(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Falsch! Sie entscheiden nicht darüber, ob oder dass es falsch ist!)
Wir werden uns der Debatte über diesen Antrag natürlich nicht verweigern, so wie Sie es von der CDU bis zu den Linken in der April-Sitzung gemacht hatten, als Sie unseren Antrag nicht einmal an den Ausschuss überweisen wollten.
Das Thema ist von Bedeutung. Es gibt Betroffene, es gibt auch Gewalt gegen Christen, es gibt auch Gewalt gegen Neuchristen in Thüringen. Im Rückblick ist folgendes Zitat interessant: „Wenn Sie hier Anträge stellen, dann bringen Sie die ordentlich fundiert und mit nachweisbaren Fakten [...].“
Also sprach der Abgeordnete Herrgott in unsere Richtung in der Juni-Sitzung. Diesem Anspruch wird heute Ihr Antrag selbst nicht gerecht. Ihre Forderung, religiös motivierte Gewalt gegen Christen gesondert zu erfassen, beschränkt sich nur auf diese. Dabei sind inzwischen auch Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen, den üblichen Schiiten und Sunniten, bekannt geworden. Ihre Forderung nach alleinigem Schutz für Christen geht schon deshalb an der Realität vorbei. Die Idee, Straftaten nach verschiedenen religiösen und ideologischen Gruppen aufzuschlüsseln, halten wir jedoch für interessant. Besonders spannend dürfte eine solche Auswertung zum Beispiel nach dem „Marsch für das Leben“ sein, der erst kürzlich in Berlin stattfand. Die eine oder andere demokratisch legitimierte Unmutsäußerung der Gegendemonstranten ließe sich danach möglicherweise als Hasskriminalität gegen Christen einordnen. Auf die Erklärungsversuche von Roten, Linken und Grünen bin ich an dieser Stelle echt gespannt.
Die Ausbildung und Qualifizierung von Wachpersonal war bisher immer ausreichend, basierend auf den Grundregeln des anständigen menschlichen Zusammenlebens. Dazu gehört auch das Tolerieren anderer Lebensweisen und -bräuche,
solange sie nicht mit unseren herrschenden Gesetzen aneinandergeraten. Die von Ihnen gewünschte interreligiöse Kompetenz kann doch nur vor dem Hintergrund der strikten Beachtung der in unserem Lande geltenden Rechte und Gesetze überhaupt gedacht werden. Daraus folgend sollte es in erster Linie darum gehen, allen Neuankömmlingen in Deutschland die Möglichkeit zu bieten, in den von Ihnen gewünschten Erstorientierungskursen unmissverständlich mit den hier geltenden Regeln und Gesetzen vertraut gemacht zu werden.
Interreligiöse Kompetenz ist in erster Linie eine Bringepflicht für Menschen aus anderen Kulturen und anderen Ländern, die hierherkommen auf der Suche nach Leben, Freiheit und besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten.
Ein interessanter Aspekt in der Debatte um christliche Werte und antichristliche Gewalt ist Ihr Wunsch, christliche Symbole in der Öffentlichkeit zu erhalten und sie nicht etwa in der Auseinandersetzung mit Salafismus und Islamismus aus diesem zu verbannen. Das steht eigentlich schon im Grundgesetz. Da ist die Rede davon, dass das deutsche Volk sich dieses Grundgesetz in Verantwortung vor Gott und den Menschen gegeben hat. Damit sollte klar sein, dass das Gemeinwesen Bundesrepublik Deutschland ein christlich Determiniertes ist und wir auch keinerlei Veranlassung haben, von diesem Grundsatz abzuweichen.
Islamismus und Salafismus als moderne Erscheinungsformen des politischen Islams sind mit unserer freiheitlichen Gesellschaft nicht vereinbar. Wir freuen uns, dass diese Erkenntnis mittlerweile auch in der CDU in Thüringen breite Unterstützung findet. Ihren Antrag betrachten wir als Beweis dafür, dass Sie die Problemlage erkannt haben. Da wir aber an dieser Stelle die Elternschaft für die Idee und ihre Ausführung für uns reklamieren, erlauben wir uns, unseren Antrag „Religionsfreiheit schützen – Übergriffe auf christliche Asylbewerber verhindern“ als Alternativantrag zu dem Ihrigen erneut einzubringen. Die von Ihnen unter Punkt 4 Ihres Antrags angesprochene Pflicht zum Besuch eines Erstorientierungskurses für Migranten und Asylbewerber
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Fehlt nur noch das Wort „Multikulti“, das haben Sie noch nicht gesagt!)
