Protocol of the Session on December 17, 2015

Wissen Sie, wenn jetzt noch die CDU-ler hier rufen: Deswegen haben Sie gestern abgeschoben. Sie sind es, die uns öffentlich vorgeworfen haben, dass wir Rechtsbruch betreiben würden, weil Ihre Landräte sich verweigert haben,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil Herr Krebs wahrheitswidrig jedes Mal wieder erzählt hat, er kann nicht handeln und hat nicht einen Einzigen angemeldet.

(Unruhe CDU)

Das will ich Ihnen sagen: Ich freue mich nicht über die Abschiebung. Ich finde es unmenschlich, welche Praktikabilität hier angewandt wird an Bundesrecht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe CDU)

Rechtsstaatlichkeit suchen Sie sich offenkundig nur nach guter Laune aus. Man hat das Gefühl, dass Sie Abschiebungen brauchen, weil Sie Abschiebungen brauchen. Ich bin der festen Überzeugung, dass …

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Jetzt kommen dunkle Seiten hervor!)

Das stimmt, Sie sind da die dunkle Seite.

Ich erinnere mich an die letzten Monate, wie das Thema politisiert worden ist, wo wir es versucht haben verwaltungstechnisch zu lösen, wo wir Wege öffnen wollten, wie Bleiberechte, Duldungsrechte und andere Dinge. Ich erinnere mich, es ist die eine Fraktion, die verklagt uns gerade wegen des Winterabschiebestopps, und es ist die andere Fraktion, die der Meinung ist, dass das völlig unzulässig gewesen sei. Deswegen, meine Damen und Herren, sollten Sie beim Wort „Abschiebung“ sehr zurückhaltend sein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir praktizieren Rechtsstaatlichkeit. Ich habe volles Vertrauen in das, was Herr Lauinger und was Herr Poppenhäger dort als zuständige Minister mit allen,

die dafür zuständig sind und Verantwortung tragen, zurzeit vornehmen.

Ich wäre froh, wenn diese Menschen vorher ihre Chance der freiwilligen Ausreise nutzen würden. Ich wäre froh, wenn sie sich beraten lassen würden und sich überlegen, ob es nicht besser ist, wenn sie aus ihren Heimatländern Arbeitsmigrationsanträge stellen. Ich will das schon deutlich sagen, weil ich mich davor überhaupt nicht drücken will.

(Unruhe AfD)

Ich finde es sehr beklemmend, wenn auf einmal eingeteilt wird, wer hierhergehört und wer hier nicht hergehört. Andererseits habe ich rechtsstaatliche Prinzipien zu beachten, einzuhalten und ich werde sie auch durchhalten mit dem Kabinett. Es wird an dieser Stelle kein Vertun geben. Wir wollen uns darauf konzentrieren, dass die Menschen, die eine Bleibeperspektive haben, vom ersten Tag an die volle Unterstützung haben müssen.

Offenkundig hat die CDU auf ihrem Bundesparteitag nicht zugehört, als es um die Kompromisse ging und als man der Bundeskanzlerin zugejubelt hat, dass man eben Law und Order nicht als lautes Gepoltere betreiben kann. Ich finde es quälend im 26. Jahr der Öffnung der Grenze, dass in Europa wieder Zäune gebaut werden und wieder laut nach Mauern gerufen wird und wieder Waffengewalt als Anwendung praktiziert werden soll, um Grenzen zu sichern. Ich finde das quälend. Ich hätte gehofft, wir würden mehr über Friedenspolitik reden und mehr über die Menschen reden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber das scheint mir hier vergebene Liebesmühe zu sein. Ich will deutlich sagen, die 30.000 Menschen, die da sind, und die weiteren, die an uns nach Königsteiner Schlüssel verteilt werden, diese Menschen sind für uns eine große Chance, wenn wir die Voraussetzungen schaffen. Wir haben die Voraussetzungen im Haushalt geschaffen. Sie können das bewerten, wie Sie wollen. Ich halte das für unsere Menschenpflicht, dass wir die Voraussetzungen schaffen, dass die Menschlichkeit oberstes Gebot ist. Und ich halte es für unsere Pflicht, dass wir jedem Einzelnen die Chance geben, sich gut in dieses Land einzupassen.

