Protocol of the Session on February 25, 2015

(Beifall CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren der Regierungskoalition, Sie erwecken mit Ihrem Gesetzentwurf wiederholt den Eindruck, dass häusliche Betreuung der Einjährigen ein sozial unerwünschtes Verhalten ist. Sie betrachten das Erziehungsgeld – und das ist auch heute in der Debatte wieder deutlich geworden – mit ideologischen Scheuklappen. Wir hoffen, dass Sie in der Debatte auch einmal anfangen, diese abzulegen, denn nicht nur für die CDU, sondern für viele Tausend Familien in Thüringen ist das Landeserziehungsgeld eine familienpolitische Leistung einer modernen Gesellschaft, die sich nicht ausschließlich in ihrer Wertigkeit über Erwerbsarbeit definiert, sondern auch die Erziehungsleistung von Eltern anerkennt.

(Beifall CDU)

Deswegen sind wir nicht für eine Diskussion Kita statt Betreuungsgeld, sondern wir sind für beides. Deswegen werden wir auch den Gesetzentwurf ablehnen, aber verweigern uns keiner Debatte über das, was Sie an Argumenten dagegen vorbringen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, AfD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Meißner. Als Nächste hat das Wort von der Fraktion der AfD Frau Muhsal.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: End- lich!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Lieber Herr Adams, ich wollte eigentlich anders anfangen, aber Sie haben gerade, als die Frau Meißner sagte, es gibt junge Frauen, die wollen sich um ihre Kinder kümmern und trotzdem einen Beruf ausüben oder was anderes Sinnvolles machen, ganz entgeistert gefragt: Ja, aber wie machen die das denn?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nein!)

(Abg. Meißner)

Ich finde, das ist genau symptomatisch für das, wie Sie Ihre Politik betreiben. Das ist eine einseitige Betrachtungsweise. Wenn Sie wissen wollen, wie man das macht, dann können Sie sich nachher gerne mal bei mir informieren, ich betreibe das nämlich sehr erfolgreich seit sieben Jahren.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Danke für die Belehrung!)

Um es deutlich zu machen: Ich erziehe meine Kinder seit sieben Jahren zu Hause und ich habe im oberen Bereich meines Jahrgangs meinen Abschluss gemacht, ganz ohne Fremdbetreuung. Deswegen nur das freundliche Angebot. Wenn es Sie interessiert, gerne.

In ihrem Artikel 17 bekennt sich die Thüringer Landesverfassung klar zur Familie als einem eigenständigen gesellschaftlichen Wert: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Und in Absatz 2: „Wer in häuslicher Gemeinschaft Kinder erzieht oder für andere sorgt, verdient Förderung...“ Gleichzeitig postuliert Artikel 18 der Thüringer Verfassung im Einklang mit unserem Grundgesetz das Recht und auch die Pflicht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder.

(Beifall AfD)

Dieses verfassungsrechtliche Verständnis von Familie und von der Bedeutung, die unsere Rechtsordnung der Familie beimisst, vermisse ich nicht nur in den Ausführungen der regierungstragenden Fraktionen, sondern auch in den Ausführungen der CDU-Fraktion – nicht bei Frau Meißner heute, aber ich komme gleich dazu, warum. Schon in seiner Regierungserklärung hat Herr Ramelow lediglich davon gesprochen, dass das Landeserziehungsgeld Kinder von Bildung fernhalte, und Herr Mohring hat in seiner Erwiderung erwähnt – ganz nebenbei –, dass die Familie die Keimzelle der Gesellschaft sei. Aber wenn man beobachtet, wie die CDU mittlerweile um das Landeserziehungsgeld herummanövriert, hat man nicht den Eindruck, dass sie immer weiß, wovon sie redet.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Hört, hört!)

Im Wahlkampf behauptet die CDU, sie wolle das Landeserziehungsgeld erhalten. Dann kuschelt sie ein bisschen zu viel mit der SPD

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Na, na, na!)

(Heiterkeit DIE LINKE)

und verspricht ihr, die Ausgaben für das Landeserziehungsgeld zu halbieren, wenn die SPD nur wieder weiter mit ins Koalitionsbett springt. Und dann, wenn die SPD nicht springt, wie sie springen soll,

erzählt man eben doch wieder, wie wichtig einem das Landeserziehungsgeld denn sei.

(Beifall AfD)

Um Ihnen bei all dem Hin- und Hergehopse vielleicht wieder ein bisschen Orientierung zu geben, möchte ich kurz deutlich machen, warum unsere Rechtsordnung die Familie als gesellschaftliche Institution besonders schützt. Die Familie ist die gesellschaftliche Einheit, in der Verantwortung und Verbindlichkeit am intensivsten gelebt werden. Kein Staat und keine Institution kann die Verbindung, die zwischen Eltern und Kindern besteht, und die Entwicklung, die insbesondere kleine Kinder gerade wegen dieser intensiven emotionalen Verbindung machen, ersetzen.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Bravo!)

(Heiterkeit im Hause)

Und Familien, in denen eine feste emotionale Bindung besteht, sind stabile und leistungsbereite Familien, die letztendlich einen stabilen Staat zur Folge haben, also einen Staat, in dem freie und verantwortungsbewusste Bürger sich für die Verwirklichung der Grundprinzipien unseres Staats, nämlich dem Rechtsstaatsprinzip, dem Demokratieprinzip und dem Sozialstaatsprinzip, um nur einige zu nennen, einsetzen. Von diesem eigenständigen Wert, den unsere Thüringer Verfassung und auch das Grundgesetz der Familie zuweisen, von diesem Wert müssen wir immer ausgehen, wenn wir darüber befinden, ob bestimmte Leistungen an Familien nötig sind oder nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt darf das Landeserziehungsgeld daher nicht abgeschafft werden. Die AfD-Fraktion tritt stattdessen dafür ein, dass das Landeserziehungsgeld nicht nur erhalten, sondern auch ausgebaut wird,

(Beifall AfD)

und das nicht nur in der Höhe, sondern auch in der Bezugsdauer. Hier kommt normalerweise das Gegenargument der Doppelförderung.

