Protocol of the Session on August 11, 2016

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mein Gott, ist das blöd!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren – blöd ist das, was Ihr Minister treibt! Ich mache es mir einfach, ich schaue nach oben und habe es einfacher als Herr Wolf, ich kann sagen: Sehr geehrte Kollegen, die auch von den Schulen heute hier mit anwesend sind! Für über 240.000 Schülerinnen und Schüler, für über 22.000 Lehrerinnen und Lehrer sowie für über 4.000 Erzieher und sozialpädagogische Fachkräfte in staatlichen und freien Thüringer Schulen begann heute Morgen ein neues Schuljahr. Zunächst gilt es, all diesen Kollegen und Schülern ein erfolgreiches, gutes und sicheres Schuljahr 2016/2017 zu wünschen.

(Beifall CDU)

Leider gilt es aber am heutigen Tag auch festzustellen, was viele Bildungsgewerkschaften in den vergangenen Tagen mit Blick auf die heutige Sitzung bestätigt haben. Die Anwesenheit fast aller Bildungsgewerkschaften heute hier im Landtag zeugt von dem hohen Interesse.

(Beifall CDU)

Diese haben bestätigt, noch nie hat ein neues Schuljahr in Thüringen mit so viel Unruhe, mit so viel Verunsicherung und erst kürzlich aufgerissenen

(Abg. Rosin)

Baustellen im Schulbereich – und jetzt auch noch einem Papa-Skandal – begonnen wie unter der Regierung Ramelow.

(Beifall CDU)

Es fehlen Lehrer für die Absicherung von Arbeitsgemeinschaften, aber auch für die Absicherung des regulären Unterrichts. Viele Schulleiterposten sind nach wie vor unbesetzt. Beförderungen wird es in diesem Jahr wohl keine geben. Klassenfahrten finden nur im deutlich reduzierten Maße statt. Es fehlt Personal an allen Grundschulhorten.

Trotz dieses ganzen Sammelsuriums an ungelösten Problemen strebt die Landesregierung eine umfassende Reform des Schulgesetzes und der Thüringer Schulordnung noch in diesem Jahr an und will im Rahmen dieser Reformen nicht nur das eigenständige Thüringer Förderschulgesetz abschaffen und den Druck auf die Förderzentren damit weiter massiv erhöhen, sondern Sie wollen auch gleich Mindestgrößen für Klassen und Schulen einführen und damit massiv in das bestehende Thüringer Schulnetz eingreifen. Herr Wolf hat es vorhin wieder deutlich formuliert.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Das stimmt nicht, du musst zuhören!)

Herr Wolf – jetzt ist er leider nicht da, schade. Aber Sie können es ihm ja gern sagen, er hat vorhin etwas wissen wollen. Jetzt ist er nicht einmal da, wenn er etwas wissen will, schade. Ich sage es hier auch noch einmal laut und deutlich: Wir haben nichts gegen Inklusion, genauso wie die Lehrerinnen und Lehrer nichts gegen Inklusion haben. Jeder vernünftige Lehrer gibt sich alle Mühe und will möglichst viele Schüler zu einem erfolgreichen Abschluss führen, zu einer erfolgreichen BLF führen, zu einem erfolgreichen Abitur, zu einem Regelschulabschluss – was es alles für tolle Sachen bei uns gibt. Aber wir als CDU sagen ganz deutlich: Zunächst muss das Ministerium sagen, was die Bedingungen sind, die man den Lehrern gibt, welches Mehrpersonal, welche Sachkosten die Schulen ersetzt erhalten. Davon sagen Sie nichts. Sie wollen das Schulgesetz ändern. Sie wollen damit einen rechtlichen Rahmen schaffen und am Ende gehen vielleicht sogar Eltern vor Gericht und zeigen Lehrer an, weil Sie ja dann in einem inklusiven Schulgesetz das Recht auf vollständige Inklusion haben, was auch immer das dann ist.

Dass die Regierung Ramelow angesichts der Herausforderungen, des größten Generationswechsels, der jetzt seit den 70er-Jahren ansteht, ständig neue Baustellen aufreißt und verunsichert, das zeugt tatsächlich von einem bildungspolitischen Totalausfall.