Ich bleibe dabei, dazu gehört Sprache als Schlüsselelement, dazu gehört die Kunde über unser Land und dazu gehört das Ausprobieren, welche praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten jemand mitbringt, der hierhergekommen ist. Jeder Einzelne davon kann dazu beitragen, unserem Land zu helfen. Das wollte ich sagen.

Herr Mohring, in einem Punkt verstehe ich Sie überhaupt nicht: Wir haben 800.000 Flüchtlinge vom Bund vorgegeben bekommen. Sie tun so, als

(Ministerpräsident Ramelow)

ob wir falsche Zahlen anwenden. Der Bund hat die Zahlen vorgegeben. Wir suchen uns die Zahlen nicht aus. Ich höre dann eine Kakophonie aus der Union, wie die Zahlen alle richtig seien. Ein Einziger ist zuständig dafür, der heißt de Maiziere, der hat uns keine andere gegeben. Solange wir keine andere Zahl bekommen, planen wir auch keine andere ein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und Ähnliches betreiben Sie mit den unbegleiteten Kindern und Jugendlichen. Da haben Sie sich noch herreißen lassen in der TLZ, auch noch öffentlich zu sagen, dass wir die falschen Zahlen ansetzen würden, dass wir viel zu wenig ansetzen würden. Sie halten uns vor, dass wir den Haushalt aufblähen, und halten uns gleichzeitig vor, dass wir 1.000 Kinder nicht eingeplant hätten. Also hier müssen Sie sich mal entscheiden, was Sie eigentlich wollen.

(Unruhe CDU)

Ich meine, der Mensch hat zwei Gehirnhälften, aber dass Sie mit zwei verschiedenen Richtungen sprechen und offenkundig zwei verschiedene Münder haben, das finde ich ein bisschen quälend. Deswegen lernen Sie Opposition. Ich glaube, Sie haben es verdient.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Arrogant! Das holt Sie alles ein!)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Geht das Plenum mit mir konform, wenn ich jetzt feststelle, dass es keine Redeanmeldungen mehr gibt? Das sieht ganz stark danach aus. Deshalb schließe ich jetzt die Generaldebatte, die Generalaussprache. Ich muss ehrlich sagen, meine Damen und Herren auf der Besuchertribüne, es tut mir wirklich herzlich leid, aber das Plenum tagt seit 9.00 Uhr und geht jetzt tatsächlich in seine wohlverdiente Mittagspause von 30 Minuten. Das war so nicht geplant, die Abläufe haben sich leider verschoben. Ich bitte dafür um Verständnis. Wir setzen die Sitzung, meine Damen und Herren, um 14.35 Uhr fort.

Meine Damen und Herren, wir setzen die Sitzung fort. Wir sind immer noch beim Tagesordnungspunkt 1, Aussprache zu den Einzelplänen und zusammengefassten Komplexen. Wir beginnen mit dem Einzelplan 02 – Staatskanzlei –. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, die Redezeiten für die Fraktionen betragen für diesen Komplex für die CDU-Fraktion 18 Minuten, für die Fraktion Die Linke 17 Minuten, die SPD hat 8 Minuten, die AfD 6 Minuten und Bündnis 90/Die Grünen 11:20 Minu

ten. Ich eröffne die Aussprache und rufe als erste Rednerin Abgeordnete Walsmann von der CDUFraktion auf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es gibt hier eine eingeschworene Fangemeinschaft des Haushalts 02, voriges Jahr war diese auch nicht viel größer, aber nichtsdestotrotz widmen wir uns unserer Aufgabe.

Der 211 bzw. 214 Millionen Euro starke Haushalt der Staatskanzlei birgt nicht viele Überraschungen, aber einige interessante Details. Zu den Einzelheiten speziell im Kulturbereich, der ja immerhin 140 Millionen Euro des Haushalts ausmacht, wird mein Kollege Herr Kellner nachher noch Ausführungen machen.

Zu den Details – Mehrausgaben bei Personal: Die Aufwüchse von 2015 werden leider nicht zurückgenommen, sondern wachsen erneut um gut 1 Million Euro von 2015 zu 2016 auf. Kritik äußern wir auch an der Klientelpolitik, zum Beispiel durch Änderungsanträge der Regierungskoalition zugunsten der „Jugendpauschale“ und der „Kulturagenten für kreative Schulen“, nicht etwa der Titel wegen, sondern dass bei der Kultur gekürzt wird.

Ansonsten haben wir ziemlich viele kleinteilige Änderungsanträge – Kürzungen bei Gerichtskosten etc., das will ich Ihnen ersparen, diese zu bewerten – und vom Grundsatz her natürlich bislang auch keine Lösung bei der Theater- und Orchesterstruktur, nur Dialoge und interessanterweise immer ein Auftreten der Staatskanzlei im Doppelpack. Traut man sich nicht – ist da die Frage? Auch die Kofinanzierung bei Bundesmitteln, die Frage des Umgangs mit der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, das sind Punkte, die hier nicht außer Blick geraten sollen.

Kommen wir zunächst zur Staatskanzlei an sich. Zunächst ist es ein begrüßenswerter, aber interessanter Änderungsantrag der Regierungsfraktionen hinsichtlich der Kürzung Ihrer Dienstreisen, Herr Ministerpräsident – wenn auch nur um 10.000 Euro, aber Sie bleiben länger zu Hause. Besser wäre allerdings ein Antrag zur Einhaltung des vor der rotrot-grünen Übernahme festgelegten Stellenabbauplans gewesen. Das Gegenteil ist leider der Fall: Allein im Zeitraum 12/2014 bis 07/2015 zehn neue Stellen. In der Beantwortung einer Kleinen Anfrage haben Sie selbst ausgeführt: auch während der vorläufigen Haushaltsführung – was für mich interessant ist – acht Neueinstellungen, sieben ohne Erfahrungen im öffentlichen Dienst. Also die Begriffe „Eignung“, „Leistung“, „Befähigung“, die eigentlich Voraussetzung sind für eine Tätigkeit in der Verwaltungsebene, spielen hier überhaupt keine Rolle. Unabhängig davon auch das Stühlerücken, was auch etwas kostet, durch die Umstrukturierung. Mit

(Ministerpräsident Ramelow)

anderen Worten: insgesamt ein Finanzvolumen von mehr als 3 Millionen Euro für diese Tatsache.

Interessant auch die Kürzung bei der Plattform thueringen.de um 47.500 Euro, gerade vor dem Reformationsjubiläum und dem Bauhausjubiläum. Ich dachte eigentlich, dass diese Plattform für Werbung für das Land sorgen sollte. Sie müssen wissen, ob Sie das verantworten können oder nicht.

Stichwort „Europa“: Europa, die Interessen Thüringens in Brüssel vertreten. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, das sollten wir tun und das wollen wir auch tun. Europa verdient daher intensive Beachtung und Thüringen muss sich dort bestens vernetzen, um seine Interessen auch zu artikulieren. Wir vermissen die europapolitische Strategie von RotRot-Grün. Sie sind da mit ziemlich großem Brimborium in einen Diskussionsprozess gestartet, alles ganz neu, alles ganz öffentlich, neues Verfahren – und? Nichts, gar nichts. Aber immerhin, wir haben zum Glück noch eine alte europapolitische Strategie, die hilft auch noch ein Stückchen weiter.

Was unternimmt also die Landesregierung im Haushalt, um junge Menschen für die Idee Europas zu begeistern, was gerade in diesen Tagen vielleicht nicht ganz verkehrt ist? Und was unternimmt die Landesregierung, um Thüringen in Brüssel noch besser zu vernetzen? Die Plattform thueringen.de könnte übrigens auch hier einen Ansatz leisten, ist aber noch nicht bedacht worden.