blem erkennen, betrachten wir Ihre vor einem halben Jahr vorgebrachte Kritik an unserem Antrag als hinfällig. Wir bitten um Zustimmung zur Überweisung beider Anträge an den Ausschuss für Inneres und an den Ausschuss für Migration. Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Interessierte, die es vielleicht an den Bildschirmen gibt, ich finde es schon bezeichnend, wie wenig Abgeordnete insbesondere von den Antrag stellenden Fraktionen hier überhaupt der Debatte folgen.
Da muss man sich schon fragen lassen, wie ernst es den jeweiligen Fraktionen mit den Anträgen ist, die hier eingebracht werden. Diese kosten uns alle viel Zeit, weil wir uns tatsächlich ernsthaft damit auseinandersetzen.
Beide vorliegenden Anträge haben sich des Themas „Religiös motivierte Gewalt“ angenommen. Der CDU-Antrag – Frau Walsmann hatte das bei ihrer Einbringung gesagt – zielt mehr oder weniger darauf ab, die kriminalstatistische Erfassung um den Punkt „Hasskriminalität“ zu erweitern. Damit soll laut Wortlaut im Antrag, ich zitiere, „religiös motivierte Kriminalität gegen Christen/antichristlich motivierte Kriminalität“ in der Polizeistatistik erfasst werden. Außerdem soll die Ausbildung im Bewachungsgewerbe verstärkt auf den Bereich der interreligiösen Kompetenz ausgerichtet und die Erstorientierungskurse in den Thüringer Erstaufnahmeeinrichtungen verpflichtend gemacht werden. Zudem sollten diese besonders auf das Thema der Religionsfreiheit ausgerichtet werden. Ich habe schon ein bisschen gestutzt, als ich das gelesen habe und dann den Rest des Antrags, weil ich Ihnen jetzt begründen werde, warum wir den Antrag der CDU selbstverständlich ablehnen werden. Eine Verengung des Begriffs der Hasskriminalität auf antichristlich motivierte Kriminalität lehnen wir ab, denn ein solches Verständnis greift viel zu kurz, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Hasskriminalität ist nämlich weitaus mehr als Gewalt gegen Christinnen und Christen. Wenn man das nachschaut, kann man zum Beispiel beim MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht den Begriff „Hasskriminalität“ als „Straftaten, die vorwiegend aufgrund der Zugehörigkeit der Opfer zu einer durch Hautfarbe, Herkunft oder sexuelle Orientierung bestimmten Gruppe begangen werden. Hasskriminalität zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass es sich bei dem jeweiligen Tathintergrund weniger um persönliche, situationsspezifische Beweggründe handelt, sondern vielmehr um das übergreifende Ziel der Erniedrigung einer ganzen Gemeinschaft als Resultat von Abneigung, Vorurteilen oder ‚Hass‘.“ erklärt nachlesen. Das zeigt also, dass Hasskriminalität vieldimensional ist.
Zum Hintergrund vielleicht noch einmal: Als Unterkategorie der politisch motivierten Kriminalität wurde bereits im Jahr 2001 die sogenannte Hasskriminalität in das Meldesystem der Polizei eingeführt. In diesem Meldesystem wird dann wiederum zwischen fremdenfeindlichen und antisemitischen Straftaten unterschieden. Angriffe gegen religiöse Gruppen und ihre Einrichtungen hingegen werden in der Kriminalitätsstatistik nicht systematisch erfasst. Unterschiedliche Parteien, Verbände, aber beispielsweise auch der NSU-Untersuchungsausschuss fordern, das zu ändern. Auch wir als Grüne sind durchaus dafür, das Meldesystem der Polizei entsprechend auszudifferenzieren. Eine ausschließliche Fokussierung jedoch auf antichristlich motivierte Gewalt lehnen wir ab, weil sie eindimensional ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wenn, dann muss man antireligiös motivierte Gewalt insgesamt in den Blick nehmen und nicht eine Glaubensgruppe gegen die andere ausspielen.