(Unruhe DIE LINKE)

Frau Rothe-Beinlich, ich warte eigentlich schon auf Ihren Zwischenruf.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kommt noch!)

Meine lieben Abgeordnetenkollegen, ich will nicht in Abrede stellen, dass auf Bundes- wie auf Landesebene in der Familienpolitik viele Fehler gemacht wurden und werden. Ein Fehler ist beispielsweise, dass das Bundesbetreuungsgeld nicht direkt in ernst zu nehmender Höhe ausgezahlt wird, sodass man die Landesregelung tatsächlich getrost vergessen könnte. Ein weiterer Fehler ist auch, dass man immer von Familien-„förderung“ spricht und Leis

tungen an Familien, wie zum Beispiel das Landeserziehungsgeld, als „Sozialleistung“ deklariert – danke, CDU – und damit suggeriert, dass Familien per se von der Güte der Gesellschaft abhängige Sozialfälle seien, denen man ständig unter die Arme greifen müsse.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Freie Rede! Nicht ablesen!)

Denn genau das ist nicht der Fall. Im Renten- wie im Steuersystem tragen Familien alle Lasten. Das führt so weit, dass Familien sich heutzutage ihren Lebensunterhalt kaum noch, geschweige denn von nur einem Gehalt selbst erwirtschaften können. Das war in meiner Eltern- und Großelterngeneration noch ganz anders. Der Urgroßvater meiner Kinder beispielsweise war Polsterer und hat – heute undenkbar – mit einem Gehalt eine sechsköpfige Familie ernährt. Grundsätzlich müssen wir also auf Bundes- wie auf Landesebene die Umverteilung reduzieren und wieder dahin kommen, dass Familien auf eigenen Beinen stehen und ihren Lebensunterhalt unabhängig von ihrem Lebensentwurf realisieren können. Dann bräuchten wir auch kein Landeserziehungsgeld.

(Beifall AfD)

Davon aber, meine Damen und Herren, sind wir noch weit entfernt. Und solange das noch so ist – die AfD will natürlich auch auf Bundesebene, wenn sie denn darf, alles dafür tun, dass das geändert wird –, aber solange das noch so ist, darf das Landeserziehungsgeld nicht abgeschafft werden, Doppelförderung hin oder her.

Des Weiteren wird fortwährend gegen das Landeserziehungsgeld ins Feld geführt, das Landeserziehungsgeld sorge nicht für Wahlfreiheit. Frau Jung hat das ja auch heute wieder gesagt, allerdings nicht argumentativ unterlegt. Da kann ich auch nur sagen, liebe Abgeordnete der Linken, Grünen und der SPD-Fraktion: Leider stimmt es. Das Landeserziehungsgeld ist nämlich viel zu niedrig, als dass es wirklich für Wahlfreiheit sorgen würde.

(Beifall AfD)

Stellen Sie sich eine Familie vor mit Kindern im Alter von fünf, drei und eins. Entscheidet sich die Familie für eine Betreuung außerhalb der Kindertagesstätte, bekommt sie für das dritte Kind ein Jahr lang den erhöhten Satz des Landeserziehungsgeldes – 250 Euro und 150 Euro Betreuungsgeld, insgesamt also 400 Euro monatlich für die Dauer eines Jahres. Im Jahr danach kann die Familie dann noch ein Jahr 150 Euro Bundesbetreuungsgeld beziehen. Was passiert aber, wenn sich die gleiche Familie für die Krippen- und Kindergartenvariante entscheidet?

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Dann bekommt das Kind Bildung!)

Ein Vertreter eines großen Bildungsträgers hier in Thüringen sagte mir, für die reine Krippenbetreuung fallen pro Kind 1.000 Euro Kosten im Monat an, für alle Kindergartenkinder 500 Euro pro Monat und Platz. Solange in unserem Beispiel das jüngste Kind in die Krippe geht und das älteste Kind noch nicht in der Schule ist, bekommt die Familie also faktisch staatliche Leistungen im Wert von 2.000 Euro pro Monat.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist es uns wert!)

Selbstverständlich muss man da noch den Eigenanteil abrechnen, den die Eltern für ihre Kindergartenplätze bezahlen. Alles in allem kann man aber sagen, dass der Vergleich - die eine Seite bekommt erst 400, dann 150 Euro und die andere Seite bekommt zunächst 1.500 bis 2.000 Euro und dann lange Zeit immer noch mehr als 1.000 Euro -, dass dieser Vergleich vollkommen zulasten der Familien, die sich gegen die Kita-Betreuung entscheiden, ausfällt.

(Beifall AfD)

Das ist keine Wahlfreiheit. Das ist die willentliche Diskriminierung eines bestimmten Lebensentwurfs. Auch da, Frau Rothe-Beinlich, höre ich eigentlich schon wieder Ihren Zwischenruf, der lautet: Aber die Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, die nutzen dem Staat ja auch nichts. Wieso sollen die denn Geld erhalten?

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Haben Sie die Zwischenrufe von Frau Rothe-Bein- lich aufgeschrieben?)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)