Diesen Beschluss haben Sie gemeinsam mit uns als SPD hier in diesem Landtag getroffen. Und ich sage das gerne noch einmal: Entweder haben Sie es damals gemacht, um uns hinter die Fichte zu führen, weil der damalige Innenminister gesagt hat, „das kommt sowieso nicht, Freunde“, weil dieser Antrag nie im Leben in irgendeiner Form von der damaligen Landesregierung und vom zuständigen Hause realisiert werden sollte, oder aber, Sie haben das einfach nur deswegen gemacht, weil Sie dachten, „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, und gehen hier heute vor und spielen sich als Anwälte der VGs auf, die Sie damals letzten Endes auch mit abschaffen wollten.
Und ich sage Ihnen: Beide Formen der politischen – ich sage mal – Verzerrung gefallen mir nicht. Das ist das eine. Das andere ist: Ich komme aus einer Stadt, die hat eine Verwaltungsfachhochschule. Da werden Leute ausgebildet, in Gotha, die später mal im kommunalen Bereich Bescheide erlassen, die auf Rechtsbehelfe reagieren, die letzten Endes in Kommunen, in Rathäusern, in Gemeindeverwaltungen eingesetzt werden – gute Leute, weil das in Gotha auch eine gute Einrichtung ist. Das ist das eine.
Das andere ist, dass diese Leute, wenn sie junge Männer und junge Frauen sind, frisch ausgebildet aus Gotha, natürlich daran interessiert sind, dass sie in irgendeiner Form ein Auskommen in Thüringen haben. Die wollen später mal hier leben, die wollen später vielleicht sogar mal ein Häuschen bauen, die wollen eine Familie haben. Ja, glauben Sie denn ernsthaft, dass diese Leute – ich spinne jetzt mal, weil ich diese genauen Strukturen auch in den VGs flächendeckend gar nicht kennen kann, das ist viel zu sehr aufgesplittert –, aber glauben Sie, die wollen das für eine E 8 machen oder eine E 9? Nein, das wollen die nicht. Deswegen gehen die in die großen Städte und versuchen dort letzten Endes auch, ihr Verwaltungswissen anzuwenden.
Und ich glaube, wenn wir die Kleingliedrigkeit der VGs, die momentan zum Teil funktionieren, zum Teil aber auch nicht – das haben Sie ja auch schon letzten Endes mit zugegeben, dazu komme ich gleich noch –, ich glaube … Bitte?
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Auch große Städte funktionieren nicht, obwohl sie die gu- ten Beamten haben!)
Ja, selbstverständlich. Das ist eine fiskalische Frage. Darüber können wir gerne auch letzten Endes noch reden.
Aber Fakt ist doch, dass der Druck der Leute oder der Antrieb, in diese Städte zu gehen oder zumindest in Verwaltungsstrukturen, die ihnen auskömmlich auf Dauer für die nächsten 10/20 Jahre auch gewährleisten, dass sie in diesem Freistaat eine Familie gründen können und hier eine Zukunft haben, wesentlich größer ist. Und um nichts anderes geht es. Es geht um Zukunft für diesen Freistaat Thüringen und das versuchen wir ja anzupacken.
Dann habe ich natürlich noch etwas, was mich sehr umtreibt, das will ich ganz deutlich sagen. Herr Mohring, Sie sagen, Ihre Hand sei ausgestreckt, und Sie sagen, Sie bieten gerne weiterhin, ein letztes Mal – so hat sich das vorhin angehört: Sie haben ja das Vorschaltgesetz hier schon durchgeprügelt und jetzt auch diese ganze Reform –, Sie bieten jetzt also noch einmal Ihre Gesprächsbereitschaft an. Ich sage Ihnen: Das sieht ein bisschen anders aus. Wo ist Ihr Gegenmodell zum Freistaat Thüringen? Wenn eine Karte rauskommt, reicht es nicht, nur zu sagen, dass alles das, was auf dieser Karte abgebildet ist, was ein neues Raster für diesen Freistaat ist, Unsinn ist und dass wir den ländlichen Raum nicht verstehen würden. Wo ist Ihr Gegenentwurf? Wo wollen Sie mit diesem Land hin? Das ist die Frage, die Sie heute in Ihrer Replik auf die Regierungserklärung des Ministers schuldig geblieben sind.
Und das finde ich aus meiner Sicht nicht nur für eine Opposition relativ schade, das ist auch dieser Debatte nicht unbedingt förderlich. Und das wollte ich in diesem Sinne auch noch mal sagen. Ich danke Ihnen.
Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten und der Regierung vor. Ich schaue noch mal ins Rund. Das bleibt offenkundig so. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 1.
a) Thüringer Milcherzeuger stärken – Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels durch Gründung eines Milchabsatzkontors begegnen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1751 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1916
b) Entlastung schaffen in der Milchkrise – Milchproduzenten strukturell unterstützen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1860 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten - Drucksache 6/2956
Nun hat aus dem Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten Frau Abgeordnete Dr. Scheringer-Wright das Wort zur Berichterstattung.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten haben wir uns ausführlich mit dem Antrag der CDU „Thüringer Milcherzeuger stärken – Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels durch Gründung eines Milchabsatzkontors begegnen“ und mit dem Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und
Bündnis 90/Die Grünen „Entlastung schaffen in der Milchkrise – Milchproduzenten strukturell unterstützen“ befasst. Beide Anträge wurden durch Beschluss des Landtags an den Ausschuss überwiesen.
