Vierter Punkt – Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft: Ich habe zum Thema „Drittmitteleinwerbung“ schon einiges gesagt. Gucken Sie sich das Thema „Innovative Gründungen“ an. Wir sind bei den innovativen Gründungen in den letzten fünf Jahren von 283 auf 242 zurückgegangen. Dadurch entsteht offensichtlich eine Fragestellung im Bereich der Förderung: Wie gehen wir damit um?
Wie können wir innovative Gründungen befördern? Jetzt haben Sie indirekt angedeutet – schon wieder –, Sie wollen eine Zivilklausel. Ich kann Ihnen ehrlicherweise sagen, dass ich von solchen Debatten nichts halte, und die sind auch in der Sache falsch begründet. Weil Ihre Zivilklausel zum Beispiel dazu führen würde, dass Leute, die Biochemie hier in Thüringen studieren und sich die Frage stellen, wie sie biochemische Waffen detektieren können, um damit zu verhindern, dass zum Beispiel Menschen durch biochemische Angriffe gefährdet sind, von Ihrer Zivilklausel de facto ausgeschlossen werden, in Thüringen ein Unternehmen zu gründen. Sie brauchen nicht mit dem Kopf zu schütteln, das ist so, Frau Henfling. Das ist ein Punkt, den musste mir in der letzten Legislatur schon Frau Kaschuba zugestehen und den haben Sie auch in Ihrer Legislaturperiode nicht aufgelöst. Das zeigt, dass Sie offensichtlich kontraproduktiv unterwegs sind, wenn es um innovative Gründungen geht.
Akademische Ausgründung: Im Jahr 2014 und im Jahr 2015 haben wir nicht mal 30 akademische Ausgründungen gehabt, bei 50.000 Studenten. Jetzt sagen wir, wir zählen erst mal nur diejenigen, die als Studienabgänger zählen, dann sind 30 akademische Ausgründungen trotzdem zu wenig, weil ich am Ende doch möchte, das Geld vom Steuerzahler, was wir hier investieren, soll dazu führen, dass Leute sich hier niederlassen, Unternehmen gründen und damit neue Arbeitsplätze schaffen. All das sind Fragen, die wir bei der Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft gern im Ausschuss noch mal diskutieren können.
Das bringt mich zum letzten Punkt – Internationalisierung. Da wird ausgewiesen, dass bis zum September 2015 über das wesentliche EU-Forschungsprogramm „Horizont 2020“ von 231 Anträgen lediglich 27 positiv beschieden wurden. Da stelle ich mir die Frage: Ist das Einwerben von Forschungsgeldern ausreichend gut vernetzt und koordiniert im Freistaat oder müssen wir dort etwas ändern? Wie können wir dieser hohen Ablehnungsquote entgegentreten? Ich gucke mir den zweiten Punkt an bei der Internationalisierung. Sie haben vorhin das Thema „Studentenmobilität“ angesprochen. Wenn Sie sich die Austauschstudenten anschauen, die von Thüringen ins Ausland gehen, da haben wir an den meisten Hochschulstandorten eher Stagnation, wir haben an manchen Standorten – an einem, zwei – mehr. An der Uni Erfurt sind es mittlerweile sogar ein Drittel weniger, die ins Ausland gehen. Das befriedigt mich nicht. An der Stelle müssen wir uns einfach die Frage stellen, können wir das den Hochschulen selber überlassen, sind die Netzwerke, die es gibt, ausreichend oder was müssen wir da tun? Genauso auch bei den Incoming-Studenten. Der Anteil im bundesweiten Vergleich ist: Wir haben 11,7 Prozent ausländische Studenten in Thüringen, der Bundesdurchschnitt liegt bei
11,9 Prozent, für die neuen Bundesländer sind es 12,3 Prozent. Das heißt, wir sind hintendran. Was können wir dafür tun, dass wir international attraktiver werden?
All das zusammen genommen zeigt mir, wir haben hier offensichtlich die richtige Anfrage gestellt, die sollten wir im Wissenschaftsausschuss weiter beraten. Wenn wir in Thüringen Exzellenzinitiativen gewinnen wollen, dann müssen wir auch wissen, was an unseren Hochschulen vorgeht. Ich glaube, dafür ist die Hochschulanfrage ein guter Weg gewesen. Schönen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin! Nein, Herr Emde, ich bin nicht so gemein. Ich kann auch nett sein. Manchmal.
Herr Voigt, das ist auch eine Strategie. Man kann sich erst mal alles auf den Tisch werfen lassen und dann guckt man mal, ob man ein paar Fragen findet. Man kann aber auch andere Fragen formulieren zu dem, was Sie aufgeworfen haben. Fangen wir mal bei den Ausgründungen an. Warum soll ich denn in Zeiten von Fachkräftemangel, wo ich irgendwo eine feste Stelle bekomme, das Risiko eingehen, auszugründen? Diese Frage könnte man auch stellen. Ich will nur sagen, Ihre Fragen sind da vielleicht nicht unbedingt die richtigen. Deswegen lassen Sie uns da vielleicht an anderer Stelle noch mal drüber diskutieren.
Das Gleiche gilt zum Thema „Zivilklausel“. Ich will mal sagen, allen, die das fordern und die auch die Diskussion darüber fordern, ist, glaube ich, klar, dass es Bereiche gibt, in denen wir Forschung sicherstellen müssen, auch im Sinne beispielsweise des zivilen Gebrauchs. Nehmen wir die Atomenergie. Ich sage Ihnen, wir haben als Grüne eine relativ harte Diskussion zu der Frage: Wie stehen wir denn eigentlich zur Forschung in diesem Bereich? Und ich sage ganz klar: Natürlich müssen wir in diesem Bereich weiterforschen, denn wir haben das Zeug nun mal da und wir müssen dafür sorgen, dass es ordentlich behandelt wird. Von daher glaube ich, dass unsere Positionen zur Zivilklausel und der Frage, was das dann am Ende heißt, deutlich differenzierter sind, als Sie das annehmen.
Sie haben Ihre Große Anfrage als Benchmark bezeichnet. Wenn Sie das in dieser Tragweite tatsächlich ernst nehmen, dann muss man auch darüber reden, was denn in dieser Großen Anfrage fehlt. Wir haben relativ verzweifelt – und jetzt muss die AfD die Ohren spitzen, jetzt geht es um Gender, so heißt das nämlich eigentlich richtig –
und relativ lange in dieser Anfrage nach Aspekten wie Geschlechtergerechtigkeit, Familienfreundlichkeit an Hochschulen gesucht und nicht wirklich viel dazu gefunden. Das ist schade. Vor allen Dingen dann, wenn Sie sagen, das ist eine Benchmark. Insbesondere in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen haben wir uns oder hat das Ministerium sich darum bemüht, dafür zu sorgen, dass so etwas Einzug hält. Im Einführungstext des Beitrages von Hildegard Matthies und Karin Zimmermann im „Handbuch Wissenschaftspolitik“ heißt es übrigens zu diesem Thema: „Folglich dürfte das Geschlecht der Person in der Wissenschaft lediglich ein ‚Unterschied sein, der keinen Unterschied macht‘.“ Doch bereits der Blick in die Statistik belehrt eines Besseren. Deutlich wird, dass das Geschlecht – übrigens nicht das Geschlechtsteil, Frau Muhsal, das ist ein Unterschied – offenbar mehr Differenzen erzeugt, als zum Beispiel in modernisierungstheoretischen Prognosen angenommen wird. So sieht die Lage der Frauen an Hochschulen und in der Forschung eher bescheiden aus. Die Erhebung zur Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz kommt zu folgendem Ergebnis: Vergleicht man ausschließlich die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre – 2004 bis 2013 wurden hier erhoben –, hat sich an den Hochschulen der Anteil von Frauen an der Gesamtzahl der Erstimmatrikulierten von 48,8 Prozent auf 49,8 Prozent, der Studienabschlüsse von 49,6 Prozent auf 51,2 Prozent, der Promotionen von 39,0 auf 44,2 Prozent, der Habilitationen von 22,7 Prozent auf 27,4 Prozent, der Juniorprofessuren von 30,9 Prozent auf 39,9 Prozent und die der Professuren von 13,6 Prozent auf 21,3 Prozent verändert. Der Frauenanteil hat im Verlauf sowohl der vergangenen zehn Jahre als auch der vergangenen 20 Jahre auf allen Karrierestufen kontinuierlich zugenommen. Nach wie vor sinkt aber der Frauenanteil mit jeder Stufe auf der Karriereleiter nach Aufnahme eines Studiums. Insbesondere bei den Professuren ist mit einer Steigerung des Frauenanteils von jährlich durchschnittlich 0,77 Prozentpunkten in den letzten zehn Jahren nur ein begrenzter Zuwachs zu verzeichnen. Zudem gilt: Je niedriger die Besoldungsgruppe ist, desto größer der Anteil der Frauen und je höher die Besoldungsgruppe, desto niedriger der Anteil der Frauen. Im Vergleich zu ihrem Anteil an den Professuren insgesamt sind die Professorinnen überdurchschnittlich häufig befristet und in Teilzeit beschäftigt. Insgesamt ist der Frau
enanteil am befristet beschäftigten Personal und am teilzeitbeschäftigten Personal höher als der Frauenanteil am Personal insgesamt.
Es gibt also einen sukzessiven Drop-out vom Studium über die Promotion und Habilitation bis zur Professur, sodass in den wissenschaftlichen Spitzenpositionen immer noch vergleichsweise wenige Frauen ankommen. Dagegen steigt der Männeranteil von Stufe zu Stufe spiegelbildlich erheblich an. Bei der Aufnahme des Studiums noch relativ ausgeglichen, sehen wir dann beim Abschluss des Studiums die ersten Einschnitte. Der größte Drop-out findet in der Promotions- und erneut in der Habilitationsphase statt. Hier gehen die Frauenanteile jeweils um 10 Prozentpunkte zurück. Vor allem Geistes- und Sozialwissenschaften, Medizin, und Agrarwissenschaft weisen einen relativ hohen Frauenanteil auf, während er in der Naturwissenschaft und mehr noch in den Technik- und Ingenieurwissenschaften weiter unter dem Durchschnitt aller Fächer liegt. Den größten Drop-out von Frauen haben Fächer mit einem überdurchschnittlichen Frauenanteil, während in Fächern mit einem besonders niedrigen Frauenanteil – beispielsweise die Ingenieurwissenschaften – vergleichsweise mehr Frauen eine Professur erreichen. Hier ist der Frauenanteil an den Erstberufungen etwa genauso hoch wie der Frauenanteil bei den Studienanfängerinnen. Frauen scheinen also gerade in jenen Fächergruppen größere Erfolgsaussichten zu haben, in denen sie in der Unterzahl sind. Individuelle Motivationslagen bei der Karriereentwicklung spielen zwar eine Rolle, aber die der Wissenschaft eigenen institutionellen Barrieren wirken anscheinend stärker.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann das jetzt noch sehr lange weitertreiben. Insbesondere nämlich in der Promotionsphase erleben Frauen demnach Abwertungs- und Ausgrenzungsaktivitäten und -mechanismen, die auch in späteren Karrierephasen weiterwirken. Beispielsweise: Das Wort von Wissenschaftlerinnen hat nicht das gleiche Gewicht wie das ihrer männlichen Kollegen. Leistungen werden eher angezweifelt und Publikationen nicht in den Kreis der wirklich substanziellen Arbeiten aufgenommen. Dadurch steigt das Risiko, weniger zitiert zu werden. Beiträge werden oftmals nur unter dem Verlust ihrer Urheberschaft in den wissenschaftlichen Diskurs aufgenommen bis hin zur Nobelpreisträgerin, die nicht ernst genommen wird. Insbesondere bei jungen Frauen führt das vielfach zu Entmutigungen und zur Überlegung, aus der Wissenschaft auszuscheiden. Das gemeinhin als geschlechtsneutral geltende Bild des idealen Wissenschaftlers mit Attributen wie zum Beispiel innerer Berufung, Ausdauer, Disziplin Einsatzbereitschaft und Frustrationstoleranz hat sehr geschlechterdifferente Implikationen. Demgegenüber gelten Frauen tendenziell als weniger intrinsisch motiviert, weniger leidenschaftlich für die Sache der Wissen
schaft engagiert, weniger leidensbereit, weniger zeitlich verfügbar, mit der Konsequenz größerer Skepsis, die idealtypischen Erwartungen einlösen zu können.
Selbst wenn sich Frauen den Mechanismen des Cooling Out bewusst widersetzen und in ihrer Karriere erfolgreich sind, stehen sie als Wissenschaftlerinnen unter kritischer Dauerbeobachtung. Dieses Faktum müssen wir auch für Thüringen konstatieren.
Seit der ersten Erhebung der geschlechtsspezifischen Daten zu den Hochschulräten 2003 hat sich der Frauenanteil insbesondere in den Hochschulräten oder vergleichbaren Gremien von 20 Prozent gegenwärtig – 2014, das ist der Erhebungszeitraum – um fast ein Drittel gesteigert. Zwischen den Bundesländern gibt es jedoch große Unterschiede. Die Spannweite reicht hier mit Stichtag 31.12.2014 von 14,8 Prozent bis zu 44,4 Prozent. Thüringen liegt hier bei einem mageren Ergebnis von 18,8 Prozent und ist damit drittschlechtestes Bundesland.
All diese Problemlagen, lieber Herr Voigt, haben Sie in Ihrer Großen Anfrage nicht abgefragt. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass die Ziel- und Leistungsvereinbarungen ganz konkret insbesondere das Kaskadenmodell aufgenommen haben. Ich glaube, dass man sagen kann, dass das Thema „Geschlechtergerechtigkeit“ in der Diskussion mit den Hochschulen hart errungen wurde. Ich glaube, das ist wichtig. Viel wichtiger wäre es im Übrigen aber, dass es ein Bewusstsein für diese Ungleichheit gibt und dass wir mit diesem Bewusstsein auch Veränderungen anstoßen.
Von daher entschuldigen Sie die Ergänzungen zu Ihrer Großen Anfrage. Ich glaube aber, dass das heute eine durchaus starke Notwendigkeit hatte. Vielen Dank.
Danke schön, Frau Präsidentin. Ich wollte nur noch mal ganz kurz auf Sie, Herr Dr. Voigt, und auf Sie, Herr Schaft, eingehen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Dr. Voigt, haben Sie gesagt, dass Sie der Meinung sind, dass wir mindestens 50.000 Studenten brauchen, weil Sie der Meinung
Ich bin bestimmt der Meinung, dass wir in Thüringen nicht nur 50.000 haben, sondern noch eine ganze Menge mehr.
Aber ich weiß nicht, ob Sie damit sagen wollten, dass alle anderen dumm wären, denn das stimmt natürlich nicht. Eine Hochschule hat einfach eine andere Ausrichtung als beispielsweise eine Ausbildung. Da muss man die entsprechende Leistung, die da erbracht werden muss, differenzieren.
Ich wollte eigentlich zu Herrn Schaft sagen, ideologische Scheuklappen mal ablegen. Das sage ich zu Ihnen auch. Ich weiß nicht, ob Sie nicht zugehört haben oder ob Sie es nicht verstehen wollen. Deswegen teile ich Ihnen das, was ich gerade gesagt habe, noch einmal in zwei Sätze auf. Ich habe nämlich erstens gesagt, dass auch ausländische Studenten an unseren Unis studieren, ist grundsätzlich zu begrüßen. Das begrüße ich auch. Ich freue mich über die ausländischen Studenten, die hier in Deutschland und auch hier in Thüringen an den Unis sind.
Dann habe ich eine Frage gestellt. Das mag Ihnen zwar nicht gefallen, dass ich im Namen des deutschen Steuerzahlers eine Frage stelle, aber ich denke, dass ist durchaus zulässig. Ich wiederhole noch mal, was ich gefragt habe. Ich habe gesagt: Man kann sich schon fragen, wieso die Unis eine Prämie dafür bekommen sollen, dass sie vermehrt ausländische Studenten haben, obwohl die Kosten für die Unis vom deutschen Steuerzahler getragen werden.
Das ist aus Sicht des Steuerzahlers durchaus eine legitime Frage, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe zwei Menschen auf der Besuchertribüne, es ist spät geworden, fünf nach halb acht, und wir behandeln die
Große Anfrage zur Hochschullandschaft Thüringens, 64 Seiten, knapp 200 Seiten Anlage. Sie sitzen bequem, ich wollte jetzt mal stichpunktartig jede zweite dieser 64 Seiten aufrufen, wenn Sie gestatten, damit wir ein bisschen Information rüberbringen.
Vielleicht mag es unüblich sein, ich möchte ganz besonders denen, die da oben sitzen – es sind nämlich zwei Gekaufte aus dem Wissenschaftsministerium, Abteilungsleiter Herr Ebersold, Herr Zinner –, meinem Staatssekretär und Herrn Coenen mal ganz herzlich danken, dass sie eine Fleißarbeit sondergleichen geleistet haben. Es sind nicht immer nur die, die hier vorn sitzen, die Staatssekretäre und Minister, sondern es ist ein ganzer Stab, der gearbeitet hat. Lieber Herr Dr. Voigt, Sie haben uns sehr, sehr viele Fragen gestellt und wir haben sie nicht etwa beantwortet in einer etwas verlängerten Zeit über die sechs Monate, sondern eingegangen im August, abgeliefert an den Landtagspräsidenten im November. Dass sie jetzt erst beraten wird, hat andere Gründe.
Das ist sehr löblich und wirft ein hervorragendes Licht auf die Menschen, die sonst im Dunkeln sind. Deshalb herzlichen Dank!