Protocol of the Session on April 22, 2016

(Abg. Möller)

Auch wenn Ihnen das nicht gefällt, ich bin sehr dankbar, dass die sozialen Verbände, dass die Träger, dass Diakonie, Caritas, DRK wichtige Beratungsleistungen anbieten und den Menschen helfen. Ich glaube, diese Träger können nur den Kopf darüber schütteln, wie Sie von der AfD hier versuchen, unterschiedliche Interessengruppen gegeneinander auszuspielen. Das ist wirklich das Arbeiten mit den niedrigsten Instinkten, was die AfD hier betreibt.

(Unruhe AfD)

Mit unserem vorliegenden Antrag „Asylverfahrensberatung in Landesaufnahmestellen“ betonen wir jedenfalls als rot-rot-grüne Koalition die Notwendigkeit, eine Asylverfahrensberatungsstruktur in allen Erstaufnahmestellen des Landes tatsächlich auch anzubieten.

Herr Herrgott, ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, der Antrag sei überflüssig. Vielleicht sollten wir tatsächlich mal gemeinsam eine Erstaufnahmestelle besuchen. Ich war erst letzte Woche Montag das letzte Mal in Suhl

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Die war leer!)

und ich kann Ihnen sagen, wenn Sie dort vor Ort sind und auch die engagierten Mitarbeiterinnen der Diakonie beispielsweise treffen und auch die Mitarbeiterinnen des BAMF und natürlich die Betroffenen, die Geflüchteten, die gerade ihre Anträge bekommen haben, dann werden Sie sehen, was für einen großen Beratungsbedarf es gibt. Es hat schlichtweg nichts mit der Realität zu tun, wenn man behauptet, es gebe diesen Beratungsbedarf nicht oder es würde schon so viel beraten.

Wir freuen uns wirklich sehr, dass sich die Dauer der Asylverfahren endlich verkürzt. Wir hatten bis jetzt die oftmals schäbige Situation, dass Menschen jahrelang – ich betone: jahrelang – auf einen Antrag oder die Bewilligung des Antrags warten mussten.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Oder die Ablehnung!)

Endlich gibt es nun mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim BAMF. Das hat lange genug gedauert. Ich habe mir das in Suhl, wie gesagt, anschauen dürfen. Dort gibt es jetzt viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Entscheiderinnen und Entscheider, so nennen sie sich ja. Wenn Sie sich jetzt die Realität anschauen, dann finden Sie Folgendes vor: Es kommen dort Menschen an und sie bekommen sehr schnell einen Entscheid und wissen damit erst mal überhaupt nichts anzufangen. Das muss man einfach so deutlich sagen. Sie sind hierhergekommen in ein fremdes Land, sie kennen das Rechtssystem nicht, sie kennen auch die Gesetzlichkeiten nicht. Umso wichtiger ist die Verfahrensberatung, die sie jetzt brauchen, damit sie wissen:

Wie geht es weiter? Was bedeutet es beispielsweise, wenn ich jetzt subsidiären Schutz für ein Jahr bekomme? Wohin muss ich mich wenden? Wohin wende ich mich, wenn es darum geht, mir eine Wohnung zu suchen etc. pp. Es gibt jedenfalls mehr als genug Beratungsbedarf. Da können Sie sich sicher sein.

Der Haushalt trägt nicht etwa den Zahlen sozusagen Rechnung, wie Rot-Rot-Grün sich das ausgemalt hat, sondern schlichtweg den Lebensrealitäten. Im letzten Jahr noch standen wir hier vor den großen Zahlen von Menschen, die hierher zu uns geflohen sind, und uns als rot-rot-grüne Regierung wurde gesagt: Jetzt schafft mal ganz schnell die Voraussetzungen, um sie unterzubringen. Das haben wir getan. Das haben wir getan, was die Plätze in den Erstaufnahmestellen anbelangt. Das haben wir getan, was die Verbesserung der Sozialbetreuungspauschale anbelangt. Das haben wir aber auch getan mit Blick darauf, dass es mehr Entscheiderinnen und Entscheider gibt, indem wir Druck beim Bund gemacht haben. Und wir haben die notwendigen Gelder für all das im Haushalt eingestellt. Das ist schlichtweg verantwortungsbewusst, wie wir uns verhalten haben. Was Sie hier versuchen uns zu unterstellen, ist einfach nur eine ziemlich dumpfe Polemik von der AfD.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wie gesagt, wir haben eine entsprechende finanzielle Vorsorge getroffen, weil die frühzeitige Asylverfahrensberatung immer wichtiger wird, auch und gerade wenn sich die Bearbeitungszeiten verkürzen. Die Asylgesetzgebung verändert sich in den letzten Jahren fast ständig. Wir erinnern uns an die Asylpakete I und II. Man könnte sie richtigerweise auch „Verschärfung“ nennen. Und vor allem auch die verkürzten Rechtsschutzzeiten machen es notwendig, dass wir eine gute Beratung, und zwar auch in der erforderlichen Größenordnung haben. Für die Asylsuchenden ist es durchaus schwer, ich habe es eben schon angeführt, den Paragrafendschungel im Asylbereich hinreichend zu durchschauen, die eigenen Rechte auch wahrzunehmen, Entscheidungen nachzuvollziehen und die Folgen richtig einzuschätzen. Es sind Folgen, die das Leben dieser Menschen maßgeblich prägen. Hier so zu tun, als ob es sich um irgendwelche einfachen Entscheidungen handelt, ist in der Tat fahrlässig. Es geht für diese Menschen um nicht mehr und nicht weniger als um ihre Zukunft, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Daher wollen wir die Beratungsstrukturen ausbauen und dort gewährleisten, wo sie am meisten gebraucht werden.

