Protocol of the Session on April 21, 2016

Diesen Schritt halte ich auch nach wie vor für richtig. Aber Sie dürfen auch weiterlesen in diesem Abschlussbericht. Sie würden dann zur Kenntnis nehmen, dass sich die Kommission auch zum Thema „Verwaltungsgemeinschaften“ geäußert hat und schon damals die Existenz und die Weiterführung von Verwaltungsgemeinschaften in dieser Form infrage gestellt hat. Allerdings hat die Gesetzgebung, die Sie im Frühjahr 2009 noch allein zu verantworten hatten, genau das Gegenteil gemacht. Sie hat die Verwaltungsgemeinschaften sogar noch geschwächt, indem man die Mindesteinwohnerzahl damals aus dem Gesetz herausgenommen hat.

Danach kam der nächste kongruente Schritt in der Entwicklung zum Thema „Gebietsreform in Thüringen“. Mit Bildung des Kabinetts Lieberknecht wurde gemäß dem damaligen Koalitionsvertrag eine Expertenkommission ins Leben gerufen. Auch wenn die von interessierten Kreisen durchaus in populistischer Weise gescholten und kritisiert wird – da gibt es Landräte, die werfen das Ergebnis dieser Kommission zu Boden und treten das nicht nur sprichwörtlich, sondern direkt mit Füßen. Ich finde das im Übrigen eine ziemlich unmögliche Art politischer Kommunikation.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Experten haben sich nicht nur Mühe gemacht, sie haben auch wissenschaftlich fundiert

(Abg. Mohring)

Vorschläge gemacht, im Wesentlichen zum Thema „Funktional- und Verwaltungsreform“. Diese Vorschläge sind nach wie vor immer noch so aktuell, dass Sie es wert sind, auch bei den jetzigen Überlegungen zur Funktional- und Verwaltungsreform ernsthaft betrachtet zu werden. Sie haben auch Strukturvorschläge gemacht. Normalerweise hätten in der letzten Legislatur als logischer nächster Schritt die entsprechenden Strukturanpassungen erfolgen müssen.

Das, meine Damen und Herren, wurde von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion – ich sage das ganz deutlich –, ausgebremst, über die Zeit gebracht, über die Legislatur gebracht, mit einer noch darauf folgenden Regierungskommission. Man hat über die Institutionen versucht, die sehr positiven Ergebnisse dieses Gutachtens nicht wirksam werden zu lassen. Genau das greifen jetzt diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen auf, meine Damen und Herren. Deswegen ist das eine Konsistenz in der Entwicklung seit mindestens zehn Jahren in Thüringen, die Vorlage dieses Gesetzes heute hier im Thüringer Landtag. Ich will gar nicht so sehr auf die Details eingehen. Das werden wir im Laufe der Ausschussberatungen noch genügend machen und die wichtigste Debatte folgt dann in der zweiten Beratung zum Gesetzentwurf. Aber ich will Sie – und es ist schade, dass der Kollege leider meinen Worten jetzt nicht direkt lauschen kann. Ich hoffe, er hört das irgendwo.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wer? Ich bin doch da!)

Ach, da ist er, Entschuldigung. Alles gut!

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die rechte Herzkammer ist noch da!)

Alles gut, Kollege, ich hatte nur den Blick auf den Stammplatz gerichtet.

Ich möchte noch etwas zum Thema „Verantwortung“ sagen und das ist etwas, was mich sehr umtreibt. Natürlich kann man hergehen und kann Umfragen in Auftrag geben. Ich vermeide jetzt bewusst das Wort „Gefälligkeitsumfrage“, das will ich gar nicht so sehr in den Vordergrund stellen. Das war Ihr Geld, was es gekostet hat. Das ist alles in Ordnung, kann man so machen. Aber ist das tatsächlich die Wahrnehmung landespolitischer Verantwortung? Das frage ich Sie ernsthaft. Es gibt viele Beispiele in der Geschichte, wo die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger andere Auffassungen vertreten hat, andere Wege gehen wollte als Verantwortungsträger, ob sie nun Bundeskanzler oder Ministerpräsidenten waren. Aber im Wissen um Kommendes – und das ist genau das, was der Minister vorhin auch in seiner Rede deutlich gemacht hat, nämlich dass wir heute schon wissen, wie in 20 Jahren unsere Rahmenbedingungen aussehen werden – kann ich nur sagen: Wer es versäumt,

fahrlässig versäumt, schon heute die Weichen für diese Rahmenbedingungen in 20 Jahren zu stellen, der macht alles andere, als landespolitisch verantwortlich zu handeln, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich könnte Ihnen jetzt das Beispiel von Bundeskanzler Helmut Kohl sagen. Ich habe das, glaube ich, vor vielen Jahren in einem anderen Zusammenhang hier schon mal getan. Der ist 1983 mit dem Hubschrauber über den Bonner Hofgarten geflogen. Dort unten hatte sich eine halbe Million Menschen versammelt und die waren alle gegen eines, die waren alle gegen den sogenannten NatoDoppelbeschluss, also die Parallelität von Verhandlungen und Aufrüstung.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihr auch!)