(Beifall CDU)

Ich möchte beispielhaft nur auf vier solcher Baustellen eingehen und dabei die bevorstehenden Probleme für das heute beginnende Schuljahr aufzeigen. Frau Ministerin hat auch ständig nur in der Vergangenheit gekramt. Wir haben mit unserer heutigen Debatte das jetzige Schuljahr 2016/2017 im Blick. Mit den Entscheidungen, die Sie in den letzten zwei Jahren getroffen haben, sind ziemlich große Baustellen entstanden. Zu einigen möchte ich gern noch einmal ausführen, Ihnen einige Hinweise geben, die uns gerade in den letzten Tagen erreicht haben.

Den ersten bildungspolitischen Blackout führten Sie mit dem Haushalt 2015 herbei. Sie reduzierten die Finanzmittel für Dienstreisen im Rahmen von Klassenfahrten von damals durch Minister Matschie zugewiesenen ungefähr 1,3 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 780.000 Euro. Das ist eine Kürzung durch die Regierung Ramelow von 500.000 Euro. Wenn man sich die Haushaltsansätze noch anschaut, 2014 und 2015 vergleicht, ist es sogar noch mehr. Sie haben reduziert, 700.000 Euro weniger für Klassenfahrten. Sich dann hier hinzustellen oder am letzten Schultag den Lehrern einen Brief zu schreiben, es ist alles toll und wir haben sogar noch draufgelegt, das ist wirklich realitätslos. Das können Ihnen alle Lehrer in Thüringen bestätigen.

Nach einem ewigen Hin und Her über Schulbudgets oder nicht im vergangenen Schuljahr – auch die Gewerkschaften können sich daran erinnern, im Hauptpersonalrat öfter diskutiert, jetzt zuletzt ist die Verwaltungsvorschrift dann gar nicht mehr groß diskutiert worden, sondern einfach in Kraft gesetzt worden, wie man hört –, aber bei dieser ganzen Diskussion um die Schulbudgets, wo selbst die Staatssekretärin wieder einmal den Überblick verlor, wurde der Bedarf an den Thüringer Schulen jetzt ermittelt. In einer kürzlich erhaltenen Antwort auf meine Kleine Anfrage hat mir das Bildungsministerium freundlicherweise mitgeteilt, dass die Thüringer Schulen – und jetzt hören Sie genau zu, meine Damen und Herren von der Koalition – für das heute beginnende Schuljahr, für all die Klassenfahrten – die angeblich nach Frau Klaubert, was sie heute gesagt hat, genehmigt wurden; übrigens auch wichtig für die Gewerkschaften, die anwesend sind, Frau Klaubert hat mitgeteilt, alle Klassenfahrten, wie sie beantragt sind, finden statt, da bin ich gespannt – aber jetzt kommt heraus in dieser Kleinen Anfrage: 1,45 Millionen Euro haben die Schulen beantragt für dieses Jahr und in Ihrem Haushalt stehen nur 780.000 Euro drin. Wie soll das gehen, wenn es eine Unterdeckung von fast 50 Prozent bei Klassenfahrten gibt?

(Beifall CDU)

Und dann stellt sich die Ministerin hier hin und sagt: Ja, ja, aber wir haben die Auslandsfahrten gar nicht erfasst, die kommen noch dazu. Glücklicherweise

gibt es Internet, ich habe mal schnell in den Haushaltsplan geschaut, vielleicht hätte das der Referent von Frau Ministerin auch mal machen sollen, bevor er ihr das aufgeschrieben hat. Darin steht, was tatsächlich für Dienstreisen ins Ausland zur Verfügung steht. Wissen Sie es, Frau Staatssekretärin? Ich denke, die Praktiker wissen es. Da steht bei Gymnasien null Euro, da steht bei Regelschulen für Fahrten ins Ausland null Euro, da steht bei Gemeinschaftsschulen, bei Ganztagsschulen null Euro. Bei Grundschulen sehe ich es noch ein. Die Finanzministerin freut sich schon, dass überall Null steht, das kann ich verstehen, aber nicht als Bildungspolitiker und nicht als ehemaliger Lehrer, das ist eine Sauerei. Dann könnte man sagen, es gibt ja noch einen anderen Posten, auch Dienstreisen. Ja, den gibt es. Dienstreisen, wo alles andere bezahlt wird, Fortbildungen, Weiterbildungen usw. Da gibt es noch mal 300.000 Euro, aber die werden mit Sicherheit gebraucht, damit die Kolleginnen und Kollegen am ThILLM auch die nötigen Weiterbildungen machen können. Sie sehen, hier ist erneut eine Riesenbaustelle verursacht worden. Das ist es, was wir Ihnen übel nehmen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, den zweiten bildungspolitischen Blackout erlebten wir mit dem Doppelhaushalt 2016/2017.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war doch Ihr Black- out!)