Nur noch mal, damit alle wissen, worüber wir reden: Die Schwerpunkte der Asylverfahrensberatung liegen in der Beratung zum Asylverfahren, der Krisenintervention, der Begleitung von minderjährigen unbegleiteten ausländischen Flüchtlingen und der Unterstützung besonders schutzbedürftiger Menschen. Ich will noch einmal die Gelegenheit nutzen, ausdrücklich den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den vorhandenen Beratungsstellen ganz beispielhaft in Suhl und Gera zu danken.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Auch in Mühlhausen gab es übrigens bislang ein Beratungsangebot über die Caritas. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben oft langjährige Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit, interkulturelle Kompetenz – die hätten hier andere auch nötig –, sie sind in den kommunalen Netzwerken aktiv und haben sehr gute Kontakte zu öffentlichen Stellen und Institutionen. Gerade angesichts der kürzeren Asylverfahren, sprich die schnelle Bearbeitung durch das BAMF, wird die Asylverfahrensberatung zukünftig auch mehr und mehr zu einer Übergangsberatung, sprich – ich sagte es vorhin schon –, wo gibt es Wohnraum, wo Arbeit, wie läuft die Anmeldung in einer Schule etc. Mit schnelleren Asylverfahren wird zudem immer deutlicher, wie unsinnig und teuer es ist – das will ich an dieser Stelle auch noch mal sagen –, eine Doppelstruktur im Rahmen der Gewährung von Sozialleistungen durch das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz auf der einen Seite und die Sozialgesetzgebung des Sozialgesetzbuches auf der anderen Seite aufrechtzuerhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass Sie von der CDU sich vielleicht auch noch entschließen können, unserem Antrag zuzustimmen, denn er kostet nicht zusätzlich. Er wird im Rahmen des beschlossenen Haushalts umgesetzt. Entscheidend ist, dass die geflüchteten Menschen eine gute Beratung bekommen, damit sie sich nicht nur willkommen fühlen, sondern damit sie auch ankommen können. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor, sodass ich Frau Staatssekretärin Albin für die Landesregierung das Wort erteile. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Fraktionen der die Regierung stellenden Parteien – Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – fordern in ihrem An

trag die Installierung einer Asylverfahrensberatungsstruktur in allen Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes. Lassen Sie mich hierzu zunächst klarstellen, dass auch für mich die Asylverfahrensberatung Teil einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik ist. Es ist für mich daher eine Selbstverständlichkeit, dass wir die nach Thüringen geflüchteten Menschen im mitunter komplizierten Regelungsdickicht des Asylverfahrens

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nicht alleinlassen, dass wir sie vielmehr an die Hand nehmen und ihnen Orientierung und Beratung zu den für sie so wesentlichen Verfahrensabläufen bieten. Insofern ist die Asylverfahrensberatung ein wesentlicher Baustein einer gelebten Willkommenskultur. Dieser Bedeutung der Asylverfahrensberatung entspricht es auch, dass wir in Thüringen in mehreren Erstaufnahmeeinrichtungen bereits eine funktionierende Struktur aus Asylverfahrensberatungsstellen installiert haben. In Trägerschaft der Diakonie sind diese Verfahrensberatungsstellen mit großem Erfolg in Ostthüringen, Suhl und Erfurt tätig. In Mühlhausen gibt es ebenfalls ein Angebot. Diese Asylverfahrensberatung wird aus Projektmitteln meines Hauses auf Basis der Richtlinien zur Gewährung von Zuwendungen des Freistaats Thüringen für die Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund kofinanziert und teilweise kofinanziert durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU – kurz AMIF. Aus den genannten Gründen befürworte ich die Ausdehnung der Asylverfahrensberatung auf weitere Standorte der Landeserstaufnahme, zum Beispiel auf Gera-Ernsee. Hierzu finden bereits Gespräche mit unseren langjährigen Projektpartnern statt. Eines muss allerdings klar sein: Die Installierung einer Asylverfahrensberatungsstruktur macht nur an solchen Standorten Sinn, die perspektivisch langfristig als Standorte der Landeserstaufnahme beibehalten werden. Gleichzeitig scheiden Standorte aus, die nur als Notunterkünfte in Zeiten sprunghaft steigender Asylbewerberzahlen hergerichtet wurden. An welchen zusätzlichen Standorten zukünftig Asylverfahrensberatung bedarfsgerecht angeboten wird, wird auch von der neuen Struktur des Aufnahmemanagements in Thüringen abhängen, das wir gerade umsetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch einmal betonen, dass uns die bedarfsgerechte Ausdehnung der Asylverfahrensberatung sehr am Herzen liegt. Daher unterstütze ich auch das Ziel des vorliegenden Antrags der Regierungsfraktionen, eines Ausbaus der Asylverfahrensberatung auf alle aktiv genutzten Erstaufnahmeeinrichtungen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Rothe-Beinlich)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Da die Überweisung an den Ausschuss nicht beantragt wurde, kommen wir direkt zur Abstimmung des Antrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/1767 - Neufassung -. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Kollegen aus den Koalitionsfraktionen und Herr Gentele. Gegenstimmen? Aus der CDU-Fraktion sowie aus der AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag mit Mehrheit angenommen.

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und darf noch darauf aufmerksam machen, dass der

Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft 5 Minuten nach der Plenarsitzung im Raum F 002 tagt.

Ich möchte gemäß unserer Übereinkunft darauf zurückkommen, dass wir die Sitzung für heute schließen. Herzlichen Dank. Bis zur nächsten Landtagssitzung!

(Beifall im Hause)

Ende: 15.40 Uhr