Wir auch! Auch die SPD ist fast daran zerbrochen, völlig klar. Nein, mir geht es um etwas anderes. Und er hat sich die Frage gestellt – ich habe das mal nachgelesen in einem Buch, das ist schon ein paar Jahre her –: Haben diese Leute da unten, diese halbe Million Leute, recht oder muss ich diesen Weg weitergehen aus Verantwortung für mein Land? Und er ist diesen Weg weitergegangen und wir wissen heute, die Geschichte hat ihm recht gegeben. Ein anderes Beispiel, damit nicht nur christdemokratische Bundeskanzler hier zur Sprache kommen: Es gibt einen anderen Kanzler, der im Jahre 2004 bzw. 2005 Verantwortung für sein Land übernommen hat, und es hat fast seine Partei zerrissen. Und wenn wir ehrlich miteinander umgehen, es treibt uns heute noch um.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Such mal da drüben!)

Wir haben heute bei den Bürgerinnen und Bürgern darüber noch zu diskutieren – ich will nicht sagen, darunter zu leiden, aber zu diskutieren. Aber es war eine Verantwortung vor der Bundesrepublik Deutschland, die Bedingungen im Arbeitsmarkt zu verändern, und wir wissen heute, dass diese Veränderungen dazu geführt haben, dass Deutschland so dasteht, wie es heute dasteht. Und er hat das getan um den Preis der politischen Macht. Das ist ein sehr hoher Preis und davor habe ich Respekt.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Und wenn Sie daherkommen und den Menschen aus parteipolitischer Opportunität suggerieren, es kann alles so bleiben, wie es ist, dann ist das die Verantwortungslosigkeit in höchster Potenz. Das wollte ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Argumentation stellt auf den heutigen Ist-Zustand ab. Das ist genau dieser Denkfehler und diese Suggestion, die Sie den Leuten übermitteln, die ganz gefährlich ist. Das macht nämlich auch diejenigen, die es gar nicht gut mit unserer Demokratie meinen, noch stärker. Und auch das treibt mich um, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Schlechte Argumente!)

Natürlich weiß ich, dass ein solches Gesetzeswerk wie ein solches Vorschaltgesetz, das man durchaus auch als Grundlagengesetz für eine solche Reform bezeichnen kann, durchaus noch die eine oder andere Schwäche in sich bergen kann. „Schwäche“ meine ich in dem Sinn, dass es Nachjustierungsbedarf gibt. Auch hier gilt – und das weiß der Minister – die Regel, die der mir sehr gut bekannte ehemalige Bundestagsfraktionschef Peter Struck mal aufgestellt hat, dass kein Gesetz das Parlament so verlässt, wie es hineingekommen ist. Auch da bin ich so mutig und sage: Wir werden uns das ganz genau anschauen, was die Rahmenbedingungen für die Reform betrifft. Und das Entscheidende – auch das ist vorhin im Beitrag des Ministers klar geworden – sind die Neugliederungsgesetze sowohl für die Landkreise, für die kreisfreien Städte und natürlich auch für die kommunale Ebene. Wenn Sie kritisieren – Sie haben das, glaube ich, als einen der wesentlichen Punkte ihres Vortrags vorhin in den Mittelpunkt gestellt –, dass die Finanzierung nicht gesichert sei, kann ich Sie beruhigen, Herr Kollege: Die Finanzierung ist gesichert. Die 155 Millionen Euro werden sozusagen aus dem laufenden Budget des Doppelhaushalts generiert und sie werden mit dem neuen Haushalt 2018/2019 eingestellt. Das ist unsere haushaltspolitische Verantwortung und da können Sie sicher sein, auch der werden wir gerecht werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insgesamt wünsche ich mir sowohl für die jetzt folgende Debatte als auch im öffentlichen Raum deutlich mehr Sachlichkeit, als ich das zum Teil in vielen Veranstaltungen, die ich bisher besucht und auch selbst gestaltet habe, erlebt habe. Es gibt durchaus auch positive Beispiele, das will ich gar nicht verhehlen, und es gibt aus allen Parteien, auch aus ihren Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, durchaus verantwortungsvolle Kommunalpolitiker, die sich dem Ganzen stellen. Ein Satz stimmt auch ganz deutlich: Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger – so wie ich das wahrnehme, wenn man mal von parteipolitisch motivierten Umfragen absieht – geht mit dem Thema ganz anders um.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Na da! Da können Sie gern einmal zu uns kommen, da ist das anders!)

