sich ja bereits zu der Gesamtheit des Monitors geäußert und doch möchte ich noch mal auf eine ganz dezidierte Fragestellung des Thüringen-Monitors eingehen, weil es mir auch gerade als direkt gewählte Erfurter Abgeordnete besonders wichtig und bedeutsam erscheint. Lieber Herr Kollege Hey, auch in mein Abgeordnetenbüro kommen viele Bürgerinnen und Bürger und sie tragen eben ein Spektrum von Sorgen, auch von Fragen, von Dingen vor, die sich im Thüringen-Monitor in dieser Themenstellung finden. Aber Sie wollen nicht nur vortragen, sondern Sie wollen auch eine Lösung, eine Antwort haben und Sie möchten vor allen Dingen, dass Ihre Meinung gehört wird, aufgenommen wird. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Fakten des Thüringen-Monitors nicht nur dezidiert diskutieren, sondern dass daraus auch etwas erwächst.

Lassen Sie mich daher auf den Punkt 5 des Monitors zu sprechen kommen, die Einstellung gegenüber Muslima und Muslimen und dem Islam, und das ohne Polemik, aber mit klarem Blick auf den Befund, den uns der Thüringen-Monitor gibt. Bereits im Mai dieses Jahres hatten wir eine ähnliche Debatte, als es um den Bau der Moschee in ErfurtMarbach ging. Kontrovers wurde diskutiert über Sinn und Unsinn eines solchen Baus. Es freut mich, dass die Bürger laut Thüringen-Monitor prinzipiell kulturell offen sind. Gleichzeitig jedoch begegnen viele Thüringer gerade Muslimen mit Skepsis und Misstrauen. Die Zahlen sprechen hier für sich: So waren es 2012 immerhin schon 49 Prozent, die den Bau einer Moschee als Störung empfanden. 2016 sind es bereits 54 Prozent. Interessant dabei ist, dass in Städten, in denen der Anteil von Muslimen deutlich höher ist als im ländlichen Raum, die Toleranz gegenüber Muslimen erheblich höher scheint. 57 Prozent der Thüringer meinen, wir müssen uns in Zukunft den Wertvorstellungen und Maßstäben anderer Kulturen stärker öffnen. Doch beim Thema „Islam“ scheint da eine schwer verrückbare Grenze erreicht. Lediglich 20 Prozent der Befragten würden jenen Satz unterschreiben, der aus der Präsidentschaft Christian Wulffs geblieben ist: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Die Zurückhaltung wird ge

(Minister Prof. Dr. Hoff)

stützt durch einen anderen mageren Wert: Nur 53 Prozent der Befragten glauben, dass die meisten in Deutschland lebenden Muslime unsere Werte akzeptieren, wie sie im Grundgesetz festgeschrieben sind. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wenn 49 Prozent der Deutschen eine Islamisierung Deutschlands fürchten. 67 Prozent der Befragten haben Sorge, dass mit den Flüchtlingen und Asylsuchenden der Einfluss des Islam in unserem Land zu stark wird. Im Thüringen-Monitor 2012, der die Akzeptanz von Zuwanderung und Integration ausführlich thematisierte, konnte gezeigt werden, dass die Befragten die Zuwanderung aus verschiedenen Herkunftsländern bzw. Regionen sehr differenziert bewerten und dabei die kulturelle Kompatibilität der Zuwandernden ausschlaggebend ist. 51 Prozent der Befragten befürworteten demnach eine Beschränkung des Zuzugs von Menschen aus arabischen Ländern – das ist alles in allem ein schwieriger Befund. Kulturelle Distanz und Differenz werden als besonders schwerwiegend empfunden. Die säkularisierten, weitgehend atheistisch geprägten Bevölkerungsanteile Ostdeutschlands haben damit nochmals ein verschärftes Problem.

Es reicht nicht aus, dies einfach zur Kenntnis zu nehmen. An einer gelingenden Integration auf Basis der deutschen Leitkultur hängen mittel- und langfristig innerer Friede und Zusammenhalt unseres Gemeinwesens und letztlich die Akzeptanz und damit der Fortbestand unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung.

Wovor die Menschen Angst haben – und das bringt der Thüringen-Monitor klar zutage –, ist ein polit-religiöses System des radikalen Islamismus, das sich unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit in Stellung bringt gegen eine von religiösen Auseinandersetzungen entwöhnte, deshalb irritierte und seltsam hilflose Gesellschaft.

Einerseits, meine Damen und Herren, verhindert ein integrierter Islam, der sich auf Basis dieser Leitkultur entwickelt und ihre Prinzipen akzeptiert, dass islamische Gemeinschaften zum Rekrutierungsfeld oder zur Brutstätte für Fundamentalismus, Extremismus oder gar Terror werden. Auf der anderen Seite haben viele Menschen genau an diesem Punkt eben auch berechtigte Fragen. Diesen Debatten dürfen wir nicht ausweichen und wir dürfen sie vor allem den islamischen Gemeinschaften nicht ersparen. Wie haltet ihr es mit der Rolle der Frauen? Wer zum Beispiel aktuell auf den Fluren der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen ein Frauenbild propagiert, das nicht mit den Stimmungen des Grundgesetzes zur Gleichheit der Geschlechter und schon gar nicht mit den allgemein akzeptierten Vorstellungen zur Rolle der Frau in Deutschland vereinbar ist, der darf sich nicht wundern, wenn er nicht mit offenen Armen empfangen wird.

Ich ermahne aber auch die Menschen, die in Deutschland enormen Einfluss auf die Meinungsbildung haben. Was sich kürzlich bei Maybrit Illner abgespielt hat, das geht gar nicht. Wer in Talkshows im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitdiskutieren will, der soll und muss auch Gesicht zeigen.

(Beifall Abg. Schulze, CDU)

Ein solcher Auftritt zerstört mehr Verständnis, als es Zehntausende Gespräche und Begegnungen schaffen können.

(Beifall CDU, AfD)

Es sind weitere Fragen: Wie geht ihr mit Kritik und Meinungsfreiheit um? Wie haltet ihr es mit der Religionsfreiheit? Wie haltet ihr es mit der Trennung von Religion und Politik? Wie haltet ihr es mit der Scharia? Wie steht ihr zum islamistischen Terror und seid ihr bereit, jede Form der Gewaltausübung im Namen des Islam öffentlich zu verurteilen und die Gläubigen eindeutig und mit Nachdruck zur Gewaltlosigkeit aufzurufen? Das sind nicht allein politische Fragen, meine Damen und Herren. Das sind auch theologische Fragen. Zu wenig ist dabei aber die Antwort – und das möchte ich hier auch noch einmal ganz klar hervorheben –: Wir halten uns an die Gesetze des Landes, in dem wir in einer Minderheit leben. Das reicht nicht aus.

Im Verhältnis zu unserem Grundgesetz, zu unseren dort verbrieften Grundwerten, gibt es keinen kulturellen Rabatt. Diese Debatte muss etwa in den Hochschulen, wo sich auch Lehrstuhlinhaber für islamische Theologie der wissenschaftlichen Kritik stellen müssen, oder auch in den Schulen geführt werden. Deshalb haben wir uns schon im Januar 2015 für Religionsunterricht für Muslime ausgesprochen. Wer über Lehrpläne diskutieren muss, der kann der Diskussion über die Grenzen unserer Verfassung für Glaubensgemeinschaften nicht ausweichen. Daher sollten wir auch ganz aktuell die im Januar anstehende Petition hier im Landtag dazu nutzen, um beiderseitig aufzuklären und Ressentiments abzubauen. Die Worte meines Abgeordnetenkollegen Christian Herrgott aus der vergangenen Woche kann ich daher nur bekräftigen. Die Sorge der Erfurter und die gesamte Debatte über den Islam in Thüringen müssen gemeinsam mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften, mit der Wissenschaft und uns als Abgeordnete erörtert und versachlicht werden.

(Beifall CDU)

Denn eines ist nicht verhandelbar: Religionsfreiheit gehört zu den rechtlichen und ethischen Fundamenten des deutschen Staates.

(Beifall CDU)

Entscheidend ist, dass sich Glaubensgemeinschaften an Recht und Gesetz halten und die freiheitlichdemokratische Leitkultur Deutschlands achten. Zu

rückhalten sollten wir uns mit steilen Programmsätzen. Ob der Islam zu Deutschland, zu Thüringen gehört, das ist letztlich eine belanglose Frage. Tatsache ist, dass Millionen Muslime im Land leben. Tatsache ist, dass sie Religionsfreiheit genießen. Tatsache ist, dass Religionsfreiheit kein Supergrundrecht ist, sondern im Rahmen der Gesetze gilt. Und Tatsache ist, dass die Geschichte dieses Landes untrennbar mit der Geschichte des Christentums verbunden ist und seine gesamte Kultur, auch die politische, davon durchdrungen ist. Gestern hat das Reformationsjahr mit einem wunderbaren Festakt begonnen. Die eigenen Kenntnisse zur Kultur und Geistesgeschichte dieses Landes kann man prima in diesem Reformationsjahr vertiefen. Tatsache ist, dass das für den Islam nun einmal nicht gilt und dass dies auch durch eine Proklamation von höchster Stelle nicht geändert wird.

Unser Ziel muss sein, auch für den Islam hinzubekommen, was die hier lebenden Menschen – übrigens nicht nur die Deutschen – erwarten und was die Jenaer Wissenschaftler als „Akkulturation“ bezeichnen: Hineinwachsen einer Person in ihre kulturelle Umwelt durch Erziehung – Kurzbegriff. Dieser Prozess und nur dieser Prozess, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, ohne Denkverbote ranzugehen, aber mit Klarheit und Blick auf die Fragestellung dessen, was unsere Bürger bewegt, behindert die Religionsausübung überhaupt nicht, aber er fußt auf der Kontinuität mit den Normen, die diese Gesellschaft ausmachen. Das Grundgesetz ist klare Aussage davon, worauf wir uns verständigt haben. Das bindet unsere westliche Wertegemeinschaft. Ich denke mal, damit ist es eine grandiose Richtschnur dafür, entlang welcher Grenzen Auseinandersetzung funktionieren kann: nur so! Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Jetzt hat sich der Ministerpräsident zu Wort gemeldet.

Liebe Frau Kollegin Walsmann, ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, um ein paar Anmerkungen zu Ihren Ausführungen zum Islam und der Moschee in Marbach zu machen. Sie haben ausgeführt, dass das Frauenbild der Ahmadiyya-Gemeinde nicht dem unserer Verfassung entsprechen würde. Das halte ich für eine diskussionsnotwendige Grundlage. Ich will aber anmerken, dass die Frage des Antidiskriminierungsgesetzes, würde man es auf die Kirchen anwenden, in der katholischen Kirche zu kuriosen Ergebnissen führen würde, wenn man der Meinung wäre, dass das Antidiskriminierungsgesetz zum Beispiel bei der Priesterweihe nicht mehr geschlechtsspezifisch angewendet werden dürfte.