Zur Forderung, die Ausbildung von Wachpersonal auf interreligiöse Kompetenzen auszurichten: Das begrüßen wir durchaus, allerdings meinen wir, dass es darum gehen muss, auf interkulturelle Kompetenzen insgesamt – und damit auf den richtigen Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt – zu setzen und dies in die Ausbildung von Wachpersonal zu implementieren. Auch hier greift also der CDU-Antrag mit der Fokussierung auf interreligiöse Kompetenzen zu kurz, selbst wenn die Stoßrichtung vielleicht durchaus richtig sein könnte.
Zur Forderung der CDU, Erstorientierungskurse verpflichtend und diese verstärkt auf die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit auszurichten, will ich so viel sagen: Die übergroße Mehrheit der Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen nimmt sowieso freiwillig an diesen Kursen teil. Ein Bedarf an einer verpflichtenden Teilnahme besteht aus unserer Sicht nicht. Wir brauchen vielmehr
mehr Plätze in derartigen Kursen. Daran mangelt es nämlich; die Wartelisten von Interessierten sind extrem lang.
Nun zum Alternativantrag der AfD: Frau Herold, dass Sie sich hier vorn hinstellen und vom sogenannten „Marsch für das Leben“ sprechen, während die CDU etwas beantragt, was sich gegen Gewalt gegen Christen richtet, müsste Ihnen schon zu denken geben, wenn Sie sich ein bisschen mit diesem „Marsch“ beschäftigt hätten. Denn die Evangelische Landeskirche beispielsweise hat sich ganz klar von diesem „Marsch für das Leben“ distanziert – und das mit guten Gründen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich finde das ganz schlimm, was auf diesem „Marsch“ so passiert ist und dass Frauen und Mädchen beispielsweise als Mörderinnen beschimpft werden, die – aus welchen Gründen auch immer – es sich nicht leicht gemacht haben, aber sich beispielsweise für
eine Abtreibung entschieden haben, weil ihr Bauch nun mal ihnen gehört, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Nein, der ge- hört ihnen nicht allein! Wer ist der Anwalt für das Kind?)
Oh doch, der Bauch gehört den Frauen, und die Frauen entscheiden. Das ist zum Glück eine Errungenschaft unseres Rechtsstaats, kann ich Ihnen nur sagen.
Sehr geehrte Frau Tasch, Sie kennen die Gesetzgebung. Sie wissen, wie die Gesetzlichkeiten in Deutschland geregelt sind. Jede und jeder muss mit ihrem und seinem Gewissen selbst vereinbaren, wie sie oder er mit einer solchen Entscheidung umgeht. Aber wenn Sie Frauen und Mädchen kennen, die in so einer schwierigen Situation waren und sich entschieden haben, werden Sie ja wohl niemandem unterstellen, es sich da leicht gemacht zu haben. Ich habe Respekt vor der Entscheidung von jungen Frauen, von Frauen und von Mädchen, die sich entscheiden – egal, wie sie sich entscheiden. Ich maße mir nicht an, ihnen in ihre Gewissensentscheidung hineinzureden. Ich bin froh, dass die Gesetzlichkeiten in Deutschland so sind, wie sie sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich rede jetzt weiter zum Alternativantrag der AfD, denn es ist in der Tat schon mehr als peinlich, zu beobachten, dass die AfD ihren bereits im April 2016 im Landtag abgelehnten Antrag wieder aus der Schublade herausgeholt hat und ihn hier erneut als Alternative verkaufen will. Wer das nachlesen möchte, nehme sich das Protokoll vom 22. April vor, und wird feststellen, dass es nur ein zweiter Aufguss eines schlechten Antrags ist, der mitnichten besser dadurch wird, dass Sie ihn noch einmal aufgießen.
Bereits damals haben wir übrigens darauf aufmerksam gemacht, dass in Thüringen, wenn überhaupt, nur vereinzelte Straftaten mit einem religiös motivierten Hintergrund stattfinden. Auch die vermeintlich massive Ausbreitung salafistischer Propaganda in unseren Asylunterkünften hat eher etwas mit Märchen aus „Tausendundeine Nacht“ als mit der Realität zu tun.
Dementsprechend gibt es immer noch überhaupt keinen Anlass für diesen Alternativantrag. Dass der AfD die Religionsfreiheit reichlich wenig bedeutet, lässt sich übrigens gut am islamfeindlichen Grundsatzprogramm der AfD erkennen. Wir hatten aber auch gestern zwei Debatten dazu, die ich hier nicht wiederholen möchte. Ich glaube, da konnte sich jede und jeder selbst ein Bild davon machen.