Bei dem Chaos, was Sie mit diesem Haushalt veranlasst haben, war es unnötig, irgendwelche Anträge zu stellen. Das hätte man nie und nimmer in Ordnung bringen können.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht ein einziger Antrag!)

Noch mal zu diesem Chaoshaushalt: Sie haben sämtliche Hinweise, die wir Ihnen im Bildungsausschuss, im Haushaltsausschuss gegeben haben, in die Luft gewürgt. Selbst Sie als Grüne, Herr Adams, haben dafür gesorgt, dass die Eltern der Spezialgymnasien mehr belastet werden, obwohl wir uns massiv im Ausschuss dagegen verwendet haben.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Unverschämt- heit!)

Damit bin ich bei dem Punkt Spezialgymnasien. Ohne Not haben Sie die Gebühren für die Verpflegung und Unterbringung an den Spezialgymnasien erhöht. Im öffentlichen Petitionsverfahren wird dann sogar noch klar, dass sich entgegen der Behauptung, die auch Herr Wolf heute wieder hier verbreitet hat, die Kosten überhaupt nicht erhöht haben. Was passiert ganz aktuell, meine Damen und Her

ren? Das hat uns diese Woche von den Eltern der Schulen erreicht. Wie gehen Sie mit den betroffenen Eltern ganz aktuell um? Ich erkläre es Ihnen gern noch mal konkret: Mit der kürzlich erlassenen Änderung der im Dezember geänderten Verwaltungsvorschrift erhalten Eltern mit einem Jahreseinkommen unter 35.000 Euro 10 Prozent Ermäßigung für das erste Kind. Okay, das ist neu, das ist auch vernünftig. Jetzt aber kommt der Hammer, jetzt kommt die Sauerei, wie Sie mit den Eltern, die wenig Geld haben, umgehen: Familien mit zwei Kindern bekommen zukünftig keine bessere Ermäßigung, wie den Eltern eigentlich versprochen worden ist, sondern es bleibt wie unter Minister Matschie bei 25 Prozent Ermäßigung, also werden Familien mit zwei Kindern den vollen Satz der von Ihnen beschlossenen Erhöhung tragen müssen. Und die Sauerei geht weiter. Das Ministerium ist noch kreativer und noch unverfrorener: Familien mit drei Kindern erhielten bisher 50 Prozent Ermäßigung. Unter einer linken Landesregierung bekommen diese Familien nun nur noch 40 Prozent Ermäßigung. Das bedeutet, weil die Gebührenerhöhung in Scheiben erfolgt, dass Familien mit drei Kindern in diesem Schuljahr 10 Prozent Erhöhung plus 10 Prozent weniger Ermäßigung, also 20 Prozent mehr bezahlen müssen, nächstes Jahr dann 30 Prozent und übernächstes Jahr 40 Prozent. Das ist linke Bildungspolitik in der Praxis. So gehen Sie mit den Menschen um, so gehen Sie in unserem Land mit Familien um, die wenig verdienen.

(Beifall CDU)

Auch hier, wie bei den Klassenfahrten, fordern wir Sie zur Korrektur auf. Da können Sie noch so oft beklagen, Frau Rosin, warum wir hier alte Formulierungen bringen. Für uns sind diese Formulierungen für diese Forderung brandaktuell und das werden Ihnen ganz viele Kolleginnen und Kollegen, Eltern und Schüler auch bestätigen können.

Da gibt die Ministerin, um einen weiteren Punkt aufzugreifen, einen Referentenentwurf zur Regelung von Schulgrößen mit dem Ziel einer Ermächtigung in den Umlauf. Als der Aufschrei groß ist, will die Ministerin nicht einmal die Inhalte der geplanten Ermächtigung gekannt haben. Dass dieses Vorhaben aber durchaus in die große Linie linker Bildungspolitik passt, verdeutlicht einerseits das, was Herr Wolf gesagt hat, aber es verdeutlicht eben auch die Aussage des Herrn Ministerpräsidenten zum parlamentarischen Abend des Handwerks in diesem Jahr hier in diesem Hause. Dort formulierte er vor Hunderten von Zuhörern, dass man sich zukünftig schon überlegen müsse, ob man eine Plattenbauschule auf dem Land luxussaniert – so der Ministerpräsident – oder lieber Altenheime finanziert. Solche Aussagen zeigen, wie Sie mit Ihrer Politik die Lehrer, wie Sie mit Ihrer Politik die Eltern und die Schüler in unserem Land verunsichern, und sie zei

gen, was Ihnen die kleinen Schulen und der ländliche Raum in Thüringen wirklich wert sind.