Der Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten hat die Anträge gemeinsam in seiner 21. Sitzung, in seiner 22. Sitzung, in seiner 24. Sitzung, in seiner 26. Sitzung, in seiner 27. Sitzung, in seiner 28. Sitzung und 30. Sitzung beraten. Das zeigt schon, wie wichtig uns allen im Ausschuss dieses Thema war.
Im Juni hat der Ausschuss zu diesen beiden Anträgen eine mündliche Anhörung durchgeführt und diese dann im September weitergeführt. In dieser Anhörung sind sehr viele interessante Aspekte zu den Vorschlägen in den Anträgen geäußert worden. Der Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten hat dann in seiner 30. Sitzung am 3. November beschlossen, den Antrag in der Drucksache 6/1751 und den Antrag in der Drucksache 6/ 1860 unter Berücksichtigung der von ihm beschlossenen Änderung zusammenzufassen und neu zu fassen. Das haben wir parteiübergreifend gemacht, weil wir alle der Auffassung waren, dass die Milchkrise die Landwirtschaft in Thüringen so stark befasst und so stark beeinflusst, dass wir gemeinsam zu Schritten kommen müssen.
Die Beschlussempfehlung lautet deswegen: „Thüringer Milcherzeuger stärken – Entlastung in der Milchkrise schaffen“. Diese liegt Ihnen hier vor. Zum einen wird in dieser Beschlussempfehlung dargelegt, wie die Situation ist, zum anderen wird dargelegt, dass die von der Landesregierung und der Agrarministerkonferenz eingeleiteten Maßnahmen begrüßt werden. Zum Schluss wird auch noch mal dargelegt, dass es auf europäischer Ebene eine Milchmengenreduzierung geben soll, und die Landesregierung wird gebeten, sich dafür auf Bundesebene einzusetzen.
Die Beschlussempfehlung sagt auch, dass der Landtag sich für eine verstärkte Vermarktungsunterstützung für die Thüringer Hersteller regionaler Produkte ausspricht und bestehende Programme optimiert. So weit der Bericht aus dem Ausschuss. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete, für die Berichterstattung. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache zu beiden Tagesordnungspunkten, 9 a und 9 b, und erteile Abgeordneten Malsch, CDU-Fraktion, das Wort.
Werter Herr Präsident, werte Kollegen und Kolleginnen Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und am Livestream! Es ist nicht ganz einfach, nach der lebhaften Debatte zum Thema „Milch“ zu kommen, aber vielleicht kann man einen Bogen spannen und vielleicht kann sich der Innenminister den Werbeslogan von 1950 zu eigen machen: „Milch macht müde Männer munter“.
Ich glaube, bei der fehlenden Reaktion auf die Debatte wäre teilweise die Milch eher sauer geworden. Aber lassen Sie uns zum Thema kommen.
Es freut mich zu Beginn, dass wir im Ausschuss zu einer gemeinsamen Beschlussfassung gekommen sind. Ich denke, es ist ein wichtiges Signal in den Berufsstand hinein, dass die Politik bei existenziell wichtigen Themen auch fraktionsübergreifend zusammenarbeiten kann und nach Möglichkeiten für Hilfen für die Milchbauern sucht. Dennoch bleibt es dabei: Der deutsche Milchmarkt ist durch ein Marktungleichgewicht zugunsten des Lebensmitteleinzelhandels gekennzeichnet, das erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage der Thüringer Milcherzeuger hat. Das haben wir in der Anhörung von allen Beteiligten gehört und wir haben gehört, dass unser Vorstoß, sogenannte Milchkontore einzurichten, positiv aufgenommen wurde. Einzig und allein an der praktischen Umsetzbarkeit bestand Zweifel.
Deshalb haben wir entschieden – Frau Becker, wer genau hingehört hat, zum Milchtag auf der Messe ist es vom Präsidenten des Bauernverbands eindeutig gesagt worden – es ist ein guter Vorschlag.
Deswegen sage ich auch eindeutig an der Stelle: Es hat an den praktischen Umsetzbarkeiten gefehlt. Deshalb haben wir uns entschieden, auf den Begriff „Kontor“ zu verzichten.
Werte Kolleginnen und Kollegen, es gilt aber immer noch: Ein gemeinsames Handeln und Auftreten der Molkereien in den Kontraktverhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel würde den tatsächlichen Milcherzeugungskosten der Landwirte besser als in der Vergangenheit Rechnung tragen und die bisherigen Tiefstpreise verhindern. Ziel muss es sein, dass die Thüringer Milcherzeuger in eine bessere Marktposition gelangen und die Markt- und Preisrisiken von allen Partnern gleichmäßig getragen werden. So weit waren wir uns im Ausschuss einig. Deshalb freut es mich umso mehr, dass in den Milchmarkt nun endlich positive Bewegung kommt. Es gibt endlich einen Aufwärtstrend auf dem Milch
markt. Dieser ist auch bitter nötig. Jetzt muss sich aber auch endlich dieser Trend in den Auszahlungspreisen für die Landwirte widerspiegeln.
Werte Kolleginnen und Kollegen, inwieweit die von der Landesregierung vorgestellten Hilfsmöglichkeiten von unseren Bauern angenommen werden, wird sich zeigen. Das Wirtschaftsprogramm, der Kreditmediator und das Landankaufsprogramm sind Instrumente, die wahrscheinlich eine geringe Inanspruchnahme erwarten lassen – das ist aber immerhin besser als nichts. Wir haben deshalb in unsere gemeinsame Beschlussempfehlung eine – wenn auch sehr verhaltene – Begrüßung der von der Thüringer Landesregierung eingeleiteten Maßnahmen insbesondere zur Liquiditätssicherung aufgenommen. Viel wichtiger ist es, liebe Kolleginnen und Kollegen, an der notwendigen Milchmengenreduzierung zu bleiben. Ich wiederhole es – das habe ich auch hier schon oft gesagt –: Die Milchmengenreduzierung macht nur dann Sinn und führt auch nur dann zu einer direkten Marktentlastung, wenn diese Maßnahmen auch europaeinheitlich durchgeführt werden und nicht nur national. Wir wissen alle, dass die Polen oder die Franzosen die fehlenden Milchmengen dann auch für uns produzieren können und unsere Betriebe in die Luft schauen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, in der Diskussion um die Lage der Milchbetriebe darf eine Sache nicht fehlen: Es geht um die Frage, wie die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit mit unserer einheimischen modernen Landwirtschaft umgeht. Es geht um die Frage, was wir hier in der Politik beitragen, um ein realistisches Bild von der Landwirtschaft zu zeichnen, die uns letztendlich auch ernährt, von der Landwirtschaft, die unsere Kulturlandschaft pflegt, die die Arbeitsplätze bietet und Wertschöpfung im ländlichen Raum schafft. Die gegenwärtige Diskussion zur landwirtschaftlichen Produktion und damit der Wertschöpfung im ländlichen Raum schadet der Thüringer Landwirtschaft. Unser wichtigstes Ziel muss es sein, eine Vision der Nutztierhaltung zu entwickeln, die von der Mehrheit der Bevölkerung für richtig befunden wird und zugleich wirtschaftlich und politisch funktionieren kann. Dazu bedarf es vor allem einer Sache: Aufklärung. Denn es tut not, die Thüringer für die Belange der Tierhaltung zu sensibilisieren und die Diskussion um die landwirtschaftliche Nutztierhaltung in Thüringen zu versachlichen. Ich freue mich sehr, dass die Agrarpolitiker fraktionsübergreifend der Auffassung sind, dass diese Debatte sach- und lösungsorientiert geführt werden muss.
Ich bin besonders froh über einen gemeinsam erarbeiteten Satz in unserer Beschlussempfehlung und möchte ihn deshalb noch einmal vortragen: „Der Landtag bekennt sich zu einer sachlichen Diskussion um die Belange der Landwirtschaft, insbeson
dere zu den Fragen der Tierhaltung. Die Landesregierung wird gebeten, einen zukunftsorientierten Dialog mit der Gesellschaft und den handelnden Akteuren zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft zu initiieren.“ Werte Kolleginnen und Kollegen, daran sollten wir uns alle messen lassen.
Und zu guter Letzt, wir haben das schon oft und auch tiefgründig im Ausschuss besprochen, bei jedem Besuch, bei jeder Anhörung, bei jeder Grünen Woche: Wir brauchen ein noch besseres Agrarmarketing. Wir brauchen die Fortsetzung der zum Teil langjährigen Unterstützung der Thüringer Betriebe auf diesem Gebiet. Heute wollen wir das erneut dokumentieren: „Der Landtag spricht sich für eine verstärkte Vermarktungsunterstützung für die Thüringer Hersteller regionaler Produkte aus und bittet die Landesregierung, bestehende Programme zu optimieren.“ Werte Kolleginnen und Kollegen, hier ist das Landwirtschaftsministerium lieferpflichtig. Unsere Unterstützung haben Sie bei dieser Frage. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ach, Herr Malsch, Sie haben mir ja so aus der Seele gesprochen, fachlich und sachorientiert – sagen Sie es doch mal Ihren Kollegen des Innenbereichs, dass sie bei der Gebietsreform auch so miteinander umgehen, wie wir es im Landwirtschaftsbereich machen. Dann wären wir mit der Kultur in diesem Haus schon ein Stückchen weiter.
Also das geht ja gar nicht, was es eben wieder in der Diskussion gab. Ich bin darüber schon sehr traurig, dass sich dieses Hohe Haus bei einer so wichtigen Diskussion so darstellt. Da können wir bessere Beispiele liefern. Das muss ich so sagen. Für uns war das auch wichtig, dass es zur Entwicklung des Milchmarkts eine gemeinsame Erklärung gibt.