Die geht mit dem Thema viel offener, viel freier um, als diejenigen – und dafür habe ich Verständnis –, die möglicherweise die eine oder andere Position zu verlieren haben. Das ist auch ein Ergebnis einer Reform, aber auch deshalb darf uns das nicht daran hindern, diese Verantwortung wahrzunehmen.

(Beifall SPD)

Ich wünsche mir Konstruktivität in der Debatte, Offenheit. Ich schließe ja nicht aus, dass der eine oder andere konstruktive Vorschlag von Ihnen möglicherweise auch Eingang in die Gesetzgebung finden kann – warum denn nicht. Aber wenn die Konstruktivität so aussieht wie beim letzten Doppelhaushalt, da hab ich so meine Zweifel, dass dabei was rumkommt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin davon überzeugt, dass die Schritte, die jetzt vorgenommen werden, die jetzt eingeleitet werden für die nächsten anderthalb, für die nächsten zwei Jahre für unser Land von existenzieller Bedeutung sind. Sie sind deshalb von existenzieller Bedeutung, weil wir, wie gesagt, heute schon wissen, dass die Rahmenbedingungen in 20 Jahren vielleicht – die ersten Rahmenbedingungen werden sich schon in vier Jahren ändern. Ich sage immer in meinen Veranstaltungen: Der 1. Januar 2020 kommt so gewiss wie das Amen in der Kirche. Da werden schon einige der Finanzierungsrahmenbedingungen anders aussehen, als sie heute aussehen. Das wissen Sie im Übrigen, das muss ich Ihnen nicht erklären. Aber Sie benutzen die Argumente, um den Leuten wirklich Sand in die Augen zu streuen und zu meinen, dass Thüringen mit seiner gelebten und mit seiner geliebten Kleinteiligkeit, dass das die Zukunft unseres Landes ist: Nein, das ist sie nicht! Wir sind verpflichtet, unsere Verantwortung wahrzunehmen. Und ich kann für die Koalitionsfraktion an dieser Stelle sagen: Wir werden das tun, wir werden das mit aller Umsicht und mit aller Offenheit tun, aber wir werden es tun. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat das Wort Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Der weiß na- türlich am besten Bescheid!)

(Abg. Höhn)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Gäste! Zunächst Dank an die Landesregierung, insbesondere an den Minister für Inneres und Kommunales, dass der Beschluss des Thüringer Landtags aus dem Anfang 2015 sowohl inhaltlich als auch zeitlich umgesetzt wird und wir heute erstmalig über das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform debattieren können. Das war früher nicht selbstverständlich, dass Beschlüsse des Landtags durch Landesregierungen in dieser Art und der Qualität umgesetzt wurden. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Mohring, Arroganz kommt vor dem Fall.

(Beifall DIE LINKE)

In Ihrer Rede – da können Sie auf alle draufhauen, wie Sie wollen – habe ich etwas vermisst. Sie haben nicht einen einzigen Vorschlag unterbreitet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fühle mich an die Haushaltsdebatte erinnert, in der Sie den Untergang von Thüringen und sonst was beschrieben haben, aber nicht einen Vorschlag eingebracht haben, sich nicht mal die Mühe gemacht haben, einen einzigen Änderungsantrag zu stellen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sind erst später aufgewacht!)

Genau, und jetzt im Laufe des heutigen Plenums fordern Sie nun Nachschlag für die Kommunen in Bezug auf den Landeshaushalt. Das kommt aber zu spät und hier befürchte ich Ähnliches. Sie kritisieren. Das ist zulässig, aber eine Opposition muss auch irgendwann einmal – Sie hatten jetzt eineinhalb Jahre Zeit, sich in Ihrer neuen Rolle zurechtzufinden – den nächsten Qualitätssprung machen, nämlich Alternativen zum Regierungshandeln zur Diskussion stellen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ihr müsst erst mal was vorlegen!)

Ihre Alternative heißt, wir lassen alles so, wie es ist. Was mich noch erschrockener macht, Herr Mohring: Sie formulieren hier vom Podium, dass die Öffentlichkeit und die Bürgerinnen und Bürger den Gesetzentwurf gar nicht zu kennen brauchen, nach der Devise „ich erzähle ihnen schon, was sie zu denken haben“. Das Denken war vor 1989 sehr verbreitet. Ich dachte, es ist überwunden.

(Beifall DIE LINKE)

Wir machen es anders. Wir stellen diesen Reformprozess von Anfang an in die öffentliche Debatte. Das Leitbild wurde ganz öffentlich diskutiert, dieses