Stichwort „Medien, Medienwirtschaft, Bürgermedien“: Die jungen Kreativen aus Thüringen sichern immer stärker Wachstum und Beschäftigung. Aber sie brauchen auch eine Plattform dafür. Ob Musikoder Filmwirtschaft, ob offene Kanäle oder Bürgermedien, ob Buch- oder Kunstmarkt, ob Softwareoder Games-Industrie: Thüringen hat eine lebendige Kreativ- und Medienwirtschaft. Wir wollen, dass sie wieder an Fahrt gewinnt, dass sie ihre Fahrt nicht verliert, dass sie noch stärker an Fahrt gewinnt, und dazu muss man das Profil Thüringens auch in dieser Weise schärfen. Wir sehen in Thüringen im Bereich der Medienwirtschaft Nachholebedarf. Wir sind da gar nicht weit auseinander. Das haben wir oft genug festgestellt. Es geht um Wertschöpfung, es geht um noch zu wenige Arbeitsplätze und es geht um das Nachdenken über richtige Stellschrauben. Darauf gibt aber der Haushalt keine neuen Antworten. Kann sein, dass Sie sagen, unsere waren die richtigen Antworten. Aber es kann nicht beim Status quo bleiben – hier ein bisschen Mut machen zu etwas mehr, denn hier geht es um wirtschaftliche Effekte, die wir für das Land gewinnen können.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: So ist es!)

Übrigens, hier ein Nebensatz zu dem absurden Änderungsantrag der AfD. Ich wollte mich nicht zu Ih

ren Vorschlägen äußern, aber an den muss ich mal ran. Ich erkläre Ihnen gern, was die Mitteldeutsche Medienförderung ist. Aber dort 1,3 Millionen Euro einsparen zu wollen, das ist einfach Quatsch, schlicht und einfach Quatsch.

(Beifall SPD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Die Mitteldeutsche Medienförderung unterstützt nun mal wirtschaftlich Erfolg versprechende Produktionen, die es sonst nicht gäbe: Stoffentwicklung, Produktion. Ich kann Ihnen nur eine Zahl nennen: Für jeden dort eingesetzten Euro kriegen wir 3 bis 3,50 Euro an wirtschaftlichem Effekt zurück. Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn man an der Stelle nicht noch aufsatteln würde. Das wäre meine Ermutigung, darüber nachzudenken, ob es da nicht noch ein Stückchen mehr gibt. Auch solche Firmen wie Ostlicht aus Weimar zum Beispiel würden keine Erfolge erzielen können, wenn es nicht die Förderung über die MDM gegeben hätte. Oder jetzt auch dieses Kooperationsprojekt des deutschniederländischen Fonds, der fördert mit 12.500 Euro einen Kinderfilmstoff. Und das ist richtig. Aber da muss man noch ein bisschen mehr ran, meine Damen und Herren.

Status quo für Bürgermedien: An dieser Stelle muss man vorsichtig vorangehen, das ist ganz klar. Aber wir haben in unserem Entschließungsantrag auch ein ganz deutliches Bekenntnis zu dem Medienstandort und insbesondere auch zu dem Profil Thüringens als Kindermedienland eingefordert.

Stichwort, ganz kurz, zur Kultur, meine Damen und Herren: Tradition und Kultur sind die vitale Basis für eine gute Zukunft eines Landes. Und all dies trägt dazu bei, Menschen in Thüringen zu halten, sie an Thüringen zu binden und die Anziehungskraft unseres Landes auch zu steigern. Deshalb ist eine verlässliche Kulturförderung Ausdruck unserer Verpflichtung gegenüber dem reichen kulturellen Erbe in Thüringen. Da haben wir einige Änderungsvorschläge der Regierungskoalition schon mit Verblüffung zur Kenntnis genommen, nämlich die Kürzung beim Programm für Projektmanager im kulturellen Bereich zugunsten der „Kulturagenten für kreative Schulen“ in 2017 um 64.000 Euro. Die Einführung des Programms vor Jahren war hart erkämpft – einige werden sich noch daran erinnern –, übrigens auch mit der damaligen Linken-Vertreterin Frau Klaubert. Das wird heute leichtfertig zurückgefahren, obwohl Mehrbedarfe da sind.