(Beifall CDU)

Wir fordern Sie jetzt zur Umkehr bei dieser Politik auf. Jetzt komme ich zu einem vierten Beispiel – ich könnte viele bringen, 27, nein 26 stand heute irgendwo –: im Bereich der Hortbetreuung haben Sie ebenfalls ein unnötiges Chaos verursacht. Aus rein ideologischen Gründen – für Herrn Wolf ist das ein innerer Parteitag, dass das passiert ist – haben Sie das erfolgreiche Hortmodell beendet,

(Beifall CDU)

auch wenn die Regierung Ramelow dies jetzt einmal mehr den Kommunen in die Schuhe schieben will. In der Praxis haben fast alle Beschäftigten infolge Ihres Handelns Gehaltseinbußen und die rechtliche Bewertung des Betriebsübergangs ist noch immer nicht geklärt und noch immer sind Sie auch dem Bildungsausschuss die Antwort auf die Bewertung der Aussagen des Rechnungshofs schuldig.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ist falsch!)

Sie freuen sich über 90 Prozent Angebotsannahme der Kolleginnen und Kollegen und verdrängen, dass die Kollegen gar keine Alternative hatten. Wollten Sie sie auf die Straße schicken oder auf das Arbeitsamt? All diese Dinge stehen im Raum.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Jah- resverträge! Das müssen Sie sich einmal überlegen!)

Sie versuchen den Menschen zu verkaufen, die Angestellten bei den Kommunen hatten reihum prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Alle hatten stets eine sichere berufliche Perspektive, egal wie die Entscheidung zum Hortmodell ausgefallen wäre, weil wir die Kollegen, egal wie es gelaufen wäre, gebraucht hätten. Sie wissen auch, dass gar nicht alle befristet angestellt waren.

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Warum wurden die Arbeitsverträge dann nicht entfristet?)

Stattdessen haben Sie in vielen Horten massive personelle Engpässe geschaffen. Frau Skibbe, Sie brauchen sich nur in Ihrem Wahlkreis, nein, einen Wahlkreis haben Sie ja nicht, aber in Ihrem Landkreis einmal umhören, wie die Engpässe aktuell sind. Sie haben personelle Engpässe geschaffen und die ganz vielen, wunderbar laufenden, erfolgreichen Kooperationen hängen immer noch in der Luft. Und die Sauerei ist, auch ein Hinweis für die Gewerkschaften, die Horte im Landesdienst sind von diesen zusätzlichen Angeboten aktuell sogar ausgenommen. Die können eventuell, wenn das

kommen sollte, gar nicht darauf zugreifen. In Wahrheit läuft die ganze Abwicklung des erfolgreichen Hortmodells doch nur einigermaßen vernünftig, weil die Kommunen, die Sie jetzt beschimpfen, sich im Interesse der Beschäftigten mehr als pragmatisch und kooperativ gezeigt haben. Genau das, was sich viele vom Bildungsministerium gern wünschen. Wir fordern Sie auf: Korrigieren Sie Ihre Entscheidungen beim Hort! Sorgen Sie vor allem für inhaltlich und personell erfolgreiche Bedingungen! Und hören Sie auf, die Planspiele zur gebundenen Ganztagsschule zu betreiben!

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, die Thüringer Schulen in staatlicher Trägerschaft stehen vor einem der größten Generationswechsel der letzten Jahre. Eine kürzlich gestellte Kleine Anfrage von Frau RotheBeinlich, vor einem Jahr standen dieselben Zahlen in einer Kleinen Anfrage von mir – die Zahlen sind nicht vernünftig, aber gleich geblieben.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vor wenigen Jahren waren Sie noch gar nicht im Landtag!)

Wenigstens in der Hinsicht ist das Ministerium verlässlich. 2016/2017 gehen 750 Kollegen in Ruhestand. Dieses Jahr planen Sie 500 einzustellen, okay. Nein, okay ist es auch nicht. 2017/2018 gehen 940 Kollegen in den Ruhestand. 2018/2019, im Wahljahr, gehen 967 Kollegen in den Ruhestand. 2019/2020 gehen 1.030 Kollegen in den Ruhestand und 2020/2021 gehen 1.004 Kollegen in den Ruhestand. Das sind 4.691 Kollegen von 17.348. 27 Prozent aller Thüringer Lehrer gehen in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand.