Protocol of the Session on January 28, 2015

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Gustav musst du in Schutz nehmen!)

Ja, Gustav Bergemann nehme ich sofort in Schutz – völlig richtig, was der Ministerpräsident hier einwirft. Aber ich will noch in dem Zusammenhang einmal auf eine andere Sache eingehen, weil Sie, Herr Wirkner, ja auch neu im Landtag und in Ihrer Fraktion sind. Wenn ich den vorliegenden Antrag sehe, dann habe ich schon ein bisschen das Gefühl, dass die CDU hier ein Stück weit eine Partei der zwei Geschwindigkeiten und eine Fraktion der zwei Geschwindigkeiten geworden ist.

(Abg. Wirkner)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Zwei Gesichter!)

Vielleicht hat das mit neuer Mitgliedschaft in Ihrer Fraktion zu tun, aber ich muss Ihnen eines sagen: Die Kollegen, die schon früher mit uns oder mit mir gemeinsam im Wirtschaftsausschuss waren, hier im Plenum waren – und ich erinnere uns alle daran –, die haben natürlich miterlebt, wie zäh und wie langsam das Tempo der CDU bei der Vorbereitung und der Einführung dieses Vergabegesetzes gewesen ist, und jetzt wollen Sie aber ganz schnell evaluieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da sage ich, da kommen bei mir einige Zweifel auf und ich komme auch gern noch mal auf Ludwig Erhard zurück. Da will ich natürlich …

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Dass der von euch missbraucht wird!)

Der wird von uns missbraucht? Das ist mir nicht bekannt, aber das haben ja auch Sie, Herr Mohring, sicherlich in Ihren Studien und in der Schule gelernt, dass soziale Marktwirtschaft natürlich im Kern bedeutet, freies Unternehmertum bei einer Art von Regulierung, die wirtschaftlich und sozial von Nutzen ist. Was wir aber seit den 90er-Jahren

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

hinter uns haben, das ist über ein Jahrzehnt, sind zwei Jahrzehnte der Deregulierung, die mit Ludwig Erhard und der freien Marktwirtschaft und der sozialen Marktwirtschaft überhaupt nichts zu tun haben, sondern die pure freie Marktwirtschaft gewesen sind. Und die ist meilenweit von Erhard entfernt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Was war das vorher bei Ihnen? Marktwirtschaft? Das war Kommunismus!)

Deshalb will ich auch Folgendes bemerken: Ich verstehe natürlich auch die Probleme, die Handwerk und Gewerbe, die Unternehmen immer wieder in Bezug auf die bürokratischen Auswirkungen solcher Gesetzgebung bemerken. Insofern will ich auch für meine Fraktion deutlich sagen, dass wir uns generell einer Debatte über diese Fragen selbstverständlich nicht verschließen werden. Die Problematik ist nur auf der anderen Seite die, wenn man im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft Regelungen schafft, dann sind sie immer mit einem gewissen bürokratischen Aufwand verbunden. Darüber kommt man nicht hinweg. Natürlich lässt sich darüber streiten, wie hoch ist er, ist er gerechtfertigt, an welchen Stellen muss er wie betrachtet wer

den. Insofern gehe ich schon mit Ihnen konform. Nur, dann komme ich noch mal zurück auf die langsame Geschwindigkeit der CDU in der Vergangenheit. Also das, was ich hier in Ihrem Antrag, insbesondere auch in der Begründung, finde, das sind natürlich alles Dinge, die mir eher auf Langsamkeit ausgerichtet sind und bei denen ich Ihnen auch mal sagen muss, ich glaube, im Kern geht es in dem Antrag dann doch offensichtlich nicht darum, dass wir die bürokratischen Fragen debattieren und günstig legen. Im Kern kommt es mir dann doch eher so vor, als wenn es wieder grundsätzlich um die Frage des Vergabegesetzes und des Vergabewesens geht, die Sie doch mit den Argumenten, die Sie immer schon gebraucht haben, hier ein Stück weit infrage stellen. Da ist natürlich die Frage der sogenannten vergabefremden Kriterien. Das ziehen wir die ganzen Jahre in dieser Debatte mit. Da muss ich Ihnen aber sagen, wenn wir – und das trifft auch schon auf das jetzt in Kraft befindliche Gesetz zu, was ja die vergangene Koalition aus CDU und SPD auf den Weg gebracht hat – natürlich sagen, wir wollen Kriterien der Nachhaltigkeit, Kriterien der Wirtschaftlichkeit, aber nicht einfach der Billigkeit, Kriterien, die auch im Interesse der Menschen am Ort sind, letzten Endes aufstellen, ja, wir wollen natürlich auch diese Fragen des Lohnes, der guten Bezahlung mit in dieses Gesetz hineinnehmen und haben das entsprechend mit dem Mehrheitsbeschluss des Landtags zumindest in Teilen auch getan, dann ist es natürlich klar, dass dieses immer wieder wie eine Monstranz vor sich hergetragene Argument der vergabefremden Kriterien eigentlich völlig fehl am Platz ist. Wer das diskutieren will, der muss dann eigentlich zu Positionen kommen, dass wir eben nicht soziale und gesamtwirtschaftliche, sondern vielleicht nur die Fragen der reinen Kosten- und Preissituation diskutieren wollen. Dazu – aber da sind wir uns doch hoffentlich einig –, meine Damen und Herren, brauchen wir keine Vergabegesetzgebung. Wir wollen diese aber im Interesse des Landes. Und im Übrigen – auch das ist hier noch einmal deutlich angeführt worden –, die Frage, wie wird entlohnt, hat nicht nur mit der sozialen Komponente zu tun. Das ist auch eine Debatte, die ist nicht neu und die führen wir seit langer Zeit. Die Mindestlohndiskussion ist Ausdruck dessen. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, das hat der Herr Wirkner im Ausschuss, so viel darf ich sicher hier sagen, auch noch mal erläutert, dass er ein Unternehmen führt oder geführt hat, das sich seit vielen Jahren an dieses Mindestlohngebot und darüber hält. Ein Vergabegesetz – mal abgesehen von aller zu diskutierenden Bürokratie – ist doch gerade auch dazu da, dass diese Unternehmen im Wettbewerb belohnt werden, die ihrer wirtschaftlichen Verpflichtung nachkommen und die das auch verbinden mit entsprechender sozialer Leistung in Form von einer ordentlichen Entlohnung. Das muss doch unser ge

meinsames Anliegen sein, wenn wir ein solches Gesetz debattieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus diesen Gründen sage ich auch: Das, was Sie in der Begründung Ihres Antrags angeführt haben, reicht mir tatsächlich nicht aus, um zu sagen, wir brauchen jetzt mit einem Schnellschuss die Evaluierung. Ich danke noch mal dem Herrn Staatssekretär für die Berichterstattung, er hat die wesentlichen Elemente und Argumente hier noch einmal vorgetragen. Das, was zum Teil von Kammern geäußert wird, hält sich durchaus auch im Rahmen einer mehr oder weniger Vermutung. Es gibt Einschätzungen, die durchaus auch in andere Richtungen gehen. Deshalb sage ich Ihnen: Lassen Sie uns so, wie vorgesehen, selbst vom Gesetz vorgesehen, 2016 diese Evaluierung durchführen. Ich sage dann natürlich auch ganz offen: Da haben wir das ganze Paket auf dem Tisch, weil uns natürlich daran gelegen ist, dass wir nicht nur, die auch, die Fragen der vorhandenen Bürokratie und eines gegebenenfalls notwendigen Abbaus mit besprechen wollen. Wobei ich da hier noch mal deutlich sagen will: Kein Gesetz, gerade nicht in diesen Bereichen, kommt ohne eine vernünftige Kontrolle aus, ansonsten ist das alles am Ende Schall und Rauch.

(Beifall DIE LINKE)

Auch das müssen wir bedenken.

Aber wir haben natürlich auch Grund, dieses Vergabegesetz weiterzuentwickeln, gerade an den Fragen in Richtung Tariftreuegesetz, gerade was die Transparenzfragen betrifft, auch was die ILO-Kernarbeitsnormen betrifft, die übrigens für die Bundesrepublik, wie selbst in der Bundesregierung bei den entsprechenden Ministerien nachzulesen ist, allgemein verbindlich gelten. Insofern verstehe ich übrigens auch nicht diese ganze Debatte um die ILOKernarbeitsnormen, die Sie aufmachen, aber ich sage noch mal: Lassen Sie uns das 2016 gründlich evaluieren. Aus diesem Grund – das erkennen Sie aus meinen Bemerkungen – sind wir auch nicht der Auffassung, dass wir das jetzt tun sollten, dass wir Ihrem Antrag zustimmen sollten. Wir sind aus diesem Grund auch nicht der Auffassung, dass wir den gegenwärtig im Ausschuss beraten sollten. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hausold. Jetzt hat das Wort Herr Abgeordneter Frank Warnecke, Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, in der letzten Legislatur ist unter der Initiative des Wirtschaftsministeriums ein zukunftsorientiertes Thüringer Vergabegesetz auf den Weg gebracht worden. Dieses Gesetz gilt seit seiner Verabschiedung als eines der modernsten in der Bundesrepublik. Mit seiner Einführung wurden wichtige Pflöcke für die Einführung von verbindlichen Standards und für einen gerechten Wettbewerb für alle Beteiligten eingeschlagen. Öffentliche Aufträge werden nur für Gute Arbeit und nur bei der Einhaltung tarifrechtlicher Standards vergeben, damit Leiharbeit und Lohndumping effektiv bekämpft werden können. Das Gesetz bewegt sich im Rahmen der auch in anderen Bundesländern üblichen gesetzlichen Regelungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Dazu zählen die Beachtung der Tariftreue für Branchen nach dem ArbeitnehmerEntsendegesetz, die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen sowie die Berücksichtigung von ökologischen Standards und die Gewährleistung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Sie sind gerade nicht Ausdruck von einer Überreglementierung oder einer Bürokratisierung, so wie in der Begründung des vorliegenden Antrags versucht wird zu implizieren. Dem möchte ich Folgendes entgegenhalten: Die Ordnung des Arbeitsmarkts lässt sich nur mit verbindlichen Standards sichern. Ohne eine solche Reglementierung kann unseriöser Wettbewerb nicht ausgeschlossen werden. Noch weniger kann der Schutz von Arbeitnehmern und deren Rechten gewährleistet werden.

Wir haben uns als SPD-Fraktion auch in der Vergangenheit deutlich dazu positioniert. Einfachheit kann nicht das einzig relevante Vergabekriterium sein. Wie das zuständige Ministerium in der letzten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft dargelegt hat, ist der von Ihnen vorgetragene vermeintlich erhöhte bürokratische Aufwand mit der Umsetzung dieses Gesetzes nicht nachvollziehbar. Doch dazu können wir uns im Zuge der im Gesetz vereinbarten Evaluierung im zuständigen Ausschuss gern austauschen.

Ich möchte den Antragsteller auf die im Gesetz gemeinsam getroffene Regelung zur Evaluierung hinweisen. § 20 des Thüringer Vergabegesetzes sieht vor, dass das Gesetz fünf Jahre nach dem Inkrafttreten, also ab dem 1. Mai 2016, einer Evaluation unterzogen wird. Damit wäre eine zeitlich vorgezogene Evaluierung, auf die sich die damaligen Koalitionspartner nicht verständigt hatten, unserer Ansicht nach auch nicht beabsichtigt gewesen und im Übrigen nicht sinnvoll. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einem neuen Gesetz Auslegungsfragen auftreten und allen Beteiligten eine Phase der Anpassung zuzugestehen ist, um sich auf die An

(Abg. Hausold)

forderungen und Vorgaben des Gesetzes einzustellen. Auch deshalb ist eine Evaluierung zu dem von Ihnen beantragten Zeitpunkt nicht zu unterstützen.

Noch ein Argument erscheint mir im Zuge dieser Debatte durchaus wichtig. Wir wissen alle, dass die europäischen Mittel in der neuen Förderperiode knapper werden. Ein Vergabegesetz wie unseres trägt letztendlich auch der Verantwortung der öffentlichen Auftraggeber zur sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Steuermittel wie zum Beispiel aus den Fördermitteln des Europäischen Fonds Rechnung.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, auf dieser Grundlage lehnt die SPD-Fraktion Ihre Forderung, die Evaluierung im ersten Halbjahr 2015 anzusetzen, ab und hält an der in § 20 des Thüringer Vergabegesetzes getroffenen Fristsetzung, also Mai 2016, weiterhin fest. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Warnecke. Aus den Reihen der Abgeordneten liegt mir jetzt keine Wortmeldung mehr vor. Wünscht die Regierung noch einmal das Wort? Das ist auch nicht der Fall.

Widerspricht jemand der Feststellung, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags erfüllt ist? Das sehe ich nicht. Damit stelle ich die Erfüllung fest.

Noch einmal die Rückfrage bei der Fraktion der CDU: Kann ich davon ausgehen, dass sich die Antragstellung auf Überweisung auf die Nummer II des Antrags bezieht?

Dann kommen wir zur Abstimmung über Nummer II des Antrags. Hier ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft. Wer dieser Ausschussüberweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das ist die Zustimmung aus den Fraktionen CDU und AfD. Die Gegenstimmen bitte. Die Gegenstimmen kommen aus den Reihen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nachzäh- len!)

(Unruhe CDU, AfD)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag …

Herr Präsident, wir sind der Auffassung, dass da eine genaue Auszählung erforderlich ist. Das ist überschlägig aus Ihrer Sicht nicht zu machen.

Herr Abgeordneter Emde, Sie können versichert sein, dass meine Feststellung hier von diesem erhöhten Platz aus nicht überschlägig stattgefunden hat. Ich stelle fest, dass der Antrag auf Überweisung an den Ausschuss abgelehnt ist.

(Unruhe CDU)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag an sich. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Herr Präsi- dent, wir haben widersprochen! Sie können nicht einfach feststellen, wie Ihnen das lustig ist. Wir haben der Feststellung Ihres Ergeb- nisses widersprochen, dann müssen Sie aus- zählen laut der Geschäftsordnung!)

Was ich muss, stellt der Präsident selbst fest, Herr Abgeordneter Mohring.

(Unruhe CDU, AfD)

Ich habe das Ergebnis eindeutig festgestellt. Es wird hier …

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein!)

Ich muss jetzt abstimmen lassen über den Antrag an sich.

(Unruhe CDU)

Wer dem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das geht nicht!)